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der Göttin Vesta zu werden, damit sie unvermahlt und
ohne Kinder bliebe, und also auch sein Bruder keine
Erben hätte, welche ihm das Königreich streitig machen
könnten. Aber Rhea Sylvia, ob sie gleich Priesterin
war, vermahlte sich doch ohne sein Wissen, und wurde
Mutter von Zwillingsknaben, welche nachher den Namen
Romulus und Remus erhielten. Amulius aber entdeckte
diese Vermählung und die Geburt dieser Kinder, und
handelte sehr grausam gegen dieselben. Er befahl, daß
die beiden neugeborenen Knaben ausgesetzt würden, da-
mit sie sogleich umkämen. Das geschah denn auch, und
in einem Körbchen wurden sie beide fortgetragen, und
der Diener, welcher sie forttrug, setzte sie neben den groß-
ßen Liberstrom hin, weil er glaubte, daß die Wellen
emporsteigen und das Körbchen mit den Kindern ver-
schlingen würden, daß sie ihren Tod in den Wellen fän-
den. Aber nicht nur der Fluß verschonte die armen
hülflosen Kinder, sondern wie sie nun jammernd und
heulend dalagen, da kam aus dem nahen Walde eine
Wölfin und hörte das Geheul der Kinder, und lief nä-
her heran, und sah sie. Und statt wie ein wildes Thier
gegen sie zu wüthen, und^ sie zu zerreißen, erwieß sie sich
freundlich gegen die Knäblein, und legte sich so neben
sie, daß sie an ihren Brüsten saugen, und ihren wüthen-
den Hunger stillen konnten. Und aufdiese Weise, indem
auch die Wölfin immer wieder zu ihnen zurückkehrte,
wurden die Kinder erhalten, bis ein Hirt mit seiner
Heerde vorbeitrieb, und sie fand. Der erbarmte sich
nicht weniger über sie; er nahm sie mit nach Hause, und
übergab sie seiner Frau, welche sie ernährte und groß
zog, daß sie in dem Hirtenhaüse und unter anderen Hir-
tenknaben fröhlich heranwuchsen. Als sie aber groß
waren, da erwieß es sich bald, daß sie nicht von hirt-
lichem Stande, sondern von königlichem geboren waren.
Sie hatten so große Neigung zu kriegerischen Thaten,
daß sie sich unter eine Räuberschaar mischten, und in
der Gegend mit herumstreiften. Da aber wurden sie
eingefangen, und an den königlichen Hof gebracht, zu
ihrem Großoheim, dem König Amulius. Wie nun die-
ser an der Gesichtsähnljchkeit sie wieder erkannte, und
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126
Mönchsleben in dem Kloster Monkecassino ungern mit
dieser hohen Wurde vertauscht hatte, nun dieselbe auch
so bekleidete, daß er für Mit- und Nachwelt gar ver-
ehrungswürdig erschien. Er übersah von Rom aus nicht
nur die Angelegenheiten des byzantinischen Italiens, son-
dern indem er mit aufrichtiger Sorge auf das Wohl der
ganzen christlichen Kirche gerichtet war, so mußte ihm
vorzüglich das nahe Longobardenreich ein Gegenstand der
Bemühung sein, da die Longobarden ebenfalls, wie früher
die Gothen, arianische Christen waren, aber nicht von
so duldsamer und milder Art, sondern bei größerer Roh-
heit ihres Nationalcharakters auch in ihrer Glaubens-
meinung fanatisch. Wie es nun Gregors Hauptabsicht
war, für die Wiederherstellung der Rechtglaubigkeit in
der Kirche zu arbeiten, so fand er hierjn Unterstützung
durch eine berühmte Frau, die damals unter den Lon-
gobarden auftrat, die Königin Theodelinde. Nämlich
nach Alboins unglücklichem Tode, und nachdem die Lon-
gobarden schon einen ihrer Herzoge zum König erhoben
und wieder getödtet hatten, behauptete sich ein anderer
Herzog, Autharis, auf dem neugegründeten Thron, und
dieser König Autharis vermählte sich, obgleich er Aria-
ner war, doch mit einer katholischen Fürstentochter,
nämlich mit Theodelinden, der Tochter des Herzogs
Charibald von Bayern, welches Herzogthum dem Fran-
kenreich angehörte. Aber nur zwei Jahre war er mit
ihr vermahlt, als ihn ein früher Tod hinwegriß, Theo-
delinde aber hatte sich in dieser kurzen Zeit, obgleich sie
andern Glaubens war, unter den Longobarden so beliebt
gemacht, daß sie jetzt von dem Volke selbst aufgefordert
wurde, auf dem Throne zu bleiben und sich einen der
Herzoge zum Gemahl zu wählen. Sie wählte Agilulf,
den Herzog von Turin, und führte mit ihm vereint die
Herrschaft, wobei sie nicht nur im Allgemeinen dem
Volke viel Gutes erwieß, sondern sich auch auf gute
Weise bemühte, die katholische Rechtgläubigkeit unter
demselben einzuführen, ohne sich jedoch des Zwanges zu
bedienen. Bei dieser ihrer Bemühung mußte denn ein
gar freundschaftliches Verhaltniß zwischen ihr und Gre-
gor dem Großen entstehen, weiches sich auch bei der
Stiftung der eisernen Krone in Monza bewieß, mit
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Extrahierte Personennamen: Gregor Gregor Siegbert_von_Köln Brunhild Leander_von_Sevilla
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Ober-Italien Frankreich Westgothenreich Toledo Goswinde Sevilla
129
nun hierdurch seinen Vater, den König, gegen sich in
großen Zorn versetzte, so entstand daraus ein unheilba-
rer Zwist zwischen beiden, und Hermengild sah sich gleich-
sam zu einer Empörung gegen den Vater gezwungen,
wobei sich die Katholiken bewaffneten, und mit ihm ge-
meinsame Sache machten. So kam es, daß Löwegild
mit einem Kriegsheer gegen seinen Sohw ausziehen und
ihn in Sevilla belagern mußte. Hermengild war mit
seiner Macht zu schwach, um sich gegen den Vater zu
halten, jedoch glückte es ihm, als Sevilla eingenommen
wurde, nach Cordova zu entkommen, wo er Schutz bei
den Byzantinern suchen wollte; aber da ihn diese treu-
los verließen, so floh er in eine Kirche, und sandte aus
dem Heiligthum an seinen Vater, um dessen Gnade zu
erflehen. Er erhielt sie, und Reccared, sein jüngerer
Bruder, führte ihn zum Vater zurück, der ihn zwar wie-
der in seine Arme schloß, ihn aber doch nachher die
fürstlichen Gewänder ablegeu und nach Valenzia in die
Verbannung gehen ließ. So war nun zwar wieder
Ruhe gestiftet, aber da doch das Mißtrauen zwischen
beiden nie erlosch, so versuchte Hermengild aus Valen-
zia nach Frankreich zu entfliehen. In Taragona aber
wurde er von den Leuten seines Vaters ereilt und ge-
fangen gesetzt, und da er es durchaus verschmähte, auf
ariauische Weise das Abendmahl zu empfangen, so wurde
er hier auf Befehl-des Vaters enthauptet, und dadurch
ein neuer Märtyrer der katholischen Kirche, in welcher
er nachmals zum Heiligen erhoben wurde. — An die-
sem Glaubenskampfe zwischen König. Löwegild und sei-
nem Sohne hatte auch der König des Suevenreichs,
Miro, Theil genommen, und war dem Hermengild in
Sevilla, wiewohl zu spät, zu Hülfe gezogen. Denn die
Suevenkönige mußten an dem Schicksale der Katholiken
in Spanien Theil nehmen, weil nicht lange vorher die-
ses westlichste der germanischen Reiche auch auf besondere
Weise von dem arianischett zu dem katholischen Glauben
übergegangen war. Nämlich unter dem suevischen Kö-
nige Kararich , etwas vor den Zeiten Löwegilds, brach
im Suevenreich eine große und verwüstende Pest aus,
an welcher auch des Königs eigener Sohn erkrankte.
Da nun alle menschlichen Mittel vergeblich schienen, so
9
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Extrahierte Personennamen: Hermengild
Extrahierte Ortsnamen: Sevilla Sevilla Cordova Frankreich Taragona Sevilla Spanien
134
Brunhilden, und Chilperich von Soissons hatte Gales-
wintha. Letztere wurde am Hof zu Soissons von Fre-
degunden, einer Freundin des Königs getödtet, und da-
durch wurde ihre Schwester Brunhilde in Köln zur Rache
aufgeregt., Und wie nun noch vieles andere hinzukam,
so entwickelte sich die Geschichte dieser Brunhilde, die
als ein junges und liebenswürdiges Mädchen nach Köln
gekommen war, so schrecklich, daß sie eine Reihe von
Mordthaten beging, und dabei ihrer Söhne und Enkel
nicht schonte, bis sie endlich selbst im hohen Alter, als
achtzigjährige Frau, ein fürchterliches Ende nahm, indem
sie an den Schweif eines wilden Rosses gebunden und
zerfleischt wurde. Damit nahmen auch diese blutigen
Schreckensscenen im Frankenreich einigermaßen ein Ende.
Brunhildens Hinrichtung war im I. 615, und Gregor
der Große hatte diese letzten fränkischen Greuel nicht
mehr erfahren; er hatte schon im I. 601 sein frommes
Leben beschlossen, und seine königliche Freundin, die edle
longobardische Theodelinde, war ihm schon am Schluß
des Jahrhunderts vorangegangen, so daß sie das fürch-
terliche Ende der ihr so unähnlichen Zeitgenossin in
Frankreich auch nicht mehr sah.
Die Ermordung des Kaisers Mauritius. Das Ztvarenreich. Phokas.
Heraklius.
§ 25. Wohl aber erlebte Gregor der Große noch
die traurigen und schrecklichen Dinge, welche sich zu der-
selben Zeit mit den fränkischen Greueln in Byzanz zu-
trugen, wo die Ermordung der ganzen kaiserlichen Fa-
milie einen eben so traurigen Anfang des siebenten christ-
lichen Jahrhunderts bildete, als die merowingischen
Blutscenen für das Abendland. Dort in Byzanz hatte
der gute Kaiser Tiberius nach kurzer Herrschaft den
Thron seinem schon erwähnten Nachfolger Mauritius
überlassen, der bei einem strengen und frommen Charak-
ter seine gute Verwaltung hatte fortsetzen können, hat-
ten nicht ungünstige Umstande im Innern des Reichs
und von Außen sein und des Reichs Glück schrecklich
untergraben. Zu der großen Gefahr und Noch, welche
dieses alte Reich an seiner Ostseite zu erleiden hatte,
wo das persisch Reich in Asien, mit welchem schon Ju-
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Extrahierte Personennamen: Chilperich_von_Soissons Brunhilde Brunhildens Gregor
der_Große Gregor Gregor Tiberius
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Mauritius Byzanz Byzanz Mauritius Asien
— 149 —
in den darüber entstandenen Kriegen siegte endlich der
Hausmeier von Austrasien, Pipin von Heristall, beson-
ders durch die Schlacht von Testrie im I. 687, so ganz
über den von Neustrien, daß er seitdem die Macht über
das Königreich ganz allein besaß, und sie als ein Her-
zog von Frankreich ausübte, wahrend er immer noch in
Paris einen ohnmächtigen Schattenkönig bestehen ließ.
So war also im Fraukenreiche im Laufe des siebenten
Jahrhunderts das Verhältniß des königlichen Thrones
ganz umgebildet worden, und zu Ende desselben die
mächtige Herrschaft des austrasischen Hausmeiers ent-
standen. — Und so war es denn endlich auch, um an
das Letzte der Westlander zu kommen, in dem spani-
schen Westgothenreiche der königliche Thron, an wel-
chem sich das Schicksal dieses Reiches durch das sie-
bente Jahrhundert hindurch anknüpfte und auch für die
Zukunft vorbereitete. Es war nämlich gar sehr bedeu-
tend, daß in diesem Reiche die Königskroue nicht erb-
lich war, sondern daß nach dem Tode des Königs statt
dessen Sohn immer einer von den Großen des Reichs
durch freie Wahl auf den Thron erhoben wurde. Diese
falsche Einrichtung zerrüttete nun in diesem Jahrhun-
derte die inneren Verhältnisse des westgothischen Lebens
immer mehr. Denn wie auch mehrere Könige dieser
Zeit sich aufrichtig bemüheten, ihr Reich im Glück zu
erhalten, so wurden sie doch auf der einen Seite durch
die- ehrgeizigen Großen daran verhindert, von denen
sich jeder selbst Hoffnung auf den Thron machen konn-
te, andrerseits waren auch die Geistlichen in diesem
Reiche so mächtig, daß die Könige auch durch sie an
der rechten Ausübung ihrer Macht verhindert waren.
Doch kam das meiste Unglück im Lande von dem Ehr-
geize der Großen, welche der ruhigen und wohlthatigen
Königsherrschaft durch diese ganze Zeit hindurch so ent-
gegen arbeiteten, daß sie dadurch das Unglück und den
Untergang dieses Reichs vorbereiteten, welcher sich nach
Verlauf des siebenten Jahrhunderts als eine für ganz
Europa einflußreiche Begebenheit ereignete, -und mit
welcher das achte Jahrhundert im westlichen Europa
auf folgende Weise sich erössnete.
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Extrahierte Personennamen: Pipin_von_Heristall
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Paris Europa Europa
184
rührung kam: von Italien aus mit den Griechen, wie
in Spanien mit den Arabern; mit den Engländern durch
seine Freundschaft für die Bildung, und mit den Völ-
kern des Nordens und des Ostens durch mehrfache Kriege.
In dieser höchsten Blüthe seines Ruhmes hatte er nach
seiner Kaiserkrönung noch seine letzten Lebensjahre ver-
bracht, die nur noch durch den Anfang eines Krieges
mit den dänischen Normannen gestört wurden, der aber
durch den Tod des dänischen Königs Gottfried verhin-
dert wurde, als ihn in den letzten Jahren noch der Tod
feiner beiden ältesten Söhne Karlmann und Pepin schmerz-
lich traf. — Er hatte schon fein Reich unter seine drei
Söhne getheilt, und bestimmt, wie sie es nach seinem
Tode beherrschen sollten, und nun, da ihm nur noch
der jüngste, Ludwig von Aquitanien, übrig blieb, sollte
es uun an diesen allein kommen. Er ließ ihn deshalb
noch kurz vor seinem Tode aus Aquitanien nach Aachen
kommen, wo er in der Kirche bei einer großen Feier-
lichkeit die Krone von dem Altar nahm, und sie Ludwig
auf das Haupt fetzte, zum Zeichen, daß er sie von Gott
empfange. — Bald nachher nahte sich fein Tod, den er
mit frommer Vorbereitung erwartete. Er starb im Ja-
nuar 814, so daß er also bei einer langen Herrschaft
das Ende des achten und den Anfang des neunten
Jahrhunderts mit seinem Ruhm erfüllt hatte. —
Beschluß und Uebersicht.
§ 38. Wenn man nun von der Geschichte Karls
des Großen zurückblickt auf die bisherigen Zeiten des
Mittelalters, nämlich auf die vier Jahrhunderte, welche
von Theodosius dem Großen bis auf Karl den Großen
verflossen sind, so lassen sich die größten und allgemein-
sten Vorgänge derselben folgenderweise übersehen. Nach-
dem Theodosius der Große den Untergang des römi-
schen Reichs durch die Theilung desselben vergebens zu
hindern, und die Völker des Nordens von demselben
abzuhalten gesucht hatte, nachdem darauf die germani- ,
scheu Völker das westliche dieser beiden römischen Reiche
unter sich getheilt, und es in eine Reihe germanischer
Königreiche zerlegt hatten, wobei jedoch das oströmische
Reich noch stehen blieb, so hatten sich nun in der süd-
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Extrahierte Personennamen: Gottfried_verhin- Karlmann Ludwig_von_Aquitanien Ludwig Ludwig Ludwig Gott Karls Theodosius_dem_Großen Karl Karl Theodosius_der_Große
186
Zweiter Abschnitt.
Die Entstehung großer Verhältnisse im Abendlande und
die Richtung derselben in die Ferne.
Vom Tode Karls des Großen bis auf den Tod Lud-
wigs des Heiligen in Frankreich oder das Ende
der Kreuzzüge.
Ludwig der Fromme. Der Bruderkrieg seiner Söhne. Die Theitung
des karolingischen Frankenreichs im Vertrag von Verdun.
§ 1. Nach dem Lode des großen Mannes, an des-
sen Kraft und Geist das Schicksal so vieler Völker ge-
knüpft war, kam es wohl gar sehr darauf an, nickt
nur für Frankreich und Deutschland, sondern auch für
das ganze europäische Abendland, wie es nun mit seinem
gewaltigen Reich werden und ob dasselbe fortbestehen
würde. Bald aber sah man, daß sein Sohn und Nach-
folger, Ludwig der Fromme, ihm gar unähnlich war,
und an Größe und Kraft weit hinter ihm zurückstand.
Weil er bisher nur König von Aquitanien gewesen war,
wo ihn die Räthe und Feldherren seines Vaters in der
Herrschaft unterstützt harten, so hatte er dadurch seinen
Sinn gleichsam verwöhnt, daß er sich von der selbsttha-
tigen Ausübung der Herrschaft zurückzog; dagegen hatte
er dort im stillen Umgänge mit den Geistlichen die Be-
schäftigung mit gelehrten, vorzüglich mit kirchlichen An-
gelegenheiten, lieb gewonnen. Als er nun auf den Thron
seines Vaters kam, und das gewaltige Reich vor sich
sah, welches er nun beherrschen sollte, so fühlte er, weil
ihm die Kraft und die Einsicht dazu mangelte, gar bald
eine Abneigung gegen die Herrscherthätigkeit, die er nun
kräftig ausüben sollte, und er sehnte sich vielmehr nach
seinen stilleren Beschäftigungen mit geistlichen Dingen
zurück. Daher kam er auch, nachdem er nur erst we-
nige Jahre geherrscht hatte, auf den Gedanken, sich die
Ausübung seiner Herrschaft dadurch zu erleichtern, daß
er, wie einst sein Vater, die einzelnen Theile seines Reichs
als besondere Königreiche an seine Söhne gab; er ver-
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Extrahierte Personennamen: Karls Ludwig Ludwig_der_Fromme Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Verdun Frankreich Deutschland
fuhr aber dabei so, daß er seine Macht zu sehr aus den
Händen gab. Indem er nämlich seinem zweiten Sohn
Pepin sein sonstiges Königreich Aquitanien, dem jüng-
sten Ludwig Deutschland gab, seinen ältesten Sohn Lo-
thar aber schon zum Mitregenten in dem Kaiserthum
und so zu gleicher Macht mit sich selbst erhob, so berei-
tete er sich dadurch selbst die traurigsten Schicksale, und
dem großen Frankenreiche eine baldige Auflösung. Bald
zeigte der älteste Sohn Lothar bei der Theilnahme an
der Herrschaft einen so rauhen Charakter gegen den
Vater und die Bruder, daß dadurch in der Familie du»
größte gegenseitige Feindseligkeit entstand, und diese
wurde noch gar sehr vergrößert, als sich Kaiser Ludwig
zum zweitenmal vermahlte, nämlich mit Judith, der
Tochter des Herzogs von Bayern, und als ihm von
derselben noch ein Sohn, Karl, geboren wurde. Denn
nun wünschte Judith, daß auch diesem Sohne ein Theil
des Reichs als ein besonderes Königreich sollte bestimmt
werden, und da Ludwig ihren Bitten nicht widerstehen
konnte, und die schon vorgenommene Theilung seiner.!
Reichs zum Besten Karls wieder abandcrn, also den:
anderen Söhnen wieder etwas von dem schon Verliehe-
nen entreißen wollte, so wurde dadurch die Unzufrieden-
heit der Söhne gegen den Vater auf das Höchste ge-
bracht. Es kam sogar dahin, daß sie das Schwerdt
gegen ihn ergriffen, und daß er nun mit seinen eigenen
Söhnen, die sich gegen ihn empörten, Krieg führen
mußte. Und obgleich damals wieder der Pabst von Rom,
Stephan Iv., nach Frankreich kam, um sie durch sein
Zureden zu versöhnen, und der unchristlichen Feindschaft
zwischen Vater und Söhnen ein Ende zu machen, so ge-
lang es ihm doch nicht, vielmehr nahm es bei dem wei-
teren Fortgang dieser Dinge für Ludwig ein gar betrüb-
tes und schmachvolles Ende. Als er nämlich mit seinem
Kriegsheer dem Heere seiner Söhne auf dem Rothfeld
bei Colmar im Elsaß gegenüberstand, um mit ihnen eine
Schlacht zu liefern, da wurde er auch noch von den
Lehnsleuten verlassen, welche ihm bisher treu geblieben
waren, und da er sich nun mit seiner Gemahlin Judith
und seinem jüngsten Sohne ganz allein sah, so war er
gezwungen, sich seinen Söhnen selbst zu überliefern, die
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Extrahierte Personennamen: Ludwig_Deutschland Ludwig Lothar Ludwig Ludwig Judith Karl Karl Judith Ludwig Ludwig Karls Schwerdt Stephan_Iv. Ludwig Ludwig Judith
Extrahierte Ortsnamen: Bayern Karls Rom Frankreich Colmar Elsaß
— 189 —
im Juni 810. — So war nach der großen und ruhm-
reichen Herrschaft seines Vaters die schwache und trau-
rige Herrschaft Ludwigs des Frommen vorübergegangen,
und dadurch schon das große und wohleingerichtete Reich
in Zerrüttung und Verderbniß gestürzt worden. Und
nun nach seinem Tode wurde es nicht besser, sondern
noch schlimmer, weil der Besitz und die Herrschaft des-
selben noch ganz unbestimmt 'war. Denn indem jetzt
Lothar sich zum Kaiser über das ganze Reich erhob, und
dabei die Macht seiner Brüder schwachen und unter-
drücken wollte, so geriethen jetzt wieder diese drei Brü-
der -gegen einander in einen furchtbaren Krieg, der einige
Jahre hindurch wüthete und die Lander des Reichs ver-
heerte, bis endlich die beiden jüngeren Brüder Ludwig
und Karl gegen Lothar die blutige Schlacht bei Fonte-
nai lieferten, im Jahr 812, in welcher der Sieg unent-
schieden blieb. Da sie aber so mörderisch gewesen war,
daß eine große Menge des fränkischen Adels dort um-
gekommen war, so entstand im Lande der größte Unwille
des ganzen Volkes, so wie der Geistlichen und Lehens-
leute gegen die königlichen Brüder, und durch öffentli-
ches lautes Murren gezwungen, mußten sie endlich Frie-
den mit einander schließen. Bei einer persönlichen Zu-
sammenkunft auf einer Insel in der Saone beredeten
sie sich, das Reich mit einander zu theilen, und diese
Theiluug wurde dann bald darauf in dein Vertrag von
Verdun im Jahr 843 auf folgende Weise angeordnet.
Lothar erhielt Italien mit der Kaiserwürde, welche an
dem Besitze dieses Landes hing und außerdem einen
schmalen Landstrich von den Alpen an bis zur Nordsee
zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen dem Rhein
und der Schelde. Dieses langgedehnte Reich mit den
Hauptstädten Aachen und Rom, hieß damals Lothars-
Reich, weshalb nachher der nördliche Theil desselben den
Namen Lothringen behielt. Ludwig der Deutsche oder
der Baier erhielt alles Land östlich vom Rhein, also
Deutschland, so weit es zum Frankenreiche gehörte, und
er nahm seinen Sitz in Regensburg. Karl der Kahle
erhielt im Westen den übrigen Theil von Frankreich,
und nahm seinen Sitz in Paris. So also zerfiel das
große Reich Karls des Großen zuerst wieder in einzelne
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