28
sche Seeadmiral, Themistokles, welcher sich als seinen
geheimen Freund anstellte, ihm durch einen eiligen Bo-
ten sagen ließ, die siegreichen Griechen hatten die'ab-
sicht, nun schnell nach dem Hellespont hinzusegeln, und
seine Brücke daselbst zu zerstören, damit er gar nicht
nach Asien zurückkommen, und sie ihn in Griechenland
gefangen nehmen kannten. Diese von Themistokles listig
ausgesonnene Nachricht ängstigte den großen König so
.sehr, daß er mit der schnellsten Flucht nach dem Helles-
pont zurückeilte, um seine Brücke noch zu finden. Und
doch fand er sie nicht mehr. Obgleich die Griechen nicht
daran gedacht hatten, dahin zu segeln und sie zu zerstö-
ren, so hatte sie doch indeß der Sturm zum zweitenmal
hinweggerissen, und er stand nun am diesseitigen Ufer
und war, weil auch seine Schiffe nicht zugegen waren,
in großer Besorgniß, wie er hinüber kommen wollte.
Endlich brachten ihm phönicische Schiffsleute, die auch
seine Unterthanen waren, ein kleines Boot herbei, wel-
ches er mit den Vornehmen und Großen, die ihn um-
gaben, bestieg, um hinüber zu segeln. Aber als sie nun
schon auf den Wellen waren, da kam wieder ein gewal-
tiger Sturm, und das Fahrzeug schwankte so heftig,
daß sie alle erwarten mußten, von den Sturmwogen
verfchlungen zu werden. Da nun, in diefer höchsten
Noth, erklärten die phönicifchen Schiffsleute, daß sie
sich wohl getrauten, durch den Sturm hindurch zu ru-
dern und den König am Leben hinüber zu bringen, wenn
sich nur die vornehmen Freunde des Königs entschließen
wollten, in das Meer zu springen, um dadurch das
Schiff zu erleichtern, weil es sonst nicht möglich sey.
Natürlich mußten die Freunde des Königs ihm ihr Le-
den opfern; sie stürzten sich in das Meer und fanden
den Tod, wahrend der König nun glücklich an die asia-
tische Küste hinüber kam. Wie er dann aber wieder auf^
dem Trockenen war, da ließ er die Schiffsleute vor sich
kommen, um sie für seine Lebensrettung königlich zu be-
lohnen. Und nachdem sie diesen herrlichen Lohn empfan-
gen hatten, befahl er, daß sie nun auch dafür bestraft
würden, daß sie feine Freunde zu Tode gebracht hätten;
allen wurde der Kopf abgeschlagen. — Auf diese Weise
kam Xerxes aus Europa nach Asien zurück.
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Extrahierte Personennamen: Xerxes
Extrahierte Ortsnamen: Asien Griechenland Europa Asien
99
fahr Europa's in der Mitte des fünften Jahrhunderts,
vollendete sich in der zweiten Hälfte desselben das Schick-
sal des weströmischen Reichs, welches seitdem nur noch
zwei Jahrzehnde in seinem traurigen immer mehr dahin
sinkenden Zustande fortdauern sollte, um dann auch in
Italien selbst der deutschen Herrschaft Platz zu machen.
— Dazu legte Valentinian Iii. (Placidia war nun schon
längst gestorben), durch eine schändliche Undankbarkeit
den Grund, indem er den tapfern Aötius, der in der
Schlacht bei Chalons das Reich mit gerettet hatte, mit
eigener Hand tödtete, als wollte er, wie man damals
sagte, mit seinem linken Arm seinen rechten abhauen.
In der großen Unzufriedenheit der Römer über ihn wurde
er von einem vornehmen Römermaximus auf dem Mars-
feld mitten unter seinem Gefolge ermordet. Und wie nun
Maximus sich selbst zuck Kaiser erhoben, und die Kai-
serin Eudoxia, die Tochter des oströmischen Kaisers Theo-
dosius Ii., sogar zwang, sich wieder mit ihm zu vermäh-
len, da führte diese Frau, um ihre Rache zu stillen,
noch einmal ein großes Unglück über Rom herbei. Sie
schickte in das Vandalenreich an Geiserich, der noch im-
mer lebte, und lud ihn ein nach Rom zu kommen, um
den Mord ihres ersten Gemahls zu rächen. Gern folgte
er dieser Einladung, und als nun eine vandalische
Flotte in die Mündung der Tiber einlief, und in Rom
wieder Noch und Jammer herrschte, da wurde Maxi-
mus in dem Getümmel von den Römern selbst zu Tode
gesteinigt, nichts desto weniger aber mußten Rom und
die Kaiserin Eudoxia großes Unglück erleiden. Noch
einmal brauchte Bischof Leo seine Beredsamkeit auch ge-
gen Geiserich; aber nur das erhielt er, daß Rom nicht
in Brand gesteckt wurde. Dagegen plünderten die Van-
dalen vierzehn Tage lang in Rom, und brachten große
Beute von Gold und Silber auf ihre Schiffe, und auch
schöne Kunstwerke der alten Zeit, wovon vieles auf der
Rückfahrt im Meere unterging. Auch die Kaiserin Eu-
doxia selbst wurde mit ihren zwei Töchtern als Ge-
fangene nach Karthago geführt, und hatte auf diese
Weise die Befriedigung ihrer Rachsucht schwer zu be-
reuen. — Dieses geschah im Jahre 455. — Und von
7 *
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Extrahierte Personennamen: Placidia Eudoxia Leo Leo
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Rom Rom Rom Rom Karthago
in —
den Sommer nach einander, vom I. 668 bis 675, sah
man sie mit einer ungeheuren Flotte vor dieser Stadt
erscheinen, und den Hafen ganz umgeben. Und obgleich
der damalige Kaiser, Constantin Iv., seinem Großvater
Heraklius nur in seiner Weichlichkeit und Indolenz, nicht
aber in seiner Tapferkeit ähnlich war, und also für die
Vertheidigung feiner Hauptstadt wenig that, so war es
nun doch eben ihre Lage und Festigkeit, die den Arabern
so glücklich Trotz bot, daß sie endlich nach großen Ver-
lusten, besonders an Schiffen, welche die Griechen ver-
brannten, von der Belagerung abstanden. Sie sahen
auf diese Weise durch diese Stadt ihren Siegeslauf nach
Westen herüber gehemmt, und Constantinopel hatte sich
als ein Bollwerk für das christliche Europa bewiesen.
Die christlichen Länder des Westens. Die fränkischen Merowinger
und ihre Hausmeier. Die Slaven aus den Zeiten Dagoberts. Die
christlichen Apostel. Das westgothische Reich.
§ 28. Während nun das siebente Jahrhundert in
seinem ganzen Verlauf in dem Osten Europas nur die-
sen einen Vorgang zeigte, nämlich den Kampf des grie-
chischen Reichs mit dem emporkommenden und sich ge-
waltig ausbreitenden arabischen Leben, so daß auch am
Ende dieses Jahrhunderts unser christlicher Welttheil
von diesem gewaltigen Feinde nach Süden hin so sehr
bedroht war, indem ja die Araber im Westen bis an die
Meerenge von Gibraltar gekommen waren, während
dieses Jahrhunderts also, welches für den Osten so äu-
ßerst bewegt war, bot dagegen der Westen Europas in
seiner Ländergeschichte ein Bild der äußeren Ruhe dar,
indem nun hier nicht mehr, wie in den letztvergangenen
Jahrhunderten, durch Völkerzüge Reiche gestürzt und
neue errichtet wurden, sondern es blieben hier die vier
germanischen Reiche, welche sich in Folge der Völker-
wanderung gebildet hatten, die Heptarchie der Angel-
sachsen in England, das Reich der Westgothen in Spa-
nien, welches sich nun über die ganze Halbinsel ausbrei-
tete, das fränkische Reich der Merowinger, welches tief
nach Deutschland hereinreichte, und wohl von allen das
größte war, und endlich das Reich der.longobarden in
Italien, welches dieses Jahrhundert hindurch so fortbe-
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165
denkönig Aistolf so hoch, daß Stephan Iii. selbst nach
Frankreich reiste, um bei König Pepin Hülfe zu suchen.
Bis in das Wallis schickte ihm der König einen Her-
zog entgegen, um ihn an den Grenzen des Reichs feier-
lich zu empfangen, und von Pontechon aus ging er selbst
mit seiner Gemahlin und seinen Söhnen ihm entgegen;
ja als er ihn ansichtig wurde, stieg er selbst ehrerbietig
vom Pferde, ergriff dagegen den Zügel des Pferdes,
worauf der Pabst saß, und leitete ihn so bis in seinen
Pallast. Es waren auch schon hier alle fränkischen Gro-
ßen und eine große Menschenmenge auch aus fernen
Landschaften zusammengeströmt, denn die Anwesenheit
des heiligen Vaters im Lande galt für eine große Be-
gebenheit. Und dann, als er im feierlichen Zug nach
Paris selbst gekommen war, wurde in der Abtei St.
Denis noch einmal die Krönungsfeier Pepins begangen,
wobei nun Stephan in eigener Person die Krönung und
Salbung sowohl an Pepin als an seinen Söhnen ver-
richtete, wodurch dieses neue Königsgeschlecht recht nach-
drücklich vor dem fränkischen Volke geheiligt werden
sollte. Auch ließ Stephan an das fränkische Volk eine
besondere Ermahnung zur Treue für dieses Geschlecht
ergehen, und fügte die Drohung des apostolischen Flu-
ches für diejenigen hinzu, die diese Treue verletzen wür-
den. — Nach so vielen Erweisungen gegenseitiger Freund-
schaft mußte auch Stephan die Absicht seiner Reise er-
reichen, und als er nach Rom zurückgekehrt war, so
durfte er nun die harten Angriffe der Longobarde» nicht
lange mehr ertragen. Denn Pepin, nachdem er den Kö-
nig Aistolf erst durch Drohungen geschreckt, zog nach-
her, als Aistolf den Pabst doch wieder beunruhigte, mit
einem Kriegsheer nach Italien, und nach baldiger Ue-
berwindung der Longobarde«, die seiner Kriegskraft
nicht gewachsen waren, verschaffte er nicht nur dem
Pabste Ruhe und Sicherheit, sondern er bewiest ihm
auch noch seine Freundschaft auf eine besondere sehr fol-
genreiche Weise. Da nämlich König Pepin in diesem
Kriege den Longobarden eine Landschaft in Italien ab-
nahm, nämlich an der Ostküste das sogenannte Exer-
chat, welches früher dem griechischen Kaiser gehört hat-
te, so gab er nun diese Landschaft dem heiligen Vater
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Extrahierte Personennamen: Stephan_Iii Pontechon Denis Krönungsfeier_Pepins Stephan Stephan Stephan
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Paris Rom Italien Italien
199
verglichen werden kann. Eines von diesen Fürstenthü-
mern soll auch schon in jenen Zeiten bedeutender gewe-
sen sein, nämlich das Fürstenthum Lethra auf der Insel
Seeland, wo auch eine uralte Stadt Lethra, in der Nähe
des heutigen Roschild, gestanden hat. Keineswegs nun
wohnten diese skandinavischen Stämme dort diese Zeiten
hindurch friedlich neben einander, sondern weil sie über-
haupt noch roh und kriegerisch waren, und weil sie bei
überhand nehmender Bevölkerung nach den vielfältig
zerrissenen Küsten Hingetrieben wurden, wo sie meisten-
theils auf Fahrzeugen umherfegeln mußten, fo geriethen
sie in die Gewohnheit des Seeraubes, zuerst gegen ein-
ander selbst, und es entstanden unter ihnen die soge-
nannten Seekönige, welche gar kein festes Land befaßen,
sondern auf mehreren Schiffen eine Volksfchaar um sich
hatten, über welche sie herrschten und mit welcher sie
Raub trieben. Dieser zerrissene und rohe kriegerische
Zustand des skandinavischen Nordens dauerte nun im-
merfort, bis sich zuerst einer dieser vielen Fürsten eine
größere und weiter ausgebreitete Herrschaft erwarb.
Das war nun Iwar Widfadme, das heißt, der Weit-
fahrende, weil er weit umherfegelte und Ländersiriche
eroberte, und er lebte am Ende des sechsten Jahrhun-
derts, also in den Zeiten, wo in Italien Gregor der
Große und die Königin Theodelinde walteten, wo in
Byzanz der unglückliche Kaiser Mauritius herrschte, wo
man in Frankreich die Unglücksgefchichte Brunhildens
erlebte, und wo man in Spanien den Sieg der Recht-
gläubigkeit und in England die neue Entstehung des
Chrisienthums sah. Damals also lebte Iwar Widfa-
dme und hatte seinen Sitz auf der Halbinsel Schonen,
dem südlichen Theil von Schweden, von wo aus er nicht
nur dieses Land beherrschte, nachdem er die letzten Png-
linger hatte tödten lassen, sondern er sott auch alle Kü-
sten der Ostsee, und selbst Preußen, Pommern und Mek-
lenburg erobert haben, und nachher war sein Reich auch
über Dänemark ausgebreitet. Und dieses Reich dauerte
denn auch fort, und in den Zeiten Karls des Großen
herrschte in demselben Ragner Lodbrock, der um das
Jahr 791 eine Seefahrt nach England machte, und in
diesem Lande einen sehr merkwürdigen Heldentod fand.
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Extrahierte Personennamen: Gregor Karls
Extrahierte Ortsnamen: Fürstenthum_Lethra Seeland Italien Byzanz Mauritius Frankreich Brunhildens Spanien England Schweden Ostsee Pommern England
201
dem Städtchen Hädeby, wo sich viele Dänen in der
Sley von ihm taufen ließen, die erste christliche Kirche
erbaut, und war auch nachher nach Schweden hinüber
gegangen, und hatte gelehrt und getauft, und hatte auch
dort die erste christliche Kirche in Virka gebaut, so^er-
nannte ihn der Pabst Nicolaus I. zum Erzbischof über
die neugegründete Kirche des Nordens, und sein erz-
bischöflicher Sitz war in Hamburg, von wo aus er für
das neue Christenthum im Norden gar eifrige Sorge
trug. Aber die wilden und raublustigen Normanner
wurden nicht nur durch ihre Othins-Priester gegen die
christliche Lehre, welche sie haßten, aufgereizt, sondern
weil ihnen durch diese Lehre geboten wurde, von ihren
Raubzügen abzulassen, so waren sie auch um so mehr
gegen dieselbe erbittert, und deshalb wurde es auch dem
heil. Ansgar unter ihnen überaus schwer. Ja schon in
den ersten Jahren seiner Bemühungen geschah es, daß nicht
uur in den Nordländern seine Kirchen zerstört und seine
Gemeinden zerstreut wurden, sondern ein anderer König
von Dänemark, Erich, überfiel mit einer großen Flotte
auch Hamburg, und zerstörte dieses Erzbisthum wieder,
so daß, als dort die Kirche und alles in Flammen auf-
ging, der heilige Ansgarius mit den Reliquien entfliehen
mußte, und nun gar nichts mehr hatte. Da schenkte
ihm eine fromme Wittwe in Ramslo bei Hamburg ein.
kleines Gütchen, auf welchem er wieder ein Kloster er-
baute, um sich in demselben noch Gehülfen zu erziehen,
und von hier aus sein heiliges Werk mit großer Stand-
haftigkeit von neuem zu beginnen. Das war im Jahr
818, also nach dem Tode des Kaisers Ludwig, und nach-
her war der deutsche König Ludwig dem heiligen Manne
so gewogen, daß er ihm das Erzbisthum Bremen gab.
Und wie er nun von hier aus die Kirche in Hamburg
wieder herstellte, und seine Glaubensbokschaft im Nor-
den von neuem anfing, so war er nun durch mancherlei
Umstände wieder glücklicher dabei, daß er dort seine
Kirchen wieder aufbauen und neue Gemeindeu sammeln
konnte, aber immerfort blieb der Haß der Normanner
gegen ihn, den sie den Vater der Christen nannten.
Und während dieser Zeit seiner Glaubensbotschaft im
Norden, bei welcher er eine Reihe von Jahren bis an
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Extrahierte Personennamen: Ansgar Erich Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
202
seinen Tod standhaft ausharrte, wurden die Normanner
immer mehr gegen die christlichen Lander des Südens
aufgeregt. Sie begannen nun ihre räuberifchen See-
zuge in weite Ferne zu richten, und gleichfam aus der
bisherigen Dunkelheit des Nordens hervortretend, war-
fen sie sich nach drei verfchiedenen Richtungen hin auf
andere Gegenden Europas, wo sie gar merkwürdige
Vorgänge veranlaßten, wie es nun weiter zu erzählen ist.
Einfälle der Normannen in die christlichen Länder des Südens. Karl
der Drcke. Gründung der Normandie in Frankreich unter Karl dem
Einfältigen. Gorm der Alte in Dänemark.
§ 6. Am meisten waren sie gegen die Franken
erbittert, von denen das Christenthum zu ihnen ge-
kommen war, und gegen welche sie von heftigem
Nationalhaß entbrannt wurden. Unablaßig erfchienen
daher ihre Schaaren an den Küsten von Deutschland
und Frankreich, welche sie plünderten und verheerten.
Auf langen Fahrzeugen, mit denen sie schnell segeln und
in die Flußmündungen einlaufen konnten, kamen sie all-
jährlich zum Schrecken der Einwohner, die bei dem Ver-
fall der karolingischen Herrschaft keinen Schutz gegen
sie fanden. Auf dem Rhein, auf der Seine und Loire
schifften sie tief in das Land herein und verübten vor-
züglich in den französischen Städten, die an den Flüssen
lagen, wie in Paris und Nantes, schreckliche Gewaltthä-
tigkeiten. Ihren Haß gegen das Christenthum erkannte
man am meisten daran, daß sie sich vorzüglich auf Klö-
ster und Kirchen warfen; wenn sie mit unwiderstehlicher
Schnelligkeit eingedrungen waren, und die geistlichen
Personen, die nicht entfliehen konnten, ermordet hatten,
dann waren sie nicht damit zufrieden, die heiligen Ge-
fäße und andere Kostbarkeiten der Kirchen auf ihre Schiffe
zu bringen, sondern sie fetzten auch die heiligen Gebäude
selbst in Brand, um sie zu vernichten. Und nicht lange
beschränkten sie sich hiermit nur auf die an der Ost-
und Nordsee gelegenen Länder des Frankenreichs, son-
dern indem sie mit wachsender Kühnheit auch auf das
atlantische Meer hinausfegelten, und bis in das mittel-
ländische vordrangen, wurden sie eine Plage für den
ganzen Süden, und Portugal und Spanien, und sogar
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Europas Frankreich Dänemark Deutschland Frankreich Rhein Paris Nantes Nordsee Frankenreichs Portugal Spanien
206
und so das jetzige Königreich England stiftete, welches
jetzt auch erst diesen Nahmen erhielt. Dieses ge-
schah gegen das Jahr 830 n. Ch. Geb., also zu den
Zeiten Ludwigs des Frommen und des Kaisers Theo-
philus. Schlimm aber war es, daß er für sein neuge-
stiftetes Königreich keinen tüchtigen Nachfolger hatte,
denn sein Sohn Ethelwulf, der ihm 837 nachfolgte, war
ein Mann von eben so schwächlicher Frömmigkeit, wie
Kaiser Ludwig der Fromme, und eben so wie dieser
theilte er schon bei Lebzeiten sein Reich unter seine Söhne,
und mit dem jüngsten, Alfred, den er vorzüglich liebte,
machte er eine Pilgerfahrt nach Rom, um ihn dort vom
Pabste selbst salben zu lassen. Die Uneinigkeiten, welche
dadurch in seiner Familie entstanden, waren für England
um so schlimmer, da nun, wie gesagt, die Einfälle der
Normannen hinzukamen, welche hier unter dem Nahmen
Dänen erschienen, und nicht nur die Küsten dieser Insel
mit gleicher Wuth, wie die französischen, anfielen, son-
dern sich auch ganzer Striche bemächtigten und sich im
Lande festsetzten. Nachdem nun die älteren Söhne Ethel-
wulfs, von denen nach seinem Tode einer nach dem an-
dern hinstarb, viel bessere Kämpfe gegen sie bestanden
hatten, als die fränkischen Karolinger, so gelangte zu-
letzt der jüngste von ihnen, Alfred, im zwei und zwan-
zigsten Lebensjahre, im Jahre 871, auf den Thron, und
sollte nun in den letzten Zeiten des neunten Jahrhun-
derts, wie Karl der Große um ein Jahrhundert früher,
als der größte, zugleich aber auch als der edelste Mann
seiner Zeit erscheinen. Nach schönen Siegen, die er
noch mit seinem Bruder über die Dänen erfochten hatte,
und nachdem er durch Erbauung großer Schiffe, mit
denen er an den Küsten ihren langen Fahrzeugen begeg-
nen ließ, einen guten Anfang zu ihrer Abwehr gemacht
hatte, war er dennoch gegen ihre gewaltigen Massen,
mit denen sie das Land, immer von neuem überfielen,
unglücklich, und sah ein, daß er sein Königreichs nur
auf außerordentlichem Wege vor ihnen retten würde.
Er gab daher die Gegenwehr gegen die Dänen auf
einige Zeit ganz auf, um sein Volk in Verzweiflung ge-
rathen zu lassen, und es dadurch zur höchsten Kraftan-
strengung zu bringen. In eine sumpfige Gegend zog er
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Extrahierte Personennamen: Ludwigs Ludwig Ludwig Alfred Alfred Karl_der_Große Karl
322
in den Wissenschaften zu bilden gesucht, und vorzüglich
über die Gestalt und Beschaffenheit der Erdkugel und
ihrer Oberfläche nachgedacht, wozu ihn, da er ein den-
kender Geist war, der Anblick der großen Meere veran-
laßt^ Und eben weil er nicht nur Großes sah, sondern
auch über das Gesehene nachdachte, so kam er auf den
Gedanken, daß es unmöglich sei, daß die große Erdku-
gel nur auf der einen Seite festes Land habe, und an
der anderen ganz und gar vom Meer bedeckt sei. Er
meinte, daß diese völlige Leerheit der von uns abgewand-
ten Halbkugel mit den Gesetzen der Natur nicht über-
einstimme, er glaubte, daß das äußerste südöstlichste Land
von Asien, nämlich Indien, sich noch weit auf die an-
dere Halbkugel hinüber fortsetze, und daß man, da die
Erde rund sei, diese jenseits gelegenen Theile von In-
dien finden müsse, wenn man von Europa aus nach
Westen hin über das Meer segele. Wie sehr mußte bei
ihm, da er zugleich ein kühner Seemann war, der Wunsch
erwachen, diese weite Seefahrt selbst zu machen, um die
jenseitigen Länder zu entdecken. Und da ihm endlich,
nachdem die Genueser und andere seefahrende Mächte
von seinem Unternehmen nichts wissen wollten, weil sie
seine klugen Gedanken nicht verstehen konnten, da ihm
endlich die hochgesinnte Königin von Kastilien, Jfabella,
einige Schiffe und zugehörige Seeleute verwilligte, so
segelte er von Spanien aus ab, und segelte immer wei-
ter in westlicher Richtung auf das offene Meer hinaus,
wobei ihm ja nun die Erfindung der Magnetnadel zu
Hülfe kam. Freilich gar lange segelte er fort, ehe nur
etwas anderes zu sehen war, als der Himmel und das
Meer, und auf dieser langen Fahrt verloren seine Be-
gleiter, die an Muth und Einsicht so sehr unter ihm
standen, alle Geduld und Fassung, und wollten ihn bei
den steigenden Beschwerden der Reise zwingen, wieder
umzukehren. So mußte er denn noch einen schweren
Kampf mit seinen ungeduldigen Gefährten bestehen,
welchen er nur standhaft aushielt, weil er in seinen klu-
gen Gedanken von der Nähe des Landes, welches nun
kommen müsse, überzeugt war. Und seinen vernünftigen
Gedanken entsprach nun auch die Wirklichkeit, denn nach-
dem er seine verzweifelnden und drohenden Gefährten
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Extrahierte Personennamen: Jfabella Muth
Extrahierte Ortsnamen: Asien Indien Europa Kastilien Spanien
438
stell wirklich seine Untergebenen waren, und zugleich
fügte er seinem Kaiserthum noch zwei andere König-
reiche hinzu. Dem König Ferdinand Iv. von Neapel, der
wahrend dieses Krieges das Anlanden einer englischen
Flotte an seinen Küsten nicht hatte verhindern können,
.machte er dieses so zum Verbrechen, daß er ihm und
seiner Familie das Königreich nahm, und es seinem eig-
nen Bruder Joseph gab, vor dessen Annäherung sich
Ferdinand nach Sicilien hinüber begeben mußte, und
waren nun^ zwei Königreiche in Italien an seine Herr-
schaft geknüpft, so bemächtigte er sich auch der kleinern
italienischen Staaten, und gab sie an Mitglieder seiner
Familie, so daß er auch über ganz Italien herrschte,
denn auch des Kirchenstaates bemächtigte er sich nachher,
und ließ den Pabst gefangen hinwegführen. Und auf
der andern Seite mußte die Republik Holland ihn auf
seine Veranlassung selbst bitten, ihrem Lande einen Kö-
nig zu geben, und so verwandelte er auch sie in ein
Königreich, über welches er seinen Bruder Ludwig
setzte. Den ganzen Osten und Süden hatte er auf diese
Weise mit einzelnen Reichen umgeben, die alle unter
seiner Oberherrschaft standen, und nur im Westen be-
hielt er immer noch die Engländer zu Feinden, die den
Krieg gegen ihn auch wieder angefangen hatten, jund
ihn auf der See fortsetzten. An diesen Krieg mit Oest-
reich knüpfte sich schon im folgenden Jahre ein neuer
mit Preußen und Rußland, weil der König Friedrich
Wilhelm Iii. von Preußen, wegen einer Verletzung sei-
nes -Gebietes bei dem östreichischen Kriege nun selbst
eine Kriegserklärung gegen ihn ergehen ließ. Und wie
die französischen und preußischen Heere in der Mitte
Deutschlands gegen einander zogen, da ereignete sich die
denkwürdige und verhängnißvolle Schlacht bei Jena, im
Oktober 1806, in welcher Napoleon wieder einen so ent-
schiedenen Sieg über das preußische Heer davon trug,
daß darauf ein- neuer großer Fortschritt seiner Erobe-
rungen folgte. So schnell zog er nun mit seinen Heeren
in das Königreich Preußen ein, dessen Provinzen und
Festungen er in Besitz nahm, daß der König seine t
Hauptstadt verlassen, und sich nach Ostpreußen zurück-
ziehen mußte. Und nachdem Napoleon in Berlin einge-
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand_Iv Ferdinand Joseph Ferdinand Ludwig Ludwig Friedrich
Wilhelm Friedrich Wilhelm Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Neapel Sicilien Italien Italien Republik_Holland Deutschlands Jena Berlin