276
Geographische Schilderungen.
seien, würden ernstlich nachforschen, wenn uns hier ein Un-
glück widerführe. Dies schien ihm deutlich gesprochen und
machte ihn etwas höflicher.
Der Führer leuchtete jetzt in den Abgrund vor uns hinab.
Die wenigsten Wanderer wagen sich den steilen Pfad hinunter,
der 51 Fuss tiefer führt; sie lassen blos den Führer mit einigen
Lichtern hinabgehen und begnügen sich mit dem schauerlichen
Anblicke von oben. Wir thaten dies auch. Kähne, bogen-
ähnliche Vertiefungen, emporstrebende Säulen, geformt von
der Hand der Natur, sahen wir im flimmernden Lichte; das
Wasser plätscherte lebendiger im tiefsten Grunde. Der Führer
sagte uns, es sei dort von krystallener Helle. Endlich stieg
er wieder herauf, wir traten den Rückweg an, ein ferner Schim-
mer des Tages, den unser an die Dunkelheit gewöhntes Auge
jetzt in der zweiten Höhle vom Eingänge entdeckte, erfreute
uns unbeschreiblich.
Zwei Stunden waren wir in der Wohnung der Nacht und
des ewigen Schweigens geblieben. Wie wir nun wieder hinaus-
traten ans erfreuliche Sonnenlicht, wie uns wieder die milde
schmeichelnde Sommerluft warm und belebend umfing, da war
es, als erwachten wir von einem beängstigenden Traume ; Alles
umher, die ganze Gegend in ihrer wilden Pracht erschien uns
im himmlischen Glanze.
* Die Haiden in der Mark.
Kein guter Mann reitet gern durch die Haide, wenn der
Abend anbricht und Schneewolken am Himmel stehen. — Das
ist noch jetzt so, wo vieles besser ist als ehedem, denn an den
Kreuzwegen stehen Pfähle mit hölzernen Armen, die weisen
rechts und links oft auch vorwärts und zurück; und kann man’s
auch nicht mehr lesen, was dran steht, man kann’s doch den-
ken. Aber in alten Zeiten waren die Haiden anders und zumal
die in den Marken nach der Ostsee zu und nach der Nordsee.
Da konnte man Meilen weit reiten und sah keinen Pfahl und
keinen Menschen, und die Wege schnitten sich im Sande nicht
anders, als wie die Karren gefahren waren, und wie die Rosse
ihre Hufe im Roden gelassen hatten. Es suchte Jeder sich sei-
nen Weg, der ihm gefiel. Kein Dorf und kein Haus und keine
Haidewärterhütte war da,- kein Rauch wirbelte auf, und kein
Hund schlug an. Das war eine Einsamkeit, die kein Menschen-
herz liebt. Hier wohnten ehedem Völker, die nun nicht mehr
sind; die Wälder schallten wider von ihrem Hörnerklang und
lustigem Jagdgetön, die Flüsse und Seen vom Gesang der
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind]]
Die Elbe.
263
l-keill (voll Köhi bis Holland) eingetheilt, und die ganze
Strecke vom Ursprung bis zum Ausflusse ins Meer auf
150 Meilen berechnet.
Die Ufer am Mittelrheine und am letzten Drittel des Ober-
rheines entwickeln eine Reihenfolge der herrlichsten Landschaf-
ten. An der südöstlichen Spitze von Rheinbayern beginnt der
Strom jene Reize zu entfalten, die ihn zur beliebtesten und am
häufigsten bereisten Wasserstrasse Europas machen. Langsam
zieht er durch das meist 9 bis 10 Stunden breite Rheinthal,
welches rechts von der berühmten Bergstrasse längs dem Fusse
des Odenwaldes, links durch das weinreiche und malerische
Haardtgebirge begrenzt ist. Weiter hinab schwinden die Berge,
und saufte Hügel erheben sich, die bei Mainz ein schönes
Amphitheater bilden. Nachdem der Strom rechts den Main
aufgenommen, nahen sich im Westen die Berge des para-
diesischen Rheingaues, des grossen deutschen Weingartens.
Bald treten die Berge von beiden Seiten hervor, das Rhein-
thal verengt sich, und die Strömung des bisher sehr brei-
ten und ruhigen Flusses nimmt während seines zehnstün-
digen Laufes durch diesen Bergschlund bedeutend zu. Von
Bingen bis Königswinter bieten die Ufer die mannigfaltigsten
Aussichten dar. Im Thale lagern freundliche Ortschaften, an
den Felsenabhängen grünen üppige Rebenpflanzungen, und
auf den Gipfeln stehen romantische Burgruinen, aus denen der
Geist einer grossen Vergangenheit redet. Bei Coblenz erweitert
sich das Thal von Neuem; aber schon bei dem alterthümlichen
Andernach stürzt sich der Strom abermals in eine Enge, bis
bei Bonn die Berge in sieben hohen burggekrönten Häuptern,
dem Siehengebirge, sich endigen. Die beiderseitigen Gelände
schmücken nun statt des Rebengrüns segensreiche Saatfelder.
Unterhalb Köln wird der Boden allmälig flacher, und der
Strom wallt ruhig der reizlosen Tiefebene Hollands zu. Bei
seinem Eintritte in die Niederlande spaltet er sich in zwei Arme,
von denen der linke die Waal bildet, der rechte den Namen
Rhein behält. Jener fällt, vereinigt mit der Maas, in die
Nordsee, dieser theilt sich von Neuem noch zwei bis dreimal
und geht so geschwächt, einem beinahe lebensmüden Greise
vergleichbar, unterhalb Leyden in die Nordsee.
* Die Elbe.
Der Elbstrom hat einen Lauf von 156 Meilen und ist auf
diesem in einer Strecke von mehr als 100 Meilen schiffbar.
Nach der malerischen Schönheit seiner Ufer, nach der Menge
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T48: [Fluß Meer See Strom Land Wasser Mündung Kanal Lauf Ostsee], T5: [Rhein Main Wald Thüringer Teil Schwarzwald Gebirge Neckar Saale Jura], T49: [Berg Gebirge Höhe Fuß Ebene Seite Gipfel Gebirg Elbe Meer], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T80: [Rhein Stadt Festung Mainz Maas Straßburg Frankreich Metz Elsaß Deutschland]]
TM Hauptwörter (200): [T36: [Rhein Mosel Lahn Mainz Stadt Bingen Taunus Bonn Main Ufer], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T119: [Fluß See Kanal Strom Lauf Wasser Land Ufer Mündung Elbe], T11: [Kanal Rhein Verkehr Eisenbahn Fluß Land Meer Handel Stadt Deutschland], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
Extrahierte Ortsnamen: Holland Rheinbayern Europas Mainz Main Rheingaues Coblenz Andernach Bonn Hollands Rhein Nordsee Nordsee
336
Naturlehre.
wird die Flamme mit auffallender Gewalt von Innen nach Außen
hingeblasen, nämlich von der ausdehnenden Kraft der erwärmten
Lust. Hält man das Licht unten, so wird die Flamme von Außen
nach Innen geblasen und zwar von der dichten, kalten Luft, welche
in das Zimmer dringt. Wo die Hitze am stärksten ist, da stürzt
die dichtere Luft am gewaltsamsten hinein. Bei Feuersbrünsten
nimmt man dieses besonders deutlich wahr.
Hat man ein Trinkglas mit genau abgeschliffenem Rande, ver-
dünnt man die Luft darin, indem man das Glas eine Zeit lang
über eine Lichtflamme hält, und setzt es dann schnell mit dem Rande,
folglich in umgekehrter Lage auf die Hand, so steht das Glas, beson-
ders wenn die Hand etwas feucht geworden ist, so fest auf der-
selben, daß es nicht leicht wieder abgenommen werden kann. Der
Druck der äußern Luft preßte es nämlich so fest an die Hand, weil
vom Innern des Glases kein gleicher Gegendruck stattfand.
Die Luft läßt sich in allerlei Gefäßen auf die bequemste Weise
durch die Luftpumpe verdünnen. Mit diesem Werkzeuge kön-
nen überhaupt eine Menge lehrreicher Versuche angestellt werden.
Einen der überraschendsten macht man mit zwei hohlen messingenen
Halbkugeln, deren genau geschliffener Rand so aufeinander paßt,
daß sie vereinigt eine Kugel bilden. An jeder Halbkugel ist ein
Ring zum Ziehen, und an der einen ein Röhrchen mit einem schlie-
ßenden Hahne. Werden nun die Halbkugeln, nachdem ihre Rän-
der mit etwas Fett bestrichen worden, angepaßt, dann aus der
Kugel durch das Röhrchen die Luft herausgepumpt und der Hahn
geschlossen, so halten die Halbkugeln außerordentlich fest zusammen,
und man kann sie nicht trennen. Selbst zwei starke Menschen, die
aus allen Kräften an den Ringen ziehen, bringen sie doch nicht
von einander. Oeffnet man aber den Hahn an dem Röhrchen, so
strömt wieder Luft in die Kugel hinein, und die Halbkugeln werden
ohne Mühe getrennt. — Wird ein Gefäß mit mäßig warmem
Wasser unter die gläserne Glocke der Luftpumpe gebracht, so sieht
man bald, wie es in der verdünnten Luft zu kochen anfängt. —-
Ein Licht verlöscht bald im luftleeren Raume; ein abgedrücktes
Flintenschloß gibt keine Funken; auch zündet das Schießpulver
nicht. Stellt man eine Uhr, die bald schlagen soll, unler die
gläserne Glocke und zieht dann die Luft heraus, so hört man nicht
den geringsten Klang, obgleich man den Hammer in der Uhr anschla-
gen sieht. — Ein Vogel, der unter die Glasglocke gesetzt wird,
säugt, wenn man die Luft herauszieht, schnell zu athmen an, tau-
melt und fällt zuletzt um. Läßt man wieder Luft hinein, so erholt
er sich bald und ist ganz munter.
Unsere Vorfahren betrachteten die Luft als einen einfachen Kör-
per und machten etwa einen Unterschied zwischen reiner und unreiner
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T12: [Wasser Luft Erde Höhe Körper Fuß Dampf Bewegung Druck Gewicht], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
320
Geographie.
führen; Labrador und Kanada, beide zu England gehörig;
das weitläufige Gebiet zwischen der Hudsonsbai und dem stillen
Meere, noch im Besitz der freien Indianer. Die Nordwestküste
mit der Halbinsel Alaschka erklären die Russen für ihr Eigenthum
und besuchen sie von Kamtschatka aus. Die vereinigten Staaten
haben einen großen Umfang; sie dehnen sich vom atlantischen bis
zum stillen Weltmere aus, doch liegt der größte Theil des Landes
noch unbebaut. Die Einwohner sind dort meist europäischer
Abkunft und bilden 26 Freistaaten unter einem wählbaren Ober-
haupte. Jeder Staat hat seinen eigenen Landtag aus gewählten
Mitgliedern. Für alles Gemeinschaftliche und den Bund Betref-
fende hat man eine Regierung, den Kongreß, wozu Abgeordnete
aus allen Provinzen gesandt werden. Die volkreichsten Städte
heißen: Neu-Iork, Philadelphia, Baltimore, Neu-
Orleans; die eigentliche Hauptstadt ist Washington.
In ähnlicher Verbindung stehen die Staaten von Mexiko»
Die Küsten des Landes sind hier für Schiffe weniger zugänglich.
Der bevölkertste Hafen ist Campe che, viel besucht wegen des
ebenso benannten Holzes. Gewöhnlich landen die nach Mexiko
Reisenden in Vera-Cruz, wo ungesunde Luft herrscht. Die
bedeutendsten Städte der Republik liegen auf den Hochebenen
oder im Gebirge, wohin schlechte Straßen führen. Drei Tage-
reisen von Vera - Cruz kommt man aufsteigend nach Xalapa. Die
dortigen Aussichten sind prachtvoll; zahllose Papageien und andere
buntgefiederte Vögel erblickt man auf den üppig grünenden Bäu-
men und links den feuerspeienden Berg Orizaba. Dann gelangt
man zu dem höher liegenden Puebla, wo der Vulkan Popokatepetl
aufsteigt und ein dichter Eichenwald sich ausbreitet. Hierauf
sieht man in einer Ebene die schöne Hauptstadt Mexiko, die
zwischen zwei kleinen Seen liegt. Außer der spanischen Sprache
ist die der Ureinwohner im Gebrauch, welche häufig die Silben
tli, tla, itl, atl und sehr lange Wörter enthält. Unter den
Wilden im Norden sind zu bemerken: die Apachen, ein krie-
gerisches Bergvolk, und die Kumanchen, vortreffliche Reiter,
in deren weitem Gebiete die europäischen Pferde sich ins Zahl-
lose vermehrt haben. — Mittelamerika, oder der Freistaat
Guatemala, übertrifft Deutschland an Flächenraum, allein
die Einwohnerzahl ist gering.
Theile von Südamerika. Zunächst führt die Landenge
Panama in den Freistaat Kolumbien. Das Küstenland zwi-
schen dem Orinoko und dem Amazonenflnsse heißt Guiana.
Dort haben unter andern Indianern die Otmaken die Eigen-
heit, daß ihnen fette Thonerde gut schmeckt. Thätiger und tapfe-
rer als diese sind die Ueberbleibsel der Kar alben, welche noch
TM Hauptwörter (50): [T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T64: [Insel Amerika Land Spanier Australien Kolonie Hauptstadt Küste Entdeckung San], T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland]]
TM Hauptwörter (200): [T178: [Rio Peru Hauptstadt Republik Stadt Brasilien San Südamerika Land Chile], T76: [Staat See Nordamerika Stadt Union Mississippi Washington Ohio Gebiet vereinigt], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld]]
Extrahierte Personennamen: Guiana
Extrahierte Ortsnamen: Kanada England Hudsonsbai Kamtschatka Philadelphia Baltimore Washington Mexiko Vera-Cruz Xalapa Berg_Orizaba Puebla Mexiko Mittelamerika Guatemala Deutschland Südamerika Panama Kolumbien
Das Kameel.
439
das sonst unwegsame Sandmcer, und vergebens wäre es, die Spur des
Flüchtigen zu verfolgen.
Begleiten wir einmal eine Karawane auf ihrem mühevollen Zuge.
Der Morgen dämmert über der Wüste; die Karawane schreitet im langen
Zuge über die kahle, endlose Ebene hin und fördert ihre Schritte nach dem
einförmigen Tone der Pfeife. Die Kameele sind mit Ballen beladen, mit
Tüchern bedeckt, auf ihnen die Mauren mit bunten Turbanen und weißen
Mänteln, mit Dolch und Säbel, ihren unzertrennlichen Gefährten. Den
Kameeleu zur Seite gehen die Sklaven. Voran reitet ein brauner hagerer
Araber, der Herr des Zuges. Das ganze bunte Getümmel ist in eine Wolke
von Staub gehüllt. Die Sonne steigt empor, die Karawane kehrt sich ihr
entgegen und begrüßt den Herrn der Schöpfung. Und höher hebt sich die
Sonne, ihre Gluth strahlt herab und wieder von der Erde auf. Die wun-
den Sohlen schmerzen, die Glieder ermatten, und brennender Durst peinigt
Jeden. Kein Strom zieht die Silberwelle durch ein frisches Grün, weithin
ist kein Gesträuch zu erspähen. Auf heißein, schattenlosem Boden schreitet
die Karawane. Käme ein Sturm, eine schwarze Wolke, rissen Blitze die
Schleußen des Himmels auf: es würde Rettung den Schmachtenden bringen:
das Gebrüll des Löwen wäre ihnen erwünscht, würde es doch ersehntes
Land verheißen. — Da liegt mitten in der stillen Wüste ein Quell, ein
lebendig Begrabener, der seine leise Stinime vernehmen läßt; das Kameel
hat ihn aus der Ferne schon erspürt, und plötzlich gewinnt es seine Kräfte
wieder, schreitet rasch voran, ihm lustig nach der ganze Zug. Da steht es
still und bäumt sich vor Freude. Aus jedem Auge bricht ein lebendiger
Strahl, die matten Glieder durchzuckt ein elektrisches Feuer. Eö stellt sich
die Karawane im Kreise auf; eifrig wird der Boden aufgescharrt, und aus
des Grabes Tiefe tritt der Quell glänzend an den Tag und Alles stürzt
hinzu, sich zu erlaben an dem köstlichen Lebensborne. Die erstarrten Züge
werden milder, die Augen heiter, der Muth ist gestählt, die Kräfte wachsen.
Man lagert sich; die Zelte werden aufgeschlagen, die Thiere gefüttert und
sorgfältig vom Staube gereinigt. Da sind alle Drangsale vergessen;
Gespräche erheitern die Nacht, Mährchen werden erzählt; die leere Wüste
ist zu einem Paradiese geworden. Und ist das Fest vorüber^ sind die Schläuche
gefüllt, die Kameele nochmals getränkt, so werden die Zelte abgebrochen,
die Ladung aufgeschnallt; lustig ertönt die Pfeife, und die Reise geht dem
Ziele zu. Wochen ziehen vorüber, eine Oede verliert sich wieder in der
andern in steter Einförmigkeit. Heiße Tage wechseln mit kalten Nächten
ab. Am Tage geht der Müde im Schatten des Kameels; es wendet sich
gegen ihn und leckt ihm die Hand; des Nachts erwärmt es ihn. Der
Chamsin wälzt seine Glnthen über die Ebene, das Kameel ist wieder dem
Menschen ein Schirm vor diesem Ungeheuer. Unterdessen leeren sich die
Wasserschläuche, die Tage werden heißer, lästiger; die Schritte der Kara-
wane erlahmen. Da zeigen sich endlich die grünen Fluren der Fellahs
(arabischen Bauern). Im Glanze des sinkenden Abends erheben sich die
Kolosse der Pyramiden und die kahlen Abhänge des Mokkatam. Zwischen
ihnen strömt majestätisch der Nil, und Aegyptens Hauptstadt, Kairo, breitet
sich aus mit ihren Hunderten von Thürmen, mit ihren Moscheen und
Palästen ohne Zahl. Die Karawane hat ihr Ziel erreicht. Die kostbarsten
Erzeugnisse der Natur nebst künstlichen Gebilden von Menschenhand, in
Ballen und Kisten verpackt, hat das Kameel hierher getragen — Seide aus
Indien, Shawls von Angora, Sammet von Brussa, Baumwollengewebe
von Mossnl, damascestische Säbel, persische Dolche, arabische Lanzen,
Straußfedern vom Kap und indisches Elfenbein, Perlen, duftende Oele,
Gummi, Weihrauch, Myrrhen, Granatäpfel, Datteln u. s. w. — alle diese
Seltenheiten liegen hier bei einander vereint, und die Kameele sind es, die
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T47: [Wüste Meer Land Nil Hochland Fluß Gebirge Euphrat Tigris See], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
TM Hauptwörter (200): [T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T113: [Wein Seide Baumwolle Handel Zucker Kaffee Wolle Tabak Reis Getreide], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei]]
440
Schilderungen ans den drei Naturreichen.
sie tragen vom Senegal nach Mogador, von Bagdad nach Mekka, von
Timbuktu nach Alexandrien, von Dschidda nach Kairo. Schon warten die
Nilbarken der Schätze, um sie dem Meere zuzuführen; und das Meer wird
sie hinübertragen nach Europa in die Bazare der Weltstädte, in die Paläste
der Fürsten, in die Museen der Wissenschaften, in die Hallen der Industrie. —
So ist denn in der That das Kanieel das Wüstenschiff, der wirkliche Trä-
ger und Führer des Handels, des Verkehrs ganzer Völker.
* Der Fuchs.
Der Regen verzieht; der Wald schüttelt die lauen Tropfen aus dem
Haupte, und von der Haide steigt's erfrischend und würzig in die Abend-
luft. Zn allen Schlupfwinkeln regt es sich. Die Mücken beginnen ihre
Tänze; die Amechen kriechen hervor; der Fink schmettert vom Wipfel der
Buche herab. — Auch der Fuchs macht sich auf. Dort lauscht er zwischen
den Wurzeln einer alten Eiche. Alles ist sicher. Mit einem Satze springt
er auf. — Wie er dasteht! —
Sein Ohr ist gespitzt und ganz dazu gemacht, jeden Laut zu fassen.
Er kann die über ihm auf dem Baume schlummernde Beute erspüren; das
leiseste Geräusch, das Zittern eines Blattes vernimmt er. Die Nase ist
fein, langgestreckt, zum Spüren wie gemacht. Das Auge spielt aus grau
in grün, liegt schief, halb in der Höhle versteckt. Es verräth sogleich das
nächtliche Naubthier. Das Maul sperrt sich weit; denn der Fuchs ist ein
Räuber. Oeffncn sich die Lippen, dann zeigt sich das scharfe Gebiß, wel-
ches nichts Lebendiges entrinnen läßt; oder es dringt ein heiseres, husten-
artiges Bellen daraus hervor. Den schlanken Leib tragen schnelle Füße fast
spurlos über den Boden. Stattlich schmückt ihn der buschige Schweif, die
Brust ist weiß, sein Pelz roth und goldig.
Der Schlaue kriecht und schleicht vorsichtig dahin. Gelassen schweift
er durch Busch und Wiese querfeldein. Er verliert sich im Riedgrase oder
in einem Kornfelde oder im Hag, wo bunte Blumen blühen und muntere
Vögel singen. Dann geht es dem Walde zu. Nun schleicht er lang-
samer , vorsichtiger, leiser. Der Abend haucht kühl aus Halm und Blatt.
Regungslos stehen die Bäume; nur die Vögel sind noch laut. Die Drossel
lockt mit hellem Ton; die Meise schlüpft von Busch zu Busch; der Specht
hämmert am Eichenstnmpfe. Da und dort summt noch eine Biene; ein
gepanzerter Käfer schweift brummend dabin. — Jetzt knackt es in den
Zweigen; der Fuchs spitzt das Ohr. Ein Pfeifen läßt sich hören. Da
tritt das Reh heraus, das Haupt keck emporgerichtet, die Augen nach
allen Seiten wendend. Wieder pfeift es, und in leichten Sprüngen ist
das Kälbchen der Alten zur Seite. Die Mutter leckt ihm kosend den Nacken.
Plötzlich hebt die Ricke den Kopf; ihre Augen funkeln; ein Zittern fliegt
über den Leib; sie macht ein paar Sprünge und stampft zornig mit den
Läufen. Sie hat den Räuber gewittert. Dieser hat sich leisen Fußes
herumgcstohlen, sacht, sacht, das Kitzlein im Auge. Es gilt einen kühnen
Griff. Doch die Alte hat ihm den Weg verrannt. Der Fuchs läßt sich
nicht irren; er thut, als sei er in tiefen Gedanken versunken und starrt wie
träumend in's Blaue. Keine Miene verräth, daß er die Beute ersehen hat.
Er verschwindet in einem Bogen, um von einer andern Seite den Angriff
zu versuchen. Die wachsame Alte drängt sich dicht an's Junge; denn sie kennt
des Lauerers Tücke. — Dort streift er vorbei! — Die Ricke pfeift wieder,
und der Fuchs schaut auf und thut, als schrecke er plötzlich zusammen.
Doch kommt er dem Ziele seiner Wünsche immer näher. Nun ist der
Augenblick günstig. Er duckt sich' nieder; wie eine Katze schmiegt er sich
am Boden, die Augen starr und gierig auf das lebende Thierchen gerichtet;
TM Hauptwörter (50): [T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
444
Schilderungen aus den drei Naturreichen.
seines Leibes, der auf der hellgrauen Unterseite mit vieler: klebrigen Wärz-
chen besetzt ist. Diese halten ihn auch fest, was mau deutlich sehen kann,
wenn er weiter kriecht, wobei er die Haut des Bauches nicht auf einmal,
sondern nur nach und nach von dem Gegenstände ablösen kann, an dem er sitzt.
Was thut aber der kühne Kletterer ans den Zweigen und Blättern der
Büsche? Dort sitzt er ganz ruhig und rührt sich nicht, bis eine Fliege oder
ein Schmetterling oder ein ähnliches Thierchen ihm zu nahe kommt. Da
muß man ihn sehen, wie er seine Hinterbeine, die so lang sind, wie sein
ganzer Körper, Plötzlich ausstreckt und das Thier hascht, das ihm zur
Nahrung dienen soll. Und selten verfehlt er seine Beute, denn er ist ein
guter Jäger. Im Glase hat er's freilich bequemer, denn seine junge Herr-
schaft versorgt ihn reichlich mit Fliegen. Im Freien aber muß er oft Tage
lang warten, bis ein Thierchen gerade an den Platz kommt, wo er sitzt.
Das thut nun nichts, denn er kann lange hungern, sogar Wochen und
Monate lang. Im Winter,^wo die Fliegen selten sind, nimmt er auch
mit Mehlwürmern fürlieb. Seine Brüder im Freien haben es dann weit
besser, denn sie verschlafen die Zeit im Schlamme oder in einem Erdloche.
Sobald aber Eis und Schnee geschmolzen sind, sobald die Maiglöckchen
nicken Und Fliegen und Mücken wieder tanzen, kommt der Laubfrosch aus
seinem Versteck, wischt sich den Schlaf und den Schmutz aus den Augen,
schaut sich um nach seinen Kameraden und besucht wieder die Haselnuß-
sträucher. Im April oder Mai legt er schwarze, in Schleim eingehüllte
und in größerer Menge an einander hangende Eier ins Wasser, aus denen
die jungen Laubfrösche entstehen. Nach 4 Jahren ist er ausgewachsen, und
erst dann kann er sein Krä! krä! rufen. —
Man hält den Laubfrosch für einen Wetterpropheten, weil man
annimmt, er schreie oder setze sich ins Wasser, wenn es regnen wolle.
Aber das thut er überhaupt, wenn es ihm einfällt, und man darf ihm
durchaus nicht immer ^glauben.
*Dcr Häring.
Obwohl das Meer die Heimath des Härings ist, so kennt ihn doch
beinahe jedes Kind in Dorf und Stadt. Wo gäbe es einen Ort, in wel-
chem man ihn nicht für wenig Geld kaufen könnte? Im hohen Norden
ist er ganzen Völkerschaften das tägliche Brot, ja ihr einziger Reichthum.
Seine Menge ist fast unglaublich. Die einzige Stadt Bergen in Norwegen
verschickt manches Jahr allein 300,000 Tonnen Häringe in alle Welt. So
dick und hart stehen die sogenannten „Häringsberge" an den Küsten Nor-
wegens, daß leichte Boote, wenn sie daran gerathen, heftig erschüttert wer-
den; so sehr werden alle Buchten zu Zeiten von ihm angefüllt, daß die
Leute ihn mit Händen greifen, mit Eimern ans dem Meere schöpfen, wenn
sie vorher die Buchten durch Netze abgesperrt haben. An der ganzen Küste
von Norwegen wimmelt's von Menschen, wenn dieser Fisch erscheint. Mit
leeren Kähnen fahren sie hinaus; zum Sinken gefüllt, führen sie dieselben
zurück. Und wie auf dem Meere die Kähne sich hin und her bewegen, oft
300 im Umfange einer Meile, so bewegen sich auf dem Lande Karren in
zahlloser Menge nach dem Ufer und vom Ufer wieder zurück. Die Kähne
bringen nämlich die Ausbeute, die das Meer gewährt, an's Ufer; in Karren
wird diese nun weiter geschafft und zunächst in der Nähe des Strandes zu
Bergen aufgehäuft. Diese lebendigen Berge, in denen es auf jedem Punkte
zuckt und schnappt, sind umringt von Kindern und Frauen und Tonnen.
Jene schneiden mit einem Messer jedem 'einzelnen Fische die Kehle auf und
reißen geschickt und rasch mit den Fingern die Gedärme aus seinem Leibe,
die Tonnen nehmen die Todten, nachdem sie gesalzen sind, auf; Böttcher
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T42: [Vogel Nest Junge Eier Schnabel Storch Taube Flügel Fuchs Frosch], T129: [Schiff Hafen Flotte Meer Küste Fahrzeug See Kriegsschiff Land Dampfer], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T51: [Kind Himmel Nacht Sonne Tag Gott Wald Baum Blume Feld], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze]]
446 Schilderungen aus den drei Naturreichen.
süße Mailuft hinausstreckt, dort hinauf kriechen kleine Schnecken mit gelben
Häuschen und schwarzen Streifen; selbst im Teiche schwimmen viele in
grauen, dunklen Schalen. Wie kommt es aber wohl, daß die erstern kein
Häuschen haben, in das sie sich zurückziehen können, wenn sie beunruhigt
werden? Hatten sie ein solches vielleicht ehedem und verloren es durch
eines andern Thieres List und Habsucht, so wie manche brave Menschen
ihr Haus verlieren durch des Nachbars Bosheit, so wie der Fuchs den
Dachs aus der Höhle treibt? Jst's bei den nackten Schnecken auch so?
Nein, sie haben niemals ein Hans gehabt und können sich auch kein solches
bauen. Woher haben denn aber die andern Schnecken ihr niedliches Häus-
chen? Laß dir's erzählen!
Die _ alte Schnecke hatte viele kleine Eier in den feuchten Moorrasen
gelegt; die Sonne brütete sie aus, und aus jedem kroch eine winzig kleine
Schnecke mit einem eben so kleinen Häuschen. Der Anfang zum Hanse
war von der alten Schnecke schon gemacht; die junge hatte es als Erbtheil
überkommen. Aber sie wuchs weiter, und das Haus ward ihr zu klein.
Da streckt sie ihre 4 Augen bedächtig aus; sie stehen auf Stielen, 2 auf
langen, 2 auf kurzen. Sie schaut nach Nahrung aus und kriecht zum
saftigen Rasen, zum bunten Blümchen. In ihrem Munde besitzt sie 2 kleine
Zähne mit Einschnitten; damit beißt sie die kleinen Blätter ab und verzehrt
sie. In ihrem Körper verwandeln sie sich in einen glänzenden Schleim;
mit demselben hält sie sich fest, wenn sie kriecht. — Eben aus diesem
Schleim baut sie auch ihr Häuslein, ganz allmälig, einen Ring nach dem
andern, bis eine neue Windung fertig ist. Die neuen Windungen werden
größer und größer, so wie sie selber wächst. Sie gleicht einem sorgsamen
Hausherrn, der ein neues Stockwerk aus sein Haus setzt, wenn's ihm zu
eng wird.
Wenn aber ein Baumeister ein neues Geschoß aufführen will, muß er
oben das Dach abbrechen, um das neue Stück aufsetzen zu können. Ganz
ähnlich benimmt sich auch die Schnecke: sie nagt im Frühjahr, wenn sie
weiter bauen will, den äußersten Rand vom Häuschen ab und fügt dann
eine neue Schicht daran.
So baut die Künstlerin aus Gras und Blumen sich ihre Wohnung.
Niemand sieht es dieser an, woher sie stammt. Das Haus vertritt die
Stelle der Knochen; außer ihm ist nichts Festes in ihrem Körper; sie ist
an dasselbe angewachsen und kann es nicht verlassen. Nun vermag die
Schnecke zwar nicht schnell vorwärts zu kommen, da sie die ganze Woh-
nung stets mitnehmen muß; sie ist aber auch dafür allenthalben zu Hause,
sie mag reisen, wohin sie will; und wird ihr irgend wo unsanft begegnet,
so geht sie still zurück in ihr Zimmer und befindet sich wohl im Schutze
der Schale. Deren gelbe und rothe Streifen und röthlicher Schein sind
ihr ein lieblicher Schmuck. Manche Schnecken des Meeres haben ihr Haus
mit langen wunderlichen Stacheln besetzt und mitunter mit köstlichen Far-
den geziert. Purpurn glänzen die einen, goldig die andern; diese sind
einfarbig, jene gestreift, wieder andere gefleckt wie das Fell eines Tigers.
Wenn die Blumen verblüht sind und die Blätter verwelkt, dann wird's
auch der Schnecke zu kalt. Sie sucht ein stilles Plätzchen hinter dem
Steinblock, zwischen dem Moorrasen oder im Erdloch und fertigt aus dem-
selben Schleim nun auch eine Thür vor ihr Haus. Nachdem sie alles
sorgsam verschlossen hat, schläft sie ein und träumt den ganzen Winter
hindurch. Ist die Schnecke alt geworden, so schließt sie ihre Thür wohl
noch einmal, macht sie aber nicht wieder auf. Das Häuschen ist jetzt ihr
Sarg; hier verweset sie. Es fließt ein dunkles Wasser heraus, das tröpfelt
in die Erde; die Wurzeln der Blumen trinken es, oder es verdunstet und
steigt hinauf in die Wolken und fällt im Regen wieder herab auf den duf-
Der Maikäfer.
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tigen Rasen. Das leere Häuschen liegt einsam am Wege, Käfer und
Würmchen flüchten sich hinein, Kinder suchen es und spielen damit, setzen
Moos hinein und kleine Engelchen von Wachs, welche das Christkind
gebracht hat. Endlich wird auch die leere Schale morsch und zerkrümelt;
sie mengt sich wieder mit der Erde, aus der sie vom Grase aufgesogen
worden war. Es ist ein ewiger Kreislauf: aus Blumen wachsen die
Schnecken mit ihren farbigen Häuschen, und aus den verwesenden Schnecken
werden wieder Blätter und Blüthen.
* Der Maikäfer.
Die Obstbäume haben wir eigentlich nur für uns gepflanzt; die Mai-
käfer thun aber, als seien sie ihretwegen da; denn in manchen Jahren
finden sie sich so häufig auf ihnen ein, daß die Zweige sich von der Last
beugen. Dann geht es den Bäumen schlecht: was an weichem Laube sich
vorfindet wird unbarmherzig abgefressen. Noch ehe 8 Tage vergangen sind,
stehen ausgedehnte Obstbaumpflauzungen entlaubt da und haben ein winter-
liches Ansehen. An eine Obsternte ist dann natürlich nicht zu denken,
denn die Bäume müssen ja alle die Säfte, durch welche sie Blüthen hätten
erzeugen können, auf das Hervorbringen neuer Blätter verwenden, ohne
die kein Baum im Sommer bestehen kann. — Haben sich die Maikäfer
8 — 14 Tage dem Vergnügen umherzuschwärmen und Laub zu fressen hin-
gegeben, so graben sich die Weibchen einige Zoll tief in die Erde und legen
an 2 — 3 verschiedenen Orten 12 — 30 Eier; bald darauf sterben sie. Nach
4 — 6 Wochen entstehen aus den Eiern kleine wurmartige Thierchen, Lar-
ven oder Engerlinge genannt, mit 6 Beinen und kräftigen Kinnbacken.
Ihre Nahrung besteht meistens aus zarten Wurzeln. Wie die Alten, so
sind auch sie äußerst gefräßig, und um sich's bei den Mahlzeiten recht
bequem zu machen, legen sie sich auf den Rücken, fangen an den Wurzel-
spitzen an und fressen fort, so weit sie mit dem Kopfe hinauf reichen können.
Im Herbste gehen sie tiefer in die Erde, machen sich eine recht glatte Höhle
und schlummern darin, bis die Frühlingssonne den Boden wieder erwärmt
und die Pflanzen zum neuen Wachsthum treibt.
Mittlerweile ist ihnen ihr Röcklein ein wenig schmutzig und auch zu
enge geworden. Da es nun unter ihnen keine Schneider gibt, die für
andere arbeiten, so muß jeder selbst Hand aus Werk legen, um zu einem
neuen Rocke zu kommen. Der Engerling wartet dahcr, bis das Wamms
platzt; diesen Augenblick benutzt er und schlüpft hinaus, er hat damit sein
schweres Geschäft vollendet. Ohne sein Zuthun ist ihm nämlich schon unter
dem alten Kleide ein neues gewachsen, ganz nach dem Muster des abgeleg-
ten, mit 9 Quernäthen und eben so vielen Knopflöchern an jeder Seite.
Die Knopflöcher benutzt er zum Athcmholen, da er dies durch den Mund
nicht zu thun vermag. Nun steigt der verjüngte Engerling wieder in die
Höhe und fällt mit Gier über die Wurzeln der jungen Pflanzen her, daß
diese in Folge dieser Gefräßigkeit traurig die Köpfe hängen und ganz ver-
welken, wenn der Regen auf sich warten läßt.
Darum ist der Landmaun den Engerlingen ebenso wenig hold wie der
Gärtner den Maikäfern; er vertilgt sie, wo er nur kann, und sieht es
recht gerne, wenn die Saatkrähe hinter dem Pfluge hergeht und alle auf-
frißt, die sich in der Furche blicken lassen.
So treiben nun die Engerlinge ihr Wesen 3—5 Jahre lang in der
Erde. Zn Ende des letzten Sommers steigen sie tiefer (wohl eine Klafter
tief), machen recht hübsche ovale Höhlen und harren dann der Veränderung,
die noch mit ihnen vorgehen soll. Nach einer kurzen Ruhe von einigen
Tagen lvird die Haut nochmals abgestreift, aber diesmal geht kein Enger-
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Schilderungen aus den drei Naturreichen.
Im rothen Meere gibt es so viele Korallen, daß man in den
daran liegenden Küstenländern Häuser davon baut; in andern Gegen-
den brennt man Kalk aus ihnen.
Schilderungen aus den drei Naturreichen.
* Das Kochsalz.
Ueber die ganze Erde verbreitet sich das nothwendigste Gewürz, das
Kochsalz. Es liegt bergehoch in der Erde als Steinsalz; es quillt seit der
Weltschöpfung ans unzähligen Salzquellen; es bedeckt als krystallischer
Ueberzug die unfruchtbaren Steppen Nordafrikas, Mittelasiens und Chile's;
es schwimmt in so ungeheuren Massen im Mittelmeere, daß man das ganze
feste Land 2000' hoch mit Salz bedecken könnte, wenn das gesummte Meer-
wasser verdunstet wäre. Schauet hinaus auf das unermeßliche Meer: sein
blaues, durchsichtiges, lieblich anzusehendes Wasser schmeckt salzig und bitter,
ist untrinkbar für Menschen und Thiere, aber vor Fäulniß geschützt durch
das Salz. Steiget hinab in Wieliczka's wunderbare Salzbergwerke, wo
man so reines und durchsichtiges Salz findet, daß man es sogleich, wie
es aus der Erde kommt, verbrauchen kann; besuchet Oesterreichs Salz-
kammergut mit seinen unermeßlichen Salzschätzen bei Ischl, Hallein und
Hallstadt; sehet Preußens unerschöpfliche Salzquellen bei Halle — und überall,
wo euch der Ortsname „Hall" begegnet, da werdet ihr das finden, was
das Wort bezeichnet: Salz.
In Flötzgebirgen liegt in gewaltigen Lagern das Steinsalz, das man
bergmännisch gewinnt. Freilich ist es nicht selten mit Gyps, Thon und
erdigen Theilen vermischt, und dann werden nicht die Salzsteine heraus-
geschafft, sondern man läßt in die Salzgruben Wasser hinein, welches das
Salz auslaugt. Im Schooße der Berge entstehen dann große, vom Wasser
ausgespülte Höhlen, wie in Halleiu, wo der Fremde mitten im Salzberge
auf einem Kahne über einen kleinen Salzsee schisst, während an den Wän-
den und an der Decke beim Scheine der Fackeln und Lichter die rothen,
weißen, blauen, grauen Salzkrystalle in einem wunderbaren Glanze schim-
mern. Gewaltige, oft stundenlange Soylwasser-Leitungen führen dort die
gesättigte Salzsoole in die Siedhäuser nach Ischl, wo in ungeheuren Pfan-
nen durch Feuer das Wasser verdunstet und die weißen Salzkrystalle anschießen
und zurückbleiben. In Zuckerhut-Formen gedrückt, wird dann das Salz
in das Land ausgeführt und zum Gebrauche recht klein gestoßen. Anders
verfährt man in Halle und überall, wo sich natürliche Salzquellen finden
und die Soole so dünn ist, daß sie nicht versotten werden kann. Da
müssen Sonne und Luft in den Gradirwerken dem Feuer vorarbeiten,
indem von ungeheuer hohen Balkengerüsten die Soole an' warmen, luft-
stillen Tagen durch hoch aufgeschichtetes Reisig langsam herabtröpfelt und
auf diesem Wege durch die hindurchhaucheude Luft und durch die darauf
brennende Sonne abgedünstet wird.' Da macht man sich freilich an den
Küsten des atlantischen und mittelländischen Meeres das Abdünsten des
Meerwassers leichter: man gießt das Wasser in große flache Grüben und über-
läßt das Gradir- und Siedegeschäft der Sonne, in Sibirien aber der Kälte,
indem nur der salzreine Theil des Wassers gefriert oder verdunstet, das
Salz aber zurückbleibt. An den seichten Mündungen der südrussischen Flüsse
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