188
Lehre vom Menschen.
Ken, Berg, Thal, Glanz, Schimmer und Farben reden, so
vernimmt er Worte, die für ihn keine Bedeutung haben und
die ihm auch Niemand zu erklären im Stande ist.
Man sollte grosse Aufmerksamkeit der Erhaltung eines so
überaus wichtigen und zarten Werkzeuges, wie das Auge ist,
widmen* aber dies geschieht leider oft erst, wenn es zu spät
ist. Als Hauptregel gilt, das Auge nicht sehr anzustrengen.
Durch langdauernde Thätigkeit muss auch das beste Auge lei-
den, und es ist hohe Zeit, ihm Ruhe zu gönnen, wenn es zu
schmerzen anfängt. Ein zweiter Rath ist: Bewahre das Auge
vor schnellen Uebergängen aus dem Hellen ins Dunkle. Eine
plötzliche Erschütterung der Sehnerven kann augenblickliche
Blindheit zur Folge haben ; wie z. B. wenn man in einer durch
Läden verdunkelten Stube schläft und des Morgens den Laden,
während die Sonne darauf scheint, mit einem male öffnet.
Anhaltendes Lesen, zumal kleiner Schrift, gleich nach dem Auf-
stehen, oder in liegender Stellung, bei flackerndem Lichte oder
im Sonnenschein, ist ebenfalls für die Sehkraft sehr schwä-
chend. Sonst erholt sich das Auge, wenn es unbeschäftigt ist,
an schwachem Lichte. Bei langdauernden Arbeiten, die ein
Nahesehen erfordern, richte man zuweilen den Blick in die
Ferne. Man bediene sich der Augengläser nicht früher, als
es nothwendig ist und suche regelmässig geschliffene zu erhal-
ten. Scharfe oder schlechte Gläser, deren Gebrauch ein unan-
genehmes Gefühl im Auge hervorbringt, schaden ihm. Stär-
kend für die Augen ist das Waschen des Morgens mit kaltem
Wasser, wenn man dasselbe nicht plötzlich, sondern allmählig
auf die geschlossenen Augenlider bringt. Die grüne Farbe
erfrischt die Augen, weshalb ihnen der Aufenthalt im Garten,
Feld und Wald sehr zusagt.
Vom Blutumlauf.
Die Behältnisse, in denen das Blut Hiesst, machen ein
zusammenhängendes Ganze aus und heissen auch Blutgefässe.
Sie begreifen in sich das Herz, von welchem die Bewegung
des Blutes ausgeht, die Schlag- oder Pulsadern, die das
Blut aus dem Herzen in alle Theile des Körpers führen, und
die Blutadern, welche es wieder zum Herzen zurückleiten.
Das Blut ist nicht, wie es scheint, eine einfache Flüssig-
keit, sondern es enthält drei Bestandtheile, nämlich das Blut-
wasser, die Blutkügelchen und den Faserstoff. Wenn
Blut aus den Adern gelassen worden ist, so gerinnen nach
einiger Zeit die beiden letztgenannten Bestandtheile, das Blut-
wasser hingegen bleibt flüssig. Das Blut wird durch den fort-
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]
192
Lehre vom Menschen.
einer ganz andern Beschaffenheit sein muss, als die eingeath-
mete; so auch, dass das Athmen vieler Menschen in einem
verschlossenen Raume die Luft verdirbt.
Die Werkzeuge des Athmens sind auch zugleich die Haupt-
werkzeuge der Stimme und Sprache; es dienen also
hier, nach den weisen Absichten Gottes, dieselben Mittel zu
verschiedenen Zwecken.
Wer die Wichtigkeit des Athmens für die Gesundheit des
Körpers kennt, wird zunächst um reine Luft besorgt sein. Die
Luft in den Wohnungen muss Zufluss von Aussen erhalten,
wenn sie nicht verderben soll; deshalb sind täglich einige Zeit
die Fenster zu öffnen. Nachtheilig sind den Lungen Dünste,
welche nasse Wäsche, die am Ofen getrocknet wird, und fri-
scher Anstrich mit Kalk verursachen. Im Allgemeinen ist jede
Luft, in der kein Licht brennen kann, zum Athmen durchaus
untauglich; eine solche findet sich in lange verschlossenen
Gewölben, Brunnen und Kellern. Am Tage und im Sonnen-
scheine entwickelt sich aus den Pflanzen die wohlthätige Lebens-
lust, aber des Nachts eine andere, minder zuträgliche. Daher
ist auch ein Gang am Tage in Gärten und Feldern erquicken-
der, als spät des Nachts. Die Luft an stehenden Gewässern,
die keinen Zu- und Abfluss haben, ist schädlich. Gegen dicke
Nebel verwahrt man sich am besten, wenn man rasch gehet
und durch die Nase athmet. Singen und Sprechen stärkt die
Kraft der Lungen, nur das Uebermaass in beiden schadet.
Nichts ist aber gefährlicher, als das kalte Trinken kurz nach
einer Erhitzung; daraus entsteht oft die Schwindsucht, eine
Krankheit der Lungen, die selten ganz geheilt werden kann.
Nicht allein die Lunge schafft Stoffe aus dem Körper und
führt ihm andere zu, sondern auch die Haut nimmt Theil an
dem Geschäfte. Die untere, dicke Haut ist nämlich voll zar-
ter Ausdünstungs - und Einsaugungsgefässe, von denen jene
ununterbrochen einen feinen Dunst ausscheiden, welcher durch
Zwischenräume der beiden obern Häutchen dringt und nur in
kalter Luft als ein Dampf, oder beim Berühren eines kal-
ten Gegenstandes, z. B. einer Glasscheibe, als ein wässriger
Anlauf sichtbar wird. Sind die Ausdünstungen während einer
körperlichen Anstrengung stark, so setzen sie sich auf der
Oberhaut in Tröpfchen an, und bilden den Sch weiss. Zu
viel Schweiss schwächt den Körper; allein bei Kranken kann
sich die Natur vermöge desselben vieler schädlichen Theile
entledigen und sonach die Genesung bewirken. Durch die
unmerkliche Ausdünstung der Haut verlieren wir täglich mehr,
als man zu glauben geneigt ist. Plötzliche Unterdrückung
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T124: [Wasser Luft Sauerstoff Körper Stoff Kohlensäure Teil Feuer Pflanze Kalk], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke]]
224
Seelenlehre.
oder unwohl thaten. Die Wahrnehmungen des Ange-
nehmen oder Unangenehmen heissen Gefühle und
sind wohl zu unterscheiden von dem blossen Fühlen der Körper
mittels der Nerven in der Haut. Weil die Gefühle der Lust
und Unlust jener Jünglinge durch Eindrücke auf den Körper
und auf die äussern Sinne hervorgebracht worden sind, so
heissen sie sinnliche Gefühle.
Haben wir angenehme Gefühle, so wollen wir sie gern
behalten. Mit den unangenehmen ist dies umgekehrt, wir
suchen sie zu entfernen. Da unsere Sinne während des
Wachens zur Aufnahme der Eindrücke offenstehen, so sollte man
glauben, dass wir uns in einem beständigen Wechsel von Lust
und Unlusst befänden. Genau genommen ist es auch so; weil
in liess das, was oft wiederkehrt, nur schwach einwirkt, so
wird auch das Gefühl dadurch wenig aufgeregt; wir nehmen
dann nur einen sehr geringen Wechsel wahr und befinden uns
im Zustande der Gleichgiltigkeit. — Der an meinem Fenster
stehende Baum ist mir gleichgiltig, indem er unverändert vor
meinen Augen bleibt; im Frühjahr aber, wenn er Knospen,
Blätter und Blüthen bekommt, sehe ich ihn mit Vergnügen; er
zeigt mir täglich etwas Neues. Im Herbst, wenn sich sein
grünes Kleid gelb zu färben beginnt und nach und nach abfällt,
betrachte ich ihn wiederum mit mehr Aufmerksamkeit; allein es
entsteht dann in mir kein angenehmes Gefühl, das der Trauer.
So wie in der Natur Licht und Schatten wechseln, so in der
Seele des Menschen Lust und Unlust. Gewöhnlich fühlt man
die Lust mehr, wenn eine Unlust vorangegangen ist: wenn
nach der Anstrengung die Ruhe, nach der Kälte die Wärme,
nach Verlangen die Befriedigung folgt. Das Gefühlsvermögen
hat der Schöpfer aus weisen Absichten in unsere Seele gelegt;
auf den Gefühlen beruht Glück und Unglück, Wohl und Wehe
des menschlichen Lebens.
Ludwig, aus Oberschlesien gebürtig, besuchte seit einem
Jahre die Bauschule in Breslau. Wenn er zu den Ferien nach
Hause kam, wusste er viel von der Hauptstadt zu erzählen.
Da nannte er diese oder jene Strasse schön; so auch mehrere
Kirchen und andere Gebäude, Bildsäulen, Gemälde, die Musik,
die Spaziergänge um die Stadt und noch vieles Andere galt
als schön, mitunter wohl Einiges als hässlich. Er sprach von
dem Wohlgefallen, das man an den Kunstwerken hatte, und
setzte auch manchmal hinzu, welches vorzüglich gelungen oder
besser als ein anderes sei, oder wie die Urtheile darüber
abweichend lauteten. Franz, der jüngere Bruder, meinte, er
Würde bald zu bestimmen wissen, was schön sei; denn es sei
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Franz Franz
226
Seelenlehre.
pflegt wird, ihn aber statt des Dankes beraubt und sich heimlich
davon macht, erfüllt uns durch seine schlechte Handlung mit
Missfallen und Abscheu. Es können also auch aus den Gedanken
an rechte und unrechte, gute und böse Werke angenehme und
unangenehme Gefühle im Menschen entstehen, und solche nennt
man sittliche oder moralische Gefühle. An jenem Retter
des Kindes haben wir Wohlgefallen, wir fühlen Achtung gegen
ihn; an dem Räuber haben wir Missfallen, er verdient unsere
Verachtung. Allein nicht bloss an Andern sind uns die guten
oder bösen Handlungen und.gesinnungen wohlgefällig oder miss-
fällig, sondern auch an uns selbst. Das sittliche Gefühl, das
über unsere eigenen Handlungen entscheidet, wird Gewissen
genannt. Wer sein Thun für recht achtet, hat ein gutes, wer
es verachtet, Scham und Reue darüber empfindet, ein böses
Gewissen. Das gute Gewissen erfüllt uns mit Ruhe und Selbst-
zufriedenheit in allen Lagen des Lebens; aber das böse Gewissen
erregt Furcht und Unruhe, es verbittert uns alle Erdenfreuden.
Ein Mensch, in dem sich das sittliche Gefühl leicht regt, wird
auch zum Guten mehr hingetrieben, als derjenige, welcher
gleichgiltig eine gute oder schlechte That vernimmt.
Wenn wir an die grossen Wohlthaten denken, die uns
Gott erzeigt; an die körperlichen und geistigen Kräfte, mit
denen er uns ausgerüstet; an die Vorzüge, die er uns vor
allen Geschöpfen der Erde verliehen hat, so sind wir von Liebe
und Dank gegen ihn durchdrungen. — Nehme ich Gottes Macht
wahr im Sturme, der die stärksten Räume entwurzelt; im Blitze,
durch den Thürme und Felsen niedergeschmettert werden; im
Erdbeben und den Wasserfluthen, die ganze Landstriche ver-
wüsten; vergleiche ich damit meine geringen Kräfte, und wie
diese wiederum ganz von Gott abhängig sind: so fühle ich
Ehrfurcht gegen ihn. — Von diesem liebevollen und mäch-
tigen Wesen kann nur das Gute, das Beste kommen. Dieses
hoffe ich und setze ein unbeschränktes Vertrauen in ihn. —
Ich erkenne die heiligen Wahrheiten, die der Allgütige zur
Belehrung, Besserung und Beseligung des Menschengeschlechts
geoffenbaret hat; mein Gemüth erhebt sich beim Gebet zu ihm;
ich glaube in seiner Nähe zu sein, und das Herz ist von Selig-
keit erfüllt. Diese Gefühle der Liebe, des Dankes, der
Ehrfurcht und des Vertrauens folgen aus der Erkenntniss
Gottes und heissen Religionsgefühle. Bei wem solche Ge-
fühle recht lebendig sind, der trachtet auch denselben gemäss
zu handeln, dem Höchsten zu gefallen; und so wirken sie,
wie die Gefühle für Schönheit, Wahrheit und Sittlichkeit, wohl-
thätig auf den Menschen.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz]]
TM Hauptwörter (200): [T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
227
Das Begehrungsvermögen.
Rosalie vertrat gern die Stelle einer Wärterin bei ihrer
kleinen Schwester; zuweilen wurde ihr jedoch dies Geschäft
mit dem lebhaften Kinde zu schwer; und sie beklagte sich über
manches bei den Eltern, was sie Eigensinn der Kleinen nannte.
„Sie ist doch,“ hiess es, „wenn sie wacht, nicht eine Minute
ruhig; bald schlägt sie mit den Händen um sich, bald stampft sie
mit den Füssen und thut, als wenn sie gehen wollte. Ich bin
kaum im Stande sie zu erhalten. Dabei lässt sie stets ihre
Stimme ertönen; wenn sie nicht lallt, so singt oder schreit sie.
Auch will sie schon befehlen; denn entferne ich mich nur auf
ein Weilchen, so ruft sie in einem fort, bis ich komme. Dann
verlangt sie, dass ich immer mit ihr spielen oder sie herum-
tragen soll. Geht Karl statt meiner zu ihr, so wendet sie sich
von ihm ab. Seit Kurzem nimmt sie auch die Gewohnheit an,
alles nach dem Munde zu langen; neulich ergriff sie meine Hand
und biss mich tüchtig in den Finger.“ Die Mutter ermahnte
Rosalien zur Geduld und meinte, dass einmal die Kinder
in dem Alter nicht anders zu sein pflegen, dass sie es vor
12 Jahren der Schwester gleich und in manchem noch schlim-
mer gemacht habe, und dass der Kleinen vieles nicht übel
zu deuten sei, da sie noch kein klares Bewusstsein habe. „Die
Kinder,“ setzte der Vater hinzu, „besitzen schon eine Neigung
etwas zu thun, zu verlangen oder zu entfernen, bevor sie denken
können, und das ist vom lieben Gott sehr weise eingerichtet.
Das öftere Bewegen des Körpers fördert sein Wachsthum und
den Gebrauch der Glieder. Lallen und Schreien dienen zu
Vorübungen im Sprechen. Durch Gesellschaft und Spielen
werden die Kinder mit vielen Dingen bekannt und lernen
nachahmen. Das Beissen am Spielzeug und andern Dingen
erleichtert das Zahnen. Was würde aus dem Kinde werden,
wenn es nicht solche Neigungen, die man Triebe nennt,
besässe?“ Allein auch der erwachsene Mensch hat Triebe,
unter andern folgende: Er wird von der Natur angeregt, sein
Leben so lange als möglich zu erhalten: er hat also den
Trieb der Selbsterhaltung. ,— Der Mensch befindet
sich nicht wohl, wenn er seine Zeit im Müssiggange zubringt;
er trachtet auf irgend eine Weise beschäftigt zu sein: es ist
ihm nämlich der Trieb zur Thätigkeit eigen. — Er geht
gern mit andern Menschen um; er sucht bei ihnen Unterhaltung,
Belehrung und Theilnahme und wünscht sich auch ihnen wieder
mitzutheilen: folglich wohnt in ihm der Ges eiligkeits-
trieb. — Er fühlt sich zu diesem oder jenem Menschen hin-
15*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
228
Seelenlehre.
gezogen, hat Wohlgefallen an ihm und zeigt so den Trieb
zur Liebe. — Der Mensch empfindet Zuneigung gegen seinen
Wohlthäter und möchte ihm gern das empfangene Gute ver-
gelten : er besitzt also den Trieb der Dankbarkeit. —
Er strebt nach Belehrung, nach Erweiterung seiner Einsichten
und Kenntnisse; er ist bemüht das Dunkle klar zu machen,
das Falsche vom Wahren zu unterscheiden: hierin legt er den
Trieb der Wissbegierde an den Tag. Endlich bemerkt
man im Menschen den Trieb nach Freiheit, das heisst:
er fühlt sich angeregt nach eigener Ueberlegung unbeschränkt
zu handeln.
Das, was auf die Sinne angenehm einwirkt, trachten wir
gewöhnlich, wie schon früher bemerkt wurde, zu erlangen:
was ihnen aber unangenehm ist, zu entfernen. Daher haben
wir ein Verlangen nach einer wohlschmeckenden Frucht, nach
kühlem Schatten während der Sonnenhitze, nach dem Anblick
eines schönen Gemäldes, von dem wir sprechen hörten. Dagegen
wenden wir uns ab von einer verdorbenen, übelriechenden
Speise, und gehen ungern im Regen und Sturm. Weil nun der
Mensch durch die Sinne zum Begehren veranlasst werden kann,
so legt man ihm ein sinnliches Begeh rungsvermögen
bei. Wird der Mensch durch die Vorstellung eines Gegen-
standes angeregt, nach Erlangung desselben zu streben, so
entstellen Begierden. Jemand hält den Reichen für glücklich
und möchte deshalb auch gern reich werden. Einem Jünglinge
gefallen die Ehrenbezeigungen, die man den (Meieren erweiset,
und er hat deshalb Lust Officier zu werden. Ein Arbeiter
ist durstig und hat ein starkes Verlangen nach einem Glase
Bier. — Aus einem anhaltenden Wohlgefallen an etwas und
dem fortwährenden Begehren darnach entspringen Neigungen.
Zu grosse Begierden aber, welche die Vernunft beherrschen
und die man nur mit Mühe bekämpfen kann, heissen Leiden-
schaften. Konrad sah einigemal dem Kartenspiel zu und
bekam Lust es zu erlernen. Er fing an zu spielen, gewann
zuweilen, und das Spiel wurde bald in ihm zur Neigung.
Später konnte er es nicht mehr lassen, er brachte ganze Tage
im Wirthshause zu, verlor viel Geld, blieb den Tag über zur
Arbeit untauglich, gewöhnte sich auch das Branntweintrinken
an, verarmte und musste mit den Seinigen Noth leiden. —
So arten Neigungen in Leidenschaften aus, wenn man sie
nicht bei Zeiten unterdrückt. Wie gefährlich Leidenschaften
für die Tugend und das Glück des Menschen werden können,
davon gibt es Beispiele in Menge. Der leidenschaftliche Mensch
stürzt nicht nur sich selbst ins Elend und Verderben, sondern
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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Das Vorstellungsvermögen.
229
auch ganze Familien. Darum hüte dich vor Leidenschaften
und beherrsche sie, wenn sie in dir emporkommen! Eine starke
und beharrliche Leidenschaft nennt man Sucht, als: Habsucht,
Ehrsucht, Vergnügungssucht, Rachsucht, Herrschsucht.
Adalbert sah in einem Walde viele Pflanzen, deren vier
länglichrunde Blätter eine grosse schwarze Beere umschlossen.
Er pflückte eine ab, betrachtete sie, nahm etwas von dem
Safte auf die Zunge und fand ihn wohlschmeckend. Schon
war er im Begriff', sich an den schönen Beeren zu laben;
allein er dachte: „du kennst weder das Gewächs noch seine
Frucht; wenn nun diese schädlich wäre? — Lieber esse ich
sie nicht.“ Er that wohl daran; denn es war, wie er später
von seinem Lehrer erfuhr, die giftige Einbeere. Adalbert
wäre durch seine Sinne verleitet worden, etwas zu gemessen,
was ihm viel Leiden oder gar den Tod zugezogen hätte; aber
sein Verstand wendete das Unheil ab, indem er das Urtheil
fällte: eine unbekannte Frucht darf man nicht essen. Der
Knabe unterliess also etwas Angenehmes und vermied die unan-
genehmen Folgen, weil sein Wille dem Verstände folgte.
Ein Kaufmann soll Waaren in Breslau holen, da seine
Vorräthe bald zu Ende sind. Es ist Winter, die Kälte anhal-
tend und streng. Er könnte zwar noch einige Zeit warten
und in der warmen Stube bleiben; allein er beschlosst dennoch
die Reise und achtet nicht ans die rauhe Witterung. Er urtheile
nämlich: „es ist möglich, dass die Kälte zunimmt, und ich
muss dann doch reisen, wenn nicht Störung in meinem Handel
eintreten soll.“ Hier wird etwas Unangenehmes begehrt, um
in der Zukunft einen Vortheil zu erreichen. Wenn, wie in
diesem Beispiele, der Verstand über das Begehren entscheidet,
so besitzt unsere Seele ein verständiges Begehrungs-
vermögen. Dieses ist zwar mehrentheils auf eigenen Vor-
theil gerichtet und nicht immer zu billigen; indess hält es doch
oft vom Bösen ab, fördert das Gute und trägt zu unserer Ver-
vollkommnung bei, insofern wir uns anstrengen den Geist mit
Kenntnissen zu bereichern, um dadurch unser Fortkommen in
der Welt zu sichern.
Ein Arzt, der selbst nicht ganz gesund war, wurde zu
einem am ansteckenden Nervenfieber erkrankten Tagelöhner
gerufen. Es kam ihm sauer an, dem Verlangen zu genügen,
seines eigenen Uebelbefindens wegen. Er hatte auf keine
Belohnung zu rechnen, könnte angesteckt werden und sich
deu Tod holen. Alles dies überlegte er einen Augenblick.
Doch dachte er bald weiter: „dein Beruf fordert, dass du
dem Kranken wo möglich hilfst.“ Er folgte, trotz aller Mühe
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T28: [Blatt Blüte Pflanze Baum Wurzel Frucht Stengel Zweig Erde Samen]]
202
Seesenseprc.
Der Schöpfer hat im Menschen das Sichtbare mit dem
Unsichtbaren,, den Körper mit der Seele wunderbar ver-
bunden. Die Verbindung dauert einige Zeit auf dieser
Erde, bis durch den Tod die Trennung erfolgt. Dann
geht das denkende Wesen zur Geisterwelt, der es angehört;
seine künstliche Wohnung aber, der Leib, bleibt leblos
zurück. Weil sich die Seele mit keinem Sinne wahrneh-
men Itisst, so ist es schwer, sie kennen zu lernen. Alles,
was wir von ihr wissen, gründet sich blos auf die Beobach-
tung ihres Wirkens. Die Seele kann auf mannigfache
Weise thätig sein, deshalb sind ihr auch verschiedene
Kräfte eigen. Die vorzüglichsten sollen hier in Beispielen
abgehandelt werden.
Die Hauptkräste der Seele.
August betrachtet eine Zeichnung, welche Heinrich, sein
Mitschüler, angefertigt hatte. Er freut sich über die schöne
Abbildung und wünscht, eben so gut zeichnen zu können. —
Hier lässt sich in dem Knaben eine dreifache Thätigkeit unter-
scheiden. Zuerst nimmt seine Seele durch den Sinn des Gesichts
die Zeichnung wahr, oder sie erkennt dieselbe; dann folgt
ein Empfinden von Freude; zuletzt ein Wünschen, Be-
gehren oder Wollen. In diesen Aeusserungen sind die
drei Hauptkräfte der Seele bemerkbar: sie heissen das Er-
kenntniss-, Gefühls- und Begeh rungsvermögen. —
Ein Knabe wird beim Spiele von einem andern gescholten,- er
betrübt sich darüber und verlässt die Spielenden. Das Hören
der Scheltworte ist ein Erkennen, die Betrübniss ein Gefühl,
und das Abgehen die Folge des Willens. — Zuweilen ist eine
von den drei Hauptkräften in anhaltender Wirksamkeit, wäh-
rend die andern zu ruhen scheinen; nicht selten sind zwei
zugleich thätig. In August begann erst das Erkennen, allein
das Fühlen und Verlangen wurden fast auf einmal rege. Oft
weckt eine Kraft die andere. Gefühle erzeugen Begierden, und
diese treiben zum Denken an. Das Erkenntnissvermögen zer-
fällt in mehrere Zweige.
Das Vorstellungsvermögen.
Paul wird des Abends in ein fremdes Haus geführt, um
seine Mutter, die dort eine Freundin besuchen wollte, abzu-
holen. Ein Dienstmädchen leitet ihn durch die lange Hausflur
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte]]
Extrahierte Personennamen: August Heinrich Heinrich August
Temperamente.
231
wieder gleich gut machen. Eine traurige Begebenheit rührt
ihn bald zu Thränen. Zu seinen Mängeln gehören Unbestän-
digkeit, Leichtsinn und Unentschlossenheit; das Gegengewicht
halten hingegen Gutmüthigkeit, Liebenswürdigkeit und Edel-
muth. Dieser Mensch gehört zu den Leichtblütigen, oder
er besitzt das sanguinische Temperament.
Der zweite ist von angenehmem Aeussern. Seine Augen
sind feurig und durchdringend; in seinem Körper liegt Fülle
und Stärke, in seinem Benehmen viel Anstand und Würde.
Er ist gern thätig, doch nicht anhaltend. Die Furcht scheint
ihm fremd, weil er seine Kraft fühlt. Er wird leicht zornig
und zur Rache geneigt. Er will gern verehrt und bewundert
sein, herrschen und gebieten, daher man ihm Stolz vorwirft.
Dieser Mann gehört zu den Warmblütigen und hat das
cholerische Temperament.
Der dritte, etwas blass im Gesicht, mit festemund ruhigem
Blicke, ist oft in sich gekehrt und für die Freude wenig empfäng-
lich. Hat er sich zu etwas entschlossen, so führt er es auch,
aller Mühe ungeachtet, aus. Der Witz ist ihm wenig, dagegen
mehr der Scharfsinn eigen. Oft zeigt er heiteren Ernst, jedoch
zuweilen Neigung zum Trübsinn. Er sucht nicht viele, aber
treue Freunde. Es gehört ihm überhaupt an: fester Wille und
Beharrlichkeit, verbunden mit Hartnäckigkeit und Abgeschieden-
heit. Bei ihm findet man das melancholische Temperament;
er ist ein Schwerblütiger.
Der vierte sieht wohlgenährt, fast aufgedunsen ans. Sein
Auge ist matt und starr. Er liebt eine behagliche Ruhe, arbeitet
langsam und ungern, schläft lange und kann viel Wärme
ertragen. Wie der Körper, so liebt auch sein Gemüth die
Ruhe. Die Einbildungskraft ist selten bei ihm rege. Er ist
gleichgiltig gegen Freuden und Leiden. Weil ihm das Erwer-
den schwer scheint, so scheut er jede Ausgabe und hat Nei-
gung zum Geize. Er ist furchtsam und eigensinnig. Zn seinen
guten Eigenschaften gehören Bedachtsamkeit, Gelassenheit und
Ordnungsliebe. Dieser ist ein Kaltblütiger und von phleg-
matischem Temperament.
Dem gemäss gibt es also vier Temperamente, das des
Leichtblütigen, des Warmblütigen, des Schwerblü-
tigen und des Kaltblütigen, oder das sanguinische,
cholerische, melancholische und phlegmatische.
Man ist der Meinung, dass die Beschaffenheit unseres Körpers
auf das Gefühls- und Begehrungsvermögen Einfluss habe, und
in früheren Zeiten wollte man beides vom Blute herleiten, daher
jene Benennungen. Gegenwärtig versteht man unter Tempera-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T71: [Mann Volk Leben Sitte Zeit Vater Liebe Frau König Jugend]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T166: [Mann Volk Sitte Zeit Geist Tapferkeit Wesen Leben Sinn Charakter], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
204
Seelenlehre,
zu Vorstellungen von den ausser uns befindlichen Dingen nur
durch die Sinne gelangen, so nennen wir diese die äussern
Sinne, die durch sie entstandenen Vorstellungen die sinn-
lichen, und die Kraft der Seele, sie zu bilden, das Vor-
stellungsvermögen. Wie Vorstellungen entstehen, und von wei-
cher Art sie sind, mag folgende Erzählung deutlich machen.
Drei Söhne eines Amtmanns: Ernst, Bernhard und Karl,
der erste 12, der zweite 10, der dritte 8 Jahre alt, erhielten
an einem heitern Frühlingstage die Erlaubniss auszugehen.
Ernst wollte einige Pflanzen sammeln, Bernhard eine neue
Angel versuchen, der Jüngste schloss sich ohne besondere
Absicht an. Nach einiger Zeit kamen sie an eine weite Wiese,
die am Saume eines Gehölzes lag und von einem klaren Bache
durchschnitten wurde. Hier begannen die ältern Brüder ihr
Geschäft; der kleine aber legte sich, matt von Hitze, in den
Schatten einer Eiche, wo er sanft einschlief. Ernst heftete
seine Blicke auf die blühenden Gewächse, hielt aber zugleich
seine Sinne auch andern Eindrücken offen. Da fand er meh-
rere Arten des Hahnenfusses, der mit goldgelben Blumen aus
dem Grün hervorglänzte. Dazwischen machte sich bemerkbar
das Blau des Günsels, das Roth der Fleischblume und das
Weiss der Wiesenkresse. Am Ufer des Baches standen Ver-
gissmeinnicht, die Schwertlilie, und im Wasser öffneten die gelbe
und weisse Seerose zwischen grossen schwimmenden Blättern ihre
prachtvollen Kronen. Den Rand des Gebüsches schmückten
der Weissdorn und der Hollunder, deren Blüthen weithin einen
angenehmen Duft verbreiteten. Eine Menge bunter Schmetter-
linge flatterte über den Blüthen; ein Heer von Mücken, Flie-
gen, Bienen und Käfern durchkreuzte summend die Luft; bei
jedem Schritte sprangen Heupferde und Grillen aus dem Grase;
da und dort rauschte eine Eidechse im Strauche,- Schwalben
schossen gleich Pfeilen dahin; Grasmücken flatterten um die
Sträucher, der Kukuk rief seinen Namen aus und Nachtigallen
sangen ihre Lieder. Allerlei Stimmen der gefiederten Sänger
drangen in des Hörers Ohr. Ein sanfter Wind bewegte die
Zweige der Bäume, schaukelte die Blumen, bog wellenförmig
die Saaten des nahen Feldes, zerbliess die lockern Wollköpfe
des Löwenzahns und kühlte Ernst’s Stirn. Eine nahe Quelle
an der Wurzel einer alten Weide, deren Wasser er mit der
hohlen Hand schöpfte, erquickte ihn. Dies sind die bedeu-
tendsten Wahrnehmungen, die des Knaben Seele empfängt. Er
freut sich ihrer lebhaft und wünscht nur, seine Brüder hätten
Theil daran genommen. Er begibt sich zu Bernhard, der
gebückt und wie angeheftet am Rande des Baches sitzt und