188
Lehre vom Menschen.
Ken, Berg, Thal, Glanz, Schimmer und Farben reden, so
vernimmt er Worte, die für ihn keine Bedeutung haben und
die ihm auch Niemand zu erklären im Stande ist.
Man sollte grosse Aufmerksamkeit der Erhaltung eines so
überaus wichtigen und zarten Werkzeuges, wie das Auge ist,
widmen* aber dies geschieht leider oft erst, wenn es zu spät
ist. Als Hauptregel gilt, das Auge nicht sehr anzustrengen.
Durch langdauernde Thätigkeit muss auch das beste Auge lei-
den, und es ist hohe Zeit, ihm Ruhe zu gönnen, wenn es zu
schmerzen anfängt. Ein zweiter Rath ist: Bewahre das Auge
vor schnellen Uebergängen aus dem Hellen ins Dunkle. Eine
plötzliche Erschütterung der Sehnerven kann augenblickliche
Blindheit zur Folge haben ; wie z. B. wenn man in einer durch
Läden verdunkelten Stube schläft und des Morgens den Laden,
während die Sonne darauf scheint, mit einem male öffnet.
Anhaltendes Lesen, zumal kleiner Schrift, gleich nach dem Auf-
stehen, oder in liegender Stellung, bei flackerndem Lichte oder
im Sonnenschein, ist ebenfalls für die Sehkraft sehr schwä-
chend. Sonst erholt sich das Auge, wenn es unbeschäftigt ist,
an schwachem Lichte. Bei langdauernden Arbeiten, die ein
Nahesehen erfordern, richte man zuweilen den Blick in die
Ferne. Man bediene sich der Augengläser nicht früher, als
es nothwendig ist und suche regelmässig geschliffene zu erhal-
ten. Scharfe oder schlechte Gläser, deren Gebrauch ein unan-
genehmes Gefühl im Auge hervorbringt, schaden ihm. Stär-
kend für die Augen ist das Waschen des Morgens mit kaltem
Wasser, wenn man dasselbe nicht plötzlich, sondern allmählig
auf die geschlossenen Augenlider bringt. Die grüne Farbe
erfrischt die Augen, weshalb ihnen der Aufenthalt im Garten,
Feld und Wald sehr zusagt.
Vom Blutumlauf.
Die Behältnisse, in denen das Blut Hiesst, machen ein
zusammenhängendes Ganze aus und heissen auch Blutgefässe.
Sie begreifen in sich das Herz, von welchem die Bewegung
des Blutes ausgeht, die Schlag- oder Pulsadern, die das
Blut aus dem Herzen in alle Theile des Körpers führen, und
die Blutadern, welche es wieder zum Herzen zurückleiten.
Das Blut ist nicht, wie es scheint, eine einfache Flüssig-
keit, sondern es enthält drei Bestandtheile, nämlich das Blut-
wasser, die Blutkügelchen und den Faserstoff. Wenn
Blut aus den Adern gelassen worden ist, so gerinnen nach
einiger Zeit die beiden letztgenannten Bestandtheile, das Blut-
wasser hingegen bleibt flüssig. Das Blut wird durch den fort-
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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TM Hauptwörter (200): [T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau]]
Vom Blutumlauf.
189
währenden Umlauf und durch seine Wärme, von der auch die
des ganzen Körpers herrührt, in Flüssigkeit erhalten. Sein
Gewicht schätzt man in einem erwachsenen Menschen auf 26
bis 28 Pfund.
Das Herz ist aus festen Muskeln zusammengesetzt, hat
eine längliche Gestalt, liegt zwischen den beiden Lungen etwas
schräge nach der linken Seite der Brusthöhle, und wird von
einer Haut, dem Herzbeutel, umschlossen. Im Innern hat
es zwei,' der Länge nach durch eine fleischige Scheidewand
getrennte Höhlen, von denen die eine die rechte, die andere
die linke Kammer heisst. Ausserdem liegt noch bei jeder
Herzkammer, oben am breiten Ende des Herzens, eine Neben-
höhle, Yorhof genannt; also gibt es auch einen rechten und
linken Vorhof. Der rechte Yorhof steht mit der rechten Kam-
mer, und der linke mit der linken Kammer durch Klappen, die
sich öffnen und Schliessen, in Verbindung. Ans den Herzkam-
mern geht das Blut in den Körper; die Vorhöfe aber nehmen
das aus dem Körper zurückkehrende wieder auf. Das Herz
ist in einer unaufhörlichen Bewegung. Wenn sich der mittlere
Theil, wo die Kammern sind, zusammenzieht, so dehnt sich die
Gegend der Vorhöfe aus; gehen aber die Vorhöfe zusammen,
so werden die Kammern erweitert. Beim Ausdehnen empfangen
die Höhlen neues Blut, beim Verengen drücken sie es heraus.
Diese Bewegungen des Herzens verursachen an der linken Seite
der Brust Stösse oder Schläge, deren in einer Minute 60 bis
80 erfolgen.
Die Adern sind lange hantige Röhren, die vom Herzen
nach allen Theilen des Leibes ihren Weg nehmen und sich
ins Unendliche verzweigen, so dass man ihre Enden mit freien
Augen nicht mehr erkennt. Die feinen Zweige der Schlagadern
gehen meist in die kleinen Zweige der Blutadern über. Auf
diese Art wird die ausströmende Flüssigkeit in eine zum Her-
zen zurückkehrende verwandelt. In den Schlagadern strömt
das Blut schneller als in den Blutadern; dagegen sind aber
auch die erstem enger als die letztem. An gewissen Stellen
der Schlagadern ist eine regelmässige Bewegung, Puls
genannt, sichtbar. Weil die Verletzung der Schlagadern leicht
lebensgefährlich wird, so hat sie die göttliche Vorsehung tiefer
ins Fleisch gelegt, als die Blutadern, welche besonders an
Händen und Füssen nahe unter der Haut bläulich durch-
scheinen.
Der Umlauf des Blutes ist aber ein zweifacher, vom
Herzen nach den Lungen und von da wieder zum Herzen; fer-
ner vom Herzen aus durch den ganzen Körper und wiederum
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
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190
Lehre vom Menschen.
zurück. Ersterer heisst der kleinere, letzterer der grössere
Kreislauf. Das aus den Lungen strömende Blut tritt in den
linken Vorhof, dann in die linke Kammer und Hiesst von hier
allen Theilen des Körpers zu. Das zurückkehrende Blut kommt
im rechten Vorhofe an, geht in die rechte Kammer, und diese
sendet es in die Lungen. Hier wird es bedeutend durch den
Zutritt der Luft verändert. Das aus den Lungen kommende
ist nämlich heller, als das nach denselben fliessende; auch hat
das helle mehr nährende Eigenschaften.
Das Blut ist die alles belebende und erhaltende Flüssig-
keit. Fehlt oder stockt es in einem Gliede, so stirbt dieses
ab. Wird sein Umlauf im ganzen Körper gehemmt, so erfolgt
bald der Tod. Es ergänzt und ersetzt das Abgenutzte und
Verbrauchte, gibt nicht nur den Stoff zu Knochen, Muskeln,
Nerven, Häuten und andern festen Theilen, sondern es werden
daraus die mannigfachen Flüssigkeiten, als Galle, Speichel,
Magensaft, der Sch weiss und andere bereitet. Das, was
dem Blute auf diese Weise abgeht, führen ihm die aus den
Speisen bereiteten Säfte und die Luft wieder zu. Deshalb ist
zur Bereitung eines guten Blutes gesunde Nahrung und eine
reine Luft vonnöthen. Körperliche Arbeit fördert den regel-
mässigen Blutumlauf, so wie ihn eine sitzende Lebensart und
Unthätigkeit mindert. Ferner wirken darauf die Zustände der
Seele. So macht die Freude, dass sich das Blut schneller,
Gram und Traurigkeit, dass es sich langsamer bewegt. Enge
Kleidungsstücke hemmen die Strömung des Blutes. Bindet man
das Tuch um den Hals zu fest, so steigt eine übernatürliche
Böthe ins Gesicht. Wenn das Blut nicht gehörig ablaufen
kann, schwellt es die Adern auf und verursacht dann Hitze
und Kopfschmerz. Nicht minder nachtheilig wirkt das Zusam-
menpressen des Leibes in der Lendengegend.
Es gibt noch eine Art Gefässe, ähnlich den Adern. Sie
enthalten kein Blut, heissen Saugadern, und verzweigen sich
sowohl im innern als auch in der Haut, ihre Bestimmung ist:
Flüssigkeiten, welche die Schlagadern ausdünsten, ferner die
aus den Speisen bereiteten Säfte und Stoffe aus der Luft auf-
zunehmen und weiter zu leiten. Diese Gefässe gehen durch
Drüsen, länglich runde, etwas abgeplattete Knötchen. Dort
bleiben die Säfte einige Zeit oder werden weiter ins Blut
geführt; denn diese einsaugenden Gefässe sind mit den Blut-
adern verbunden. Aus der Verzweigung der Saugadern im
ganzen Körper lassen sich verschiedene Erscheinungen erklä-
ren. So begreift man hieraus, warum äussere Umschläge
und Einreibungen oft Wirkungen hervorbringen, die denen
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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Die Lunge.
191
des innern Gebrauchs ähnlich sind; warum manche Krank-
heiten durch Kleidungsstücke, ja durch blosse Berührung
mitgetheilt werden können; warum ein Bad den Durst lin-
dert u. s. w.
Für die Gesundheit ergeben sich hieraus mehrere Regeln,
als: Halte die Haut rein durch Baden und Waschen, damit
die einsaugenden Gefässe keinen Schmutz aufnehmen dürfen.
Wechsele von Zeit zu Zeit die Kleidungsstücke, welche zunächst
an der "Haut liegen. Halte dich nicht zu lange in feuchten,
dumpfigen Kammern und Kellern auf. Schlafe nicht mit
Ungesunden in einem Bette zusammen. Ziehe nicht Kleidungs-
stücke von solchen Personen an, die mit Gicht, Schwindsucht
oder Hautkrankheiten behaftet waren.
Die Lunge.
Der Mensch zieht ohne Unterlass Luft in sich ein und
stösst sie wieder aus. Dieses Geschäft beginnt mit der Geburt
und endigt mit dem Tode. Das Werkzeug des Athmens ist
die Lunge. Sie besteht aus der Luftröhre und zwei beutel-
artigen, schwammigen Theilen, den Lungenflügeln; jene
ist vorn im Halse, diese sind in der Brusthöhle, zu beiden
Seiten des Herzens. Die Luftröhre fängt am Kehlkopfe an
und bildet unten zwei Aeste, die sich in den Lungenflügeln
verzweigen. Der Kehlkopf öffnet sich in den Schlund durch
eine Spalte, die Stimmritze. Von dieser ragt ein Knorpel,
der Kehldeckel, in die Höhe, welcher sich im Schlucken
zurückschlägt und verhindert, dass Speise und Trank in die
Luftröhre kommen. Die Luftröhre ist aus Häuten und knorp-
ligen Ringen gebildet. Man bemerkt solche Ringe auch in
ihren Aesten, nur in den dünnen Zweigen fehlen sie. Die
Lunge ist als ein Gewebe von Häuten, Luft- und Blutgefässen
zu betrachten.
Das Athmen geschieht durch das Ausdehnen und Zusam-
menziehen der Lungen. Während des erstem dringt die äussere
Luft hinein, während des letztem wird sie herausgestossen.
Die eingenommene Luft vertheilt sich in die feinsten Behältnisse,
und aus ihr schöpfen unzählige zarte Adern der Lungen eine
Art Nahrung, die in Sauerstoff besteht. Zu gleicher Zeit
dünstet aber auch das in den Lungen befindliche Blut unbrauch-
bare Theile aus, die sich mit der Luft vereinigen und beim Aus-
rahmen fortgeschafft werden. Dergestalt bringt das Athmen
dem Blute das Benöthigte und entzieht ihm das Untaugliche.
Es ist also leicht einzusehen, dass die ausgeathmete Luft von
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
TM Hauptwörter (200): [T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]
192
Lehre vom Menschen.
einer ganz andern Beschaffenheit sein muss, als die eingeath-
mete; so auch, dass das Athmen vieler Menschen in einem
verschlossenen Raume die Luft verdirbt.
Die Werkzeuge des Athmens sind auch zugleich die Haupt-
werkzeuge der Stimme und Sprache; es dienen also
hier, nach den weisen Absichten Gottes, dieselben Mittel zu
verschiedenen Zwecken.
Wer die Wichtigkeit des Athmens für die Gesundheit des
Körpers kennt, wird zunächst um reine Luft besorgt sein. Die
Luft in den Wohnungen muss Zufluss von Aussen erhalten,
wenn sie nicht verderben soll; deshalb sind täglich einige Zeit
die Fenster zu öffnen. Nachtheilig sind den Lungen Dünste,
welche nasse Wäsche, die am Ofen getrocknet wird, und fri-
scher Anstrich mit Kalk verursachen. Im Allgemeinen ist jede
Luft, in der kein Licht brennen kann, zum Athmen durchaus
untauglich; eine solche findet sich in lange verschlossenen
Gewölben, Brunnen und Kellern. Am Tage und im Sonnen-
scheine entwickelt sich aus den Pflanzen die wohlthätige Lebens-
lust, aber des Nachts eine andere, minder zuträgliche. Daher
ist auch ein Gang am Tage in Gärten und Feldern erquicken-
der, als spät des Nachts. Die Luft an stehenden Gewässern,
die keinen Zu- und Abfluss haben, ist schädlich. Gegen dicke
Nebel verwahrt man sich am besten, wenn man rasch gehet
und durch die Nase athmet. Singen und Sprechen stärkt die
Kraft der Lungen, nur das Uebermaass in beiden schadet.
Nichts ist aber gefährlicher, als das kalte Trinken kurz nach
einer Erhitzung; daraus entsteht oft die Schwindsucht, eine
Krankheit der Lungen, die selten ganz geheilt werden kann.
Nicht allein die Lunge schafft Stoffe aus dem Körper und
führt ihm andere zu, sondern auch die Haut nimmt Theil an
dem Geschäfte. Die untere, dicke Haut ist nämlich voll zar-
ter Ausdünstungs - und Einsaugungsgefässe, von denen jene
ununterbrochen einen feinen Dunst ausscheiden, welcher durch
Zwischenräume der beiden obern Häutchen dringt und nur in
kalter Luft als ein Dampf, oder beim Berühren eines kal-
ten Gegenstandes, z. B. einer Glasscheibe, als ein wässriger
Anlauf sichtbar wird. Sind die Ausdünstungen während einer
körperlichen Anstrengung stark, so setzen sie sich auf der
Oberhaut in Tröpfchen an, und bilden den Sch weiss. Zu
viel Schweiss schwächt den Körper; allein bei Kranken kann
sich die Natur vermöge desselben vieler schädlichen Theile
entledigen und sonach die Genesung bewirken. Durch die
unmerkliche Ausdünstung der Haut verlieren wir täglich mehr,
als man zu glauben geneigt ist. Plötzliche Unterdrückung
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
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224
Seelenlehre.
oder unwohl thaten. Die Wahrnehmungen des Ange-
nehmen oder Unangenehmen heissen Gefühle und
sind wohl zu unterscheiden von dem blossen Fühlen der Körper
mittels der Nerven in der Haut. Weil die Gefühle der Lust
und Unlust jener Jünglinge durch Eindrücke auf den Körper
und auf die äussern Sinne hervorgebracht worden sind, so
heissen sie sinnliche Gefühle.
Haben wir angenehme Gefühle, so wollen wir sie gern
behalten. Mit den unangenehmen ist dies umgekehrt, wir
suchen sie zu entfernen. Da unsere Sinne während des
Wachens zur Aufnahme der Eindrücke offenstehen, so sollte man
glauben, dass wir uns in einem beständigen Wechsel von Lust
und Unlusst befänden. Genau genommen ist es auch so; weil
in liess das, was oft wiederkehrt, nur schwach einwirkt, so
wird auch das Gefühl dadurch wenig aufgeregt; wir nehmen
dann nur einen sehr geringen Wechsel wahr und befinden uns
im Zustande der Gleichgiltigkeit. — Der an meinem Fenster
stehende Baum ist mir gleichgiltig, indem er unverändert vor
meinen Augen bleibt; im Frühjahr aber, wenn er Knospen,
Blätter und Blüthen bekommt, sehe ich ihn mit Vergnügen; er
zeigt mir täglich etwas Neues. Im Herbst, wenn sich sein
grünes Kleid gelb zu färben beginnt und nach und nach abfällt,
betrachte ich ihn wiederum mit mehr Aufmerksamkeit; allein es
entsteht dann in mir kein angenehmes Gefühl, das der Trauer.
So wie in der Natur Licht und Schatten wechseln, so in der
Seele des Menschen Lust und Unlust. Gewöhnlich fühlt man
die Lust mehr, wenn eine Unlust vorangegangen ist: wenn
nach der Anstrengung die Ruhe, nach der Kälte die Wärme,
nach Verlangen die Befriedigung folgt. Das Gefühlsvermögen
hat der Schöpfer aus weisen Absichten in unsere Seele gelegt;
auf den Gefühlen beruht Glück und Unglück, Wohl und Wehe
des menschlichen Lebens.
Ludwig, aus Oberschlesien gebürtig, besuchte seit einem
Jahre die Bauschule in Breslau. Wenn er zu den Ferien nach
Hause kam, wusste er viel von der Hauptstadt zu erzählen.
Da nannte er diese oder jene Strasse schön; so auch mehrere
Kirchen und andere Gebäude, Bildsäulen, Gemälde, die Musik,
die Spaziergänge um die Stadt und noch vieles Andere galt
als schön, mitunter wohl Einiges als hässlich. Er sprach von
dem Wohlgefallen, das man an den Kunstwerken hatte, und
setzte auch manchmal hinzu, welches vorzüglich gelungen oder
besser als ein anderes sei, oder wie die Urtheile darüber
abweichend lauteten. Franz, der jüngere Bruder, meinte, er
Würde bald zu bestimmen wissen, was schön sei; denn es sei
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Franz Franz
194
Lehre vom Menschen.
Das grösste, zur Absonderung der Galle bestimmte Ein-
geweide des Unterleibes ist die Leber. Sie befindet sich
dicht unter dem Zwerchfell und reicht von rechts nach links
weit über die Mitte der obern Bauchgegend. Ihre obere
erhabene Fläche ist dem Zwerchfell und den Rippen, die untere
hohle dem Magen zugekehrt. Eine Menge Von Blut- und
Gallengefässen durchziehet sie nach allen Richtungen. Starke
Adern Yertheilen in der Leber das Blut. Dasselbe hat hier
eine dunkelrothe Farbe und enthält den Stoff zur Galle, die
nach der Ausscheidung in ein Behältniss, die Gallenblase,
geleitet wird. Die Galle selbst ist ein gelbgrüner, scharfer,
bitterer Saft, welcher zur Zersetzung der Speisen dient.
Eine der Leber ähnliche Verrichtung hat die Milz. Sie
ist zungenförmig, Von schwammigem Gewebe, yoii Adern, und
nimmt ihre Stelle an der linken Seite zwischen den Rippen
und dem Magen ein.
Mittelst der erwähnten Werkzeuge werden aus den Spei-
sen die nährenden Theile abgesondert und dem Blute zugesandt,
die unbrauchbaren aber fortgeschafft. Dieses geschieht auf fol-
gende Art: Nachdem die Nahrungsmittel gekäut und mit Spei-
chel vermengt in den Magen gelangt sind, verweilen sie dort
einige Zeit und werden durch die Wärme, den eigenthümlichen
Saft und die Bewegung des Magens zu einem Brei, der
sich nachher in den nächsten Darm begibt, mit der Galle
vermischt und noch mehr zersetzt. Während nun die auf-
gelösten Speisen ihren Weg weiter nehmen, ziehen aus ihnen
die einsaugenden Gelasse, die in der Flockenhaut der dünnen
Gedärme liegen, den Nahrungs säst ein und leiten ihn in
grössere Behältnisse. Von da hiesst er in einen Hauptstamm,
den Brustgang, aus demselben in eine Blutader, dann ins Herz,
endlich nach den Lungen, wo er sich in Blut verwandelt.
Die Speisen, welche der Mensch zu sich nimmt, kommen
aus dem Bilanzen - oder Thierreiche; das Salz aus dem Mineral-
reiche ist als blosse Würze zu betrachten. Unstreitig ist die
Ffianzenkost die beste. Es ist nämlich ausgemacht, dass Völker,
die nur Baum- und Feldfrüchte gemessen, länger leben und
eine dauerhaftere Gesundheit besitzen, als solche, die bloss
Fleisch essen. Indess ist eine gemengte Nahrung, zu der das
Gewächsreich den Haupttheil liefert, dem Körper sehr zuträg-
lich. — Die Zubereitung der Speisen sei so einfach als mög-
lich. Nur selten bediene man sich der Gewürze und ziehe die
inländischen: Fenchel, Kümmel, Anis, Senf, den ausländischen
vor, welche erhitzen, das Blut in Wallung bringen und die
Nerven reizen.
TM Hauptwörter (50): [T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff]]
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226
Seelenlehre.
pflegt wird, ihn aber statt des Dankes beraubt und sich heimlich
davon macht, erfüllt uns durch seine schlechte Handlung mit
Missfallen und Abscheu. Es können also auch aus den Gedanken
an rechte und unrechte, gute und böse Werke angenehme und
unangenehme Gefühle im Menschen entstehen, und solche nennt
man sittliche oder moralische Gefühle. An jenem Retter
des Kindes haben wir Wohlgefallen, wir fühlen Achtung gegen
ihn; an dem Räuber haben wir Missfallen, er verdient unsere
Verachtung. Allein nicht bloss an Andern sind uns die guten
oder bösen Handlungen und.gesinnungen wohlgefällig oder miss-
fällig, sondern auch an uns selbst. Das sittliche Gefühl, das
über unsere eigenen Handlungen entscheidet, wird Gewissen
genannt. Wer sein Thun für recht achtet, hat ein gutes, wer
es verachtet, Scham und Reue darüber empfindet, ein böses
Gewissen. Das gute Gewissen erfüllt uns mit Ruhe und Selbst-
zufriedenheit in allen Lagen des Lebens; aber das böse Gewissen
erregt Furcht und Unruhe, es verbittert uns alle Erdenfreuden.
Ein Mensch, in dem sich das sittliche Gefühl leicht regt, wird
auch zum Guten mehr hingetrieben, als derjenige, welcher
gleichgiltig eine gute oder schlechte That vernimmt.
Wenn wir an die grossen Wohlthaten denken, die uns
Gott erzeigt; an die körperlichen und geistigen Kräfte, mit
denen er uns ausgerüstet; an die Vorzüge, die er uns vor
allen Geschöpfen der Erde verliehen hat, so sind wir von Liebe
und Dank gegen ihn durchdrungen. — Nehme ich Gottes Macht
wahr im Sturme, der die stärksten Räume entwurzelt; im Blitze,
durch den Thürme und Felsen niedergeschmettert werden; im
Erdbeben und den Wasserfluthen, die ganze Landstriche ver-
wüsten; vergleiche ich damit meine geringen Kräfte, und wie
diese wiederum ganz von Gott abhängig sind: so fühle ich
Ehrfurcht gegen ihn. — Von diesem liebevollen und mäch-
tigen Wesen kann nur das Gute, das Beste kommen. Dieses
hoffe ich und setze ein unbeschränktes Vertrauen in ihn. —
Ich erkenne die heiligen Wahrheiten, die der Allgütige zur
Belehrung, Besserung und Beseligung des Menschengeschlechts
geoffenbaret hat; mein Gemüth erhebt sich beim Gebet zu ihm;
ich glaube in seiner Nähe zu sein, und das Herz ist von Selig-
keit erfüllt. Diese Gefühle der Liebe, des Dankes, der
Ehrfurcht und des Vertrauens folgen aus der Erkenntniss
Gottes und heissen Religionsgefühle. Bei wem solche Ge-
fühle recht lebendig sind, der trachtet auch denselben gemäss
zu handeln, dem Höchsten zu gefallen; und so wirken sie,
wie die Gefühle für Schönheit, Wahrheit und Sittlichkeit, wohl-
thätig auf den Menschen.
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Das Begehrungsvermögen.
Rosalie vertrat gern die Stelle einer Wärterin bei ihrer
kleinen Schwester; zuweilen wurde ihr jedoch dies Geschäft
mit dem lebhaften Kinde zu schwer; und sie beklagte sich über
manches bei den Eltern, was sie Eigensinn der Kleinen nannte.
„Sie ist doch,“ hiess es, „wenn sie wacht, nicht eine Minute
ruhig; bald schlägt sie mit den Händen um sich, bald stampft sie
mit den Füssen und thut, als wenn sie gehen wollte. Ich bin
kaum im Stande sie zu erhalten. Dabei lässt sie stets ihre
Stimme ertönen; wenn sie nicht lallt, so singt oder schreit sie.
Auch will sie schon befehlen; denn entferne ich mich nur auf
ein Weilchen, so ruft sie in einem fort, bis ich komme. Dann
verlangt sie, dass ich immer mit ihr spielen oder sie herum-
tragen soll. Geht Karl statt meiner zu ihr, so wendet sie sich
von ihm ab. Seit Kurzem nimmt sie auch die Gewohnheit an,
alles nach dem Munde zu langen; neulich ergriff sie meine Hand
und biss mich tüchtig in den Finger.“ Die Mutter ermahnte
Rosalien zur Geduld und meinte, dass einmal die Kinder
in dem Alter nicht anders zu sein pflegen, dass sie es vor
12 Jahren der Schwester gleich und in manchem noch schlim-
mer gemacht habe, und dass der Kleinen vieles nicht übel
zu deuten sei, da sie noch kein klares Bewusstsein habe. „Die
Kinder,“ setzte der Vater hinzu, „besitzen schon eine Neigung
etwas zu thun, zu verlangen oder zu entfernen, bevor sie denken
können, und das ist vom lieben Gott sehr weise eingerichtet.
Das öftere Bewegen des Körpers fördert sein Wachsthum und
den Gebrauch der Glieder. Lallen und Schreien dienen zu
Vorübungen im Sprechen. Durch Gesellschaft und Spielen
werden die Kinder mit vielen Dingen bekannt und lernen
nachahmen. Das Beissen am Spielzeug und andern Dingen
erleichtert das Zahnen. Was würde aus dem Kinde werden,
wenn es nicht solche Neigungen, die man Triebe nennt,
besässe?“ Allein auch der erwachsene Mensch hat Triebe,
unter andern folgende: Er wird von der Natur angeregt, sein
Leben so lange als möglich zu erhalten: er hat also den
Trieb der Selbsterhaltung. ,— Der Mensch befindet
sich nicht wohl, wenn er seine Zeit im Müssiggange zubringt;
er trachtet auf irgend eine Weise beschäftigt zu sein: es ist
ihm nämlich der Trieb zur Thätigkeit eigen. — Er geht
gern mit andern Menschen um; er sucht bei ihnen Unterhaltung,
Belehrung und Theilnahme und wünscht sich auch ihnen wieder
mitzutheilen: folglich wohnt in ihm der Ges eiligkeits-
trieb. — Er fühlt sich zu diesem oder jenem Menschen hin-
15*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T39: [Kind Vater Mutter Frau Mann Haus Jahr Eltern Sohn Knabe], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T42: [Körper Wasser Luft Blut Mensch Pflanze Haut Tier Speise Stoff], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T111: [Kind Mutter Vater Eltern Frau Jahr Knabe Schule Haus Mann], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
228
Seelenlehre.
gezogen, hat Wohlgefallen an ihm und zeigt so den Trieb
zur Liebe. — Der Mensch empfindet Zuneigung gegen seinen
Wohlthäter und möchte ihm gern das empfangene Gute ver-
gelten : er besitzt also den Trieb der Dankbarkeit. —
Er strebt nach Belehrung, nach Erweiterung seiner Einsichten
und Kenntnisse; er ist bemüht das Dunkle klar zu machen,
das Falsche vom Wahren zu unterscheiden: hierin legt er den
Trieb der Wissbegierde an den Tag. Endlich bemerkt
man im Menschen den Trieb nach Freiheit, das heisst:
er fühlt sich angeregt nach eigener Ueberlegung unbeschränkt
zu handeln.
Das, was auf die Sinne angenehm einwirkt, trachten wir
gewöhnlich, wie schon früher bemerkt wurde, zu erlangen:
was ihnen aber unangenehm ist, zu entfernen. Daher haben
wir ein Verlangen nach einer wohlschmeckenden Frucht, nach
kühlem Schatten während der Sonnenhitze, nach dem Anblick
eines schönen Gemäldes, von dem wir sprechen hörten. Dagegen
wenden wir uns ab von einer verdorbenen, übelriechenden
Speise, und gehen ungern im Regen und Sturm. Weil nun der
Mensch durch die Sinne zum Begehren veranlasst werden kann,
so legt man ihm ein sinnliches Begeh rungsvermögen
bei. Wird der Mensch durch die Vorstellung eines Gegen-
standes angeregt, nach Erlangung desselben zu streben, so
entstellen Begierden. Jemand hält den Reichen für glücklich
und möchte deshalb auch gern reich werden. Einem Jünglinge
gefallen die Ehrenbezeigungen, die man den (Meieren erweiset,
und er hat deshalb Lust Officier zu werden. Ein Arbeiter
ist durstig und hat ein starkes Verlangen nach einem Glase
Bier. — Aus einem anhaltenden Wohlgefallen an etwas und
dem fortwährenden Begehren darnach entspringen Neigungen.
Zu grosse Begierden aber, welche die Vernunft beherrschen
und die man nur mit Mühe bekämpfen kann, heissen Leiden-
schaften. Konrad sah einigemal dem Kartenspiel zu und
bekam Lust es zu erlernen. Er fing an zu spielen, gewann
zuweilen, und das Spiel wurde bald in ihm zur Neigung.
Später konnte er es nicht mehr lassen, er brachte ganze Tage
im Wirthshause zu, verlor viel Geld, blieb den Tag über zur
Arbeit untauglich, gewöhnte sich auch das Branntweintrinken
an, verarmte und musste mit den Seinigen Noth leiden. —
So arten Neigungen in Leidenschaften aus, wenn man sie
nicht bei Zeiten unterdrückt. Wie gefährlich Leidenschaften
für die Tugend und das Glück des Menschen werden können,
davon gibt es Beispiele in Menge. Der leidenschaftliche Mensch
stürzt nicht nur sich selbst ins Elend und Verderben, sondern
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