100
„Reicht just sein Helmbusch dem Marschall an’s Maul
„Doch ist er auch klein, so ist er nicht faul
„Zu trotzigem, stolzem Befehle.“
Und wohl vernimmt’s der wack’re Pipin,
Bemerkt, wie die Grollenden flüstern,
Mit Murren folgend gen Welschland zieh'n,
Ihm säumig gehorchen und frevelhaft kühn
Sich mürrischer täglich verdüstern.
Und stark im Geiste, gewaltig und klug,
Erwägt er’s mit weisen Gedanken.
„„Sei heut’ des Weges, der Mühen genug,
„„Gehemmt der Schaaren gewaltiger Zug!
„„Errichtet zum Fechtspiel die Schranken!
„„Herbei gebracht den gewaltigen Leu!
„„Den Kämpfer will ich ihm stellen! —““
Wohl seltsam scheint die Bestellung und neu,
Und mit Neugier murmeln, es murmeln mit Scheu
Die trotzigen, stolzen Gesellen.
Rings wird der Platz mit Gittern umhegt,
Dahinter die Sitze der Ritter,
Erhaben des Königs Balkon. — Da frägt
Wohl Jeder, zu Unmuth und Sorgen erregt:
„Wie schwach doch, wie schwankend das Gitter I
„Ein Ruck mit der mächtigen Tatz, und es fällt,
„Und das Ungethüm sitzt uns im Nacken.
„Doch der dort oben, der winzige Held,
„Wohl hat er sich trefflich sicher gestellt,
„Zu schaun, wie die Krallen uns packen!“
Und der Leu wird gebracht im vergitterten Haus,
An der Schranke geöffnet das Pförtchen.
Und der Thiere König er schreitet heraus,
Und die Ritter erfasst nun Schrecken und Graus,
Und keiner redet ein Wörtchen.
Doch zweifelnd sieht sich der Löwe befrei n
Und reckt in der Freiheit die Glieder
Und schreitet getrost in die Schranken hinein
Und zeigt der Zähne gewaltige Reih n,
Laut gähnend, und strecket sich nieder.
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101
Vom Balkon ruft Pipiu mit donnerndem Laut:
„„Ihr männlichen, trotzigen Krieger,
„„Da schauet ein Kampfspiel, ein würdiges, schaut!
„„Wer sich zu messen mit. Diesem getraut,
„„Den nenn’ ich den ersten der Sieger!““
Und ein Zischeln, ein Murmeln, ein Murren erklingt,
Dumpf nur im Beginnen und leise,
Bald, wie wenn, stärker und stärker beschwingt,
Mit wogenden Blüthen die Windsbraut ringt,
So sauset’s und brauset s im Kreise.
Und kecklich hervor tritt 6er har d^v o m Stern,
Der frechste der frechen Kumpane;
..Der Vortanz verbleibe dem König und Herrn!
„Auf, tanze denn, Hoheit, wir lassen dir’sgern;
„Herab von dem sichern Altane!“
„„So sei's!““ spricht Pipin, und sich schwingend im Satz
Springt der Kurze, doch markig und sehnig,
Vom Balkon herab auf den sandigen Platz.
„„Auf, Bruder Leu, auf, wetze die Patz'!
„„Auf, König, dich fordert ein König!““
Und schlägt ihn mit flacher Kling’ auf den Bug
Und erregt ihm den Grimm in der Seele.
Auf schnellt der Leu, wuthschauernd, im Flug,
Doch dringt, eh’ die Tatze, die zuckende, schlug,
Das Schwert durch den Rachen zur Kehle.
Und das Blut entsprudelt dem grausigen Schlund
Und über sich stürzt er und wendet
Drei-, viermal die Augen, rollend im Rund,
Drei-, viermal geisselt der Schweif den Grund,
Und er streckt sich und zuckt und verendet.
Stolz schaut der König im Kreise herum,
Und die Ritter athmen beklommen
Und blicken zu Boden, erstaunt und stumm,
Und der Hohe dreht still verachtend sich um; —
Kein Murren ward weiter vernommen.
(Streckfuß.)
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33
Wie Kulm er begonnen die rasche That,
Versöhnen und büssen durch s Leben.
In der weiten Arena der Aermste stand,
Das blasse Gesicht nach dem Zwinger gewandt.
Der Öffnet sich rasselnd — und grimmig rennt
Ein L»we mit Hungergebrülle
Heraus, — und ein Schrei des Entsetzens trennt
Vielstimmig die lautlose Stille. — —
Doch siehe, — der Leu statt zu würgen ihn,
Legt zahm zu des Sklaven Füssen sich hin.
Und schnell springt er wieder hoch empor,
Mit Schmeicheln Androklus umkreisend;
So wie wenn ein Hündchen den Herrn verlor
Und findet, ihm Freude beweisend.
Verwundert und staunend blickt Mann für Mann
Das niemals gesehene Wunder an.
Und staunend sieht's gleichfalls der König an
Und ruft vom Balköne herunter:
„Geschenkt ist das Leben dir, armer Mann,
„Wenn schnell du erklärest dies Wunder.
„Der Leu, den man gestern gefangen nahm,
„Warum ist er heute schon still und zahm?“
Und d'rauf Androklus die Red’ begann:
„Herr! als ich der Knechtschaft entsprungen,
„Da ich, ein flüchtiger, armer Mann,
„Nach Freiheit gestrebt und gerungen,
„Da barg mich das Felsengeklüft' in dem Wald
„Und die Höhle war drinnen mein Aufenthalt.
„So manchen Tag ich gar traurig sass,
„Verzweifelnd dem Schicksale fluchte,
„Mit Kummer und Thränen die Wurzeln ass,
„Die ängstlich, mit Zittern, ich suchte;
„So sass ich einst sinnend in dunkler Still’,
„Da weckte mich schreckhaft des Löwen Gebrüll.
„Und herein das entsetzliche Unthier trat
„Mit hinkendem Fuss in die Höhle,
„Sich jammernd geberdend mich schmeichelnd bat,
„Zu seh’n, wo dem blutenden fehle.
Reiser, der Votksschüler i. d. Oberksasse.
3
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137
8. Der Sultan und der Stahremberg die sprachen fürder nicht;
Denn mit dem eh'rnen Feuermund das Feldgeschütz nun spricht.
9. Ach Stephan! heil'ger Gottesmann! sie warfen dich einst todt,
Wie bringen sie nun, ach! dein Haus durch manchen Wurf in Noth!
10. Jetzt ist. o Wien! dein bester Schild des Stahrembergers Brust;
Wie trifft so gut sein scharfes Sckwert, wie schwingt er es mit Lust!
11. Und neben ihm steht Kollonits, ein Bischof, gottersüllt.
Deß' milde Hand die Schmerzen all' der wunden Helden stillt.
12. Die Fahne auf dem Stephansthurm wohl sechzig Tage stand,
Es hielt sie fest der Stahremberg mit seiner treuen Hand.
13. Die Fahne auf dem Stephansthurm, zu wanken fängt sie an:
Was hilft, ach Gott! ein wunder Mann, wenn hundert Feinde
nah'n?
14. Die Fahne auf dem Stephansthurm, sie wankt, sie sinkt, sie bricht;
„Nun helf' uns Gott," ruft Stahremberg, „denn länger halt ich's
nicht!" '
15. Der Türke ruft in stolzer Lust: „„Allah! der Sieg ist dein!
„„Gefallen ist die Kaiserstadt! der Kaiserthron ist mein!""
Iti. Von Hörner- und Trompetenschall tönt plötzlich da ein Klang:
„Heil Kollonits, Heil Stahremberg!" so ruft ein Schlachtgesang.
17. Es tönt so froh und tönt so hell, als gieng's zu Tanz und Wein:
„Das ist die deutsche Ritterschaft von Elbe, Main und Rhein."
18. Es tönt so stark und tönt so tief wie Sturm am Felsenthor!
Von Oestreich rückt die Heldenkraft, der Leu von Bayern vor.
19. Es tönt wie wilde Meeresffuth, die hoch zum Strand sich hebt,
Sobiesky ist's, der Polenfürst, ein Held, der ewig lebt.
20. Der Türke rauft im Grimm sein Haar, von Rachedurst entbrannt,
Und mordet die Gefang'nen all' mit kalter Mörderhand.
21. Nun eilt, ihr Helden, eilt herbei, zum Kampf so hart und heiß;
Zu retten heut' die Christenheit, das ist des Kampfes Preis.
22. Ein Feuer war das Chriftenheer, von heil'gem Muth entbrannt,
So brach es auf die Türken ein, ein Blitz von Gott gesandt.
23. Der Lotharinger stritt voran, die Polen folgten nach;
Doch keiner zählt die Helden all' von jenem Ehrentag.
24. Die Türken standen muthig erst, sie wichen bald zurück,
Dann brach das Feuer durch sie durch, zu Rauch ward da ihr Glück.
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147
Lauter die Trommeln und Pfeifen schallen,
Aus tausend Köhren die Donner knallen,
Kugeln durcheilen geflügelt die Luft,
Und: „vorwärts!“ der greise Marschall ruft.
Kühner hinein in den Kugelregen
Jagen die Schaaren dem Tode entgegen.
Grässlich wüthet der Tod durch die Glieder!
Hunderte sinken getroffen nieder;
Arme, Beine und Schädel fliegen;
Rumpfe gethürmt zum Walle liegen:
Fürchterlich würget der Tod!
Weh! — weh ! —
Sie weichen, sie weichen!
Es sinken zersplittert
Germaniens Eichen! — —
Seht, es durchbrechen die Feinde die Glieder
Und werfen die deutschen Schaaren darnieder!
Vorwärts Freunde! — 0 weh’! auch mich —
Ha, die Wunde brennt fürchterlich!
Wehe dir, Deutschland! — Schon selt ich zur Linken
Die Fahnen sinken!
Horch! es schallet vom Wald die Parole*);
Es streifet das Gras des Reiters Sohle.
Das „Hurrah !“ schallt jauchzend ! Kampflustige Kosacken
Setzen die Lanzen dem Feind in den Nacken.
Muthig ihr Brüder!
• Der Sieg kehrt wieder.
Aufs Neue entgegen des Kampfes Gefahren
Stürzen ermuthigt die deutschen Schaaren.
Furchtbar entgegen — gleich zwei Gewittern,
Dass Berge erzittern,
Brüllen sich offene Feuerschlünde,
Und tödtender Schlangen grässlich Gewinde**)
Theilet, gleich Blitzen, die zitternde Luft,
Und abermal: „vorwärts!“ der Marschall ruft.
Da brechen die Reihen die muth’gen Husaren
Und werfen zurück der Feinde Schaaren.
Es klirret entblösst die Eisenbraut***);
Der Brave von Leichen den Wall sich baut.
*) Das Losungswort, an dem sich die Soldaten einer Parthei erkennen.
**) Feldschlangen — eine besondere Art von Kanonen.
***) Die Eisenbraut — das Schwert.
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149
Und die Todesstimmen hören,
Röchelnd im Verzweiflungston,
Wie es tönt in Jammer-Chören,
Aechzend: „Vater! Mutter! Sohn!“
Doch, was würde er auch fühlen!
Eisern ist des Mörders Brust,
Kann mit Menschenleben spielen,
Mord und Tod ist seine Lust! — —
Nun, wohlan! er ist geschlagen,
Schmach und Schande ist sein Lohn;
Und des Korsen*) Siegeswagen
Zieht nicht mehr Thuisko’s Sohn**).
Freude glüh' in deutschen Herzen
Ob errungenem, theurem Gut!
Mag die Wunde immer schmerzen,
Mag auch Hiessen deutsches Blut!
Fest steht unsre Freiheit wieder,
Fest, wie Deutschlands Eichen steh n,
Und gefall’ne deutsche Brüder
Werden stolz herunter seh'n. (H. Reiser.)
Napoleon floh über den Rhein zurück. Mit ihrem ganzen
Heere eilten ihm die Verbündeten nach und zogen am 31. März in
Paris ein. Der französische Senat erklärte den Kaiser Napoleon
als abgesetzt; doch ließen ihm die Verbündeten noch die Insel
Elba als erbliches Fürstenthum. Damit nicht zufrieden, kehrte
er aber bald nach Frankreich zurück, erwarb schnell wieder einen
Anhang, griff die Preußen unter dem wackern Feldmarschall Blü-
cher nicht weit von Brüssel an und drängte sie zurück. Tags
darauf kam es aber bei Waterloo zur Hauptschlacht, wobei die
Tapferkeit des preußischen Heeres den Ausschlag gab. Napoleon
wurde besiegt und' von den Engländern als Gefangener auf die
afrikanische Felseninsel St. Helena abgeführt, wo er 1821 starb.
Frankreich erhielt wieder diejenigen Grenzen, die es 1790 hatte,
und mußte überdies 700 Millionen Franken Kriegssteuern bezahlen.
Aus dem Wiener-Congreß 1815 wurde Deutschland zu
einem aus 38 souverainen Staaten bestehenden Staatenbund er-
*) Der Korse — Napoleon, von seinem Vaterland Korsika so benannt.
**) Thuisko nannten die alten Deutschen ihren Stammvater.
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon Napoleon Helena Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Rhein Paris Elba Frankreich Frankreich Deutschland Korsika
208
schönen Helmzierden geschmückt, schützten ihr Haupt. Dabei fassen sie auf
hohen mächtigen Streithengsten, von denen viele gleichfalls durch
eiserne Decken, welche aus metallenen Ringeln bestanden, gegen Hieb
und Stich gesichert waren. Das Reichsbanner, von rother Farbe,
mit dem weißen Kreuze darin, ganz wie es drüben im Lager des
Gegenkönigö wehte, vertraute er der Hand des Grafen von Hanau.
Hierauf bestieg auch er sein Roß, aber, wie er es dem Reichsober-
haupte an einem so großen Tage geziemend glaubte, in königlicher
Rüstung. Ein glänzender Helm mit der Königskrone geziert, deckte
sein Haupt und ein goldener Harnisch die Brust. Einen Wappenrock
von reichem Tuche von gelber Farbe, darinnen man viele schwarze
Adler gewirkt sah, hatte er über Panzer und Beinschienen geworfen,
und eine Roßdecke, dem Wappenrocke gleich an Zeichen und Farbe und
ebenfalls mit eingewirkten Adlern dicht besäet, war über seinen ganz
in Eisen starrenden Schlachthengst gebreitet. Zu stolz, sich unter
der Rüstung eines Vasallen zu verhüllen, und zu hochherzig, um einen
Andern unter seinem Wappenschilde einem gewissen Tode entgegenzu-
sagen, wollte er im Königsschmucke mit dem treuebrüchigen Lehens-
manne rechten, und als König gekleidet siegen oder fallen; auch sollte
daran sein Heer den königlichen Führer im Getümmel der Schlacht
erkennen. Adolph, nachdem er sein Heer, das ihm gegen die Menge
der Feinde zu klein vorkam, ängstlich überblickt hatte, sprach be-
klommen zu seiner Umgebung: „Ihr habet wahr geredet, daß unsere
Macht zu schwach sei — Weh uns! der Tag nimmt kein gutes Ende.
Unsere Freunde, oder besser unsere Feinde haben uns den Wider-
sachern in die Faust geliefert; denn fliehen wir setzt, so sind wir Alle
verloren, und streiten wir, so weiß nur Gott des Streites Ausgang."
Die Räthe erwiederten, setzt sei es zu spät, zurückzugehen. Adolph
schaute in düsterer Unschlüssigkeit zu den Bergen empor, die sich
immer mehr mit feindlichen Schaaren bedeckten. Da siel sein Blick
auf seinen Sohn Rupert, der an seiner Seite hielt, und zu der
peinlichen Unentschlossenheit gesellte sich nun noch väterliche Be-
sorgnis. „Kehre zurück, mein Sohn," sprach er zu diesem, „du sollst
dein sunges Leben nicht wagen; denn unser Kampf ist heute ein
Strauß auf Leben und Tod." „Nimmermehr, mein Vater," rief
Rupert; „ich weiche nicht von Eurer Seite und folge Euch zum Leben
oder Tod." Des Sohnes muthige Rede gab auch dem Vater die er-
schütterte Zuversicht zurück. „In Gottes Namen denn, sie sollen
uns eher todt, als lebendig haben!" sprach er und wendete mit
wieder erwachtem Muthe seine ganze Aufmerksamkeit auf die vom
Feinde besetzten Berghöhen. Droben auf der Bergkoppe und unten
im Thale harrte man des Kampfsignals. Die Ritter verstürzten die
Helmfenster. Es war zwischen acht und neun Uhr.
Da schmetterten in beiden Heeren die Trompeten das Zeichen
zur Schlacht, und ein mächtiges Kriegsgeschrei hallte hier und dort
an den Bergen wieder. Die Pfälzer unter ihrem Herzog Rudolph
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210
nicht, daß der Feldhauptmann, statt die Schlacht zu lenken, in der
Vorhut Reiterdienst thue. Ihr sollt hier bei Eurer Schaar bleiben!"
„Nein, ich muß hin!" rief der König ungeduldig; und seiner Kampf-
lust nicht länger mehr mächtig, drückte er seinem Hengste die Sporen
ungestüm in die Seite und flog schlachtbegierig über den Wieseugrund
dem Wahlplatze zu. Muth und Rache trugen den kühnen Reiter in
so mächtigem Fluge, daß er bald den Seinen weit voraus war und
diese ihm nur mit Mühe folgen konnten. Allein unversehens strauchelte
sein Roß, ob von allzu hastigem Spornen, oder von unsicherem
Wiesenboden, stürzte über und über und schleuderte den König so
heftig aus dem Sattel weithin zur Erde, daß er, vom Falle betäubt
und besinnungslos, liegen blieb. Seine Leute eilten erschrocken hinzu,
hoben ihn auf und trugen den Bewußtlosen hinter die Schaar, wo sie
ihn in sitzender Stellung an den Stamm eines Baumes anlehnten und
ihm den Halm losbanden, damit der erfrischende Morgenwind ihm
die Besinnung zurückbringe. Nach einiger Zeit erwachte Adolph wie-
der aus der schweren Betäubung. Er blutete aus einer Kopfwunde
und fühlte sich von dem harten Falle wie in allen Gliedern gebrochen;
allein alles Dieses ergriff ihn nicht so heftig, als die ihm schreckliche
Nachricht, daß, während er betäubt darniederlag, die Schlacht sich
zum Vortheile seines Todfeindes gewendet habe. Albrecht hatte neue
Schlachthaufen von den Berghöhen in's Thal herabgeschickt, welche
die ermatteten Bayern und Pfälzer immer heftiger bedrängten. Dazu
bedienten sich die Feinde, auf ihres Herrn Befehl, eines Mittels,
welches, als bisher ungebräuchlich, auch als unritterlich galt, und
dessen sich drum die Bayern nicht versehen hatten. Die Oesterreicher
hatten ihre Schwerter, gegen Kriegsgebrauch und Kriegsrecht, zum
Stechen zugeschliffen, und stachen damit, statt auf Ritter und Reisige
einzuhauen, nur ihre schweren Rosse nieder, wodurch viele Herren
und Knechte zu Boden stürzten und, ihrer Pferde beraubt, fast wehr-
los gefangen, getödtet oder im Kampfgetümmel überritten wurden.
Die Bayernfürsten hatten daher einen harten Strauß und ihre Noth
ward mit jedem Augenblicke größer. Der König erschrack, als er den
Stand der Schlacht erfuhr; allein die Gefahr brachte auch seinen Muth
wieder zurück. Hastig rief er nach einem anderen Rosse, schwang sich darauf
und sprengte mit dem ganzen Treffen vorwärts. Seine Ungeduld,
auf den Feind zu treffen, war so stark, daß er nicht daran dachte, den
Helm wieder aufzusetzen, sondern ihn mit der Buckelkette an den
Sattelknopf hing. Auch mochten die Wunde und die steigende Hitze
der Iulisonne, welche glühend in den Thalkeffel herabbrannte, den
Helm nicht mehr leiden. Baarhäuptig, mit blankem Schwerte in der
Faust und die Brust voll Rachegluth und Schlachtbegierde flog er mit
verhängten Zügeln zur Wahlstatt.
Es war hohe Zeit. Die Bayernfürsten hatten schon ihre Rosse
verloren und setzten den Kampf zu Fuße nur mit größter Anstrengung
fort, als Adolph unwiderstehlich in den Feind brach. Nach allen
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211
Seiten hin fielen seine verdoppelten Streiche und verbreiteten Ver-
wirrung in den feindlichen Reihen. Bestürzt wichen sie zurück, er-
holten sich jedoch schnell wieder und standen zur entschlossensten Gegen-
wehr. Vor Allen stellte stch jetzt dem Könige ein Ritter entgegen,
der des Oesterreichers Rüstung und Feldzeichen trug. Adolph mochte
drum einen Augenblick glauben, der verkappte Streiter sei Albrecht
. selbst und, von dem verhaßten Anblicke entstammt, svrengte er auf
ihn zu und schmetterte ihn mit einem gewaltigen Hiebe aus dem
Sattel. Sogleich wendete er stch weiter und fand einen Zweiten irr
gleicher Rüstung und mit gleichem Feldzeichen. Der schnelle Fall des
Ersten hielt den neuen Kämpen nicht ab; der hohe Preis, welchen
Albrecht darauf auögeboten hatte, wer den abgesetzten König todt oder
lebendig einbringe, und die Ehre, eines Königs Sieger zu werden,
waren lockend genug, das Leben daran zu wagen, und er drang drum
mit kühnen Hieben auf Adolph ein. Doch der erwiederte ste mit
gleicher Kraft, so daß der Kampf eine Zeitlang unentschieden
schwankte, bis des Königs gewaltiges Schwert auch diesem eine tiefe
Wunde schlug und ihn vom Pferde zu Boden warf, wo er von den
Hufen der Rosse zertreten wurde. Der zweifache Sieg erfüllte seine
Getreuen mit wachsendem Muthe und mit neuem Vertrauen schwangen
ste die Schwerter, des Sieges fast schon gewiß. Allein die Freude
war von kurzer Dauer. Adolphs Stern ging unter; das treulose
Waffenglück schien ihm den Sieg nur deßhalb zeigen zu wollen, um
ihn in desto tieferem Falle zu verderben. In den Reihen der Oester-
reicher erhob stch eben ein furchtbar freudiges Kriegsgeschrei; denn
neue Schaaren rollten stch den Kriegsberg herab ihnen zu Hülfe, und
zu gleicher Zeit tönte der feindliche Schlachtruf zur Rechten und
Linken, fast im Rücken. Von dem Kriegsberge senkten stch breite
Schlachthaufen in die Ebene nieder und aus dem Ritterthale brach
unversehens eine starke Heersäule aus wohlberechnetem Hinterhalte in
die linke Flanke. Bei diesem Anblicke entfiel den letzten Reihen deö
königlichen Heeres das Herz; ste wendeten erschrocken um und stürzten,
ihren Herrn verlassend an den Mauern des nur um fünfhundert
Schritte entfernten Städtchens Göllheim vorüber, in wilde Flucht
und ließen dadurch dem Feinde freien Weg, den König vollständig
zu umzingeln, was auch in wenigen Augenblicken vollführt war. Die
erhöhte Gefahr erschütterte aber Adolphs Entschlossenheit nicht, son-
dern stählte seinen Muth zum todtverachtenden Trotze. Gerade aus
spornte er sein Roß in die dichtesten Haufen, und wie die Bärin, so
man ihr die Jungen raubt, aus Waldesklüften daherwüthet, oder der
brüllende Leu stch auf den herausfordernden Tiger wirft, so stürzte er
todesmuthig in den Feind. Doch der zog seine Kreise immer enger
um den König und seine ihm zur Seite gebliebenen Getreuen, und be-
drängte die ermatteten Kämpfer immer heftiger. Der bis jetzt regel-
mäßige Kampf wurde nun zum furchtbar regellosen Gewühl und die
Wahlstatt wandelte stch zum wilden Tummelplätze, über dem die auf-
14*
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T82: [Hand Pferd Schwert Fuß Schild Kopf Waffe Lanze Ritter Mann], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T85: [Friedrich Schlacht Heer Sachsen Schlesien Sieg König Böhmen Feind Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T112: [Schwert Ritter Schild Waffe Lanze Pferd Speer Hand Helm Pfeil], T30: [Gustav Schweden Adolf Wallenstein Kaiser Heer Tilly König Krieg Schlacht]]
Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Albrecht Albrecht Adolph Adolphs
205
damals über Alles, geistige Bildung galt wenig. Mancher Adelige konnte
nicht einmal seinen Namen schreiben; dagegen lernte er von Jugend auf ein
wildes Roß tummeln und Lanzen und Schwert mit Gewandtheit führen.
Von ihrem Reiterdicnste bekamen die Vornehmen den Namen Ritter.
Mit der Zeit bildeten diese einen besonderen Stand, dessen Blüthe in die
Zeit der Kreuzzüge fällt. Religion, Ehre, Tapferkeit und Hochachtung gegen
die Frauen waren die vier Haupttugenden der Mitglieder. Die Ausnahme
in diesen Stand erforderte eine vieljährige Vorbereitung und war mit groß-
ßen kirchlichen Feierlichkeiten verbunden. Schon im siebenten Jahre ward
der Knabe von edler Herkunft in das Schloß eines andern Ritters gebracht.
Hier wartete er als Bube bei der Takel auf, hielt feinem Herrn beim
Aufsteigen den Bügel und übte sich im Fechten, Schießen und Reiten, um
seinen kleinen Körper gewandt und stark zu machen. Im vierzehnten ward
er durch die Umgürtung eines Schwertes wehrhaft. Nun hieß er Knappe
(Knabe). Von nun an begleitete er seinen Herrn zu jeder Stunde und
zu jedem Geschäfte, zu der Lust der Jagd, der Feste und Waffenspiele, so
wie in den Ernst der Schlacht. Treue Anhänglichkeit an seinen Herrn
war die erste Pflicht. Hatte der Knappe unter diesen ritterlichen Uebungen
das ein und zwanzigste Jahr erreicht, so konnte er zum Ritter geschlagen
werden. Zu dieser wichtigen Handlung mußte er sich durch Fasten und
Beten und durch den Empfang der heiligen Sacramente vorbereiten. Man
führte ihn zum Altar und ließ ihn schwören: die Wahrheit zu reden, das
Recht zu behaupten, die Religion und ihre Diener, so wie alle Wittwen
und Waisen zu beschirmen, keinen Schimpf gegen Edelfrauen zu dulden und
alle Ungläubigen zu verfolgen. Nachdem er hierauf aus der Hand eines
Ritters oder einer Edelfrau Sporn, Handschuhe und Panzer erhalten hatte,
kniete er vor einem Ritter nieder, der ihn dreimal mit flacher Klinge.sanft
auf Hals und Schulter schlug, — das war der Ritterschlag. Nun schmückte
man den jungen Ritter auch mit Helm, Schild und Lanze und führte ihm
ein Streitroß vor, auf welches er sich sogleich schwang und dasselbe durch
die frohlockende Menge der Zuschauer tummelte. Glänzende Feste beschlossen
die Feier des Tages. Von nun an durfte er die geringste Beleidigung
nicht ungerächt lassen. Der Zweikampf galt als die ehrenvollste uns ritter-
lichste Enischeidung. Warf einer dem andern seinen Handschuh vor die Füße,
so war das das Zeichen der Herausforderung, so wie das Aufnehmen des-
selben ein Zeichen des angenommenen Zweikampfes. Wenn nun der Ritter
mit vollem Harnisch einherritt, so daß das vorgeschobene Visir selbst das
Gesicht verdeckte, so war es ganz unmöglich, ihn zu kennen. Es war deß-
halb ein äußeres Abzeichen nöthig, um sich den Seinigen im Kampfe kenn-
bar zu machen. Hiezu wählte man das Bild eines Löwen, Hirsches, Bären
oder auch des Kreuzes. Das ist der Ursprung der Wappen (Waffen),
die vom Vaters auf den Sohn erblich übergingen. Damit man aber die
verschiedenen Seitenlinien, die dasselbe Wappen im Schilde führten, von
einander unterscheiden könnte, so brachte man noch besonder^ Verzierungen
am Helme an, die man Kleinode nannte. Jetzt brauchte man nur den
Schild und das Helmklcinod zu sehen, und man kannte sogleich den Ritter.
Früher nannte man jeden Ritter nach seinem Vornamen, Rudolph, Gott-
fried rc., wie dieses zum Theil jetzt noch in Spanien üblich ist. Seit-
dem aber die kleinen Lehne erblich geworden waren, wurde gewöhnlich
noch der Name ihrer Besitzung oder Burg beigefügt, wie Rudolph von
Habsburg, Gottfried von Bouillon u. s. w. Unterstützt und befestigt wurde
das Ritterthum durch die Turniere oder Waffcnspiele, die mit aller
Pracht gefeiert wurden. Sie gaben den Rittern eine erwünschte Gelegen-
heit, Proben ihrer Tapf^keit und Gewandtheit abzulegen, und so Beifall
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