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Zweiter Teil. Das Wirtschaftsleben Deutschlands.
Am wichtigsten unter den deutschen Industriezweigen sind die Metall-
und die Gewebeindustrie geworden, obgleich auch iu anderen, z. V. in
der Herstellung von Chemikalien und im Kunstgewerbe, Deutschland unerreicht
dasteht.
A. Die Metallindustrie.
In der Metallindustrie nimmt die Eisenindustrie die erste Stelle
ein; ihren Hauptsitz hat sie in den großen Bergwerksbezirken von Rheinland
und Westfalen, Schlesien, Lothringen und dem Königreiche Sachsen. Die
gewaltigen Mengen von Eisenerzen wandern in die Hochöfen; hier gewinnt
man aus ihnen das Roheisen, das wiederum zu Schmiedeeisen und Stahl
verarbeitet wird.
Große Walz- und Hammerwerke übernehmen die Weiterverarbeitung
zu Eisenbahnmaterialien aller Art, zu Stab- und Rundeisen, zu Platten,
Trägern, Röhren, Blechen und Drähten.
Diese Industrie befindet sich sowohl der Menge als dem Werte nach
auf einer hohen Stufe der Entwicklung und kamt mit allen Staaten,
selbst mit England und Amerika, in erfolgreichen Wettbewerb treten. Die
bedeutendsten Hüttenwerke liegen in Oberschlesien, in den Kreisen Bochum,
Dortmund, Steele, Siegen, Essen, Oberhausen, Ruhrort, Duisburg-Hoch-
feld, Eschweiler, Stolberg und in Lothringen, dessen größtes Werk das
des verstorbenen Freiherrn v. Stumm in Neunkirchen ist.
In der Verfertigung von groben und feinen Eisen- und Stahlwaren
werden Rheinland und Westfalen von keinem Lande der Erde übertroffen:
Solinger Schneidewaren, Remscheider Pfeilen, Schlittschuhe und
Kaffeemühlen, Velberter Schlösser, Schlüssel 'und Temperguß-
wareu, sowie die tausenderlei Kleineisen- und Stahlwaren von Hagen,
Altena und Iserlohn sind von großer Bedeutung. Weltberühmt sind
ferner die Geschützgießereien von Essen, Witten und Bochum, die
Gewehrfabriken von Spandau, Berlin, Suhl und Sömmerda und die
Nühnadelfabriken von Aachen und Iserlohn. Auch im Eisenbahn-
und Brückenbau steht die deutsche Industrie auf der Höhe und gewinnt
im In- und Auslande immer größere Anerkennung. Der Schiffbau
bildet einen fast alle Gewerbe fördernden Erwerbszweig. Die Werften
von Hamburg, Bremen, Kiel, Stettin und Elbiug erfreuen sich heute eines
Weltrufes.
Eine großartige Ausdehnung hat der Maschinenbau erfahren.
Weltberühmte Werke für Maschinenbau finden wir in Berlin (Borsig),
Magdeburg, Kassel (Hentschel & Sohn), Chemnitz (Hartmannj, Mannheim,
Duisburg. Essen, Hannover, Karlsruhe, Stuttgart und Breslau. Großen
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62
Zweiter Teil. Das Wirtschaftsleben Deutschlands.
Auch ist sie weit weniger eisfrei als die bisher genannten Ströme. See-
schiffe können nur bis Stettin gelangen. Von den schiffbaren Nebenflüssen
ist die Warthe von Bedeutung; übertrifft doch der Verkehr den der Oder
bei Kosel fast um das Doppelte. Die wirtschaftlich bedeutendsten Hinter-
länder der Oder sind Schlesien und Brandenburg (Berlin). Die Ladung
der Oderkähne besteht in der Regel aus Steinkohlen, Getreide, Zucker,
Ziegeln, Eisen, Düngemitteln, Mehl, Petroleum, Spiritus, Erzen und
Holz. Der Bromberger Kanal verbindet die Oder mit
der !pcichsel, die nur im Quell- und Mündungsgebiet uns an-
gehört und im Unterlaufe eine gute Schiffsstraße ist, obwohl ihr Verkehr
oft wochenlang durch schwere Eisgänge gestört wird, die fast alljährlich
den Uferbewohnern schweres Leid bereiten. Größere Seeschiffe können
nur die Danziger Weichsel benutzen. Die zu Berg fahrenden Boote
führen meist Eisen, Steine, Steinkohlen und Koks, die zu Tal gehenden
Holz, Steine, Weizen und Zucker.
Menzel und j)regel dienen in erster Linie dem deutsch-russischeu
Binnenhandel, der sich namentlich auf Holz, Getreide und Ölsaat erstreckt.
Am wenigsten bedeutungsvoll für den deutschen Binnenhandel ist
die Donau, die bei Ulm schiffbar wird. Sie ist nur für Kähne mit
mittlerem Tiefgange fahrbar, was auch für ihren schiffbaren Nebenfluß,
die Altmühl, zutrifft.
Von den deutschen Seen ist für den Handelsverkehr der Bodensee
wichtig, auf dem etwa 50 Dampfer dem Güteraustausche zwischen Deutsch-
land, Österreich-Ungarn und der Schweiz dienen.
Übersicht der wichtigsten deutschen Wasserstraßenl)
A. Flüsse:
1. Der Rhein (Basel) 1295
2. Die Ems (Greven) 425;
1. Mosel (Mündung der Meurthe) 514,
2. Neckar (Kannstatt) 358,
3. Main (Bamberg) 590,
4. Ruhr (Witten) 235,
5. Lippe (Lippstadt) 255;
1. Aller (Celle) 162,
3. Die Weser (Münden) 436 •! 2. Leine (Hannover) 185,
l 3. Hunte (Oldenburg) 188;
( 1. Saale (Naumburg) 442,
4. Di- Elb- (M-lmy 1154 { 2 (pmif, fflrmje) 291 ( ®»t«
5. Die Oder (Ratibor) 944 — Warthe (Konin) 795;
6. Die Weichsel (Auschwitz) 1125;
J) Die Städte bezeichnen den Anfang der Schiffbarkeit, die Ziffern die Stromlänge.
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Extrahierte Personennamen: Menzel
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Stettin Brandenburg Berlin Donau Deutsch- Österreich-Ungarn Rhein Basel Main_(Bamberg Witten Lippstadt Celle Hannover Oldenburg Ratibor Auschwitz
72 Zweiter Teil. Das Wirtschaftsleben Deutschlands.
a) die deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft „Hansa" in Bremen (Fracht-
verkehr nach Südamerika und Ostindien),
d) die „Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrtsgesellschaft" (Ham-
bürg — Brasilien — Argentinien),
c) die deutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft „Aosinos" in Hamburg
(Verkehr nach Chile und Peru),
ä) die „Deutsch-Australische Dampfschiffahrtsgesellschaft" (Hamburg —
Suez — Australien),
e) die „Woermaun-Linie" (Verkehr nach den Kolonien in Westafrika),
f) die „Deutsche Ostafrika-Linie" (Verkehr nach Ost- und Südafrika).
Mit berechtigtem Stolze dürfen wir auf unsere bisherigen Leistungen
zurückblicken. In der Personen- und Postbeförderung nehmen wir heute
oon allen Dampferlinien, die zwischen Europa und Amerika oerkehren,
unbestritten die erste Stelle ein und haben sogar den englischen Wett-
bewerb überholt. Die Hamburg-Amerika-Linie und der Norddeutsche Lloyd
besitzen Schiffe, die zu den schnellsten der Erde gehören. Die Entfernung
von New Jork — Plymouth wurde in 5 Tagen 7 Std. 25 Min. zurück-
gelegt. In neuerer Zeit sind die Gesellschaften davon abgekommen, bei
dem Bau der Ozeandampfer die Geschwindigkeit in den Vordergrund zu
stellen, weil Schiffe dieser Art unwirtschaftlich sind. Vielmehr legen sie
Bedacht darauf, Schiffe in den Dienst zu stellen, welche die Schnell-
dampfer an Raumgehalt weit übertreffen und die geringere Geschwindigkeit
durch ruhigen Gang, müßigere Preise und möglichste Vollkommenheit der
Innenausstattung ersetzen. Das größte Seeschiff der „Hapag" ist zur
Zeit die „Kaiserin Auguste Viktoria": das Schiff ist 213 m lang
(der Kölner Dom ist 157 in hoch), 23 l/2 m breit und 16 x/2 m tief. Es
erscheint als eine Stadt mit 4000 Einwohnern, mit einer Menge Prome-
Natten, Gassen, Wohnungen, Sehenswürdigkeiten. In 8 verschiedenen Decks
steigt der kunstvoll gefügte Bau empor. Über 4x/2 m mißt jeder Schorn-
stein im Durchmesser. Ein Eisenbahnzug köuute bequem durch diese gelben
Riesenrohre hindnrchfahrcn, ohne ihre Wanduugen zu streifen. Die 1. Kajüte
mit ihren Luxuskabinen bietet Raum für ca. 600, die 2. Kajüte für ca.
300 Passagiere; die 3. Klasse vermag ca. 200, das Zwischendeck ca.
1800 Personen zu beherbergen. Außerdem sind Logis für eine Besatzung
von 500 Mann vorhanden. Ungefähr 32000 Pfd. frisches und 17 000 Pfd.
geräuchertes und gesalzenes Fleisch, ferner 5000 Pfd. Geflügel und 4000 Pfd.
Fische sind für eine Reise des vollbesetzten Schiffes nötig. Dazu kommen
50000 Pfd. Mehl, 36000 Stck. Eier. 5000 Pfd. Butter, 4100 Pfd.
Kaffee, 6000 Flaschen Wein, 16000 I Bier, 6000 Flaschen Mineral-
wasser usw. Noch weit gewaltigere Vorräte sind zur Speisung der beiden
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Extrahierte Personennamen: New_Jork Kajüte
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Bremen Südamerika Ostindien Brasilien Argentinien Hamburg Chile Peru Hamburg Suez Australien Westafrika Europa Amerika Plymouth
Ix. Das westliche Tiefland.
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Fundorte von mancherlei nützlichen Mineralien. Steinkohlen werden
am Deister und Süntel, bei Osnabrück und Ilfeld, Braunkohlen bei
Osnabrück und Helmstedt in Brannschweig gegraben. Reiche Ausbeute
an Torf bieten die Moore, die manchmal eine Mächtigkeit bis zu 30 m
haben. Außerdem gibt es viele Salinen, unter denen die von Lüneburg
und Stade hervorragen. Asphaltgruben im s. und gute Ziegelerde
im u. Teile verdienen Erwähnung. In jüngster Zeit wnrden im Lüne-
burgischen bei Wietze bedeutende Petroleumquellen entdeckt; doch steht die
rationelle Ausnutzung derselben erst im Anfange der Entwicklung.
4. £rwerbsuerhcilfni[[e.
a) Nur wenige Gewerbe, die ihre Rohstoffe der Landwirtschaft ent-
nehmen, treten hervor; allerdings sind diese aber auch höchst bedeutungs-
voll. Großartige Zuckerfabriken liegen im Reg.-Bez. Hildesheim, sowie
im n. Teile des Herzogtums Braunschweig, namentlich in der Stadt
Braunschweig selbst, wo auch große Bierbrauereien, Spiritus- und
Branntweinbrennereien vertreten sind. Weiter sind die Fabriken für
Konservengemüse (Brannschweiger Spargel), für Schoko lade (Hannovers
und für Papier (Osnabrück) hervorzuheben.
d) Infolge der Kohlen- und Eisenerzlager treten im 8. besonders
die Städte Osnabrück, Hannover-Linden und Brauuschweig durch eine
reich entwickelte Gewerbetütigkeit hervor, die auch in Eisengießereien
und Maschtnenwerkstätten Großes leistet. In Hamburg, Altona,
Bremen und Bremerhaven blühen naturgemäß alle die Gewerbe, die mit
der Schiffahrt und dem Schiffbau in Verbindung stehen: Große Eisen-
gießereien und Kesselschmieden, Maschinenbauanstalten und
Schiffswerften. Die bedeutendsten sind die von Blohm & Voß und
die Reiherstiegwerft in Hamburg, sowie die Kaiserliche Werft in Wilhelms-
Häven. Bedeutende Fabriken für die Verarbeitung von Gummi und
Guttapercha beschäftigen Tausende von Arbeitern. (Hannover-Continental
Pneumatik.)
c) Die Gewebeindustrie nimmt eine hervorragende Stellung ein:
Baumwolle, Flachs und Hanf werden in zahlreichen Spinnereien und
Webereien der Städte Hamburg-Altona, Bremen, Osnabrück und Han-
nover verarbeitet. In den großen Küstenplätzen sind vielfach solche Be-
triebe entstanden, die überseeische Rohstoffe verwenden: die Bremer Reis-
schälmühlen und die Fabriken für die Herstellung von Linoleum
(Delmenhorst), Korkpfropfen, Stärke, Tabak und Zigarren, sowie
die Hamburger Werkstätten für die Bereitung von Gummi und Gutta-
Percha und für die Verarbeitung von Palmkernen und Kokosnüssen
gehören hierhin.
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— 53 —
für Deutschland keine große Bedeutung. Durch den Ludwigskanal ist
ihr System mit dem Rhein in Verbindung gebracht (siehe S. 54).
Für den Handel und die Industrie haben Ströme und
Flüsse eine zweifache Bedeutung. In der Nähe seiner Entstehung,
also im Gebirge, wo der Fluß durch stärkeren Fall bedeutenden Druck
auszuüben vermag, wird seine Wasserkraft zum Betrieb von allerlei
Maschinen, Mehl-, Säge- und Ölmühlen, Eisenhämmern usw. aus-
genutzt, im Tieflande ist das ruhig fließende Wasser die Kraft, welche
zum Befördern der Waren dient. Speziell für den Handel sind
die Flüsse und Ströme die natürlichen Verkehrswege, welche den
billigsten Transport der Handelsgüter ermöglichen. Die Gesamtlänge
der schiffbaren Stromstrecken in Deutschland beträgt 14 000 km. Die
durchschnittliche Tragfähigkeit der größeren Rheinfrachtschiffe beträgt
etwa 1 600 t, die eines gewöhnlichen Eisenbahnwaggons 10 t. Um
also die gleiche Last mit der Eisenbahn zu befördern, wären 160
Waggons, also etwa drei stattliche Eisenbahnzüge, erforderlich. Daher
kommt es, daß im Durchschnitt die Schiffsfracht nur V8 des Betrages
der Eisenbahnfracht ausmacht. Deshalb sucht man, namentlich in
neuerer Zeit, das Netz der natürlichen Wasserstraßen durch künstliche,
d. fy. durch Kanäle immer mehr zu erweitern. Seiner gebirgigen Be-
schaffenheit wegen ist nun Süvdeutschland zur Anlage künstlicher
Wasserstraßen weniger geeignet, als das meist ebene Norddeutschland,
wo sich die Flüsse ohne bedeutende Schwierigkeiten zu durchgehenden
Wasserstraßen verbinden lassen. Hier stehen denn auch Elbe, Oder
und Weichsel schon seit Jahrhunderten in Verbindung. Zu erwähnen
sind der Finow-Kanal, der eine Gesamtlänge von 70 km hat
(Oder, Kanal, Havel, Elbe), der Friedrich-Wilhelms-Kanal
(Oder, Kanal, Spree, Havel, Elbe) und der Bromberger Kanal
(Oder, Warthe, Netze, Kanal, Brahe, Weichsel). Der Plauerkanal
verläßt etwa 50 km. unterhalb Magdeburgs die Elbe und geht in
einer Länge von 35 km zur Havel, die er unterhalb Brandenburg
erreicht; er ist ein alter Wasserweg, der Berlin mit Magdeburg ver-
bindet. Der Dortmund-Ems-Kanal (siehe Ems). Nord- und
Ostsee sind verbunden 1. durch den Eid er-Kanal, der nur für kleinere
Fahrzeuge zu gebrauchen ist; 2. durch den vom Deutschen Reiche
erbauten 99 km langen Kaiser-Wilhelm-Kanal, der die Elb-
Mündung mit der Kieler Bucht verbindet und für die größten See-
schiffe zugänglich ist. Seine Tiefe in der Mitte des Bettes beträgt
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Rhein Deutschland Rheinfrachtschiffe Norddeutschland Spree Brahe Magdeburgs Brandenburg Berlin Magdeburg