84
Die Zeit der Gegenreformation.
zum großen Nachtheil der Eintracht und Ruhe, die ohnehin dem von wilden
Parteien zerrissenen und von feindlichen Kriegsschaaren durchzogenen Lande fremd
war. — „Nach S ieb enbürgen wurden Luther's Schriften durch Kaufleure
aus Hermannstadt von der Leipziger Messe gebracht (1521). Nach manchen
1544. Verfolgungen erklärten sich alle sächsischen Gemeinden für die Augsburger Con-
1555. fession." Auf dem L a n d t a g von Klausenburg erhielt Siebenbürgen volle
Religionsfreiheit. Als diese durch Kaiser Rudolf Ii. beschrankt ward, „griff der
Fürst von Siebenbürgen, Stephan Botskai, mächtig durch seinen Bund mit
den Türken, für die Herstellung der politischen und religiösen Freiheit zu den
1606. Waffen und erhielt den Wiener Frieden, durch welchen für Ungarn und
Siebenbürgen die Augsburger und Helvetische Confession freigegeben wurden." —
In Böhmen überdauerten die Lutheraner und Utraquisten die von Ferdinand
verhängte Verfolgung (§. 489). Unter Maximilian mehrte sich ihre Zahl und
^157°6selbst der unter geistlichem Einfluß stehende Rudolf Ii., der in allen seinen Lan-
1612. dern die Evangelischen bedrängte, die Glaubensfreiheit auf den Adel beschrankte
und den Gottesdienst gewaltsam unterdrückte, sah sich genötbigt, den evangelischen
Standen Böhmens durch den M aj estats b ri es Religionsfreiheit, Gleichstel-
lung mit den Katholiken und eigene Beschützer (Defensoren) zur Wahrung
ihrer Rechte zu gestatten (§. 561).
sr Die Zeit der Gegenreformation (Neaction).
I. Das katholische Klrchenthum.
a) Der Jesuiten - Orden.
§.512. Gründung. Iñigo (Ignaz) v. Loyola, der Sohn eines
unbemittelten spanischen Edelmanns aus den Gebirgen der Basken, erhielt bei
1521. der heldenmüthigen Vertheidigung von Pa mp luna gegen die Franzosen eine
schwere Wunde, die ihn aufs Krankenlager warf. Das Lesen von Heiligengeschich-
ten wahrend einer langen schmerzhaften Heilung erzeugte in seinem Innern die
Sehnsucht „wie St. Franciscus durch der Erde Elend des Himmels Herrlichkeit
zu erwerben." In der Kapelle der H. Jungfrau von Montserrat, deren reinem
Dienste er als geistlicher Ritter sich weihte, hing er Schwert und Dolch auf,
umgürtete seine Lenden mit einem Strick und trat eine Pilgerfahrt nach dem
heiligen Lande an. Bettelnd zog er von Ort zu Ort unter Entsagungen und
Kasteiungen, die seinen Körper abzehrten; durch siebenstündiges Gebet jeden Tag
nährte er die Gluth der Andacht und hielt Anfechtungen fern. Nachdem er auf
dem heil. Grab durch inbrünstiges Gebet seine Sehnsucht gestillt, faßte er den
Gedanken, der Stifter eines neuen Ordens zu werden. Mit unglaublicher Be-
harrlichkeit erwarb er sich in Salamanca, und dann, als ihn die über seinen
Bekehrungseifer besorgte Inquisition hier beunruhigte, in Paris die ihm man-
gelnde Bildung. Mit dem größten Eifer trieb er theologische und philosophische
>534. Studien, nach deren Beendigung er mit sechs Genossen auf eine geweihte Hostie
schwur, nicht nur den Mönchsgelübden (Armuth, Keuschheit, Gehorsam) treu zu
sein, sondern auch sich von dem Papste das Ziel ihrer Wirksamkeit bestimmen zu
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_Ii Rudolf Stephan_Botskai Ferdinand Ferdinand Maximilian Maximilian Rudolf_Ii Rudolf Iñigo Ignaz) Franciscus
Extrahierte Ortsnamen: Hermannstadt Leipziger_Messe Klausenburg Ungarn Heiligengeschich- Salamanca Paris
85
Das katholische Kirchenthum.
lassen und demselben in unbedingter gläubiger Folgsamkeit nachzukommen. Im
nächsten Jahr ging Ignaz über Spanien, wo er wie ein Heiliger verehrt ward,
nach Italien, um der Uebereinkunft gemäß mit seinen Genossen in Venedig zu-
sammenzutreffen. Durch Bußübungen und Predigten, durch Krankenpflege und
Bekehrungen erlangten alle einen großen Ruf, ehe sie sich dem heiligen Vater in
Rom zu Füßen warfen und die Bestätigung ihres neuen Ordens nachsuchten.
Nach einigem Bedenken willigte Paul Iii. in ihre Bitte und ertheilte der Ge-
sel l sch ñ ft I e su auf die von ihnen aufgestellte Grundlage seine Genehmigung.
Ignatius wurde der erste Ordensgeneral, aber nicht ihm, sondern seinem
klugen Nachfolger, dem Spanier Lainez (ff 1564) verdankt die Gesellschaft
Jesu ihre feinberechnete Organisation. Bei Ignaz hielt die glühende Phantasie
den Verstand befangen; in seiner religiösen Aufgeregtheit vermochte er nur das
Nächste zu erfassen; sein Leben war Krankenpflege, Kinderlehre und Seelsorge;
geistliche Hebungen und Ertödtung aller sinnlichen Triebe bildeten den Mittelpunkt
seines Strebens. Er starb 1556. Per. Canisius war der erste Deutsche im
Orden, dessen Zwecke er in Köln und Wien, wo ec 1597 starb, eifrig verfolgte.
§. 513. Verfassung. Die Verfassung des Ordens war militärisch-
monarchisch. Dem Haupte dieser Glaub ensr ittersch aft, dem General in
Rom mit seinem Rath von Assistenten, waren die Vorsteher der Provinzen,
die Provinziale, unterworfen und von diesen ging wieder, wie beim Heer,
eine Reihe von Abstufungen durch Superiore und Rectoren in genau ge-
gliederter Hierarchie bis zum untersten Bruder hinab. Gehorsam und strenge
Subordination war die Seele des Bundes. Alle Glieder wurden aufs sorg-
fältigste überwacht. Die Aufzunehmenden mußten eine lange und schwere Prü-
fungszeit bestehen, während welcher die Eigenschaften und Neigungen eines Jeden
genau erforscht wurden, um ihm den geeignetsten Wirkungskreis anzuweisen.
Nur wenige Erwählte gelangten zu der Meisterschaft der Professen, aus denen
die Obern hervorgingen, die Mehrzahl dienten als Ge hülfen (Coadjutoren),
ohne die innersten Triebfedern des großen Maschinenwerks, dessen Räder sie wa-
ren, zu kennen. Der Eintretende mußte alle Bande, die ihn an die Welt knüpf-
ten, lösen, den Orden als Vaterland, die Obern als seine Vorsehung betrachten.
Dadurch wurde es möglich, daß ein unveränderlicher Wille den ganzen Bund in
allen Welttheilen beherrschte. — Die Wirksamkeit und Verbreitung der Gesell-
schaftjesu war in Kurzem sehr ausgedehnt. Diepapstliche Curie verlieh ihr nicht nur
alle Privilegien der Bettelmönche, sondern stellte ihr auch jede Act von Dispen-
sation zu Gebot, so daß die Glieder in alle Verhältnisse des Lebens eindringen
und sich allenthalben frei bewegen konnten, und damit der Zweck des Bundes nie
durch ein anderes Streben gefährdet werde, schlossen sich die Jesuiten selbst von
allen festen Aemtern und Kirchenwürden aus. Die Beschäftigungen der Mitglie-
der waren mannichfach und nach den Gaben und Geistesrichtungen eines Jeden
geregelt. Dem Einen gestattete man ein frommes Klosterleben oder wissenschaft-
liche Muße, Andere leiteten den Unterricht der Jugend; die Klügsten und Fein-
sten suchten eine einflußreiche Wirksamkeit an Höfen und in Palästen, feurige
Redner wirkten als Prediger der innern Mission und die Eiferer zogen als
Heidenbekehrer in ferne Welttheile*).
*) In Indien, China, Japan (Xaver), ausceylon, den i n d i s ch e n I n -
sein und in Afrika errichteten sie Anstalten und führten dem Papste Gläubige zu; in
Südamerika gründeten sie einen eigenen Staat (Paraguay) und in Brasilien
und den spanischen Colonien waren sie zahlreich und mächtig. Klug verbanden sie
1540.
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292
Das Revolutions-Zeitalter.
kömmlichen, vor Gesetz und Verfassung verlor und daher bei der Abstellung ver-
jährter Mißbräuche sich nicht in den Schranken des Rechts und der bürgerlichen
Ordnung hielt. — Der Sieg der Aufklärung führte die Aufhebung des I e-
suiten-Ordens herbei. Eine geistliche Corporation, deren ganzes Streben
darauf hinausging, die Aufklärung des Volks zu hindern, dasselbe in der Un-
mündigkeit zu erhalten und sich allen Reformen und Neuerungen entgegenzustellen,
mußte in einer Zeit, wo die ganze gebildete Welt das Gegentheil anstrebte, große
1759. Anfechtungen erfahren. Als daher Po mb al in Portugal die Jesuiten-Collegien
schließen und die Ordensglieder in den Kirchenstaat bringen ließ (§. 679.) und
in Frankreich und bei den übrigen bourbonischen Höfen, ja sogar in Malta Pom-
bals Beispiel Nachahmung fand, sah sich endlich Papst Clemens Xiv., ein ver-
ständiger und gemäßigter Kirchenfürst, gezwungen, „im Vertrauen auf die Ein-
gebung und den Beistand des heiligen Geistes," die Gesells chaft Iesu a u f-
1773. zuheben und die Jesuiten-Collegien im Kirchenstaate zu schließen. Dies nö-
thigte auch Maria Theresia, die den Orden lange zu halten, aber besten
Einfluß zu mindern gesucht, in die Aufhebung zu willigen, und auch in Bayern
und den übrigen katholischen Ländern Deutschlands vollzog man den päpstlichen
Befehl. Nur Friedrich Ii. „hatte den Stolz, den Orden in Schlesien noch eine
Weile zu dulden und Rußland begünstigte denselben in den polnischen Provinzen
unter einem eignen Generalvicar." „Das Schicksal der Jesuiten wie einst der
Tempelherren war nicht unverschuldet, aber wie diese sind sie ohne Urtel und
Recht verdammt und viele wohlverdiente Männer mit einem hülflosen Alter be-
lohnt worden." — Doch hörte nach der Auflösung des Ordens die Wirksamkeit
der einzelnen Glieder nicht auf. Epj esui ten verfolgten das Ziel der Gesellschaft
mit ungestörter Beharrlichkeit und widerstrebten, wenn auch Anfangs mit wenig
Erfolg, so lange dem Zeitgeiste, bis dieser sich änderte und die allgemeine Rück-
kehr zum Alten auch die Wiederbelebung des Ordens gestattete. — Als Gegen-
1777- gewicht gegen das Streben und den Einfluß der Exjesuiten stiftete Adam Weiß-
haupt, Profestor des kanonischen Rechts in Ingolstadt, in Verbindung mit
Knigge, von Zwackh u. A. nach Art des Freimaurerordens eine geheime Ver-
bindung, Jlluminaten genannt, welche die über den Zwiespalt der Confes-
sionen erhabene Aufklärung des Volks und die Vervollkommnung
der Menschen zum Zweck hatten. Sie suchten nach Kräften dem Treiben der Er-
jesuiten und der Thätigkeit der Mönche und Geistlichen entgegen zu wirken, sahen
sich aber bald den Verfolgungen der bayerischen und anderer Regierungen ausge-
setzt. — Auch unter der katholischen Geistlichkeit erhoben sich damals
mächtige Stimmen gegen die Uebergriffe des Papstes in die Rechte der Landes-
kirchen, für zeitgemäße Reformen in dem Kirchensystem und für die Trennung
von Rom durch Gründung einer deutschen Nationalkirche. Von diesen Bestrebun-
gen zeugt vor Allem das lateinische Buch des Weihbischofs Hontheim von
Trier, der unter dem Namen Justinus Febronius in der 1763 herausgegc-
benen Schrift „über den Zustand der Kirche und die gesetzmäßige Gewalt des
Papstes" ein dem päpstlich-jesuitischen entgegengesetztes System des Kirchen-
rechts aufstellte. „Ein dem sterbenden Greise abgepreßter Widerruf konnte die
Wirksamkeit seiner Nachweisungen über die Entstehung der päpstlichen Gewalt
25.Auq. nicht entkräften." Als Folge dieses merkwürdigen Buchs kann der Congreß
1783‘ von Enis angesehen werden, wo vier Erzbischöfe (darunter Mainz und Köln)
in der sogenannten Emser Pu ncta tio n über die Grundlage einer freien Na-
tionalkirche und die Fernhaltung fremder geistlicher Gerichtsbarkeit vom deutschen
Boden sich vereinigten. Aber theils die Weigerung der übrigen Prälaten, tvelche
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Extrahierte Personennamen: Clemens_Xiv. Maria_Theresia Maria Theresia Friedrich_Ii Friedrich Adam_Weiß- Zwackh
Extrahierte Ortsnamen: Portugal Frankreich Malta Bayern Deutschlands Ingolstadt Rom Trier Mainz
448
Das Mittelalter.
Geheimlehren, ihre Weihen und Grade, ihre geheimen Orgien und ihre Missionäre, welche
Prsselyten machten und mehrentheils auch für politische Zwecke arbeiteten. Die Laien
nannte man Resiks, die Eingeweihten Fedai's, die Lehrer und Missionäre Dai's." Zu den
ismaelitischen Secten gehörten die Karamathier, die von Hakem bis auf unsere Zeit im
Libanon lebenden Drusen, die Nosairis und die von Obeidallah in Afrika gestiftete Secte
der Fatimiden. Am bekanntesten aber machte sich der von Hassan den Sabah ge-
stiftete Orden der Assassinen (§. 308).
§.302. Peter von Amiens. Schon seit dem 4. Jahrhundert war
die Sitte herrschend geworden, zum Heil der Seele und zur Büßung eines
sündhaften Lebens Wallfahrten nach Palästina zu unternehmen, um an
der Stelle, die man für Christi Grab hielt, und die darum von Helena
mit einem prächtigen Gewölbe und einer Kirche versehen worden war, zu
beten. Je mehr die religiösen Ideen die Herrschaft über die Gemüther der
Menschen erlangten, desto häufiger wurden die Pilgerfahrten, zumal als um
das Jahr 1000 der Glaube Eingang fand, daß das jüngste Gericht und die
Wiederkehr Jesu nahe seien. So lange die handeltreibenden Araber
(§. 260.) im Besitze des Landes waren, durften die Pilger, gegen Entrich-
tung einer Steuer ungehindert kommen und gehen; als aber Syrien und
Palästina von den Seldschukkischen Türken (§§. 265. 301.) erobert
wurde, erlitten sowohl die eingeborenen Christen als die Wallfahrer harte
Drangsale. Die Klagen über Mißhandlung, Mord und Raub wurden
immer lauter, so daß schon Gregor Vii. mit dem Gedanken umging, sich
des Religionseifers des Abendlandes zur Befreiung der heiligen Stätte zu
bedienen. Sein Kampf mit dem Kaiser hinderte die Ausführung. Da trat
ein von Jerusalem heimkehrender Pilger, Peter der Einsiedler von
Amiens, vor Urbanil-, schilderte ihm die Leiden der Christen im Morgen-
lande, und erhielt den Auftrag, in Stadt und Land umherzuziehen und die
Gemüther für das große Unternehmen einer Befreiung des heiligen Landes
aus den Händen der Ungläubigen vorzubereiten. Wunderbar war die Be-
wegung, die die feurigberedten Schilderungen des phantasiereichen Pilgers
in allen Ländern, besonders in Frankreich, und unter allen Ständen hervor-
riefen. Sein abgehärmtes Gesicht, sein dürftiges mit einem Strick umgür-
tetes Gewand gaben seinen Worten Nachdruck. Als daher der Papst in einer
auf der weiten Ebene von Clermont, im südlichen Frankreich, abgehaltenen
ross. Versammlung, der viele Bischöfe, Herren und eine zahllose Menge Volks
romanischer Zunge aus allen Ständen beiwohnten, das Abendland wider
das Morgenland unter die Waffen rief, und seine feurige Rede mit der Er-
mahnung schloß: „daß Jeder sich selbst verläugne und sein Kreuz auf sich
nehme, damit er Christum gewinne," so ertönte aus allen Kehlen der Ruf:
„Gott will es!" und Tausende knieten nieder und begehrten sogleich in die
Zahl der heiligen Streiter ausgenommen zu werden. Sie hefteten sich ein
rothes Kreuz auf die rechte Schulter, woher die zum gemeinsamen Unterneh-
men zusammengetretene neue Verbrüderung den Namen Kreuzfahrer erhielt.
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Extrahierte Personennamen: Hassan Sabah Peter_von_Amiens Helena Gregor_Vii Gregor Peter_der_Einsiedler
Extrahierte Ortsnamen: Afrika Palästina Christi Jerusalem Amiens Frankreich Clermont Frankreich
449
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge.
Alles eilte das Wort des Herrn zu erfüllen: Wer nicht sein Kreuz trägt und
mir nachfolgt, der ist meiner nicht werth! Völliger Ablaß der Sünden und
ewiger Lohn im Himmel wurde nebst mancherlei irdischen Vortheilen den
Ziehenden verheißen.
§. 303. Eine mächtige Begeisterung erfaßte alle Gemüther; kein Stand,
kein Alter, kein Geschlecht wollte zurückbleiben; der Landmann eilte vom
Pflug weg, der Hirte von seiner Heerde, Ehegatten trennten sich, Eltern ver-
ließen ihre Kinder, Greise, Knaben und Weiber folgten dem Ungestüm der
Bewegung, Mönche und Nonnen entliefen ihren Zellen; ein neuer Geist war
über Europa gekommen, eine neue Völkerwanderung brach aus, nur mit ver-
schiedenem Streben und mit geänderter Richtung; wo die religiöse Begeiste-
rung nicht mächtig genug wirkte, da halflust zuabenteuern undritterthaten,
oder Hoffnung auf Kronen, Herrschaften und Schätze. Die Rüstungen der
Fürsten und Edlen dauerten den Aufgeregten zu lange, daher zogen schon mit
dem Beginn des Frühlings untergeordnete und schlecht bewehrte Schaaren,
unter der Leitung Peters von Amiens und eines französischen Ritters,
Walther ohnehabe, durch Deutschland nach Ungarn gen Konstantinopel.
Als man ihnen in Bulgarien die Lebensmittel verweigerte, erstürmten sie Bel-
grad und füllten das Land mit Raub und Mord. Da fielen die Einwohner
über sie her und erschlugen sie zu Tausenden. Die Uebrigen mit den Führern
erreichten Konstantinopel, wurden nach Kleinasien übergesetzt, fanden aber
dort bis auf Wenige ihren Untergang durch die Seldschukken. Nicht bester
erging es den ungeordneten Schaaren, die nach einer blutigen Judenver-
folgung in den rheinischen Städten (Straßburg, Worms, Mainz u. a.)
unter der Leitung des Priesters Gottschalk und des Grafen Emiko von
Leiningen ausgezogen waren.
tz. 304. Gottfried von Bouillon. Hunderttausend Menschen
waren bereits umgekommen, als der hochsinnige Gottfried von Bouillon,
Herzog von Lothringen, mit seinen Brüdern (Balduin und Eustathius)
und einer großen Zahl wohlgerüsteter Ritter (darunter der tapfere Graf
Robert von Flandern) auf demselben Wege gen Konftantinopel zog,
indeß Graf Hugo von Vermandois, der Bruder des Königs von Frank-
reich, und der normännische Fürst Boemund aus Unteritalien (§. 287.) mit
seinem ritterlichen Neffen Tankred zur See dahin abgingen. Nachdem sie
dem byzantinischen Kaiser Alexios dem Komnenen (§. 301.) nach langem
Widerstreben den Lehnseid geleistet und die Rückgabe aller vor der Türken-
herrschaft dem oströmischen Reiche zugehörigen Städte versprochen hatten,
wurden sie nach Asien hinübergesetzt. In einer Ebene unweit Nikäa fand
die Musterung des gesummten aus 600,000 Mann (darunter 100,000 Rei-
ter und 300,000 streitbare Fußgänger) bestehenden Heeres statt, dessen an-
gesehenste Führer, außer den Genannten, noch folgende waren: Robert
von der Normandie, Sohn Wilhelm des Eroberers (tz. 286.),
Weber, Geschichte. I. 6. Aufl. 29
1096.
1097.
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Extrahierte Personennamen: Peters Gottschalk Gottfried_von_Bouillon Gottfried_von_Bouillon Balduin Robert_von_Flandern Hugo_von_Vermandois Tankred Alexios Nikäa Robert Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Europa Amiens Deutschland Ungarn Konstantinopel Bulgarien Konstantinopel Kleinasien Worms Mainz Lothringen Frank- Unteritalien Asien
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 451
tigte. Aus dieser Lage rettete sie die nach der Angabe eines Priesters in der
Peterskirche entdeckte heilige Lanze, deren Auffindung die ausgehunger-
ten, halbnackten Kreuzfahrer in solche Begeisterung versetzte, daß sie bei
einem Ausfall das übermüthige Heer der Belagerer in die Flucht schlugen
und sich den Weg nach Jerusalem öffneten. Der Glaube an die Aechtheit
der Lanze schwand jedoch bald, als der Priester Peter an den Folgen des ihm
aufgelegten Gottesurtheils starb.
Das Gottesgericht und Peters Ausgang. „Am Nachmittage des stillen
Freitags-, nachdem Peter durch Fasten sich vorbereitet, wurden zwei Scheiterhaufen von
trocknen Oelbäumen, vierzehn Fuß hoch, und durch einen Zwischenraum von einem Fuße
getrennt, erbaut. Um diesen Scheiterhaufen schloß das Heer der Wallbrüder, vierzig Lau-
send Bewaffnete an der Zahl, einen Kreis, in welchem alle Geistliche sich befanden, mit ent-
blößten Füßen, und in priesterlicher Kleidung. Als das Feuer so heftig brannte, daß die
Flamme bis dreißig Fuß in die Luft sich erhob, und niemand demselben sich zu nähern ver-
mochte, trat ein Priester auf, und rief die Worte: „Wenn wirklich der allmächtige Gott
mit diesem Manne von Angesicht zu Angesicht geredet, und der heiligeandreas ihm wachend
die heilige Lanze gezeigt hat, dann gehe er unversehrt durch das Feuer. War aber dieses
Trug, dann verbrenne er mit der Lanze, welche er in seinen Händen tragen wird." Alle
Anwesende riefen mit gebogenen Knieen: Amen. Alsdann kniete Peter, nur mit einem kur-
zen Gewände bekleidet vor den Bischof von Albara und ries laut Gott zum Zeugen an, daß
nichts was er von der Apostel Peter und Andreas Erscheinungen berichtet, von ihm er-
funden worden, flehte um die Vergebung seiner Sünden gegen Gott und seinen Nächsten,
und bat den Bischof, alle übrigen Geistlichen, und das ganze anwesende Volk für ihn ihr
Gebet mit dem seinigen zu vereinigen. Nachdem hierauf der Bischof die heilige Lanze in
seine Hände gelegt, und mit dem Zeichen des Kreuzes ihn gesegnet hatte, erhob er sich, und
ging langsamen Schrittes durch die hochlodcrnde Flamme. Als Peter aus der Flamme wie-
der hervortrat, ohne daß weder seine Kleidung, noch das Gewand, welches die Lanze um-
hüllte, versehrt schien, und laut rufend : „Gott hilf" mit der Lanze dem Volke den Segen
gab, da jubelten alle, welche der heiligen Lanze sich angenommen. Aber nach überstande-
nem Gottesgericht war die Verehrung des Volkes für Petern gefährlicher, als das Gottes-
gericht selbst. Denn über den von der Flamme schwer verwundeten Mann stürzte mit
wüthender Frömmigkeit das Volk her, riß ihn zu Boden, um seiner Kleider sich zu bemäch-
tigen, und einige rissen Fleisch von den Gebeinen des armen Heiligen. Raimund Pilcz und
einige Ritter mußten mit bewaffneter Hand ihn befreien. Andere begnügten sich damit,
Feuerbrände und Kohlen von dem Scheiterhaufen mit sich zu nehmen, und in wenigen
Augenblicken war davon keine Spur mehr vorhanden. Die Anhänger von Raimund sahen
während des Gottesgerichts eine Menge Erscheinungen, Peter selbst wollte mitten in den
Flammen mit dem Apostel Andreas sich unterredet haben. Aber er starb am zwölften Tage
nach diesem Gottesgericht, fei es von den empfangenen Brandwunden, wie die Gegner der
heiligen Lanze behaupteten, oder von den Folgen der Mishandlung des Volks. Dafür wa-
ren alle andern Fürsten und Ritter von der Unechtheit der Lanze überzeugt, nur die Pro-
venzalcn nicht, welche fortfuhren sie vor ihrem Heere mit derselben Verehrung zu tragen,
zum Gespötte der übrigen Wallbrüder.
tz. 306. Jerusalem. Nunmehr zwang das Heer die hadernden Für-
sten, die das hohe Ziel über selbstsüchtigen Zwecken aus dem Auge verloren,
zum schleunigen Aufbruch. Ihr Weg führte zwischen der Meeresküste und
dem Libanon hin. Als sie um Pfingsten über Ramla uno Emaus die Anhöhe
29*
1099
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Extrahierte Personennamen: Peter Peters Peter Peter Apostel Peter Andreas Peter Raimund_Pilcz Raimund Peter Apostel Andreas
Die Uebermacht der Kirche im Zeitalter der Kreuzzüge. 499
Gepränge, mit Hosbeamtcn und Dienstmannen gleich den weltlichen Regenten, und angesehene
Standesherren, Grafen und Barone erschienen als bischöfliche Lehnsleute und Besitzer von
Erb- und Ehrenämtern.
§. 340. Im siebenten und achten Jahrhundert hatte sich im Morgenlande
eine Religionspartei, Paulicianer (Manichäer), von den Ansichten der
herrschenden Kirche losgesagt und als Secte ausgeschieden. Blutige Verfolgun-
gen führten Viele von ihnen durch Bulgarien und Jllyrien nach verschiede-
nen Gegenden des Abendlandes, wo sie unter dem Namen Katharer (= Pu-
ritaner, daher Ketzer), weil sie sich als eine auserwahlte Schaar von Heili-
gen betrachteten und auf eine Reinigung oder Vereinfachung der Kirche in Glau-
den, Cultus und Verfassung hinstrebten, unter allem Druck sich erhielten. — In
Streben und Zweck verwandt mit den Katharern, aber reiner in Wandel und
frei von Schwärmereien, war die im Abendlande entstandene Secte der Wal-
denser, die lange unbeachtet in den stillen Thälern der obern Apenninen gelebt
hatten, bis P et ru s Wa l d u s, ein reicher Kaufmann aus Lyon, der seine Güter
den Armen vertheilte, im 12. Jahrhundert ihren Ansichten größere Ausbildung
und weitere Verbreitung gab. Der Macht, dem Luxus und der Verweltlichung
des Klerus stellten die Waldenser die Lehre von der apostolischen Einfachheit und
Armuth entgegen, verwarfen die Autorität des Papstes, bestritten die durch die
Scholastiker (§. 322.) ausgebildeten Satzungen vom Opfer der Messe, von
der Ohrenbeichte, der Substanzverwandlung u. A., nahmen nur zwei Sacra-
mente, Taufe und A b en d m ah l, an und betrachteten die heilige Schrift als
einzige Quelle des Glaubens.
tz. 341. Die Albigenserkriege. In dem Maße, als diehierarchie
die Einheit der Kirche durch Zwang festzuhalten suchte und die individuelle
Freiheit des Denkens und Glaubens beschrankte, fanden die Grundsätze der
beiden Secten, Katharer und Wald enser, größere Verbreitung. Der
Süden von Frankreich, die Provence und Languedoc, wo unter einem schö-
nen, sonnenreichen Himmel sich ein wohlhabender Bürgerstand gebildet hatte,
wo freie Institutionen und republikanische Städteverwaltung Selbständigkeit
in Thun und Denken erzeugten, wo die Reste griechischer und römischer Cul-
tur, verbunden mit germanischem und spanisch-arabischem Wesen, eine eigen-
thümliche Bildung und eine Fülle heiterer Dichtung und praktischer Wissen-
schaft hervorgebracht, wo die heitere proven Malische Poesie der Trou-
badours ihre Laune und ihren satirischen Muthwillen an Bischöfen und
Priestern ausließ, war der Sitz dieser unter dem gemeinschaftlichen Namen
Albigenser (von der Stadt Alby) zusammengefaßten Secten. Gegen sie
und ihren Schützer, den reichen Grafen Raymund Vi. von Toulouse, ließ
Innocenz Iii. (nachdem seine Aufforderung zur Rückkehr in den Schooß der
Kirche erfolglos geblieben und ein päpstlicher Legat seinen Tod durch Mör-
derhand gefunden) von den Cisterciensermönchen das Kreuz predigen
und verlieh Rapmunds Güter dem harten Grafen Simon von Montfort.
Sofort zogen Schaaren wilder Krieger, vor denen fanatische Mönche mit
dem Kreuz einherschritten, in das blühende Land, zerstörten die reichen
Städte, die prunkenden Paläste, die stolzen Burgen, mordeten Schuldige
32*
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454
Das Mittelalter.
'\fg7l' Guido von Lusignan wurde Jerusalem durch Sa la d in den Christen wieder
entrissen. — Die losen Verhältnisse des auf unfester Grundlage aufgebauten Feu-
dalstaates, verbunden mit der Verschiedenheit der Nationen, die einander eifersüch-
tig bewachten und mit den erschlaffenden Einflüssen des morgenlandischen Lebens
und der ungewohnten Genüsse, hemmten die Erstarkung und Consolidirung des
Königreichs Jerusalem.
tz. 308. Ritterorden. Die Hauptstützen des neuen Königreichs waren
die Ritterorden, in denen sich der Geist des Ritterthums und des Mönchwesens
vereinigte, indem sie außer den drei Mönchsgelübden: Keuschheit, Armuth und
Gehorsam noch ein viertes: Kamps wider die Ungläubigen und Beschützung der
Pilger ablegten. Sie erlangten große Vorrechte und Reichthümer und nahmen
viele Kriegsleute in Sold. Alle hatten eine eigene mit einem Kreuz bezeichnete
Ordenstracht. 1) Der Johanniter- (Hospitaliter-) Orden (sogenannt,
weil Johannes der Täufer Patron ihres von Kaufleuten aus Amalfi gestifteten
Klosters und Hospitals war), erhielt seine letzte Verfassung und Ordensregeln in
der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Nach dieser zerfielen die Ordensglieder
in drei Klassen: dienende Brüder, denen die Pflege kranker Pilger oblag,
Priester, zur Besorgung des Religionswesens, und Ritter, die mit den Ungläu-
bigen zu kämpfen und die Pilger zu geleiten hatten. Nach dem Verluste des hei-
ligen Landes erhielten sie die Insel R h 0 dos (Rhodiser-Ritter), und als
sie diese nach dem heldenmülhigsten Kampfe an die Osnranischen Türken abtreten
mußten (1522), wurde ihnen von Kaiser Karl V. die Insel Malta angewiesen
(Malteser-Ritter). Nach der Uebergabe dieser Insel an Napoleon (1798)
und der Eroberung derselben durch die Engländer (1800) verlor der Orden alle
Bedeutung und in den meisten Ländern seine (schon durch die Reformation sehr
verminderten) Güter. 2) Der von französischen Edelleuten nach denselben Regeln
und Einrichtungen gegründete Orden der Tempelherren (Templer-
Orden, weil ihre Wohnung nahe an dem Platze lag, wo ehemals der Salo-
monische Tempel gestanden) war ausgezeichnet durch Tapferkeit und Kriegs-
muth und gelangte durch Schenkungen und Vermächtnisse zu großen Reichthümern.
Nach dem Verluste ihrer Besitzungen in Palästina zogen sich die meisten Mitglie-
der nach Frankreich, wo sie in Unglauben und morgenländischen Aberglauben ver-
fielen, sich durch den Müßiggang verführt einem üppigen Leben ergaben und
dadurch ihren Untergang durch Philipp Iv. (den Schönen) im Anfänge des 14.
Jahrhunderts beschleunigten (§. 354). — Da der Johanniter-Orden hauptsäch-
lich für i ta li en i sch e, der Templer-Orden für französische Pilger sorgte, so
wurde auf dem dritten Kreuzzug nach dem Vorbild und mit der Verfassung der
beiden andern in dem von Bremer und Lübecker Kaufleuten gegründeten deut-
schen Hospital „unserer lieben Frau zu Jerusalem" unter den Auspizien des bald
nachher gestorbenen Friedrichs von S ch w a b e n (tz. 317.) noch 3) der Ord en
der D eu tsch h e rr e n zur Pflege deutscher Pilger gestiftet. Ihr erster Ordcns-
meister war Graf Waldbott von Bassenheim am Rhein. Von diesen
1190. deutschen Ordensrittern folgte im 13. Jahrhundert, als Hermann von Salza
Großmeister war, eine kleine Schaar dem Rufe des Herzogs von Ma so vi en,
um die in den Weichselgegenden gepflanzten Keime des Christenthums wider die
heidnischen Preußen zu schützen (§. 342.), die schon seit mehr als zwei Jahrhun-
derten, wo sie den ersten Missionar Adalbert von Prag erschlugen (997)
(§. 292.) > hartnäckig allen Versuchen, ihnen ihre Götzen und ihren mächtigen
Priesterstand zu rauben, widerstanden hatten. — Um die Zeit des ersten Kreuz-
zugs vermehrte der mohammedanische Prophet Hassan die schwärmerischen
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Extrahierte Personennamen: Guido_von_Lusignan Johannes Karl_V. Karl_V. Napoleon Philipp_Iv Philipp Friedrichs Hermann_von_Salza
Großmeister Hassan
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Johanniter-_(Hospitaliter- Amalfi Malta Palästina Frankreich Johanniter-Orden Jerusalem Bassenheim_am_Rhein Prag
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Das Mittelalter.
tischen Kreuzrittern zur See nach Palästina ziehen wollten, sich aber unter-
wegs bereden ließen, dem Grafen Alfons, Sohn Heinrichs von Bur-
gund (§. 267.), bei Eroberung Portugals behülflich zu sein. Beutebeladen
kehrten sie von Lissabon in die Heimath zurück. — Konrads einflußreicher
Rathgeber und Geschäftsführer war der gelehrte und stolze Abt Wibald
von Corvey, den der Kaiser zum Reichsverweser einsetzte, als er den Kreuz-
zug antrat.
§.311. Der zweite Kreuzzug (1147—1149). Das Königreich
Jerusalem hatte harte Kämpfe wider die Saracenen in Aegypten und an der
Ostgrenze (Mosul) zu bestehen und vermochte sich nur durch fortwährende
Unterstützungen aus dem Abendlande zu erhalten. Da aber einige Züge ver-
unglückten, indem dietheilnehmer imjnnern vonasien entwederverschmach-
teten oder durch das Schwert der Feinde aufgerieben wurden, und die Zahl
der wallfahrenden Ritter im Allgemeinen abnahm, so ward die Lage des
christlichen Reichs in Palästina von Tag zu Tag bedenklicher. Umsonst for-
derte der Papst zu neuer Hülfe auf; — erst als der Atabeke (Reichsstatt-
halter) Em a d e d d in Z enki die östlichen Besitzungen der Franken in seine
Gewalt brachte und nach seiner Ermordung sein Sohn Nureddin, der
tapfere und kluge Beherrscher von Mosul, nach Unterwerfung der kleinen
1146. seldschukkischen Reiche am Euphrat und Tigris, Edessa eroberte und zer-
störte, die christliche Bevölkerung mit der Schärfe des Schwertes schlug und
dann drohend an die Grenzen des Königreichs Jerusalem rückte, gelang es
dem heil. Bernhard, Abt von Clairvaux in Burgundien, den schlum-
mernden Religionseifer wieder zu wecken. Das Ansehen dieses Mannes,
dessen Enthaltsamkeit und Ertödtung aller sinnlichen Begierden durch
Kasteiung und Selbstpeinigung aus seinem abgehärmten geisterhaften Körper
ersichtlich war, hatte solches Gewicht, daß Ludwig Vii. von Frankreich in
der Seelenangst über sündhaftes Leben mit der heiligen Oriflamme auszog,
und selbst Konrad Iii. ihm nicht zu widerstehen wagte, als er ihn im Dome
zu Speyer in einer feurigen Rede ansprach. Konrad nahm das Kreuz, zog
mit einem stattlichen Heer durch Ungarn nach Konstantinopel (dessen Kaiser
Manuel mit ihm verschwägert war) und erreichte nach mancherlei Streitig-
keiten mit den treulosen, von Mißtrauen und Hoffahrt erfüllten Byzantinern
die asiatische Küste. Als er aber den Landweg über Jkonium einschlug,
wurde das an Allem Noth leidende Heer durch die Tücke griechischer Führer
in eine wasserlose Einöde geleitet, wo plötzlich zahllose türkische Reiter in ein-
zelnen Schaaren auf die Wallbrüder eindrangen und ihnen eine solche Nieder-
lage beibrachten, daß kaum der zehnte Theil sich mit Konrad nach Konstan-
tinopel rettete. Gewarnt durch diesen Ausgang schlug Ludwig Vii. den Weg
längs der Meeresküste über Smyrna und Ephesus ein, aber ohne bessern
Erfolg. Als in Pamphylien die Türken über sie herfielen, verließ der König
mit seinen Edlen das Heer und begab sich zu Schiffe über Antiochien nach
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Extrahierte Personennamen: Alfons Heinrichs_von_Bur- Heinrichs Konrads Bernhard von_Clairvaux Ludwig_Vii Ludwig Konrad_Iii Konrad Konrad Manuel Konrad Konrad Ludwig_Vii Ludwig
476
Das Mittelalter.
stehenden geistlichen Einrichtungen galt als Feind der Kirche und die furchtbarste
Kirchenstrafe in ihrer dreifachen Abstufung, als Bann (der den Einzelnen
traf), als Interdikt (das über ganze Landschaften ausgesprochen alle kirch-
lichen und gottesdienstlichen Handlungen untersagte), und als Kreuzzug mit
Inquisition (wodurch ganze der Häresie oder des Unglaubens beschuldigte
Völkerschaften und Kirchengemeinden der Vernichtung preisgegeben wurden) be-
drohte die Vermessenen. Außer den Hohenstaufen fühlten besonders die englischen
Könige Heinrich Ii. und Johann die päpstliche Allgewalt. — Diese Macht der
Kirche wurde hauptsächlich befördert 1. durch die große Zunahme des Mönchs-
wesens und die Vermehrung der geistlichen Orden und Klöster, 2. durch
die Scholastik.
§.321. 1) Mönchs orden. Aus dem allmahlig schlaff gewordenen
Benediktiner-Orden (§.281.) schied sich im 10. Jahrhundert das Kloster
Clugny in Burgundien aus und führte strengere Ordensregeln ein. „Die Regel
wurde dahin ausgebildet, daß durch schwere, ununterbrochene geistlich mechanische
Beschäftigungen jede Individualität vernichtet und der kirchlich-klösterliche Ge-
meinsinn allein großgezogen wurde." Im 12. Jahrhundert zahlte die Brüder-
schaft der Eluniacenser über 2000 Klöster. Aber auch dieser Orden genügte
den strengen Anforderungen des Mittelalters gegen die Lockungen der Sünde und
die Verführung des Fleisches auf die Dauer nicht, weshalb sich am Ende des
11. Jahrhunderts der Cisterzienser-Orden und einige Decennien spater
der Pram onstratenser-Orden aufthaten, jener in Burgund (Citeaux,
berühmt durch den phantasievollen, glaubensstarken, mit wunderbarer Beredsam-
keit begabten Bernhard von C la irv aux §. 311.), dieser in einer waldigen
Gegend unweit Laon (Premontre), mit gleichem Erfolg wie die erstern. Am
weitesten ging in der Entsagung der uin 1084 gegründete Orden der Karthau-
ser, welcher mit einem in einem rauhen Thal bei Grenoble angelegten Einsiedler-
Kloster (Carthusia, Chartreuse) begann. Ein abgeschlossenes, schweigsames Zel-
lenleben, spärliche und geringe Nahrung, ein härenes Büßergewand, Geißelungen,
und strenge Andachtsübungen wurden jedem Gliede dieses Ordens zur Pflicht ge-
macht. — Besonders erfolgreich war die Gründung der sogenannten M e n d i-
canten- oder Bettel-Orden im 13. Jahrhundert, die in treuer Nach-
ahmung des arnien Lebens Jesu und der Apostel sich aller irdischen Habe entschlu-
gen und durch ein elendes Erdenwallen in Armuth und Entbehrung die himm-
lischen Güter zu erringen trachteten. Franz von Assisi (ff 1226), der Sohn
eines reichen Kaufmanns, entsagte allen seinen Gütern, hüllte sich in Lumpen und
zog bettelnd und Buße predigend durch die Welt. Sein Feuereifer verschaffte ihm
Anhänger, die gleich ihm Geld und Gut von sich warfen, fasteten, beteten, sich
mit Geißeln den Rücken zerrissen und ihre geringen Bedürfnisse von freiwilligen
Gaben und Almosen fristeten. Der von ihm gegründete Orden derfranzis-
ka n er oder Min o r iten (deren einziger Besitz eine braune mit einem Strick
umgürtete Kutte war) verbreitete sich schnell über alle Länder. Mit der Zeit theil-
ten sich die Franziskaner in mehrere Zweige. Zuerst trennten sich die eifrigen
Mino riten (Spiritualen), in denen der kühne Geist des Gründers sort-
lebte, und die nicht einmal dem Orden das Recht des Güterbesitzes zugestanden,
von den Gemäßigten, die blos dem Einzelnen, nicht aber der Genossen-
schaft unbedingte Armuth auflegten, und verfochten ihre Grundsätze sogar gegen
die Päpste, welche die letztere Ansicht begünstigten; später schieden sich die Bar-
füßer, C o n v en tu a l en, Ca pu ein er u. a. aus. Gleichzeitig mit den Fran-
ziskanern entstand der von einem vornehmen, gebildeten Spanier (D ominicus)
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TM Hauptwörter (100): [T58: [Kloster Jahr Mönch Kirche Schweiz Bischof Abt Zürich Bonifatius Bern], T69: [Kirche Kloster Stadt Schule Bischof Gemeinde Orden Land Priester geistliche], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Ii Heinrich Johann Citeaux Bernhard_von_C Apostel Franz_von_Assisi Franz