36
du bist in gutem Schutz bei mir,
auch nehm’ kein Mietgeld ich von dir,
Platz ist ja für uns beide!“
3. Das Spätzlein dankt und baut sich an;
der Storch hat ihm kein Leid getan
und hat ihn nicht verstoßen.
So wohnten beide lange Zeit
in Frieden und in Einigkeit,
der Kleine bei dem Großen.
46. Der Fuchs und der Storch. von Wilhelm Curtman.
84 lehrreiche Geschichten für Kinder. Neue durchgesehene Ausgabe.
Gießen o. I. S. 50.
Der schadenfrohe Fuchs schickte einmal seinen Bedienten zu
dem Herrn Storch und ließ ihn zum Mittagessen bitten. Der
Storch ließ eine Empfehlung sagen, und er werde sich mit Ver-
gnügen einfinden. Weil nun der Storch dachte: Der Fuchs ist ein
reicher Herr, der wird gewiß etwas Gutes auftischen, so frühstückte
er gar nicht, um desto besseren Appetit zum Mittagessen mitzu-
bringen.
Aber was geschah? Als der Storch ankam, wurde er mit
großer Höflichkeit empfangen und an die schön gedeckte Tafel
geführt. Auch stand auf derselben wirklich sehr kostbare Krebs-
suppe und vortreffliche Rahmbrühe nebst süßem und mit Zimt
bestreutem Brei, aber alles dies nicht in Schüsseln, sondern auf
ganz flachen Tellern. Auch war weder Fleisch noch Brot noch
Löffel zu sehen. Das kam dem Storch kurios vor; denn mit
seinem langen Schnabel und seiner kurzen Zunge konnte er
weder etwas schlürfen noch lecken. Jetzt fing der Fuchs an ein-
zuladen und zu nötigen und hatte seinen Spaß an der Verlegenheit
des hungrigen Storches, und um ihn noch mehr zu ärgern, nahm
er selbst einen Teller nach dem andern vor sich und schlürfte
und leckte alles rein auf. Und dazwischen sagte er zu seinem
Gast: „Ei, ei, Herr Vetter, ist Ihnen denn gar nichts gefällig?
Sie sind doch nicht blöde? Oder haben Sie etwa zu Hause
schon etwas Besseres gespeist? Machen Sie es doch wie ich, und
greifen Sie zu!“ Der Storch, der wohl sah, daß er angeführt
war, schwieg still und ging nach Hause, als wenn gar nichts vor-
gefallen wäre.
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm_Curtman Wilhelm
38
Wasser sehlte es gänzlich. Wie sie sich nun bemühte und abärgerte,
stand plötzlich ein kleines buckliges Männlein vor ihr und sagte:
„Gib mir dein Tüchlein,
so lehr' ich dich zwei Sprüchlein."
„Das wär' ein schöner Tausch!" rief lachend die Gänsechristel.
„Sprüche weiß ich selbst genug." — „Aber meine Sprüchlein doch nicht,"
sagte das Männlein, „die könnten dir gute Dienste tun. Wenn du eine
Gans würdest, dann würde deine Not schnell ein Ende haben; die
Gänse würden deine Sprache verstehen und dir als ihrer Meisterin
gehorchen." — „Das siel' mir ein, eine Gans zu werden," ries die Gänse-
christel; „ich habe keine Lust, Gras und Hafer zu fressen und mich zu
Martini schlachten zu lassen."
„Hi! hi!" lachte der Kleine, „so ist's nicht gemeint. Das eine
Sprüchlein macht dich zur Gans, und das andere macht dich wieder zur
Gänsechristel." — „Da nimm!" sagte die Gänsechristel, knüpfte ihr Tüch-
lein los und gab es dem kleinen Mann, der es sich um den Kops band
und vor Freude umherhüpfte. Dann trat er vor die Gänsechristel hin
und sagte ihr seine Sprüchlein. Das eine lautete:
„Hurtedigurte, wer kanu's?
Erst ein Mägdlein und jetzt eine Gans."
Das andere hieß:
„Hurtedigurte, wer kann's?
Jetzt ein Mägdlein und erst eine Gans."
„Vergiß nur das zweite Sprüchlein nicht," ries lachend der Kleine,
„es wäre schade um dich, wenn du zu Martini geschlachtet würdest.
Hi! hi!" Mit diesen Worten lief er dem nahen Walde zu und ver-
schwand. Die Gänsechristel aber dachte: Du willst doch einmal die
Sprüche versuchen und sehen, ob dich dies bucklige Kerlchen nicht betrogen
hat. Sie sprach den ersten Spruch leise vor sich hin, und kaum war
das letzte Wort von ihren Lippen, so war sie auch schon in eine schöne
weiße Gans verwandelt worden. Die Gänse schienen sich gar nicht
darüber zu wundern, sie kamen zutraulich herbei und singen an, über
allerlei mit ihr zu schwatzen, und sie verstand die seltsame Sprache und
konnte sie selbst reden. Am Abend sprach sie das andere Sprüchlein
und stand sogleich wieder als Gänsechristel vor ihrer Herde. Von nun
an hatte sie gute Zeit; denn es fehlte ihr nicht an Unterhaltung, und
die Gänse gehorchten ihr gern.
Wenn der Abend kam und die Gänse heimgetrieben werden sollten,
sprach sie stets nur das andere Sprüchlein und trieb dann als Gänse-
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so lang er war, so lang war auch die Ähre. Aber wie die Menschen
sind, im Überfluß achten sie des Segens nicht mehr, der von Gott kommt,
werden gleichgültig und leichtsinnig. Eines Tages ging eine Frau an
einem Kornseld vorbei, und ihr kleines Kind, das neben ihr sprang, flel
in eine Pfütze und beschmutzte sein Kleidchen. Da riß die Mutter eine
Handvoll der schönen Ähren ab und reinigte ihm damit das Kleid. Als
der Herr, der eben vorüberkam, das sah, zürnte er und sprach: „Fortan
soll der Kornhalm keine Ähren mehr tragen: die Menschen sind der himm-
lischen Gabe nicht länger wert." Die Umstehenden, die das hörten, er-
schraken, fielen auf die Kniee und flehten, daß er noch etwas möchte
an dem Halm stehen lassen: wenn sie selbst es auch nicht verdienten,
doch der unschuldigen Hühner wegen, die sonst verhungern müßten. Der
Herr, der ihr Elend voraussah, erbarmte sich und gewährte die Bitte.
Also blieb noch oben die Ähre übrig, wie sie jetzt wächst.
58. Schulze Hoppe.
Von Adalbert Kuhn und Wilhelm Schwartz.
Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche. Leipzig 1848. S. 356.
Es war einmal ein Schulze, der hieß Hoppe, dem konnte es der
liebe Gott nie recht machen mit dem Wetter; bald war’s
ihm zu trocken, bald regnete es zu viel, und da sagte der liebe
Gott endlich: „Im nächsten Jahre sollst du das Wetter selbst
machen.“ So geschah es denn auch, und der Schulze Hoppe ließ
nun abwechselnd regnen und die Sonne scheinen, und das Getreide
wuchs, daß es nur so eine Freude war, mannshoch. Als es nun
aber zur Ernte kam, waren alle Ähren taub; denn Schulze Hoppe
hatte den Wind vergessen, und der muß doch wehen, wenn das
Getreide sich ordentlich besamen und Frucht tragen soll. Seit der
Zeit hat Schulze Hoppe nicht mehr übers Wetter gesprochen und
ist zufrieden damit gewesen, wie es unser Herrgott gemacht hat.
59. Kot*näbr£tl. Von Christoph von Scbmid.
Gesammelte Schriften. Xvi. Bdch. 2. Aufl. Augsburg 1861. 8. 52.
®iu Landmann ging mit seinem kleinen Sohne Tobias auf den Acker
hinaus, um zu sehen, ob das Korn bald reif sei. „Vater, wie
kommt's doch," sagte der Knabe, „daß einige Halme sich so tief zur Erde
neigen, andere aber den Kopf so aufrecht tragen? Diese müssen wohl
recht vornehm sein; die andern, die sich so tief vor ihnen bücken, sind
gewiß viel schlechter?" Der Vater pflückte ein paar Ähren ab und
Lesebuch für Mittelschulen. Ii. 4
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52
Haufen dort. Wie er nun so im besten Scharren und Kratzen und
Krähen war, sah er am Wasser hinter dem Zaune Meister Reineke, den
Fuchs, liegen, der rührte und regte sich nicht und schaute fortwährend
eifrig nach dem Ufersande hin. Gokelmann hatte wohl schon oft in
seinem Leben von dem bösen Hühnerdiebe gehört, aber nie einen gesehen,
und weil nun der Fuchs rothaarig war und auch sonst viel Ähnlichkeit
mit einem Hunde hatte, redete er ihn an und rief: „Du da, bist du
nicht ein Bruder von unserm Phplax?"
Der Fuchs, der schon lange den appetitlichen jungen Hahn da
oben gewittert hatte, dachte: „Warte, dich will ich schon fassen, wenn
ich dich nur erst hier habe!" Er blieb ruhig in seiner Stellung liegen
und tat, als ob er nichts gehört hätte. „Du da, bist du nicht der
Bruder von unserm Phplax?" ries das Hähnchen noch ein paarmal
mit immer lauterer Stimme. „Ach, sieh da, liebster Gokelmann!"
sprach endlich der Schlaue und richtete den
Kopf in die Höhe, „wie bin ich froh,
daß ich dich einmal zu sehen bekomme, du
lieber, kleiner Kerl! Allerdings bin ich der
Bruder vom Phplax, und der hat mir
soviel Schönes von dir und deinem Bruder
Hühnel erzählt. Ihr sollt ja beide prächtig
krähen können, du glaubst nicht, wie gern
ich das anhöre. Leider bin ich jetzt erkältet,
und die Erkältung hat sich mir auf die Ohren geworfen, so daß ich
schwer in der Ferne höre. Du würdest mir eine große Freude machen,
wenn du über den Zaun zu mir herunterfliegen möchtest und mir
so recht in der Nähe etwas vorkrähtest!"
„Ich kann ja nicht zu dir kommen," sprach Gokelmann ganz
traurig. Er fühlte sich so sehr geschmeichelt von dem Lobe des Fuchses.
„Ach, wie schade!" sprach Meister Reineke, „ich wollte dich auch noch
um eine andere Gefälligkeit bitten. Der Doktor hat mir geraten, ich
soll wegen meiner Taubheit frische, lebendige Regenwürmer auf die
Ohren legen; da bin ich nun hergekommen, um mir welche zu holen,
und kann sie nicht gut mit meiner Schnauze fassen. Ja, wer deinen
Schnabel hätte!" „Regenwürmer, fette Regenwürmer? Sind denn
wirklich welche da?" fragte Gokelmann eifrig. „Ach, und was für
welche!" sprach der Fuchs; „Kerle, wie die Aale so fett, das kribbelt
und wibbelt davon hier unten beim Wasser. Nie in meinem Leben sah
ich solche Menge beisammen."
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3.
Wie das der Gokelmann hörte, konnte er sich nicht halten; er hob
die Flügel, um über den Zaun zum Fuchse hiuunterzufliegen. Sein
liebstes Essen von der Welt waren ja sette Regenwürmer! — Aber
vergebens! Gerade gestern hatte die Köchin ihn: die Flügel beschnitten,
daniit er eben nicht überall hinfliegen könne. So ward es ihm un-
möglich, hinunterzuflattern. Er klagte dem Fuchse sein Leid. Dieser
wollte ihm auch eben einen guten Rat geben, wie er trotzdem aus
dem Garten heraus zu ihm kommen könnte, da ließen sich aber in
der Nähe Menschenstimmen hören. Der Fuchs hatte gerade noch Zeit,
dem leichtgläubigen Gokelmann zuzurufen: „Komm morgen wieder, du
Herzens-Gokelmann, und bring doch auch ja deinen lieb.en Bruder
Hähnel mit! Dann wollen
du?" Darauf streckte er den
Schwanz hoch in die Luft
und lief, was er nur konnte,
ins Feld hinein.
Traurig ging Gokelmann
nach seinem Hofe. Fort-
während dachte er an das
leckere Frühstück, wovon der
Fuchs ihm gesagt hatte. Da-
heim angelangt, erzählte er
nun seinen Eltern, was ihm
begegnet war. Nach seinen
Worten konnten die alten Hühner auch nicht anders denken, als daß
der taube Freund am Ufer ein Hund gewesen wäre. „Alterchen!" sprach
Frau Kratzefuß zum Hahn, „wie wär's, wenn wir morgen um diese
Zeit alle zusammen nach der Stelle hingingen, wo die Regenwürmer sind?
Wir haben lange keine gegessen, und es ist doch das Köstlichste, was
ein Geschöpf essen kann." „Schon recht, Mutter!" sprach der alte
Henning, „wir können schon hin, ich möcht' aber auch gern unsere lieben
Kinder mitnehmen, und denen sind ja leider gestern die Flügel be-
schnitten." „Wird schon gehen," sprach die Henne, „laß mich nur
machen! Ich weiß, da ist unter dem Gartenzaun ein kleines Loch in
der Erde, das kratzen und scharren wir beide so weit aus, daß wir die
Kinder bequem durchbringen. Nicht wahr, du bist dabei?" „Nun,
meinetwegen!" rief Henning, und die ganze Hahnfamilie freute sich schon
im voraus auf das morgende Frühstück.
wir mehr miteinander sprechen, hörst
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
62. ver fuchs und der Hahn. von Mop.
Alte Fabeln zur Lust und Lehr. Herausgegeben von Heinrich Wolgast.
München o. J. 2. Aufl. S. 6. Leise geändert.
1. Ein Hungriger Fuchs kam einstmals in ein Dorf und fand einen
Hahn; zu dem sprach er also: „O mein Herr Hahn, welche schöne
Stimme hat dein Herr Vater gehabt! Ich bin darum zu dir hierher
gekommen, daß ich deine Stimme hören möchte. Darum bitt' ich dich,
daß du singst mit lauter Stimme, damit ich hören kann, ob du eine
schönere Stimme habest oder dein Vater." Da schwang der Hahn sein
Gefieder, und mit geschlossenen Augen fing er an, aus das lauteste zu
krähen. Indem sprang der Fuchs aus ihn zu, fing ihn und trug ihn
in den Wald. Als das die Bauern gewahr wurden, liefen sie dem
Fuchse nach und schrien: „Der Fuchs trägt unsern Hahn fort!"
2. Als der Hahn das hörte, sprach er zu dem Fuchs: „Hörst du,
Herr Fuchs, was die groben Bauern sagen? Sprich du zu ihnen: Ich
trage meinen Hahn und nicht den euern!" — Da ließ der Fuchs den
Hahn aus dem Maule und sprach: „Ich trage meinen Hahn und nicht
den euern." Indem flog der Hahn aus einen Baum und sprach: „Du
lügst, Herr Fuchs, du lügst; ich gehöre den Bauern, nicht dir." Da
schlug der Fuchs sich selbst aufs Maul und sprach: „O du böses Maul,
wie viel schwatzest du! Wie viel redest du Unnützes'! Hättest du jetzt
nicht geredet, so hättest du deinen Raub nicht verloren."
Sprichwörter.
1. Schweigen schadet selten.
2. Schweigen ist heller als schwatzen.
3. Schweigen ist oft schwerer als reden.
63. Veriuchung. Von Robert Reinick.
Märchen-, Lieder- u. Gescbichtenbuch. 13. Aufl. Bielefeld u. Leipzig 1904. 8. 94.
I. Gar emsig bei den Büchern
ein Knabe sitzt im Kämmerlein,
da lacht herein durchs Fenster
der lust'ge blanke Sonnenschein
und spricht: „Lieb Kind! du sitzest hier?
Komm doch heraus und spiel bei mir!" —
Den Knaben stört es nicht:
zum Sonnenschein er spricht:
„Erst laß mich fertig sein!"
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_Wolgast Heinrich Robert_Reinick
62
seht auch nicht alle so aus, daß jeder von euch über seine
Photographie besonders glücklich sein könnte. Überdies ist der
Geschmack verschieden.
Was soll ferner das alberne Gerede von meiner Giftigkeit?
Die ihr so sehr mit eurer Vernunft und Einsicht prahlt, ihr solltet
doch endlich dahintergekommen sein, daß ich weder Gift führe
noch überhaupt imstande bin zu verwunden. Aber was helfen mir
und meinen wenigen Freunden unter euch alle Beteuerungen!
Kaum lasse ich mich sehen, so heißt es: „Hu, hu! ’ne Kröte!
Nimm dich in acht! Sie beißt, sie sticht durch die Stiefel! Sie
ist fürchterlich giftig!“ —Dann sagt unsereins: „Ich geh ja schon,
ich geh ja schon! Laß mich doch nur am Leben!“ Aber das
schnelle Weglaufen ist nicht unsere starke Seite; ehe man sich’s
versieht, hat man mit Stöcken und Steinen sein Teil bekommen,
oder man wird mit der Feuerzange gepackt und über den Zaun
geworfen, daß einem Hören und Sehen vergeht und man für sein
ganzes Leben einen Schaden davonträgt.
Solches erdulden wir armen Kröten, obgleich wir euch als die
sorgsamsten Gärtnerinnen dienen, indem wir von euren Gemüsen
und Salaten das Gewürm herunterschmausen. Was, glaubt ihr
wohl, würden die kleinen Schnecken täglich von eurem Kohl ver-
zehren, wenn ich nicht die Schnecken vertilgte? Etwa so viel, daß
euer drei oder vier davon eine Mahlzeit hätten, und es würde noch
ein Schüsselchen voll für einen gerade vorbeikommenden Hand-
werksburschen übrig bleiben. — Was kann ich manchmal in
Schnecken leisten! Die ersten paar Dutzend ess’ ich nur für den
Hunger. Erst wenn ich beim dritten oder vierten Dutzend bin,
sag’ ich: „Jetzt komm’ ich in den Geschmack! Die Schneckchen
sind feist und munden nicht übel. Will doch sehen, ob ich’s nicht
bis auf hundert bringe!“
Ich habe nun wohl genug gesprochen. Es macht mir wahrlich
kein Vergnügen, mich selber zu rühmen; aber ich werde auch gar
zu schlecht behandelt! Eure Vorfahren hielten mich für ein ver-
zaubertes Prinzeßchen. Wie es sich auch in der Tat damit ver-
halte, dieser Glaube bewirkte wenigstens, daß man freundlich und
liebevoll mit mir umging. Nun, ich glaube, daß die Erde sich
dreht, und daß auch wieder bessere Zeiten für uns Kröten kommen
werden. Nehmt euch meine Worte zu Herzen! Der Himmel er-
halte uns die Geduld, und euch gebe er Einsicht!
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64
4. Es ist, als sängen die Uögel auch
heut schöner als andere Tage,
als dufteten heut mit stärkerem Hauch
die Blumen im Feld und Hage.
5. Und Orgelklänge tönen von fern,
von Morgenlüften gehoben,
und alles betet: Wir loben den Herrn
und wollen ihn ewig loben!
71. Dtjr Sormtacj, nach emil frommel.
Aus der Chronik eines geistlichen Herrn. 6. Aufl. Stuttgart 1906. 8. 351.
es gibt Tage, die Gott der Herr gemacht hat, Tage, darin es
gilt, „fröhlich zu sein". Solch ein Tag war für uns Kinder
der Sonntag.
War die Mohrenwäsche am Samstagabend unter allerlei Hinder-
nissen richtig verlaufen, dann lag der frische Sonntagsstaat schon auf
dem Stuhl für den kommenden Tag. Mit dem Schulsack war am
Samstagnachmittag gründlich abgerechnet worden, und nun lag er still
in der Ecke den ganzen Sonntag über.
Frühmorgens ging's in die Kirche; wir Kinder voran, die Eltern
hinterdrein. Gab's manchmal auch kalte Füße und rote Nasen dort —
es half doch nichts, es war nicht ganzer, voller Sonntag, wenn wir
nicht zur Kirche gewesen. Aber es galt mehr bei uns die Regel: Du
darfst zur Kirche, als du mußt zur Kirche.
Des Nachmittags kamen entweder die Freunde, oder wir gingen zu
ihnen, oder, was uns fast das liebste war, wir blieben zu Hause. Wir
waren unser genug, um uns zu unterhalten.
73. Kinctergollescllenst. Von Karl von Gerok.
Palmblätter. 13. Aufl. Stuttgart 1868. 8. 175.
1. Ls läuten zur Kirche die Glocken,
die Eltern, sie gingen schon aus,
drei Kindlein in goldenen Locken,
die sitzen noch unter dem Haus.
2. Die muntern, unmüßigen Gäste
sind noch für die Kirche zu klein;
doch wollen am heiligen Feste
sie fromm wie die Alten schon sein.
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Extrahierte Personennamen: Dtjr_Sormtacj Karl_von_Gerok Karl
150
Aber sie wurde nicht seekrank und zerbrach nicht.
„Es ist gut gegen die Seekrankheit, wenn man einen Stahlmagen
hat und dann auch nicht vergißt, daß man ein bißchen mehr ist als
ein Mensch. Nun ist meine Seekrankheit vorüber. Je feiner man
ist, desto mehr kann man vertragen."
„Krach!" sagte die Eierschale: es ging ein Lastwagen über sie.
„Himmel, wie das drückt!" sagte die Stopfnadel; „nun werde ich
doch seekrank! Ich zerbreche!" Aber sie zerbrach nicht, obgleich ein
Rollwagen über sie ging; sie lag der Länge lang, und so mag sie
liegen bleiben.
151. Der Arme und der Reiche, von den Brüdern Grimm.
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Aust., besorgt von Reinhold Steig.
Stuttgart und Berlin 1906. S. 282.
or alten Zeiten, als der liebe Gott noch selber auf
Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich
zu, daß er eines Abends müde war und ihn die
Nacht überfiel, bevor er zu einer Herberge kommen
konnte. Nun standen auf dem Wege vor ihm zwei
Häuser einander gegenüber, das eine groß und
schön, das andere klein und ärmlich anzusehen, und gehörte das
große einem reichen, das kleine einem armen Manne. Da dachte
unser Herrgott: „Dem Reichen werde ich nicht beschwerlich fallen,
bei ihm will ich übernachten.“ Der Reiche, als er an seine Tür
klopfen hörte, machte das Fenster auf und fragte den Fremdling, was
er suche. Der Herr antwortete: „Ich bitte um ein Nachtlager.“ Der
Reiche guckte den Wandersmann vom Haupt bis zu den Füßen an,
und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht aussah wie
einer, der viel Geld in der Tasche hat, schüttelte er mit dem Kopf und
sprach: „Ich kann Euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen
voll Kräuter und Samen, und sollte ich einen jeden beherbergen,
der an meine Tür klopft, so könnte ich selber den Bettelstab in die
Hand nehmen. Sucht Euch anderswo ein Auskommen!“ Schlug da-
mit sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte ihm
der liebe Gott den Rücken und ging hinüber zu dem kleinen Haus.
Kaum hatte er angeklopft, so klinkte der Arme schon sein Türchen
auf und bat den Wandersmann einzutreten. „Bleibt die Nacht über
bei mir,“ sagte er, „es ist schon finster, und heut könnt Ihr doch
nicht weiter kommen.“ Das gefiel dem lieben Gott, und er trat zu
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T75: [Haar Auge Kopf Hand Gesicht Mann Farbe Mantel Fuß Frau], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T50: [Haus Pferd Bauer Herr Wagen Mann Tag Kind Weg Leute], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T46: [Körper Blut Wasser Luft Haut Magen Herz Speise Muskel Mund]]