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1. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 64

1906 - Leipzig : Dürr
64 Das Zeitalter des Absolutismus Sprache geblieben ist als das Einheitsband, das alle Teile umschlang, so sollte in der Eigenart des brandenburgischen Staates der Grund ge-legt werden, auf dem der Neubau des Reiches in langsamer, jahrhuuderte-langer Entwicklung erstehen konnte. Das Bild des brandenburgischen Kurfrstentums in den Kriegsjahren ist vorher gezeichnet worden. Das Leben dieses Staates in jener ver-hngnisvollen Zeit ist jedes erhebenden Momentes bar: sein Handeln ohne Kraft und Charakter, sein Leiden ohne Wrde; kaum da noch in ein-zelnen Kreisen eine Erinnerung daran sich erhielt, da man vor kurzem noch auf anderen Wegen zu wandeln begonnen hatte." Und doch ist er in 100 Jahren innerlich so gekrftigt und nach auen fo gewachsen, da er der mchtigste unter den Mittelstaaten Deutsch-lands wurde und die Gromachtstellung verdiente, die ihm der groe Friedrich wirklich geschaffen hat. Bevor wir der Entwicklung Branden-burg-Preuens in diesem Zeitraum nachgehen, suchen wir die Ursachen zu erkennen, die zu jener eigenartigen Entwicklung gefhrt haben. Ii. Die Ursachen der eigenartigen Entwicklung Brandenburg- Preuens. Auf zwei Tatsachen lt sich die aufstrebende Macht-entfaltuug des brandenburgischen Staates zurckfhren, nmlich auf die Eigenart des Lndergebietes und auf die der herrschenden Monarchen in dieser Zeit. 1. Das brandenburgische Kurfrstentum unterschied sich in seinem territorialen Gebiet wesentlich von den anderen kleineren und mittleren Staaten des Deutschen Reiches. Solange die brandenburgischen Kurfrsten nur die Mark Brandenburg beherrschten, standen sie, wie die brigen Fürsten Deutschlands, an der Spitze eines in sich geschlossenen, landschaftlich die gleiche Eigenart aufweisenden Staates. Aber durch die Erwerbung Preuens und der jlich-kleveschen Erblande gewannen sie nicht blo groen Landzuwachs, so da ihr Staat viele andere an rumlicher Gre bertraf, sondern das in drei Teile mit verschiedenem landschaft-lichen Charakter zerfallende Staatsgebiet bedingte auch eine eigenartige Entwicklung der Staatsgrenze. Die drei voneinander getrennten Landes-teile bezeichnen dieumrisseeinernordischengromacht; Branden--burg ist nach dem Dreiigjhrigen Kriege nicht mehr ein gewhnlicher deutscher Territorialstaat. Die Sonderbestrebungen, die wir nach dem Westflischen Frieden in allen Staaten und Lndern Deutschlands finden, muten in Brandenburg zuerst berwunden werden, wenn aus den drei Teilen eine Staatseinheit, ein Staatsganzes entstehen sollte.

2. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 213

1906 - Leipzig : Dürr
Preuens Fall und Erhebung 213 immer wieder der alte Fehler: berschtzung der eigenen, Unterschtzung der gegnerischen Krfte. So steht sein Bild in dsterrotem Glnze vor uns wie das des apokalyptischen Dmons Apollyon (Apok. 9, 11). Kein Volk hat er so grausam bedrckt, keines so mit Schmach und Schande berhuft wie das deutsche. Dennoch aber lt man ihm gerade bei uns volle Gerechtig-feit widerfahren und denkt nicht daran, seine wirklich groen Eigenschaften zu verkleinern. Ganz im Gegensatze zu Napoleon hat das deutsche Volk nie die eigenen Krfte und Leistungen auf Kosten fremder berschtzt, es ist vielmehr ans bertriebener Gerechtigkeit oft ungerecht gegen sich felbst gewesen. Das deutsche Volk ist ihm aber auch zu Dank verpflichtet. Wir knnen ihn ansehen als einen Teil der Kraft, die stets das Bfe will und stets das Gute schafft". Nichts lag ihm ferner, als dem verhaten Preuenvolke eine so kraftvolle Wiedergeburt, einen so ruhmreichen Aufschwung zu verschaffen, und doch ist er die eigentliche Ursache zu den beiden herrlichsten Ruhmesblttern unserer Geschichte, die da heien: Preuens Wiedergeburt und der Befreiungskrieg. Ihm verdanken wir die bewunderungswrdigste nationale Einrichtung, die die Welt kennt: Das Volk in Waffen. 61. Preuens Fall und Erhebung. I. Der Niedergang. 1. Die preuische Politik. Friedrich der Groe hatte das rein-monarchifche Regiment als die beste oder die schlechteste Regierungsform bezeichnet, je nachdem es gefhrt werde. Preußen hat die Wahrheit dieses Wortes in seiner zwiefachen Bedeutung an sich erfahren. Solange kraftvolle Persnlichkeiten wie Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Groe Kopf und Hand des Staates waren, solange berragte Preußen alle anderen Staaten und galt als Muster eines treff-lich verwalteten Landes, obgleich schon zu Lebzeiten des groen Knigs scharfblickende Männer wie der Franzose Mirabean hinter dem ueren Schein die Unsicherheit eines auf rein persnliches Regiment sich

3. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 273

1906 - Leipzig : Dürr
Das Streben nach nationaler Einheit und politischer Freiheit 273 lehnen war auch sterreich nicht geeignet; denn diese Sttze gab bedenklich nach. Auerdem hegte man seit dem Bayerischen Erbfolgekriege berechtigte Zweifel an der Uneigenntzigkeit sterreichs. So blieb nur Frankreich. Den sddeutschen Fürsten war der Hof der franzsischen Könige ein Vor-bild gewesen, das sie mit der grten Gewissenhaftigkeit nachahmten; bei ihren Untertanen hatten franzsisches Wesen und franzsische Sprache mehr und mehr Eingang gefunden, so da der Boden fr eine politische Verbindung wohl vorbereitet war. Freilich trat dann der Geist der franzsischen Revolution in starken Widerspruch mit der patriarchalischen Serenissimusherrlichkeit; aber Napoleons Grundsatz: Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt" glich diesen Gegensatz wieder aus, so da das Ungeheuerliche und Unerhrte zustande kam, die Grndung des Rhein-bundes unter dem Protektorate des franzsischen Kaisers, eine Schafherde unter dem Protektorate des Wolfes. Es war die Zeit der traurigsten Zerrissenheit Deutschlands: sterreich und Preußen durch die Kluft des Siebenjhrigen Krieges voneinander getrennt, die deutschen Kleinstaaten von sterreich im Stiche gelassen, von Preußen sich mitrauisch ab-wendend, dem Erbfeinde Deutschlands sich ausliefernd. Da mochten wohl viele Patrioten im Norden und Sden bekmmerten Herzens an das traurige Beispiel Griechenlands denken. Hier wie dort jahrhuuderte-lange Uneinigkeit, ein dreiigjhrigjhriger Kampf, der das ganze Land an den Rand des Verderbens brachte (Peloponnesischer Krieg Dreiig-jhriger Krieg), das Ringen zweier Staaten um die Vorherrschaft (Athen, Sparta Preußen, sterreich), die Einmischung fremder Mchte (Perser, Mazedonier Russen, Schweden, Franzosen), Unterwerfung durch einen fremden Eroberer (Philipp, Alexander Napoleon), erzwungene Beteiligung an einem abenteuerlichen Heereszuge im Gefolge des Siegers (Alexanders Zug nach Asien Napoleons Zug nach Rußland) und endlich bei beiden Vlkern die hchste Blte geistiger Kultur kurz vor dem politischen Niedergange, gleichsam eine Entschdigung der Vor-sehung fr das nationale Unglck. Da lag die Schlufolgerung nahe, da auch das Ende ein gleiches sein werde, nmlich endgltiger Verlust der politischen Selbstndigkeit und Vernichtung der nationalen Eigenart. Gott aber hatte es anders beschlossen. Unser Volk sollte zwar eine harte und schwere Leidensschule unter Gottes heimsuchender Hand durchmachen; aber es sollte nicht untergehen. Gleich dem Heilande verachtet, verspottet, gemihandelt, geschlagen und verurteilt, unter den Trmmern der alten friederizianischen Herrlichkeit begraben, hat das preuische Volk sich leuchtend emporgehoben aus der Grabesnacht der Fremdherrschaft. Als der Engel des Herrn die Heerscharen Napoleons auf den Schnee- und Eisfeldern Rulands vernichtete, da wlzte er den Stein von des Grabes Kauffmann, Berndt und Tomuschat, Geschichtsbetrachtungen. Il 18

4. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 38

1906 - Leipzig : Dürr
38 Das Zeitatter des Absolutismus 80 km von dem Meere entfernt ist. Die nicht ohne Anstrengung zu hebenden wertvollen Bodenschtze zwingen den Englnder zu ernster, zher Arbeit: das rauhe Klima, der Kampf mit Nebel und Sturm, Wellen und Wind ziehen eine stahlharte, arbeitskrftige Bevlkerung groß. Den Keltoromauen der Urzeit gesellte sich das germanische Element hinzu, dem seit 1100 noch ein normannischer Einschlag sich einfgte, und dieses Mischvolk, durch seine maritime Lage an sich schon abgeschloffen und in stolzer Selbstgengsamkeit nach auen hin immer mehr sich ab-schlieend, entwickelt in bewuter Inzucht den ausgesprochenen klaren Rasfentypns des Englnders. Selbstndigkeit und Zhigkeit find des Briten Grundeigenfchaften. Voll mnnlicher Wrde, darum auch rcksichtslos, selbstschtig und stolz, arbeitet er in seinem Haus, seiner Stadt: my house is my Castle, zieht er hinaus in die Welt und auf die See, um, auf sich selbst stehend und nicht nach der Staatskrippe schielend, sein Glck sich zu schaffen. Sein Harter, kraftvoller Wille, der in politischen und geschftlichen Dingen keinen Gefhlston kennt, schreckt vor nichts zurck, um im Daseinskampf zu siegen, zu Macht und Reichtum zu gelangen. So wird er der Kaufmann, der Gewaltige zur See, der Herrfcher der Kolonien. Mit diesem ausgesprocheneu Gefhl aber fr die mnnliche Wrde, fr den Stolz der in sich geschlossenen, selbstbewuten Persnlichkeit ver-bindet sich ein willigessichfgen in die gesetzlicheordnung, in die Interessen der Nation. Der Englnder ist gleichsam instinktiv ein politisches Wesen. Weil er, der so stolz auf feine Freiheit und Unabhngig-feit ist, wei, da nur im Zusammenhalten des ganzen Volkes sein Glck, sein Weg zu Macht und Reichtum gesichert ist, weil ihm die nationale Selbstsucht und das starke Gefhl des Rassezusammenhanges angeboren sind, ordnet er alles persnliche Gefhl dem nationalen unter: right or wrong, my country. Stolz und oft auch anmaend fhlt er sich drauen als der Sohn des mchtigen Albions, der dem der Union Jack stets schtzend schwebt, und wo Deutschlands Shne oft zu schnell nur heimische Sprache, nationales Denken schmhlich dahingehen, wei der Brite mit kraftvollem, und wenn auch manchmal sich berhebendem, fo doch immer bewundernswertem Stolze feine vlkische Eigenart zu behaupten und durchzusetzen. Das glorreiche England" ist das Zeichen, bei dem selbst des nchternsten Briten Herz warm wird. J) Dr. Karl Peters, wohl einer der vorzglichsten deutschen Englandkenner, weist einmal auf folgende, fr die Bolkseigenart ganz charakteristische Einzelheit hin: in Deutschland steht an dem Bahnkrper eine Tafel mit der Inschrift: Beim Heran-nahen des Zuges ist das Betreten der Geleise verboten!", in England heit es: Look out for the trains", in Amerika: Eailway-crossing."

5. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 380

1906 - Leipzig : Dürr
380 Das Neunzehnte Jahrhundert haben wir auch eine Entwicklung, und es ist menschlicher Forschung ge-Jungen, fr diese Entwicklung Gesetze aufzustellen. Gibt es auch in der geschichtlichen Entwicklung Gesetze, ist sie also der Natur-Wissenschaft gleichzusetzen? 3. Endlich hat tiefe Entwicklung irgenb ein Ziel, ist in ihr ein Fortschritt wahrnehmbar ober bewegt sie sich ohne bestimmtes Prinzip im Kreise? Damit ergeben sich fr uns brei Fragen, die fr den Begriff Gefchichtsauffaffung grundlegend sind, die Fragen 1. nach den Faktoren, 2. nach den Gesetzen, 3. nach dem Ziel der geschichtlichen Entwicklung. Ii. 1. Die Faktoren der geschichtlichen Entwicklung. a) Die physischen Faktoren. 1. Die gypter wanderten aus Sden ein in das Tal des Nils. Hier fanden sie den durch ber-schwemmungen gebildeten fruchtbaren Boden. Die gleiche Fruchtbarkeit konnten sie durch Kanle auch anderen Teilen des Landes geben; ebenso versprachen die Sumpfgegenden, trocken gelegt, guten Boden. Damit ber-nahm der Nil den grten Teil der lndlichen Arbeit. Nur Aussaat und Ernte war Aufgabe der Bewohner. So weist der Nil das gyptische Volk hin auf den Ackerbau, auf dem dann die Anfnge kulturellen und staatlichen Lebens beruhen. Dieser Ackerbau mit seinem Einerlei, seiner Gleich-frmigkeit, das Mhselige, aber abgesehen von den ursprnglichen Kanalbauten nicht ins Groe Gehenbe der eigenen Arbeit lie die Tatkraft erschlaffen. Die gypter sinb kein Volk der Initiative, des kriege-rifchen Sinnes; eigensinnig halten sie am guten Alten fest. So schenkt der Nil dem Volke sein physisches und auch sein politisches Dasein; so er-klrt sich aus den ueren Natureinflssen ein groer Teil der gyptischen Entwicklung. 2. hnliches lt sich von Griechenlanb sagen. In ein Land reich an Schnheiten verschiebender Art kamen die Griechen gezogen. Den heiter blauen Himmel, immergrne Zypressen, schlanke lbume, wilde Fels-Partien, die klare Luft, das unendliche Meer mit seinen ebenmig wogen-den Wellen, feinen weien Segeln all diese Schnheit trank der Grieche in sich, nahm sie auf, verarbeitete, kombinierte sie, gestaltete sie um, und so ward das griechische Volk zu einem Volk der Knstler. 3. Derartige Erwgungen lassen sich in noch erweitertem Umfange geltend machen: Afrikas Gluthitze bewirkte die Erschlaffung Karthagos; das palstinensische Klima lie die Kreuzfahrer ermatten und dem Sinnen-taumel dahinfallen. Noch heute redet man von Tropenkoller. Athen, Korinth, mit gutem Hinterland, gnstig am Meere gelegen, durch eine Jnselbrcke mit Kleinasien verbunden, entwickelten sich zu groen Handels-

6. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 32

1906 - Leipzig : Dürr
32 Das Zeitalter des Absolutismus da das Umsichgreifen franzsischen Einflusses gleichbedeutend war mit einer Vernichtung des Protestantismus, da infolgedessen alle die Lebens-frste, die in diesem vorhanden waren, sich gegen den franzsischen König wenden muten. Daher bedeutet der Augenblick, in dem die Protestant-schen Staaten Europas unter der zielbewuten Fhrung Wilhelms Iii. sich gegen Ludwig zusammenschlssen, die Wendung in den imperialistischen Plnen des Roi Soleil. Weltreiche fgen sich nur zusammen, wenn jedem Gliede seine berechtigte nationale Eigentmlichkeit und seine religise Eigenart gelassen werden. Weil Ludwig Xiv. ein Verstndnis fr nationale Eigenart und religise Duldung abging, mute sein geplantes Weltreich wie ein Schatten im Nichts versinken, gleich dem knftigen des ersten Na-Poleon. Iii. 1. Die Bedeutung des Absolutismus fr Frankreich. a) positiv: 1. Ordnung und Zentralisation des Staatswesens; 2. Frderung des Wohlstandes und der Kultur; 3. Glnzende Erfolge nach auen hin. b) negativ: 4. Verschwendung des Volkseigentums im Interesse des Herrscher-geschlechtes; 5. Unterdrckung jedes freiheitlichen Strebens; 6. Vernachlssigung des Bauernstandes und durch dies alles 7. Befrderung der Revolution. 2. Die Bedeutung des franzsischen Absolutismus fr Deutschland. a) Nachahmung der Persnlichkeit Ludwigs und seines Hoflebens durch die deutschen Fürsten namentlich der kleineren Staaten; b) Durchdringen des franzsischen Einflusses in Sprache, Sitte, Literatur und Kunst; c) Ausgestaltung des absolutistischen Staates (vgl. Brandenburg-Preuen); d) Nachahmung der merkantilistischen Wirtschaftspolitik.

7. Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit - S. 390

1906 - Leipzig : Dürr
390 Das Neunzehnte Jahrhundert und fr die gegnerische Ansicht noch die Geschichte der griechischen Staaten in ihrem Zerfall bis zur makedonischen Herrschaftsperiode geltend gemacht werden knnte, so drfte trotzdem klar sein, da es unmglich ist nach-zuweisen, da auf jede Revolution eine Militrdespotie folgen mu, eben-sowenig, wie man aus dem Vorhandensein wirtschaftlicher und sozialer Nte sofort auf die Entstehung einer Revolution schlieen darf, wie viele unserer heutigen Scharfmacher" und Sozialdemokratentter. In dem Sinne lt sich aus der Weltgeschichte nichts lernen, da in ihr fr be-stimmte Flle sichere Rezepte anzutreffen wren. Gleiche Situationen kehren in der Weltgeschichte nicht wieder." Die einzelnen physischen (Hungersnot, Miernte) und kulturellen (Armut, Steuerdruck) Faktoren werden erst wirksam, wie schon oben hervorgehoben, durch das Mittel der psychischen Kausalitt. Sie mssen erst in das menschliche Bewutsein auf-genommen, gewissermaen gebrochen werden, und wie sie dann wirken, das vorauszusehen ist der wissenschaftlichen Forschung unmglich, da der Grad der Reizbarkeit bei den einzelnen und daher auch bei einer Menge nicht allgemein bestimmbar ist. c) Bernheim fhrt noch ein anderes Beispiel an: Die statistische Wissenschaft glaubt ein konstantes Verhltnis zwischen den Lebensmittel-preisen und der Zahl der Eheschlieungen aufgefunden zu haben, und meint, dies Verhltnis als geschichtliches Gesetz festzulegen. Aber auch hier zeigt es sich, da das Ausschlaggebende nicht die Lebensmittel sind, sondern der hhere oder geringere Grad der Bestimmbarkeit der Individuen in ihrem Heiratsentschlu, einem Entschlu, der sich in seinen Motiven zusammensetzt aus der Intensitt des Ehebedrfnisses, der vernunftmig oder standesmig gewohnten Rcksicht auf die Lage der zuknftigen Familie u. s. f. Diese Motive sind innerhalb einer gegebenen Gesellschaft in einer gegebenen Zeit durch Volkscharakter, Erziehung, soziale Anschauung und die kulturelle Gesamtanlage bestimmt; das sog. statistische Gesetz ist nichts anderes, als der in Zahlen fixierte Ausdruck fr diese Tatsachen. Er erklrt dieselben in keiner Weise. Er besagt ja nur: wenn sich innerhalb der Gesellschaft die Lebensmittelpreise in bestimmter Weise ndern, so ndert sich die Frequenz der Ehen in bestimmter Weise. Welches die magebenden Faktoren dieses Resultates sind, vermag das sog. Gesetz nicht zu sagen." (Bernheim.) x) L) Welche Ausgeburten sich dabei ergeben, erzhlt gleichfalls Bernheim, indem er Aufstze von E. Sasse in der Zeitschrift vom Fels zum Meer beleuchtet. Nach diesem sind die Aufwallungen der verschiedenen organischen und unorganischen Ttigkeiten im Vlkerleben, in Kriegen, Erfindungen und Seuchen als Symptome gesteigerter Regsam-feit zurckzufhren auf die infolge der periodischen Aufwallung der Sonne variierenden

8. Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 6

1903 - Leipzig : Dürr
6 Die griechische Geschichte Eigentum gewordenen Gebilde verarbeitet er, kombiniert und gestaltet sie tiefsinnig um: unter der Hand formen sich ihm Gemälde, plastische Gestalten; die Schönheit der Natur und des Menschen setzt sich ihm um in Verse und Poesie. Diese Klarheit in der Auffassung der äußeren Welt macht die Griechen zu einem Volk großer Künstler. b) In all dem aber, was der Grieche sieht, spricht geheimnisvolles Leben zu ihm. Im Rauschen der Bäume, im Vergehen und Verwelken der Natur, im Branden des Meeres — überall findet er Leben. Woher kommt es? — Eine Welt, reich an Abwechslungen, mannigfaltig an Erscheinungsformen tut sich vor ihm auf. Woher ist das, was da ist; welcher „Ursache verdankt diese Welt nach ihrer materiellen Seite ihr Entstehen? Mögen sie nun das Wasser (Thales), die Luft (Anaximenes), ein mythisches „Unerschöpfliches" (Anaximander), die Zahl (Pythagoras, d. i. „das Wesen alles Gegebenen besteht in den bestimmten, in Zahlen sich darstellenden Raumverhältnissen des Wirklichen") als jene geheime Ursache hinstellen, aus der heraus diese Welt mit ihren mannigfach gegliederten Organismen sich entwickelt hat, — in ihrer Seele liegt die Anlage zu denken, der Trieb nach Klarheit auch in Bezug ans die Frage nach der Welt, dem Kosmos; in für jene Urzeit tiefsinnigen Gedanken bricht sich dieser Trieb Bahn und macht das griechische Volk zu einem Volk tiefer Denker. c) Wie Kunst und Denken anknüpft an und gefördert wird durch die Umgebung dieses Volkes, so auch seine Sittlichkeit. — Die Welt war so schön, so harmonisch, so friedlich. Sollte das nicht auch für die menschliche Lebensführung ein Ideal sein? Auch das seelische Leben des Menschen und seine Betätigung in der Welt darf nicht häßlich, nicht unschön, nicht unharmonisch sein, und so vollzieht sich jene Gleichsetzung der Begriffe „schön" und „gut", die dem Griechentum dann sein weltfreudiges Gepräge gibt. Das Leben ist das beste, das da verläuft in seliger Klarheit, in Mäßigung, — denn Unmäßigkeit ist häßlich und entstellt die Seele —, in Selbstbeherrschung — denn Zügellosigkeit der Begierden ist unharmonisch. So zeigt sich bei diesem Volk eine im Vergleich mit der übrigen damaligen Welt tiefsinnige Klarheit in der Lebensauffassung, in seiner freilich noch ästhetischen Sittlichkeit. d) Dem in der Natur überall Leben und geheimnisvolle Kräfte wahrnehmenden und in ihre Wunder sich versenkenden, über sie tief nachsinnenden Griechen erscheint jeder Baum, jeder Quell als Sitz eines geheimnisvoll und wunderbar, in Liebe und Haß sich betätigenden Wesens, eines Gottes. Anfangs lebt und vergeht mit der Naturerscheinung auch die

9. Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 12

1903 - Leipzig : Dürr
12 Die griechische Geschichte aristokratischen Militärstaat, Athen einen demokratischen Handelsstaat repräsentierend. Inwiefern sind nun diese Verfassungen in ihrer Art notwendig gewesen, inwiefern aber haben auch sie zum Untergange Griechenlands letztlich beigetragen? Ii. 1. Die spartanische Aristokratie. a) Geschichtliche Notwendigkeit üer spartanischen Verfassung. Der spartanische Staat mußte, wollte er überhaupt seine Existenz mitten unter einer überwiegenden Zahl Unterdrückter wahren, ein Krieg er-sta at werden. Was die Sage hinsichtlich der militärischen Erziehung und Zucht in Sparta, des soldatischen Geistes, der die Verfassung und bürgerliche Lebensordnung durchweht, der von militärischen Überlegungen nicht unbeeinflußt gebliebenen wirtschaftlichen und sozialen Gesetzgebung an den Namen Lykurg knüpft, ist notwendige Entwicklung gewesen. Einer Armee gleich, kann ein Militärstaat nur auf dem Geist der Subordination erbaut werden; es kann darum seine Verfassung nur eine die Masse an die Herrschaft weniger, der Besten bindende, eine Aristokratie sein. 1>) Segensreiche Wirkungen der spartanischen Verfassung. Ein herber Geist durchweht diesen Militärstaat; ein rauhes Geschlecht ist's, das in ihm groß wird. Physische Kraft und Gewandtheit begreift der Spartaner unter dem allgemeinen griechischen Schönheitsideal, und für beides leistet ihm seine Verfassung Gewähr durch die Jahrhunderte. Stark und zäh am Heimatboden hängend, still in Liebe und tief in Haß wächst ein ernstes und schweigsames Volk voll Erdgeruch und Heimatssinn auf, in allen Abhärtungen, in allen Entbehrungen erprobt, stets bereit, die gesamte Volkskraft für das heimatliche Land einzusetzen, zu kämpfen und zu sterben, wie das Gesetz es befahl. Das harte Muß, der strenge Dienst, die rauhe Lebensweise zogen reinen, nüchternen Sinn groß, und wenn in den Todeszuckungen Griechenlands noch einmal Spartas Stern — wenn auch nur vorübergehend — zu leuchten beginnt, so dankt es das seiner durch Lüderlichkeit noch nicht zu sehr geschwächten physischen und sittlichen Kraft. Die Verfassung schuf dem Staat ein starkes, treues, reines Volk. Weil mit diesem anfänglichen Höhepunkt sofort aber auch der Stillstand beginnt, weil zäher und dann auch selbstsüchtiger Sinn das Althergebrachte nicht ändern, nicht mit dem ehernen Schritt der Weltgeschichte mitgehen will, darum stürzt dieselbe Verfassung den Staat, den sie geschaffen, mit in den Abgrund.

10. Aus dem Altertum, dem Mittelalter und der Reformationszeit bis zum Dreißigjährigen Kriege - S. 56

1903 - Leipzig : Dürr
56 Die römische Geschichte wenn es auch keine Beziehung hatte zu den hellenistischen Reichen, und immer mehr sollte griechische Kultur dorthin dringen, die römische griechische Form annehmen, um einst die einheitlich zusammengefaßte Welt mit dieser Kultur zu erfüllen. Dagegen tritt nun Karthago mit seiner üppigen, sinn-lich-weichen, orientalisch-semitischen Kultur, mit seinem unsittlichen und grauenvollen Götzendienst auf. Die Römer mußten den Kampf bis auf die absolute Vernichtung hin führen. „Wäre das phönizische Element nicht ausgerottet und waren seine Überreste nicht durch die spurlose Vertilgung seiner letzten Hauptstadt eines Vereinigungspunktes beraubt und zum Ausgehen in andere Nationen gezwungen worden, so hätte menschlichem Ermessen nach die abendländische Geschichte eine andere Richtung eingeschlagen. Bei der semitischen Zähigkeit hätte jedwede Schonung genügt, um die phönizische Nation wieder emporzubringen und bei dem Sturze des römischen Kaiserreichs zu dessen Erben zu machen. Man denke sich nun das islamitische Arabertum, das international gewordene, rabbinische Judentum und die karthagischen Semiten im Bunde gegen die Fortschritte der abendländischen Zivilisation, die Phönizier im Besitze aller Häfen, der größten Handelserfahrung und des Handelsmonopols, dazu der reichsten Stadt der Welt und einer uralten nationalen Religion und habe dann den Mut zu glauben, daß es in diesem Falle ein Europa des 19. Jahrhunderts gäbe. Wenn die Römer in der Tat den niedrigen Regungen der Rache und der Eifersucht gefolgt sind, so können wir nur die Sicherheit des Instinkts bewundern, die sie trotz leidenschaftlicher Verblendung beinahe prophetisch zum Heile der Menschheit das Rechte treffen ließ" (Schiller). Roms Sieg bedeutete die Vernichtung der semitisch-orientalischen, die Erhaltung der griechisch-römischen Kultur. So mögen wir bewundernd und trauernd vielleicht ausschauen zu Hannibal, dem Hektar des karthagischen Volkes, und seinem mit zähem Stolz und trotziger Treue geführten Lebenskampf wider Rom, dem er noch sterbend fluchte; so mag in uns beim Gedanken an Karthagos Untergang und an des römischen Reiches künftigen Zusammenbruch der homerische Vers erklingen, wie er dem Scipio auf Karthagos Trümmern entfiel: „Einst wird kommen der Tag, da die heilige Jlios hinsinkt, Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs" —; jede ernste Überlegung muß auch in der Zerstörung Karthagos eine weltgeschichtliche Notwendigkeit sehen.
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