149
Friedrich l, der Rothbart.
sein Sohn Heinrich war ihm zwei Jahre vorangegangen, der andere,
Friedrich, noch minderjährig.
Dreizehntes Kapitel.
Friedrich I-, der Rothbart (1152 — 1190).
Die Fürsten hatten nach Konrads Tode nur die Wahl zwischen
Heinrich dem Löwen und dem Hohenstaufen Friedrich; sie entschieden sich
für den letztern, weil von ihm eine Versöhnung mit dem Welfen zu
hoffen war, denn er war mütterlicherseits selbst Welfe und dazu Jugend-
freund Heinrichs des Löwen. Wirklich gab er auf einem Reichstage diesem
das Herzogthum Sachsen zurück und sprach ihm ebenso Bayern wieder zu.
Zur Entschädigung für den Babenberger Heinrich, der um Bayern mit
den Welfen lange Krieg geführt hatte, wurde die Markgrafschaft Oester-
reich zu einem auch in weiblicher Linie erblichen, den Kur- oder Erz-
fürstenthümern gleichgestellten Herzogthum erhoben (1156), dem fast
gänzliche Freiheit von allen Leistungen gegen König und Reich bewilligt
wurde, weil es als Vorwache Deutschlands und von nicht deutschen
Völkern fast ganz umgeben genug zu leisten hatte.
Friedrichs Streben war dahin gerichtet, dem Kaiserthume die Macht
wieder zu verjüngen, welche Karl der Große und Otto der Große geübt
hatten. Wie seine Vorbilder wollte er die kaiserliche Oberherrlichkeit
über die Kirche wieder Herstellen, obwohl er weder wie Karl eine be-
drängte Kirche zu retten, noch wie Otto ihre gestörte Ordnung wieder
herzustellen hatte; dieses Streben mußte ihn zum Bruche mit dem Papste
führen und dadurch wurden dem Kaiser die besten Kräfte entfremdet,
er selbst geradezu an die Gewalt verwiesen. Er wollte Italien erobern,
weil die Weltherrschaft mit dem Namen Rom verbunden schien und die
reichen italienischen Städte die ergibigsten Steuern der damaligen Zeit
abgeworfen hätten, darum sagte er klagenden Lombarden und Siciliern
Hilfe zu, den einen gegen Mailand, den andern gegen ihren König.
Wie schwer Italien zu behaupten sei, hatten alle Nachfolger Karls
des Großen und namentlich die deutschen Könige erfahren. Friedrich
wollte erobern, aber welche Macht stand ihm zu Gebote? Seine
schwäbisch-fränkische Hausmacht, die Lehensmannen, welche durch ihre
Lehen seinem Hause verpflichtet waren. Diese Macht-war eine starke,
konnte aber nicht anhaltend zu auswärtigen Kriegen gebraucht werden,
weil die Lehensleute durch mehrjährigen Kriegsdienst verarmen mußten,
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_l Friedrich Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Friedrich_I- Friedrich Konrads Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Heinrichs Heinrich Heinrich Friedrichs Friedrichs Karl_der_Große Karl Otto Karl Karl Otto Karls Friedrich Friedrich
152 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
aber oft verfolgt und ausgeplündert wurden, behaupteten die Lombarden
das Uebergewicht. Der lombardische Adel wohnte in den Städten, frei-
willig oder gezwungen, und begleitete in der Regel die wichtigsten Aem-
ter. Besonders hatten die Lombarden die Gelegenheit benutzt, welche
ihnen strittige Bischofswahlen darboten; mancher Bischof schenkte ihnen
von seinen Hoheitsrechten, damit sie ihn anerkannten, andere verkauften
ihnen dieselben, so daß die Städte in der That Republiken waren. Un-
ter ihnen waren Genua, Venedig und Pisa stark als Seemächte und reich
durch Handel, der sich besonders durch die Kreuzzüge rasch zu großer
Ausdehnung entfaltete. Unter den Städten des Binnenlandes war Mai-
land die mächtigste; aber auch Pavia, Tortona, Kremona, Krema, Bo-
logna, Verona, Vicenza, Komo, Lodi, Treviso, Brescia, Bergamo,
Padua und andere waren reich und von einer zahlreichen und streit-
baren Bürgerschaft bewohnt. Waren diese Städte einig gewesen, so
hätten sie in jener Zeit, wo starke Mauern fast unüberwindlich mach-
ten, der ganzen Welt Trotz bieten können; allein sie haderten unaufhör-
lich mit einander. Pavia, als die alte longobardischc Königsstadt, wett-
eiferte mit dem stärkeren und reicheren Mailaud um den Vorrang, und
dieses behandelte die kleineren Städte, welche sich nicht unterordnen woll-
ten, mit grausamem Uebermuthe. Die Bürger von Lodi baten den Kai-
ser um Schutz gegen Mailand, und dieser schickte den Mailändern ein
Schreiben, in welchem er zu ihnen als Kaiser und Herr sprach. Sie
aber verspotteten das kaiserliche Siegel, beschimpften die Boten und zer-
störten das wehrlose Lodi. Auf seinem Römerzuge konnte der Rothbart
nicht Rache nehmen, weil sein Heer zu klein war, doch verheerte er ihr
Gebiet bis vor die Thore der Stadt, erstürmte einige Kastelle und
strafte die Lombarden für die Tücke, mit der sie ihm überall Nachstel-
lungen bereiteten.
Nach seiner Rückkehr von dem Römerzuge ehelichte Friedrich Bea-
trix, die Erbtochter des Grafen Naynald von Burgund, und vermehrte
dadurch seine Hausmacht beträchtlich (1156). 1157 zwang er den Her-
zog Boleslaw von Polen zur Huldigung und erhob darauf den böhmi-
schen Herzog Wladislaw Ii. für dessen treue Dienste zum König. Im
Jahre 1158 endlich zog er gegen Mailand mit einem gewaltigen Heere
und umlagerte die Stadt so lange, bis sie sich auf Gnade und Ungnade
ergab. Hierauf wurde auf den ronkalischen Feldern bei Piacenza im
November großer Reichstag gehalten, damit festgesetzt werde, was dem
Kaiser in Italien zustehe. Gelehrte Juristen beriethen nun das römische
Recht, und darin fanden sie begreiflich für den Kaiser als den Nach-
folger der Cäsaren sehr vieles: alle Belehnungen sotten dem Kaiser ge-
hören, die Städte sind ihm Heeresfolge schuldig und zu Naturallieferun-
gen an die kaiserlichen Heere verpflichtet; dem Kaiser gehören als Ne-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Bea- Friedrich Boleslaw_von_Polen Boleslaw
Das Zeitalter der Kreuzzüge.
193
königlichen Gerichtsbarkeit und des königlichen Schatzkammerhofes auf
Kriminal- und Regaliensachen; Bestätigung eines höchsten Gerichtshofs
in Civilsachen mit festem Sitze in Weftmünster; kein freier Mann darf
verhaftet oder in das Gefängniß gesetzt, seines Grundbesitzes beraubt oder
sonst gewaltthätig behandelt werden außer durch den Spruch eines aus
seinen Standesgenossen zusammengesetzten Gerichts; die alten Rechte und
Freiheiten der Städte, Flecken, Seehäfen und fremden Kaufleute werden
bestätigt; im ganzen Reich gilt gleiches Maß und Gewicht; jeder Freie
hat die Erlaubniß in Friedenszeiten außer Landes zu gehen und wieder
zurückzukehren; Einschränkung der Bedrückungen des Forstgesetzes; die
Freiheiten, welche der König seinen Vasallen bewilligt, sollen auch den
Vasallen der geistlichen und weltlichen Herren zugestanden werden; eine
außerordentliche Befteurung kann nur mit Einwilligung des Parlaments
(Reichstags, Landtags) stattfinden.
Als dem König die Magna charla abgedrungen war, wurde er
fast wahnsinnig vor Zorn und rüstete sich mit dem größten Nachdrucke.
Mit seinen Söldnerschaaren bedrängte er seine Gegner in dem neuen
Kriege dermaßen, daß sie dem französischen Kronprinzen Ludwig die
englische Krone antrugen. Dieser landete wirklich mit einem Heere bei
Sandwich (Mai 1216) und hatte auch schon einige Vortheile erfochten, als
König Johann im Oktober unvermuthet starb. Nun verließen die mei-
sten englischen Barone den französischen Prinzen und huldigten Hein-
richen Hi., dem Sohne Johanns, wodurch sich jener genöthigt sah, 1217
wieder nach Frankreich zurückzukehren. (Wie Heinrich Hi. sich mit Lud-
wigen Ix. wegen der englischen Besitzungen in Frankreich verglich, ist
bereits S. 187 ff. gesagt worden.)
Lweiundzrvanzigstes Kapitel.
Das Zeitalter der Kreuzzüge.
Mit den Kreuzzügen ist die Hauptepoche des Mittelalters vorbei;
lnit dem Aufgebot aller Kräfte hat die europäische Christenheit während
desselben nach einem Ziele gestrebt, höher und herrlicher, als seitdem je
eines den Völkern vorschwebte. Die christlichen Völker des Abend-
landes waren geeinigt in der Kirche unter ihrem sichtbaren Oberhaupte,
dem Papste, und dieser sollte nicht bloß über den Glauben wachen, die
kirchliche Ordnung aufrecht erhalten und durch Befehl, Warnung und
Strafe dafür sorgen, daß christliche Sitte und Zucht auch von den Großen
Bumüllrr, Gesch. d. Mlttklñlters. 1z
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Johann Johanns Johanns Heinrich_Hi Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Weftmünster Friedenszeiten Frankreich Frankreich
Das byzantinische Reich. Die bilderstürmenden Kaiser. 103
an den Thoren Europas und Asiens. Der griechische Kaiser gebot aber auch
über die ganze Kraft seines Reichs und war dabei nicht von dem guten
Willen der großen Lehenträger abhängig, wie die meisten abendländischen
Herrscher; das Reich besaß eine geregelte Finanzverwaltung, einen Staats-
schatz, daher verfügte der Kaiser über regelmäßige Reichseinkünfte und
konnte Heere und Flotten ausrüsten und unterhalten. Die Mannschaft
wurde zum größten Theil aus Barbaren geworben, -namentlich aus Sla-
ven, welche sich im Reiche niedergelassen hatten; die Befehlshaber wa-
ren dagegen meistens Griechen, welche oft genug bewiesen, daß die er-
erbte römische Kriegskunst noch von keinem andern Volke erreicht war.
Die Vertheidigung des Reiches und Konstantinopels wurde besonders
durch die Lage am Meere erleichtert, und tüchtige Kaiser richteten deß-
wegen auch ihr Hauptaugenmerk auf die Seemacht, indem sie mit Recht
glaubten, Konstantinopel könne nicht fallen, so lange es das Meer frei
habe. Diese Hauptfestung war damals zugleich der erste Handelsplatz der
Welt; sie vermittelte den Verkehr zwischen Europa und Asien, und stand
mit dem russischen Novgorod so gut in Verbindung als mit Italien,
Frankreich und Deutschland. Auch der alte Gewerbfleiß hatte sich in
den Städten erhalten und selbst die Barbaren fanden bald die griechi-
schen Fabrikate so unentbehrlich, als heut zu Tage die vielnamigen In-
dianer in Amerika und Neger in Afrika die englischen. Handel und
Industrie waren deßwegen die Quellen, welche dem Staatsschätze die
besten Zuflüsse gaben.
Dem Kaiser Heraklius folgten einige unbedeutende Kaiser, bis 717
Leo Iii. der Jsaurier, ein tüchtiger Feldherr, sich des Thrones be-
mächtigte. Dieser schlug die Araber zurück, die Konstantinopel ein
ganzes Jahr belagerten und dabei 100,000 Mann verloren haben sol-
len, stürzte aber das Reich durch sein Verbot der Bilderverehrung in
Verwirrung. Dazu sollen den Kaiser politische Rücksichten bewogen
haben; der Koran verbietet jede bildliche Darstellung nicht nur Gottes
und höherer Wesen, sondern überhaupt alles Lebendigen, daher die Mos-
lemin überall gegen die Bilder, namentlich religiöse, wütheten. Zu
Leo's Zeit ließ der Chalife Iezid (723) alle Bilder in den Kirchen der
eroberten Provinzen zerstören, was den griechischen Kaiser auf den Ge-
danken brachte, den mohammedanischen Fanatismus als den gefährlichsten
Feind dadurch zu entwaffnen, daß in dem griechischen Reiche selbst alle
heiligen Bilder weggeschafft würden. Dem ersten Befehle (726) folgte
bald (730) ein noch viel strengerer, der Todesstrafe auf die Beibehal-
tung von heiligen Bildern in Kirchen, auf öffentlichen Plätzen und selbst
in Privathäusern setzte. Dagegen erhob sich Widerstand von Seite des
Volks und der Geistlichen, die Päpste Gregor Ii. und Iii. verwiesen dem
Kaiser seine Gewaltthätigkeit sehr strenge, indem sie ihm die katholische
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Extrahierte Personennamen: Leo_Iii Leo Gregor_Ii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Europas Asiens Konstantinopels Konstantinopel Europa Asien Italien Frankreich Deutschland Amerika Afrika Konstantinopel Gottes
Heinrich der Löwe bestraft.
157
Papst und gab den Gegenpapst auf (der großmüthige Alexander machte
diesen zum Präfekten von Benevent); der Papst anerkannte die Bischöfe,
welche dem Kaiser angehangen hatten, überließ demselben den Besitz
des mathildischen Erbes auf fünfzehn Jahre (nachher sollte gerichtlich
darüber entschieden werden), vermittelte zwischen dem Kaiser und den
Lombarden einen Waffenstillstand auf sechs und mit Wilhelm von Nea-
pel auf fünfzehn Jahre. Mit den Lombarden kam erst im Jahre 1183
ein fester Friede zu Stande; der Kaiser behielt statt seiner römischen
Ansprüche das Recht, von acht zu acht Jahren die städtischen Konsuln
zu ernennen, Appellationen von den Stadtgerichten anzunehmen, die Städte
schworen ihm den Eid der Treue und überließen ihm einige Regalien;
was aber die Hauptsache war, der Kaiser anerkannte ihren Bund und
damit ihre thatsächliche Unabhängigkeit (Konstanzer Friede).
Heinrich der Löwe bestraft (1181).
Noch war der Friede mit den Lombarden nicht geschlossen, als den
stolzen Welfen die Strafe für seinen Abfall ereilte. Dieser hatte große
Pläne in sich getragen; Bayern und Sachsen besaß er, Oesterreich hoffte
er zu gewinnen, die in Norddeutschland wohnenden Slaven hatte er
größtentheils unterjocht und Mecklenburg und Pommern seinem Reiche
einverleibt; er wollte neben dem hohenstaufischen Deutschland ein eigenes
Reich gründen, nicht der Schildhalter des Kaisers sein, und sicher hätte
er nur auf einen günstigen Augenblick gewartet um den Kaiser selbst zu
stürzen. Heinrich machte sich aber durch seine Gewaltthätigkeit viele
Feinde, und als der Kaiser aus Italien zurückkam, verklagten sie ihn
bei demselben und fanden geneigtes Gehör. Dreimal lud ihn Friedrich I.
vor das Reichsgericht, aber Heinrich blieb aus und suchte die schwäbi-
schen Grafen zur Empörung zu reizen. Da ächtete ihn Friedrich (1180)
und erklärte ihn seiner beiden Herzogthümer verlustig. Die Feinde des
Löwen griffen nun zu, allein dieser vertheidigte sich tapfer, bis der
Kaiser selbst gegen ihn zu Felde zog. Jetzt fiel einer seiner Vasallen
nach dem anderen von ihm ab, er selbst wurde in Stade enge einge-
schlossen und ergab sich an den Kaiser. In Erfurt fiel er ihm zu Füßen;
Friedrich wurde einen Augenblick erschüttert, folgte aber dann doch nicht
seinem Herzen, sondern seinem Verstände. Von Heinrichs großem Reiche
blieben ihm nur seine Allode Braunschweig und Lüneburg. Das Herzog-
thum Bayern erhielt Otto von Wittelöbach, des Kaisers treuer Waffen-
gefährte, doch wurde der Umfang des Herzogthums bedeutend geschmä-
lert. Das eigentliche Herzogthum Sachsen hörte auf, den Herzogstitel
aber bekam Bernhard von Aschersleben, Sohn Albrechts des Bären;
dieses Sachsen blieb auf Wittenberg und Lauenburg beschränkt; der Erz-
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Alexander Alexander Wilhelm Heinrich Heinrich Heinrich Friedrich_I. Heinrich Heinrich Friedrich_( Friedrich Friedrich Friedrich Heinrichs Heinrichs Otto_von_Wittelöbach Otto Bernhard_von_Aschersleben Albrechts Albrechts
126 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
der Beweis, daß die deutsche Nation die erste in der Christenheit sei.
Die Beschütznng des hl. Stuhles, die Verteidigung der Kirche gegen
innere und auswärtige Feinde war allerdings eine ebenso schöne als
hohe Pflicht, aber weil mit ihr zugleich die Oberherrlichkeit über Italien
verbunden war, so führte dies zu unaufhörlichen Kämpfen mit den ita-
lienischen Städten und Fürsten und mit dem Papste selbst, wenn der
Kaiser seine sehr beschränkte Gewalt ausdehnen wollte.
Papstthum und Kaiserthum.
Die Idee einer ros pulilioa ellristinnu, eines allgemeinen christ-
lichen Staatenbundes unter der Oberleitung des Papstes, gehörte ur-
sprünglich der Hierarchie an und wurzelte in den christlichen Völkern
um so tiefer ein, als die weltlichen Gewalthaber nur zu gerne die
Schranken des göttlichen und menschlichen Rechtes durchbrachen und da-
durch au die Nothweudigkeit eines höhern Richters mahnten. Das geist-
liche Oberhaupt der Christenheit erschien durch seine Unabhängigkeit
von dynastischen sowie nationalen Interessen und Leidenschaften, durch
die heiligen Pflichten, die ihm seine hohe Würde auferlegten, eigentlich
zum Vermittler und Versöhner zwischen feindlichen Fürsten oder Völ-
kern , zum gemeinschaftlichen Friedensrichter und Hüter des Völker-
rechtes berufen, und kein Mensch bestritt damals auch nur von ferne
die Berechtigung des Nachfolgers des Apostels Petrus, für die unter-
drückte Unschuld einzuschreiten und zu dem gekrönten Frevler zu sprechen
wie Nathan zu David, wie Johannes der Täufer zu Herodes. Die
natürliche Folge dieser Stellung war, daß ein ächter Papst, der nicht
gewaltsam B. durch Faktionen in Rom und Italien) in seiner
Thätigkeit gehemmt wurde, um so energischer eingriff, je mehr durch
Despotismus oder Anarchie die gesetzliche Ordnung der christlichen
Staaten gebrochen war, und darum wurde der Papst gerade in solchen
Zeiten zu dem Mittelpunkte, d^ durch seine Macht es verhinderte, daß
die christliche Weltordnung nicht in Trümmer auseinander fiel. Ein
solches Einschreiten des Papstes war ein Verdienst um die Christenheit,
was die Völker dankbar anerkannten, und darum wuchs die Macht oder
das Ansehen des Papstes gegenüber der kaiserlichen bei jedem derartigen
Ereignisse.
Gerade als die Karolinger das Werk ihres großen Ahnen zer-
störten , vollendete oder befestigte vielmehr Papst Nikolaus I. die hier-
archische Ordnung im Abendlande und erwirkte für das oberste Richter-
amt des Papstes die allgemeine Anerkennung. Auf der einen Seite
leitete er die Bekehrung der Bulgaren mit apostolischer Weisheit, auf
der andern setzte er gegen den anfänglichen Widerspruch des Erzbischofs
Hinkmar von Rheims die Anerkennung des päpstlichen oberhirtlichen
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Extrahierte Personennamen: Apostels Petrus David David Johannes Nikolaus_I. Nikolaus_I. Hinkmar_von_Rheims
Otto römischer Kaiser.
127
Rechtes über die Bischöfe durch und schützte Bürger und Senatoren
von Ravenna gegen die Gewaltthätigkeiten des Erzbischofs. An ihn
wandte sich Dietberga, Lothars U. Gemahlin, als sie von diesem un-
schuldig verfolgt und angeklagt auf einem Reichstage von den geist-
lichen und weltlichen Großen geopfert wurde, als sie auch keinen Schutz
bei Kaiser Ludwig U. fand, und der Papst half mit dem Aufgebot
aller seiner Kraft dem verfolgten und verrathenen Königsweibe zu seinem
Rechte.
Das Papstthum errang sich auf diesem Wege bei den christlichen
Völkern des Mittelalters den Vorrang vor dem Kaiserthum, was man
bildlich so ausdrückte: Wie Gott zur Erleuchtung der Welt zwei große
Lichter geschaffen hat, die Sonne und den Mond, so hat er für die
Christenheit zwei Gewalten angeordnet, die päpstliche und die kaiser-
liche; wie aber der Mond von der Sonne sein Licht empfängt, so der
Kaiser seine Weihe von dem Papste. Oder: zwei Schwerter hat Gott
für die Welt bestellt, nämlich das geistige, das empfängt der Papst
von Christus, und das weltliche, das verleihet der Papst dem Kaiser zum
Schutze der Christenheit, zur Strafe des Frevels und zum Kampfe gegen
die Ungläubigen. Deßwegen gab es auch keinen gebornen Kaiser, son-
dern der Monarch, der Kaiser sein und von den christlichen Völkern als
solcher anerkannt sein wollte, mußte die Kaiserkrone von dem Papste
empfangen.
Die Gefahr eines Streites zwischen den beiden höchsten Würde-
trägern der Christenheit lag schon nahe genug als eine Folge der
Schwächen, die jedem Menschen anhaften; sie rückte aber um so näher,
seitdem die geistlichen Würdeträger durch den Besitz von Land und
Leuten fürstliche Lehenträger der Krone geworden waren, denn bei diesem
Doppelverhältnisse konnte der Papst, wenn er in Sachen der Metropoliten,
Bischöfe und Aebte richtete oder vermittelte, leicht in das Gebiet der
Kronrechte übergreifen. Andererseits war der Kaiser der Versuchung aus-
gesetzt, die geistlichen Würdeträger ganz wie die weltlichen zu behandeln
und die kirchlichen Rechte zu verletzen, ganz gewiß aber gerieth er mit
dem Papste in einen förmlichen Kampf, wenn er sich die unmittelbare
Oberherrschaft über Italien und Rom verschaffen, die Selbstständigkeit
der italienischen Staaten vernichten wollte; denn dadurch wäre der Papst
iu die Gewalt des Kaisers gekommen, wäre als kaiserlicher Papst oder
als Diener des Kaisers von den andern christlichen Nationen betrachtet
worden und hätte auf diese Weise mit seiner Unabhängigkeit und Ma-
jestät die eine Grundlage (die weltliche, von den Weltverhältnissen be-
dingte) seiner universalen Wirksamkeit verloren. Deßwegen sprachen sich
alle andern christlichen Nationen für den Papst und gegen die Kaiser aus,
welche die kaiserliche Oberherrlichkeit über Italien mit Gewalt in die
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Extrahierte Personennamen: Otto Dietberga Ludwig_U Ludwig Christus
Extrahierte Ortsnamen: Ravenna Italien Rom Italien
Heinrich V.
153
ftebíev, der aus Jerusalem zurückgekehrt war, betete die Bußpsalmen
dabei; erst nach fünf Jahren fand auch Heinrich Iv., der im Kirchenbann
Gestorbene, sein Begräbniß in Speyer, als Heinrich V. dem Papste be-
zeugte, sein Vater sei reumüthig verschieden.
Heinrich V. (1106-1125).
Fortsetzung des Kampfes in Deutschland und Italien (1110—1122).
Heinrich V. hatte die Feindschaft seines Vaters mit der Kirche als
Grund seiner Empörung angegeben und versprochen, den Papst als sei-
nen Vater, die Kirche als seine Mutter zu ehren. Um Worte kümmerte
er sich jedoch wenig und verfuhr gegen die Kirche nicht im geringsten
anders als Heinrich Iv.; er besetzte die geistlichen Aemter und ließ den
Papst protestieren und unterhandeln.
Im Jahre 11 Io zog er nach Italien und machte unterwegs einen
Vertrag mit dem Papste, kraft dessen die Geistlichkeit alle kaiserlichen
Lehen zurückgeben und dafür der Kaiser der Investitur entsagen sollte.
Als aber dieser Vertrag in der Peterskirche verkündet wurde, weigerten
sich die deutschen und italienischen Prälaten denselben anznerkennen,
nannten ihn eine Beraubung der Kirche, und es entstand ein furchtbarer
Tumult. Heinrich nahm hierauf den Papst und seine Geistlichen als
Friedensbrecher gefangen (12. Februar 1111), zwang ihn, dem Kaiser
die Investitur einzuräumen, und ließ ihn außerdem schwören, ihn nie zu
bannen. Allein schon 1112 erklärte eine Synode im Lateran den Vertrag
für erzwungen und ungiltig, der Papst selbst verbot wieder die Investitur,
und als eine Kirchenversammlung zu Vienne über den Kaiser den Bann
ausgesprochen hatte, bestätigte der Papst denselben.
In Deutschland ging es dem Kaiser nicht besser als seinem Vater;
als der letzte Graf von Orlamünde gestorben war, zog der Kaiser dessen
Güter als Reichslehen an sich, während es deutsche Fürsten genug gab,
welche die Erben sein wollten. Die meisten Fürsten verbanden sich gegen
ihn, an ihrer Spitze Lothar, den Heinrich aus einem Grafen von Sup-
linburg zum Sachsenherzog gemacht hatte. Am 11. Februar 1115 kam
es bei dem Welfesholze zur Schlacht und der Kaiser verlor sie. In
Deutschland hielten die beiden Hohenstaufen Friedrich und Konrad, ersterer
des Kaisers Reffe, Herzog von Schwaben, letzterer von diesem zum Her-
zoge von Franken (Ostfranken) erhoben, die Partei des Kaisers aufrecht,
während dieser selbst nach Italien zog, um das Erbe der Markgräfin
Mathilde zu gewinnen. Sie hatte in ihrem Testamente den Papst zum
Erben eingesetzt; da sie aber die Reichslehen nicht vererben konnte, so
verlangte Heinrich von dem Papste, daß er beweise, was eigenes Gut
der Mathilde gewesen sei, dieser schob dem Kaiser aber den Beweis zu,
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Extrahierte Personennamen: Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_V. Heinrich_Iv. Heinrich_Iv. Heinrich Heinrich Lothar Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Konrad Konrad Mathilde Heinrich_von_dem_Papste Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Jerusalem Speyer Deutschland Italien Italien Deutschland Deutschland Schwaben Italien
190 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
keinen Augenblick diesen Beschluß zu genehmigen, und auch Kaiser
Friedrich, dem er nach Italien überschickt wurde, gab die kaiserliche Be-
stätigung, denn gleichzeitig versuchte er es in Italien durch ähnliche
Gesetze die Städte ihrer Freiheiten zu berauben und den Adel ganz auf
seine Seite zu bringen. Er war so wenig wie sein Großvater ein
Gönner der städtischen Freiheiten, weil seine despotische Natur, welche
durch den saracenischen Einfluß nicht gemildert werden konnte, wider-
strebte; hätte er aber auch den Herren vielleicht nicht gutwillig den Ge-
fallen gethan, so mußte er es, denn Heinrich schickte sich an in Ver-
bindung mit den Lombarden und mehreren deutschen Fürsten gegen den
Vater zu rebellieren. Dieser Junge wollte unabhängig von seinem Vater
König in Deutschland sein, während die deutschen Fürsten in Worms
neben dem Beschlüsse gegen die Städte sich auch verabredet hatten, wie
die königliche Gewalt auf nichts zurückgeführt werden könnte.
Der entartete König Heinrich. Mainzer Reichstag (1235).
Allein dies gelang noch nicht; als Friedrich über die Alpen kam,
so fand er noch immer so viel Unterstützung, daß er alle Pläne und
Ränke für einmal unterdrückte (1235). Er begnadigte Heinrich, und
als derselbe trotzdem feindselig blieb, ließ er ihn gefangen setzen
und zuletzt nach Sicilien bringen, wo er 1242 im Gefängniß starb.
Seine Söhne folgten ihm schnell in das Grab, die Wittwe, Mar-
garetha von Oesterreich, vermachte ihre königliche Krone zu wohlthätigen
Stiftungen; der unglücklichen Frau wartete aber ein noch traurigeres
Schicksal.
Im Jahre 1235 erließ Friedrich auf dem Reichstage von Mainz
den 5. August ein Gesetz: „welcher Sohn seinen Vater von seinem
Eigen und Erbe oder von seinem Gut verstoßt oder (wider ihn) brennet
oder raubet oder zu seinen Feinden schwört mit Eiden, daß es auf seines
Vaters Ehre geht oder auf sein Verderben — bezeuget es sein Vater
zu den Heiligen vor dem Richter mit zwei sendbaren Mannen, der Sohn
soll verlustig sein Eigens und Lehens und fahrenden Gutes." Solche
Gesetze brauchte damals Deutschland! Im gleichen Jahre heirathete
Friedrich Isabellen von England, erhob den Welfen Otto zum Herzog
von Braunschweig und Lüneburg, entfremdete sich aber dadurch die
Wittelsbacher, welche bereits die Rheinpfalz geerbt hatten und Nieder-
sachsen beanspruchten. Zu Mainz verkündete er auch einen zehnjährigen
Landfrieden und eine Reihe von Verordnungen, welche jedem seine her-
kömmlichen Rechte und Freiheiten wahren sollten. Dieses ging im
Grunde bloß gegen die Städte, denen dadurch Bündnisse, Aufnahme
von Landbewohnern in ihr Bürgerrecht und die Ausübung der Gerichts-
barkeit verboten wurden, die ein kaiserlicher Vogt erhielt. In späteren
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Italien Deutschland Worms Sicilien Oesterreich Mainz Deutschland England Braunschweig Lüneburg Rheinpfalz Nieder- Mainz
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Das heilige römische Reich deutscher Nation.
Krieg gegen die lombardischen Städte (1155).
Weit schwerer als die republikanisierenden Römer waren die freien
Städte der Lombardei zu bezwingen, über die Friedrich als Nachfolger
Karls des Großen die Oberherrschaft ansprach. Diese waren seit Hein-
rich Iii. gewohnt sich selbst zu regieren, weil keiner der nachfolgenden
Kaiser im Stande gewesen war, eine feste Herrschaft über sie geltend
zu machen, und um die kaiserlichen Titel kümmerten sich die Städte
wenig. Sie waren reich durch Gewerbe und Handel, namentlich machten
die Lombarden fast alle Geldgeschäfte; hierin hatten sie nur die Juden
zu Nebenbuhlern; da diese aber oft verfolgt und ausgeplündert wurden,
behaupteten die Lombarden das Uebergewicht.
Der lombardische Adel wohnte in den Städten, freiwillig oder ge-
zwungen, und begleitete in der Regel die wichtigsten Aemter. Besonders
hatten die Lombarden die Gelegenheit benutzt, welche ihnen strittige Bi-
schofswahlen darboten; mancher Bischof schenkte ihnen von seinen Ho-
heitsrechten, damit sie ihn anerkannten, andere verkauften ihnen dieselben,
so daß die Städte in der That Republiken waren. Unter ihnen waren
Genua, Venedig und Pisa stark als Seemächte und reich durch Handel,
der sich besonders durch die Kreuzzüge rasch zu großer Ausdehnung ent-
faltete. Unter den Städten des Binnenlandes war Mailand die mäch-
tigste; aber auch Pavia, Tortona, Kremona, Krema, Bologna, Verona,
Vicenza, Komo, Lodi, Treviso, Brescia, Bergamo, Padua und andere
waren reich und von einer zahlreichen und streitbaren Bürgerschaft be-
wohnt. Wären diese Städte einig gewesen, so hätten sie in jener Zeit,
wo starke Mauern fast unüberwindlich machten, der ganzen Welt Trotz
bieten können; allein sie haderten unaufhörlich mit einander. Pavia,
als die alte longobardische Königsstadt, wetteiferte mit dem stärkeren und
reicheren Mailand um den Vorrang, und dieses behandelte die kleineren
Städte, welche sich nicht unterordnen wollten, mit grausamem Ueber-
muthe. Die Bürger von Lodi baten den Kaiser um Schutz gegen Mai-
land, und dieser schickte den Mailändern ein Schreiben, in welchem er
zu ihnen als Kaiser und Herr sprach. Sie aber verspotteten das kai-
serliche Siegel, beschimpften die Boten und zerstörten das wehrlose Lodi.
Auf seinem Römerzuge konnte der Rothbart nicht Rache nehmen, weil
sein Heer zu klein war, doch verheerte er Mailands Gebiet bis vor die
Thore der Stadt, erstürmte einige Kastelle und strafte die Lombarden
für ihre Tücke, mit der sie ihm überall Nachstellungen bereiteten.
Friedrich erwirbt Burgund (1156). Er züchtigt Polen (1157).
Nach seiner Rückkehr von dem Römerzuge ehelichte Friedrich Bea-
trix, die Erbtochter des Grafen Naynald von Burgund, und vermehrte
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