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1. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 339

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
155. Thierwanderungen. 339 saniere Reisen machen verschiedene Nager. Nur flüchtig zu gedenken des Eichhorns, das mitunter Wald mit Wald vertauscht und der Feldmäuse, die sich sogar durch größere Flüsse nicht am Weiter- ziehen hindern lassen, wie man denn weiß, daß sie selbst den Main und Rhein durchschwammen, müssen wir die Wurzelmaus, oder wie sie von ihrer Heimat heißt, die Kamtschatka-Ratte besonders hervorheben. Im Frühjahre verlassen Legionen dieser Thiere Kamt- schatka und ziehen in westlicher Richtung hunderte von Meilen landseinwärts den Ufern des Octrals und Jdoma zu, wo sie gegen Mitte August ankommen. Ihre Anzahl ist so ungeheuer, daß der Vorüber- zug einer einzigen Colonne oft mehrere Stunden währt. Im Oktober kehren die stark gelichteten Schaaren nach Kamt- schatka zurück und diese Rückkehr ist ein Freudenfest für das Land, weil eine Menge von Raubthieren die Züge be- gleitet, deren kostbares Pelzwerk eine willkommene Beute für die Bewohner dieser winterlich unfruchtbaren Gegenden ist. Minder regelmäßig, aber eben so merkwürdig sind die Wanderungen des Lemmings, der auf Schwedens und Norwegens Gebirgen in so großer An- zahl lebt, daß man auf dem Sewoge- birge oft ein Schlupfloch neben dem andern sieht. Zu Zeiten steigen diese gefräßigen Geschöpfe von den Küsten des Eismeeres nach den Thälern Lapp- lands herab, rücken in gedrängten Massen vorwärts und befolgen dabei immer eine gerade Linie, welche kein Hinderniß zu unterbrechen vermag. Berge und Felsen werden überstiegen, Flüsse durchschwom- men. So geht der Zug, hauptsächlich zur Nachtzeit unaufhaltsam weiter, eine Geißel des Landes, ein Schrecken für seine Bewohner. Denn ob auch Tausende und aber Tausende unterwegs zu Grunde gehen, ihre Zahl bleibt noch so erstaunens- würdig groß, daß sie alle und jede Vege- tation zerstören, das Gras nicht nur bis auf die Wurzel abbeißen, sondern auch noch den Boden aufwühlen und die darin befindlichen Samenkörner hervor- suchen. — Glücklicher Weise findet ein sol- cher Lemmingseinfall in derselben Gegend alle zehn Jahre höchstens einmal statt. Das Renthier, dieser höchste Schatz des Nordländers, verläßt in Heerden von vielen Tausenden gegen Ende Mai die Wälder Sibiriens, um sich gegen die Insekten, namentlich gegen die Renthierbremse zu schützen und an den Polarmeeren Nahrung zu suchen und kehrt erst im Herbste wieder zurück. Auffallender erscheinen die Wan- derungen mehrerer Arten der Antilo- pen. Diese sind bekanntlich Bewohner der Ebenen und baumlosen Flächen der Tro- penländer. Europa besitzt nur eine Art, die Steppen- oder Saiga-Antilope, die heerdenweise Polens Ebenen bevölkert, Winters aber südwärts zieht. Afrika allein zählt über 60 Arten, von denen der Springbock am interessan- testen sein dürfte. In Heerden von 20 bis 25,000 Stück lebt er in Südafrika, und es ist ein eignes Schauspiel, diese Thiere jagen zu sehen, weil da beständig mehrere 4 bis 6 Fuß hoch über einander weg springen. In dürren Jahren fallen die Springböcke verwüstend in die Saat- felder der Cap-Colonie ein. Doch müssen sie den angerichteten Schaden mit ihrem eignen vorzüglichen Fleische wenigstens theilweise Zahlen. Sie werden nämlich bei diesen Einfällen in Masse erlegt. — Selbst das Geschlecht der Robben und Wale hat seine Wanderer aufzu- weisen. Heerden von Seehunden lagern auf den im März und April vom Nord- pol herabtreibenden Eisfeldern und lassen sich so wärmeren Meeresstrecken zutreiben. Das Walroß benutzt dieselben Fahr- zeuge, doch zu kürzeren Stationen. Der beutegierige Delphin folgt den Zügen der Fische, durchkreuzt alle Meere und steigt selbst die Flußmündungen hinauf. Gleich verwegen ist der P o t t f i s ch (Cachelot), der von der Baffinsbai und Davisstraße aus bis in's atlantische Meer und selbst in das Mittelmeer hin- streicht. Ii. Aus dem Letztgesagten haben wir schon ersehen, daß die Wanderungen der Thiere nicht nur auf dem Festlande, sondern auch im flüssigen Elemente vor- - kommen; ja hier sind sie noch leichter auszuführen, weil sich den Zügen weniger 22*

2. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 202

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
202 Iii. Geschichtsbilder. Bräucheverlangte, und jenenheiligengeist nicht kannte, der in alle Wahrheit leitet. Wenn es also gewiß ist, daß die Deutschen nach Roms Falle so hoch stan- den, wie kein anderes Volk; und wenn es nicht minder gewiß ist, daß die all- gemeine Geschichte den Höhen der Bildung folgen darf, so leidet es keinen Zweifel: deutsches Leben und deutsche Art ist der nächste Gegenstand der Geschichte und in ihm ist das Fortschreiten der Mensch- heit zu suchen. So lange Rom herrscht, ist das Alterthum; das Mittelalter ist, wo deutsches Leben und deutsche Art hervortritt oder nachgewiesen werden kann. In allen Ländern und bei allen Völkern Europas ist deutsche Bildung unverkennbar, und wiederum haben alle Völker in allen Ländern Europas auf die Entwickelung deutscher Bildung, sei es im eigentlichen Deutschland, sei es in andern Ländern, manchfaltigen Ein- fluß gehabt. Von dem Augenblicke an, da die Deutschen in die Geschichte ein- traten, bis auf diesen Tag ist die Ent- wickelung ihres Lebens, zwar nicht im- mer mit gleicher Raschheit, aber unun- terbrechen fortgegangen, und was ihnen zu erreichen bestimmt sein mag, kann Keiner voraussagen. 94. Das alte Germanien und seine Bewohner. I. Als die Römer den Rhein über- schritten und auf beschwerlichen Märschen durch Sümpfe und Wälder manches Un- gemach erduldet hatten, erregte es ihre Verwunderung, daß unter einem so har- ten Himmel Menschen zu leben ver- möchten, und daß dieselben einen so wenig ergiebigen Boden gegen ein ge- bildetes Volk zu vertheidigen suchten. Das schien nur möglich, wenn diese Menschen mit diesem Theile der Erde zusammengewachsen und hier von jeher heimisch gewesen waren. „Wer würde Asien oder Afrika oder gar Italien ver- lassen," rufitacitus aus, „um Germanien aufzusuchen, wenn es nicht das Vater- land wäre?" Wie hätten aber die ger- manischen Völker diesen Boden nicht behaupten sollen, mit dessen Verlust sie Freiheit und Unabhängigkeit, Art und Sitte der Väter, ihre Sprache, ihren Glauben verlieren mußten? Der Römer freilich schauderte, wenn er mit dem Gedanken an den wolken- losen Himmel Italiens, wo der Früh- ling mit dem milden Herbste wechselt, ein Land betrat, wo kein Rebengelände den Hügel bekränzte und kein Oelbaum grünte; wo kein Weizenfeld und keine Südfrucht gedieh; wo unter dem Druck der eisigen Luft alle Lebenskraft zu er- starren schien. Entsetzliches Land, dessen Ströme, vom Regen geschwellt, ver- heerend überfließen, oder kalt und träge dahin schleichen; wo Fluß und See sich mit einer harten Eisrinde bedecken, so daß, wer Wasser bedarf, nicht mit dem Eimer, sondern mit der Axt bewaffnet ausgeht, und es in schwerfälligen Klum- pen, wie Holz nach Hause trägt! Wenige Wochen nur zählt der Sommer, und auch dann fehlt es an heftigen Regen- güssen nicht; frühzeitig bricht der Herbst mit Stürmen und Fluthen herein, und schon zur Zeit der Tag- und Nacht- gleiche sind Gebirge und Ebenen von Schnee bedeckt. Wehe dem Wanderer, den diese Stürme in der Tiefe der Wälder treffen! Zu Cäsars Zeiten hatte noch Nie- mand jenes furchtbare Waldgebirge er- forscht, welches unfern der Alpen be- gann, auf dem linken Ufer der Donau sich nach Osten zog und dann in die unabsehbaren Fernen des Nordens ver- lor. Sechszig Tage, hieß es, könne man reisen, ohne das Ende zu erreichen; neun Tage seien nöthig, um es in der Breite zu durchmessen. Da gab es neben Tannen, Kiefern, Eiben und Buchen gewaltige Eichen, ungezählte Jahrhunderte alt, deren knorrige Wur- zeln den weichen Boden unterhöhlten und zum Hügel emporhoben. Nicht selten durchbrachen sie ihn, stiegen bogen- förmig bis zu den herabhängenden Zwei- gen empor, und verwuchsen mit ihnen

3. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 311

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
144. Dìe Schlacht von Waterloo. 311 Württemberger und das sächsische Armee- korps die Reihen der Franzosen ver- lassen, letztere längst grollend wegen alles Elendes, das die Franzosen über Sachsen gebracht hatten, und ergriffen von Begeisterung für die deutsche Sache. Kanonenschüsse in ihre Reihen waren der Scheidegruß; aber auch die sächsische Artillerie wendet ihr Geschütz und sen- det tausendfach den Tod in jene Schaa- ren, mit denen sie soeben noch gestritten. Dies hemmt den Laus der feindlichen Armee, Verwirrung bricht herein, sie müssen weichen, und verlassen am andern Morgen selbst Stötteritz und Probsthaida. Es war um 8 Uhr Abends, da ritt der Feldmarschall Fürst Schwarzenberg nach der Höhe von Meusdorf, von wo aus die verbündeten Fürsten dem Ge- tümmel der Schlacht zugesehen hatten, und verkündigte den vollständigen Sieg. Da stiegen sie von ihren Rossen, ent- blößten die Häupter und sandten fromme Blicke zum Himmel empor. Napoleon aber ging nach Leipzig und diktirte in der Nacht die Anordnungen für — den Rückzug! Nachts, schon nach Aufgang des Mondes, ward er angetreten. Lange Heereszüge, die Garden voran, bewegten sich auf der Straße über Lindenau nach Lützen und Weißenfels zu. Schon hatte der Kampf wieder begonnen, da bestieg Napoleon sein Schlachtpferd, nahm Ab- schied von dem Könige von Sachsen, Friedrich August, und begab sich nach dem Ranstädter Thore, das zu passiren ihm endlich nach vielen Mühen durch ein Seitengäßchen aus gelang. Furcht- bar war hier das Gewühl! Da zog Fußvolk und Reiterei in der engen Straße, Geschütz und Pulverwagen, Gesunde, Verwundete und Sterbende, Wagen mit Frauen und Kindern, Mar- ketender und Viehheerden, Alles im wil- desten Getümmel, in endloser Rast, mit 144. Die Schla Am 1. Màrz 1815 war der gesturzte Kaiser Napoleon I. von der Jnsel Elba, seinem Verbannungsorte, aus an der Kuste von Frankreich gelandet, am Drängen, Stoßen und Geschrei bunt durcheinander. Jeder Aufenthalt auf der engen Straße bringt Stocken in den ganzen Knäuel; wer zu Falle kommt ist verloren! Umgestürzte Kanonen, verlassenes Fuhrwerk aller Art, Pulverwagen und Gepäck, Alles hindert den Zug. Von der andern Seite drängen, stürmen, schießen die Verbündeten, und noch sind mehr als 20,000 Franzosen in der Stadt! Da ertönt — es ist Mittags zwölf Uhr — ein dumpfer Knall! Ein Schrei des bangsten Entsetzens durchzieht die Reihen der Franzosen, die steinerne Elsterbrücke, die einzige Rettung ver- sprechende, ist durch Uebereilung eines Feuerwerkers zu frühzeitig gesprengt! Der Elsterfluß mit tiefem Bette und hohem Ufer wehrt den Rückzug. Man stürzt sich in die kalten Fluthen, sie zu durchschwimmen, Tausende — un- ter ihnen auch der Polenheld Ponia- towsky — ertrinken und Menschen und Pferde erheben sich in grauenvollen Gruppen über dem blutgefärbtem Ge- wässer. 15,000 müssen sich als Kriegs- gefangene ergeben. Durch die Grimmaische Straße aber bewegt sich eine Stunde später ein ein- facher Zug, Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm von Preußen sind's, umgeben von den ruhmumstrahlten Hel- den der blutigen Tage, Schwarzenberg und Blücher, dem greisen, unermüdeten Krieger! — Deutschland jubelt über den Sieg bei Leipzig. Das Joch der Fremdherrschaft war abgeworfen und Deutschlands Stämme waren wieder, wie einst am großen Tage Hermanns, eins gewesen bei einer großen Sache. Mit Ruhm wird man noch in den fern- sten Zeiten der Tage von Leipzig ge- denken. Die Wiedergeburt Deutschlands, ja Europa's, beginnt mit den Tagen der Leipziger Völkerschlacht. t*von Waterloo. 20. hatte er unter dem Jauchzen des Volkes seinen Einzug in Paris gehalten, um den Thron von Frankreich wieder einzunehmen, den einige Tage zuvor

4. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 321

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
Biographieeit 148. Joseph Haydn. Nohrau, ein Dorf an der öster- reichischen Grenze gegen Ungarn, ist der Geburtsort Haydns, der am 11. April 1732 das Licht der Welt erblickte. Sein Vater, ein armer Wagner, hatte auf der Wanderschaft die Harfe spielen gelernt, und pflegte, wenn der Sonntag kam, zu derselben zu greifen und seine Lieder abzuspielen, und Haydns Mutter sang dazu. Noch im höchsten Alter wußte Haydn alle diese Lieder auswendig. — Als fünfjähriges Kind setzte er sich neben die Eltern, nahm ein Stück Holz in die rechte Hand und schabte damit auf dem linken Arme auf und ab, als ob er geige. Der Vater wünschte seinen Sohn dem geistlichen Stande zu widmen, und da er sich in ziemlich dürftiger Lage be- fand, war ihm der Antrag eines Ver- wandten, des Schulrektors zu Haimburg, den sechsjährigen Knaben zu sich zu nehmen und zu unterrichten, äußerst willkommen. Bei diesem mußte er nicht nur Latein betreiben, sondern auch um auf dem Kirchenchore vielseitig verwendet werden zu können, mehrere Instrumente erlernen. „Ich verdanke es dem Schullehrer noch im Grabe," sagte Haydn oft im späteren Alter, „daß er mich so vielerlei anfangen ließ; obwohl ich von ihm mehr Prügel als Brod erhielt." Zu Haim- burg entdeckte der Kapellmeister Reuter am St. Stephansdom in Wien die seltene musikalische Begabung des Knaben, na- mentlich dessen reine klare Sopranstimme und nahm ihn für den Dienst eines Chorknaben mit sich in die Kaiserstadt. Hier wurde er von tüchtigen Lehrern im Singen, in verschiedenen Instru- menten und in der Theorie der Musik unterrichtet. Er hörte auch gute Musiken und seine eigene Phantasie war schon damals so beschäftigt, daß er sich an acht- und sechzehnstimmige Compositionen Marschall, Lrsebuch. wagte. Er war hier zwar vor Mangel geschützt, seine Lage war aber nichts weniger als glänzend. Dennoch war es ein harter Schlag für ihn, als er im sechzehnten Jahre, da seine Stimme gebrochen war, seine Entlassung erhielt. Nun begann „des Künstlers Erden- wallen". Er mußte sich eine lange Reihe von Jahren hindurch höchst kümmerlich durchbringen; er gab Lektionen und spielte in den Orchestern mit. Seine Wohnung war im sechsten Stock zunächst den Sternen. Die Dachkammer hatte weder Ofen noch Fenster, und sein einziges Glück bestand in einem alten, von Würmern durch- fressenen Clavierchen. Später wurde er für jährliche 60 Gulden Chorschüler bei den barmherzigen Brüdern in der Leo- poldvorstadt, wo er an Sonn- und Feier- tagen um acht Uhr Morgens in der Kirche sein mußte. Um 10 Uhr spielte er in der gräflich Haugewitz'schen Kapelle die Orgel, und um 11 Uhr sang er in der Stephanskirche für 17 Kreuzer. Nach Italien kam Haydn nie, sprach jedoch das Italienische ziemlich fertig. Um von dem italienischen Tonkünstler Por- pora zu lernen, bediente er denselben eine lange Zeit hindurch fast wie ein gemeiner Aufwärter und gestand später gern, daß er ihm Vieles zu danken habe. Porpora gab einer Dame Unterricht im Singen, Haydn spielte dabei die Be- gleitung und ließ sich von dem alten Maestro seine Compositionen verbessern. So bildete sich ein Mann, dessen Töne in allen Orchestern der Welt wieder- hallen, und der ein halbes Jahrhundert hindurch mit wachsendem Ruhme in seiner Kunst gearbeitet hat. Im Jahre 1761 er- hielt Haydn die Stelle eines Direktors bei der Kapelle des Fürsten Esterhazi. Dieser aber beschloß, sei es aus Laune, sei es aus ökonomischer Nothwendigkeit, nicht nur seine Schauspieler und Sänger, 21

5. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 335

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
154. Das Nachtleben in der Natur. 335 chen auf und wenden ihre obern Flächen gegen einander; andere Kleearten schla- gen ihre Spitzen gegen einander, wieder andere kehren diese abwärts um. Merkwürdig ist, daß auch das Alter der Blätter einen Einfluß auf leisern oder tiefern, kürzern oder längern Schlaf ausübt. Je jünger die Blätter, desto mehr sind sie dem Schlafe und der Ver- änderung unterworfen, je älter, desto weniger. Weiter ist der. Schlaf auch bedingt durch die Natur der Pflanze, durch ihre zartere oder festere Substanz. Die meisten immergrünen und leder- artigen Blätter zeigen selbst in ihrer Jugend kaum eine Spur von Schlaf. Doch auch im Schlafe hört das Le- den der Pflanze nicht auf. Die Feuch- tigkeit, welche die Wurzel einsangt, steigt auch in der Nacht hinauf zu den Blät- tern und diese geben eben so gewisse Stoffe an die Luft ab, wie sie aus die- ser wieder andere in sich aufnehmen. Allein es ist ein großer Unterschied in diesem Stoffaustausch zwischen Tag und Nacht. Die Luft, welche die Pflanze bei Tage aushaucht, ist besonders reich an Sauerstoff, indeß Nachts vorzugs- weise Kohlensäure entweicht. Der Ver- lust von Kohlenstoff bei der nächtlichen Ausscheidung hat bei mehreren Pflan- zen zur Folge, daß der Sauerstoff vor- waltet und sich sogar dem Geschmacke bemerkbar macht. So will man bemerkt haben, daß die Blätter mancher Fett- pflanzen früh Morgens einen entschieden sauren Geschmack besitzen, den ihnen der Sonnenschein allmählich wieder benimmt, indem er die Pflanze ihres Sauerstoffes wieder mehr entbindet. Ii. Wie das Thier in seinem Leben überhaupt freier, selbstständiger ist, als die an die Scholle gebundene Pflanze, so behauptet es auch gegenüber dem Einflüsse der Sonne eine größere Un- abhängigkeit. Dennoch ist auch es den Gesetzen der Natur unterworfen. Ein solches zwingendes Gesetz ist das des Schlafes, und zwar ist die allgemeine Regel, daß, wie die Zeit des Wachens dem Tage, so die Zeit des Schlafes der Nacht zufällt. Aber gleichwie wir bei den Pflanzen Nachtblüthen gesunden ha- den, so begegnen wir in der Thierwelt einer ansehnlichen Gruppe, die der Ruhe und dem Schlafe entweichen, welche die Nacht über das laute Leben und Trei- den des Tages hingebettet. Zum Theile sind es Diebs- und Raubgelüste, welche diese Nachtwandler ihren einsamen dunk- len Weg schleichen lassen nach dem frem- den Neste, wo ihr Opfer arglos dem allgemeinen Frieden vertraut. Bei an- deren ist es Furchtsamkeit vor mächti- geren Verfolgern, die sie am Tage in sicherem Verstecke fest hält und erst Nachts, geschützt vom Schleier der Dun- kelheit, in's Freie wandeln läßt. Wäh- rend der Umwandlung des Tages in die Nacht sind die heitern Sänger nach und nach verstummt, und selbst die muntersten der Vögel bergen sich in ihren Nestern. Die Heerden sind heim- gekehrt in die sichern Ställe oder gela- gert in schützenden Hürden. Die mei- sten Thiere haben ihr Lager ausgesucht. Dagegen beginnt sich's zu regen und zu bewegen im heimlichen Gebüsch, im Röh- richt, auf dem Saatfeld und zwischen den Schollen, über die unser Fuß wan- delt. Da, dort kriecht's ans der Ver- borgenheit der Erde hervor, huscht's vorüber, fliegt's durch die Nachtlust stumm, oder mit einem kurzen Schrei, mit einem eintönigen Rufe. Es ist das Gethier der Nacht, dessen Stunde nun gekommen und das sich aufmacht, sich seines Daseins zu freuen. Eine Anzahl von Thieren schwärmt nur in der Däm- merung umher, als Vorläufer der eigent- lichen Nachtthiere. Am bekanntesten ist von diesen Thieren die Fledermaus, die, wie sie weder dem Tage, noch der Nacht angehört, so auch zwitterhaft zwischen den Vierfüßlern und Vögeln, zwischen Himmel und Erde steht. Gespenstigen Fluges flattert dieses merkwürdige Thier im Zwielichte seiner Beute nach, den Mücken und Schmetterlingen und Kä- fern, die gleich ihm, auf die Dämmerung angewiesen sind. Ohne sich bei der kurzen Dauer ihrer Regsamkeit immer die Zeit zum Verzehren der Beute zu gönnen, sammelt die Fledermaus diese oft nur ein und hält ihre Mahl- zeit erst in ihrem sichern Schlupfwinkel,

6. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 340

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
340 Iv. Naturbilder. Hindernisse entgegen stellen. Zur Laich- zeit gehen ungemessene Schaaren von Meerbewohnern an bestimmte Küsten oder in die Flüsse, um da ihre Eier abzusetzen. Der Fischer kennt diese Wanderzeiten gar wohl und weiß sie zu seinem Vortheile zu benützen. Dreimal im Jahre steigen ungeheure Schwärme von Häringen aus der Meerestiefe auf und füllen fast plötzlich die Busen und Fjorde des nörd- lichen Europa. Der Hauptandrang findet im Februar statt. An der Westküste Skan- dinaviens warten um diese Zeit wenigstens 2000 Boote mit 12,000 Fischern auf die Ankunft der Häringe. Ende Januar schon begiebt man sich auf die Inseln hinaus, bereitet Alles zum Empfange und harret mit Ungeduld der Härings- schwärme, denen man täglich in's Meer hinaus entgegen fährt, um den silber- blauen Schein zu entdecken, welcher das Nahen der Beute anzeigt. — Anfangs März senken sich die Schaaren mehr und mehr in die Tiefen und gegen Ende des Monats verschwinden sie ge- wöhnlich ganz, um zu bestimmten Zeiten wieder zu erscheinen. In ähnlicher Weise kommen auch die Sardellen im mittel- ländischen Meere und an den nördlichen Küsten Spaniens, Frankreichs und Hol- lands in unsäglicher Menge aus der Tiefe an das Gestade, um dort zu laichen. Ebenso macht es der in der Nordsee und rings um England wohnende Schellfisch. Im Februar, zur Laich- zeit, kommt er an's Ufer und wird dann mit der Grundschnur und Angel gefangen. Viel ausgedehntere Wanderungen stellt der Lachs (Salm) an. Wie die vorigen Bewohner der nördlichen Meere, geht er mit beginnendem Frühlinge in die Flüsse, aus diesen wieder in die Nebenflüsse und selbst in die Bäche, dort seine Eier abzusetzen. So streicht er rheinanfwärts bis in die Schweiz und elbaufwärts bis Böhmen. Beson- ders häufig besucht er die Gewässer Britanniens und Norwegens. Im Tweed werden jährlich an 200,000 Stück ge- fangen. Noch häufiger findet man ihn in Nordamerikas westlichen Flüssen, be- sonders im Columbia mit seinen Neben- flüssen, deren einer von ihnen seinen Namen, Lachsfluß, erhalten hat. Am besten kann man die Wanderun- gen der Fische in den russischen Strömen beobachten. Versetzen wir uns einmal an die Ufer des Ural. Im Februar, sobald das Eis aufgeht, zieht aus dem kaspischen Meere zuerst 14 Tage lang der Hausen aufwärts, dem später einen Monat lang die Schaar der Sewrugen folgt. Mitte April stellt sich dann der Stör mit dem Sterlet und Wels ein, welche Fische den größten Theil des Jahres hier verweilen und erst mit dem September wieder verschwinden, um dem auf's Neue kommenden Hausen Platz zu machen. Die Fische folgen sich nun in ähnlicher Ordnung und der Fischer hat das ganze Jahr reiche Ausbeute. Der Stör zeigt sich auch in den Flüssen Englands, Skandinaviens und Deutsch- lands. In der Donau steigt er bis Ulm, im Rhein bis Basel. Iii. Die Klasse der Insekten hat gleich- falls merkwürdige Wanderthiere. Der kürzern Züge der Libellen, Blatt- läuse u. A. nicht zu gedenken, sind es besonders Ameisen, Raupen und Heuschrecken, denen die Reiselust inne wohnt. Unsere einheimische Ameise ist eben gerade keine Freundin vom Wan- dern, denn daß hie und da eine Colonie ihren Wohnplatz verläßt und sich einen andern aufsucht, will nicht viel heißen. Aber mit der amerikanischen Zug- ameise ist's schon etwas anderes. Diese erscheint zu gewissen Zeiten in großen Schaaren, dringt in die Häuser, durch- stöbert alle Winkel und Ritzen und ver- treibt selbst die Bewohner. Man wird ihr aber trotz dieses frechen Benehmens nicht böse, da sie auf Mosquitos, Wanzen und andere Quälgeister Jagd macht und das Haus, wenigstens auf eine Zeit, gänzlich von ihnen befreit. Von den Zügen der Prozessions- raupen wissen die Forstleute zu er- zählen, da dieselben in den Wäldern oft große Verwüstungen anrichten. Ja, sie sind selbst dem Menschen gefährlich. Kommt man ihnen mit einem entblöß-

7. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 142

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
142 Ii. Bilder aus der Länder-- und Völkerkunde. Wandern wir nun, nachdem wir uns auch in Marseille selbst, sowohl in der Alt- als in der Neustadt umgesehen haben, hinauf zu jenen herrlichen Villen oder Landhäusern, Bastiden genannt, welche die Gegend umher beleben und ihr einen ganz eigenthümlichen Reiz ge- währen. Hier bringen alle Einwohner von Marseille, reiche und minder wohl- habende, den Sommer auf dem Lande zu. Die Menge dieser Villen ist außer- ordentlich groß. Ihre Zahl wird auf 10,000 angegeben. Es sind große und kleine, blendend weiße Häuser, die von allen Höhen, in allen Thälern, zwischen Felsen und Klüften, von der höchsten Spitze bis hinab an das Gestade des Meeres hervorschimmern. Doch darf man auch bei den bedeutendsten derselben nicht an die schönen Landhäuser bei Ham- burg, Amsterdam und andern großen deutschen und holländischen Städten den- ken, noch weniger an England, wo die Neichen nur auf dem Lande in ihren stolzen Villen Raum finden, ihre Pracht zu zeigen. Im Süden ist das ganz an- ders; da braucht man im Sommer nur frische Seeluft, kühlen Schatten und höchstens eine Quelle; die Wohnung ist das Letzte, woran man denkt, denn man bedarf ihrer nur zum Schlafen und zum Schutz gegen den sengenden Mittags- strahl, nicht gegen Nässe und Kälte, die im Norden auch mitten im Sommer ein bequemes schönes Haus unentbehrlich machen. Der größte Theil der Bastiden ist daher sehr klein und enthält höchstens eine Küche und ein paar Wohnzimmer. Doch hat jede Bastide einen eigenen Garten, der aber nie von bedeutendem Umfange ist. Einige auf Anhöhen er- baute Bastiden gewähren eine ausge- breitete herrliche Aussicht auf Land und Meer, bei vielen scheint man einzig auf diesen Genuß bedacht gewesen zu sein, da man sie auf steilen, unwirthbaren Felsen errichtete. Andere in Thälern erbaute erfreuen sich des Schattens der Felsen in dieser von schattigen Bäumen entblößten Gegend, wo nur Oelbäume, Reben, Maulbeerbäume gedeihen, die wenig Schatten geben; denn die Buchen, die Eichen, die weithin schattenden Lin- den unseres Vaterlandes kommen hier nicht fort, weil der sengende Mittags- strahl sie schon im Keime zu Staub brennen würde; denn hier ist die Sonne ganz anders als bei uns. Hoch steht sie am dunkelblauen Himmel, und kein Nebel, kein Wölkchen hält ihren fast senkrecht herabblitzenden Strahl zurück. Im Sommer regnet es fast nie, und alle Vegetation erliegt der glühenden Hitze, bis der Abendthau sie wieder einigermaßen erfrischt. In der Mitte des Sommers ist kein grüner Grashalm mehr zu erblicken und das Laub an den Bäumen verdorrt. Schon am Ende des Monats April ist es in Marseille fast so heiß, als bei uns in den wärmsten Sommertagen, aber die Hitze ist weniger drückend, weil die Luft ganz frei von Dünsten bleibt. Zwar erhebt sich alle Tage ein sanfter Seewind, der regel- mäßig von zehn Uhr Morgens bis gegen Abend anhält, aber in der Stadt wird man seinen erfrischenden Hauch kaum gewahr; darum flüchten die Marseiller zu ihren Bastiden, wo die Luft sie freier umweht, wenn gleich sie auch dort wenig erquickenden Schatten finden. Die Herr- lichkeit der Sommernächte ist dagegen unbeschreiblich, besonders wenn der Voll- mond vom reinen, beinahe schwarzblauen Himmel herniederstrahlt, mit einer Pracht, von der uns etwa unsere kältesten Win- ternächte eine Vorstellung geben können. Auch eilt dann Alles hinaus, und selbst angesehene Familien sieht man in den Straßen vor den Hausthüren sitzen, um der erquickenden Kühlung der wunder- schönen Nacht zu genießen. Sowie der Abend des Tages, so ist auch der Abend des Jahres, der Herbst, die schönste Zeit. Mild und segensreich herrscht er vom Oktober an bis spät in den Dezember; oft braucht man erst im Februar Kaminfeuer anzuzünden. Die kalte Regenzeit, die da Winter heißt, dauert etwa drei Wochen. Auch während derselben bleibt die Luft mild, und selten merkt man Morgens früh ein wenig Reif oder dünnes Eis; ein paar Stunden Schnee sind die größte Seltenheit. Der wunderschöne Frühling schließt sich so eng an den Winter, daß man kaum seinen Anfang, wohl aber sein Fort- schreiten bemerkt; er wäre der herrlichste

8. Deutsches Lesebuch für Mittelschulen - S. 238

1867 - München : Königl. Central-Schulbücher-Verl.
238 Iii. Geschichtsbilder. Aergerniß erregte, steigerte sich die Er- bitterung der Gläubigen auss höchste. Wohl einsehend, daß er sich nicht länger mehr halten könne, verzichtete er auf seine Würde, da der Erzpriester Jo- hannes, der als der frömmste und tugendhafteste Priester Roms gepriesen wird, eine große Summe Geldes bot, um fernere Schmach von der Kirche ab- zuwenden. So bestieg Johannes als Gregor Vi. den päpstlichen Stuhl. Bald aber bereute Benedikt seinen Ver- zicht und trat wiederholt als Papst auf, so daß nun drei Päpste zu gleicher Zeit die Leitung der Kirche beanspruch- ten. Heinrich Iii. veranlaßte die Synode zu Pavia, welche zu Sutri fortgesetzt wurde. Der milde Gregor dankte frei- willig ab, über die beiden andern aber wurde die Absetzung ausgesprochen. Rom ernannte Heinrich zum Patricius der Stadt und legte die Wahl eines neuen Papstes in seine Hand. Diese Wahl siel auf den frommen, ernsten Bischof Suitger von Bamberg, der als Papst den Namen Clemens Ii. führt. Dieser krönte am Weihnachtstage 1046 Hein- rich und dessen Gemahlin mit der Kai- serkrone und begann vom Kaiser unter- stützt, die Wiederherstellung der zerrüt- teten Kirchenzucht; er verbot den Verkauf geistlicher Güter, hielt auf Gehorsam und Unterordnung und wirkte überhaupt segensreich in seinem so schwierigen Amte; Heinrich aber kehrte nach Deutschland zurück, um auch dort für Wiederher- stellung der Kirchenzucht ebenso thätig zu sein, als für Aufrechthaltung der staatlichen und bürgerlichen Ordnung. Er verordnete, daß vom Mittwoch nach Sonnenuntergang bis zum Montag nach Sonnenaufgang, sodann vom Advent bis 8 Tage nach dem Feste der Er- scheinung und ebenso vom Sonntage Septuagesima bis 8 Tage nach Ostern jede Fehde ruhen müsse. Diese Verord- nung, erlassen 1043, nannte man den „Gottesfrieden". Der Kaiser hielt zu Constanz eine so eindringliche Rede, daß alle Anwesenden tief ergriffen waren, zu- mal Heinrich, um ein Beispiel zu eben, allen seinen Feinden Verzeihung gelobte. Große Unglücksfälle hatten aber auch damals die Gemüther der Menschen er- schüttert. Hunger und Seuchen wüthe- ten im Reiche furchtbar, daß an man- chen Gegenden ein Dritttheil der Be- völkerung hinweg gerafft wurde. Wie mächtig aber auch Heinrich da- stand : gegen das Ende seiner Regierung mußte er doch erfahren, daß die Gunst des Glückes selten einem Sterblichen treu bleibt. Im Osten und Norden be- drohten Ungarn und Slaven das Reich, ini Westen beanspruchte Frankreich Loth- ringen, ja im Innern selbst, in Kärn- then und im Bisthume Regensburg, hatte die Empörung gewagt, das Haupt zu erheben und nichts Geringeres führte man irn Schilde, als einem Anderen die deutsche Krone zu verschaffen. Sei- nen vierjährigen Sohn Konrad entriß ihm der Tod. Ernste Gedanken durch- zogen seine starke Seele. Er konnte es sich nicht verhehlen, daß seine Stellung eine andere geworden, als zum Anfang seiner Regierung, und daß er nach so vielen Kraftanstrengungen neue und noch bedeutendere aufwenden müsse, nicht nur, um die äußeren Feinde im Zaume zu halten, sondern noch mehr, um den verräterischen Widerstand der Großen gegen die einheitliche Reichsgewalt zu brechen. Im Verein mit dem Papste Victor Ii., seinem treuen Freunde, wollte er in einer Versammlung der weltlichen und geistlichen Großen des Reiches zu Goslar, wozu auch des Kaisers Feinde geladen waren, die Schlichtung und Ordnung der Reichsangelegenheiten be- rathen. Da überraschte ihn der Tod. Er war mit seinen Gästen zur Jagd geritten. Die Nachricht vom Einfalle sla- vischer Völkerschaften in Sachsen und von der Niederlage eines sächsischen Heeres steigerte ein Unwohlsein zur tödtlichen Krankheit. Das Nahen des Todes fühlend, vergab er allen seinen Feinden und bat die um Verzeihung, denen er etwa Un- recht zugefügt, empfahl seinen sechsjäh- rigen, schon zu seinem Nachfolger erwähl- ten Sohn Heinrich dem Papste und den Fürsten und starb gottergeben am 5. Ok- tober 1056 im 39. Jahre seines Lebens. Der Dom zu Speier nahm seine irdische Hülle auf. Der Papst führte den jungen Heinrich Iv. von Speier nach Aachen und erhob ihn dort auf den Thron.

9. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 31

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
— 31 einem schrecklichen Saufteufel, zu mir flüchtete und ich sie wie eine Schwester aufnahm und erquickte, mußte ich unwillkürlich noch an jene Vesperstunde denken. Ach, es kommt alles wie- der herum! Wir sollten daran denken in der Jugend, und wir sollten daran denken, wenn’s uns gut geht. Es kommt alles wieder herum. Dankbare Erinnerungen bewahre ich aus jener schlimmen Zeit noch an drei alte Frauen, und immer sind es die Oktoberstürme, welche diese Erinnerungen, wenn sie einmal längere Zeit erloschen schienen, wieder rütteln, wecken und anfachen. 4. Es war schon über die Mitte des Oktobers hinaus, als ich noch mit einem großen Tagelöhnertrupp auf der großen Kar- toffelbreite vor dem kleinen Hagen hockte. Rodemaschinen gab’s damals noch nicht; die jüngeren Frauen, sowie die Burschen und Männer rodeten mit der dreizackigen Grepe, und die alten Frauen mit den Kindern lasen die Kartoffeln auf, indem sie auf den Knien hinter den Rodern herrutschten, mochte der Boden trocken oder naß sein. Wenn dann die Stürme, die sich vor dem Hagenwalde stießen und gleichsam stauten, den Regen und Reif zwischen uns peitschten und ich in meinem dürftigen Leinen- rocke schwarz und blau fror und keinen Finger mehr krumm machen konnte, dann haben mich die drei Alten allemal eng zwischen sich genommen, mich rechts und links gedrückt und gewärmt und mir alles vor der Hand weggelesen. „Deine Mutter hat uns auch oft was Gutes getan,“ sagten sie und erzählten so viel und mit so viel Liebe und Anhäng- lichkeit von der Teuern, daß auch der schlimmste Tag, daß selbst Eis und Schnee das Glücksgefühl in meinem Herzen nicht auszu- löschen vermochten. So war es eigentlich die Mutter, die mich wärmte, mich tröstete; sie hatte sich in den Herzen der Frauen ein Kapital ge- sammelt, von dem ich nun die Zinsen zog. Ach, welch ein Segen ist doch eine gute Mutter! Wie nach Sonnenuntergang der Abend- himmel noch lange in milder, schöner Glut steht, so steht das Andenken einer edlen Mutter noch lange vor den Augen der Lebenden, und der Segen ihres Lebens strahlt nach ihrem Tode noch viel länger fort in dem Leben ihrer Kinder. Heinrich Sohnrey (Friedesinchens Lebenslauf).

10. Für das sechste und siebente Schuljahr - S. 81

1915 - Leipzig [u.a.] : B. G. Teubner (Theodor Hofmann)
81 Nachmittags drehte das Schiff bei, um zu loten. „Fünfzehn Faden; Sand mit roten Steinchen!" lautete der Bericht des Steuermannes. „Hurra!" jubelt die Mannschaft, „Borkum-Riff! Morgen sind wir da und feiern Neujahr daheim." Ja, es war deutscher Boden, den der mit Talg gefüllte, ausgehöhlte Fuß des Lotes heraufgebracht hatte. Von der Insel Borkum streckt sich ein schmaler Streifen nordwärts fünf bis sechs Meilen weit. Er ist mit diesem rötlichen Sande bedeckt, der sich sonst nirgends in der Nordsee findet. Dieser Streifen heißt Borkum-Riff, und wenn die Schiffe ihn anloten, dann gibt er ihnen genau ihre Lage an. Deutscher Boden, Heimat — endlich, nach so langer, langer Zeit! Wie freudig klopfen die Herzen! Der Kapitän hat, auf dem Halbdeck stehend, die Meldung des Steuermannes empfangen. O, auch er sehnt sich von Herzen nach der Heimat, nach Weib und Kind, von denen er so lange getrennt gewesen. Auch er hofft, das neue Jahr mit ihnen zu feiern, die in banger Sorge seiner Rückkunft geharrt. Aber noch spiegelt sich auf seinem Antlitz keine Freude; denn bange Zweifel verscheuchen sie. Dort am Horizonte tauchen viele Segler auf. Er mustert jeden scharf mit seinem Fernrohre, doch nirgends zeigt sich, was er so eifrig sucht. Der Lotsenkutter mit der Flagge an der langen Stange, die ihn auf Meilen kenntlich macht, befindet sich nicht unter ihnen. Im Westen steigt langsam eine dunkle Bank drohend am Horizont empor, und das Barometer fällt. Wie lange wird das gute Wetter noch anhalten? Vielleicht bis zum nächsten Tage, vielleicht aber bricht auch schon in der Nacht der Sturm wieder los, und wer sagt, mit welcher Gewalt und Dauer in dieser Jahreszeit? Für den Kapitän hat ja der Sturm sonst nichts Furchtbares. Wie viele hat er in seinem Leben überstanden, wie viele selbst auf der letzten Reise! Wie sie auch tobten — mit einem guten Schiffe unter den Füßen nimmt der Seemann getrost den Kampf mit ihnen auf. Doch in engem Fahrwasser, ohne Sonne und Mond, mit unbekannten Strömungen und Untiefen, wie sie das Einlaufen in unsere nordischen Ströme so gefahr- voll machen, und durch die nur ein erfahrener Lotse den Weg führen kann — da hat eine dunkle, stürmische Winternacht ihre Schrecken. Die Brise frischt auf. Unter ihrem Drucke jagt das Schiff schneller und schneller durch die Fluten; aber auch jene finstere Bank steigt höher. Einzelne Flecken reißen sich von ihr los und jagen wild über die graue, bleierne Wolkendecke. Das Barometer bleibt im Fallen, und die Nacht bricht herein. Dietleins Deutsches Lesebuch Ausg. D Teil Iii. 8. Aust. st
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