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1. Theil 3 - S. 8

1880 - Stuttgart : Heitz
8 Neue Geschichte. 1. Periode. Reformation. dann alle 30 und zuletzt alle 25 Jahre ein Jubeljahr ausgeschrieben. Alle diese Jubeljahre waren den Päpsten noch nicht genug. Sie schickten Ablaßverkäufer überall, besonders in Deutschland umher, die ihre Zettel ausboten, und selbst die Fürsten benutzten diesen Mißbrauch, um sich Steuern zu verschaffen. So sollte im Jahre 1430 die Stadt Leipzig befestigt werden. Da bat der Herzog von Sachsen den Papst, ihm doch mit Ablaß zu Hülfe zu kommen; und sogleich wurde bekannt gemacht, daß der, welcher an Sonn- und Festtagen an den Werken arbeiten würde, 40 Tage Ablaß haben sollte, d. i. es sollten ihm einst in jenem Leben von seiner Strafzeit 40 Tage erlassen werden. Welcher Mißbrauch! — Daß dafür der Papst ein reiches Geldgeschenk erhalten mußte, verstand sich von selbst. Besonders waren die Butterbriefe recht einträglich. Wer nämlich die Erlanbniß haben wollte, in der Fastenzeit Butter und Käse zu essen, brauchte sich nur für einen guten Groschen einen solchen Zettel zu lösen, und dergleichen wurden unzählige gelöst. Damals war Leo X. Papst, ein hochgebildeter, aber vergnügungssüchtiger, schwelgerischer Mann, der viel Geld gebrauchte. Da gerade kein Jubeljahr war, so nahm er den Bau der Peterskirche zum Vorwande, einen Ablaß auszuschreiben. Unter den Ablaßverkäufern, die in Deutschland umherzogen, war aber keiner unverschämter, als eben jener Tezel, der schon ziemlich lange sein Wesen getrieben hatte. Obgleich er ein so nichtswürdiger Mensch war, daß das erbitterte Volk ihn schon einmal hatte ertränken wollen, wenn ihn nicht der Kurfürst von Sachsen gerettet hätte, so setzte er doch eine Menge solcher Ablaßzettel ab. Wenn er nach einer Stadt kam, so hielt er einen feierlichen Einzug, damit das Volk recht zusammenlaufen sollte. Die päpstliche Bulle wurde auf einem fammtnen Kissen vorangetragen; die Priester und Mönche, der Magistrat und die Schulen zogen ihm mit Kerzen und Fahnen entgegen und holten ihn ein; alle Glocken läuteten; man begleitete ihn in die Kirche, wo er ein rothes Kreuz mit des Papstes Panier aufrichtete, und nun ging der Handel los. Immer hatte er zwei Kasten bei sich; in einem hatte er die Zettel und in den andern steckte er das Geld, und er pflegte wohl zu rufen: „Sobald nur erst das Geld in meinem Kasten klingt, eure Seele aus dem Feg-teuer in den Himmel springt!" — Da fand man Ablaßbriefe für alle möglichen Vergehungen: für Diebstahl, Meineid, Gewaltthat, Mord u. s. w. Einmal kam er Übel au und wurde recht mit

2. Theil 3 - S. 11

1880 - Stuttgart : Heitz
Luther. Anfang der Reformation. 11 Luther spricht selbst: „Da ich zum ersten Mal den Ablaß angriff und alle Welt die Augen aufsperrte und sich's ließ dünken, es wäre zu hoch angehoben, kamen zu mir mein Prior und Subprior, aus dem Zetergeschrei bewegt, und furchten sich sehr, baten mich, ich sollte den Orden nicht in Schande führen; denn die anderen Orden hüpften schon für Freuden, sonderlich die Prediger (Dominicaner), daß sie nicht allein in Schande steckten, die Augustiner müßten nun auch brennen und Schandträger sein. Da antwortete ich: Liebe Väter, ist's nicht in Gottes Namen angefangen, so ist es bald gefallen; ist es aber in seinem Namen angefangen, so lasset denselben machen. Da schwiegen sie, und geht noch so bisher; wird, so Gott will, auch noch daß gehen bis ans Ende. Amen!" — Wie schön gesagt! — Aber er handelte auch edel, ohne allen Haß gegen seine Feinde selbst. So hatte Tezel die Sätze Luthers öffentlich verbrennen lassen. Die Wittenberger Studenten, die ihren Lehrer Luther so verehrten, daß sie sich für ihn hätten todtschlagen lassen, kauften Tezels Schriften gegen Luther auf und verbrannten sie in einem großen Freudenfeuer öffentlich. Darüber war Luther sehr ungehalten und schrieb darüber an einen Freund: „Traust du mir denn zu, daß ich so sehr allen menschlichen Verstand verloren und mich dermaßen habe vergehen können, daß ich, der ich ein Geistlicher bin, an einem Ort, der nicht mein ist, einem in solchen Ehren sitzenden Manne dergleichen Schimpf anthun sollte?" Aber das alles half nichts. Die eifrigen Diener des Papstes schimpften weidlich auf ihn, weil sie dadurch dem Papste sich ge-sällig zu machen hofften, besonders die Dominicaner. Da war einer dieser saubern Leute Prierio, Prior der Dominicaner und Magister des päpstlichen Palastes in Rom, der unter anderm schrieb: „Wenn du, mein lieber Luther, von unserm Herrn dem Papste ein fettes Bisthum bekämest, würdest du wohl gelindere Saiten aufziehen und den Ablaß, welchen du jetzt so schwarz machst, selbst erheben." Darüber ärgerte sich Luther mit Recht sehr. „Wenn ich nach einem Bisthum strebte," antwortete er, „redete ich gewiß das nicht, welches dir so wehe in deinen Ohren thut; denn meinst du, ich wisse nicht, wie man in Rom zu Bisthümeru und Prälaturen gelangt?" — Endlich schrieb Luther selbst an den Papst, Leo X., und gab sich alle Mühe, ihm zu beweisen, wie er selbst von seinen Schmeichlern betrogen werde. Man muß sich recht freuen, wenn man sieht, wie der brave Luther seine Sache ganz und gar Gott anheimstellte und über den Ausgang durchaus

3. Theil 3 - S. 138

1880 - Stuttgart : Heitz
138 Neue Geschichte, 1. Periode. Deutschland. Frieden in der Kirche wiederherstellte. Aber die Päpste fürchteten, daß ihrer Gewalt dadurch Abbruch geschehe, suchten daher Ausflüchte, und erst als es unvermeidlich schien, willigte der damals lebende Papst (Paul Iii.) in die Versammlung, suchte sie aber für sich gleich dadurch unschädlich zu machen, daß seine Legaten den Vorsitz einnahmen, daß er durchsetzte, daß nach Personen gestimmt werden sollte — aus Italien waren die meisten Bischöfe gekommen — und daß er ausdrücklich erklärte: es sollte nur über die Ausrottung der Ketzerei und über die Wiederherstellung des Kirchenfriedens verhandelt werden. Der Papst gab seinen Legaten die ausdrückliche Anweisung, alle Lehren und Gebräuche, die von den Protestanten verworfen waren, zu bestätigen, die „Rebellen" (gegen den Papst) durch Kirchenstrafen zu. bändigen, die Ketzerei auszurotten und die Völker unter den Gehorsam gegen den römischen Stuhl zurückzuführen. Und so siegte wirklich die päpstliche List über das Bestreben derjenigen Bischöfe, denen es mit der Verbesserung des Papismus ein Ernst war. Ihre Stimmen-drangen nicht durch; die italienischen Bischöfe, die ihren Vortheil bei der Erhaltung der bisherigen Hierarchie fanden, überstimmten jene, und durch die Beschlüsse des Concils wurden die bisher vereinzelten päpstlichen Verordnungen erst recht in ein Ganzes gebracht. Das Gebäude des römischen Katholicismus wurde dadurch vollendet, und daher kommt es, daß man sich bei allen Streitigkeiten über Lehren der römischen Kirche auf die Beschlüsse des tridentmischen Concils zu berufen pflegt. Von diesen Beschlüssen wollen wir nur einige herausheben: Neben der Bibel gilt auch jede mündliche Tradition, die sich in der Kirche erhalten hat. Die Stellen der Bibel haben nur den Sinn, den ihnen die Kirche und die Kirchenväter gegeben haben. Der Klerus ist ein von Gott eingesetzter und durch fortgehende göttliche Eingebung infallibler Stand, dem allein die kirchliche Gewalt zusteht. Die Bischöfe sollen schwören: dem Papste treu und gehorsam zu sein, die Rechte und die Gewalt des heiligen Stuhles zu erhalten, zu vermehren und gegen jedermann zu vertheidigen, alle Ketzer und dem Papste Ungehorsame aber nach allen Kräften zu verfolgen. Die sieben Sacramente theilen dem, an dem sie verrichtet werden, an und für sich eine göttliche Gnade mit. Bei dem Abendmahl wird durch die Weihung das Brot und der Wein in den Leib und das Blut Jesu verwandelt (Trans-snbstantiation) und daher muß die Hostie (Oblate) göttlich verehrt

4. Theil 3 - S. 86

1880 - Stuttgart : Heitz
86 Neue Geschichte. 1. Periode. England. zu nehmen, war die Erlaubniß des Papstes nöthig. Dieser hätte es wohl auch bewilligt, aber Katharina war Kaiser Karl V. Base, und der nahm sich ihrer daher an und drohte dem Papste, wenn er die Scheidung aussprechen würde. Geradezu wagte indessen der Papst nicht, dem Könige von England sein Gesuch abzuschlagen; er stellte sich daher, als wollte er die Sache erst untersuchen und hielt ihn damit an vier Jahre hin. Endlich riß dem leidenschaftlichen Heinrich die Geduld. Er brach die Unterhandlungen mit dem Papste ganz ab, und da ein kluger Geistlicher (der Erzbischof von Eanterbury, Craumer) auf den Einfall kam: der König könne ja bei den Universitäten sich Raths erholen, ob es Unrecht sei, sich von Katharina zu scheiden und die Anna Boleyn zu heirathen, so ergriff er diesen Rath geschwind. Zu seiner großen Freude sprachen auch die Universitäten ganz so, wie er gewünscht hatte. Sie erklärten die Ehe mit Katharina für unrechtmäßig und die mit jeder andern für erlaubt. Katharina weinte bittere Thränen und beschwor ihren Gemahl bei der ihm nun 20 Jahre lang bewiesenen Treue, sie doch nicht zu verstoßen. Aber Heinrich war unerbittlich, und so erhielt sie die Weisung, sich nach einem der königlichen Lustschlösser zu begeben, wo sie vier Jahre später gestorben ist. Heinrich heirathete gleich nach Katharina's Verstoßung die Anna Boleyn und fühlte sich überaus glücklich. Aber auf den Papst war er so erbittert, daß er sich von der römischen Kirche nun ganz lossagte, worauf der Papst ihn nach Rom citirte und ihn, da er nicht erschien, in den Bann that, seine Unterthanen von ihrem Eide lossprach und England dem rechtgläubigen Könige von Schottland gab. (!) Vielleicht hätte Heinrich die lutherische Lehre, die in England viele Anhänger gefunden hatte, angenommen; aber Luther hatte ihm früherhin einmal einen derben Brief geschrieben, und das konnte er ihm nicht vergessen. Er schrieb daher nach seinen eigenen Gedanken ein Lehrbuch des christlichen Glaubeno und verlangte, daß alle Unterthanen sechs von ihm aufgestellte Artikel, die er für unerläßlich erklärte, und die zwar, meist mit der römischen Lehre übereinstimmten, aber den Papst verwarfen, annehmen sollten. Viele Katholiken sowohl als Lutheraner, die sich nicht entschließen konnten, ihren ihnen einmal lieb gewordenen Glauben sogleich aufzugeben, wurden grausam hingerichtet und durchs ganze Land rauchten die Scheiterhaufen. Unter den Opfern der Glaubenstreue war der berühmte Kanzler Thomas Morus (weil er die Suprenraüe des Königs verwarf), der schon oben bei

5. Theil 4 - S. 185

1880 - Stuttgart : Heitz
* Friedrich Wilhelm Iii. 185 in Verbindung mit einem Theil der belgischen und der französischen Geistlichkeit. Der Widerstand des Erzbischofs Droste fand in einem andern Theil Preußens Nachahmung. Der Erzbischof von Posen und Gnesen, Dunin, schärfte seiner Geistlichkeit im Jahre 1838 dasselbe Verfahren in Bezug auf die gemischten Ehen ein. Die preußische Regierung wandte zuerst alle Langmuth und Milde an, um den Prälaten von seiner Verirrung zurückzubringen; man berief ihn sogar nach Berlin, um ihn hier durch dringende Vorstellungen zu einer milderen Auffassung seiner Pflichten zu bringen; da jedoch alle derartige Versuche vergeblich blieben, so . wurde er von seinem Amt suspendirt und erhielt den Befehl, in Berlin zu bleiben. Er glaubte jedoch, wie Droste zu Vifchering, der weltlichen Macht in Angelegenheiten seines Amts keinen Gehorsam schuldig zu sein, entwich heimlich aus Berlin und trat wieder in seinem Sprengel als Bischof auf. Nun schritt aber die Regierung mit Strepge ein, ließ ihn festnehmen und nach der Festung Colberg bringen. In ganz Posen, wo bei den Einwohnern polnischer Nationalität das katholische Interesse lange Zeit hindurch mit dem Hang zu politischer Opposition eng verknüpft war, entstand eine große Aufregung über diesen Schritt; es wurde allgemeine Kirchentrauer gehalten, die Orgeln und Glocken verstummten n. s. w. — Erst nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms Iv. wurde der Streit über die gemischten Ehen vorläufig beigelegt. Dunin wurde in Folge einer freilich etwas zweideutigen Erklärung wieder eingesetzt und kehrte unter allgemeinen Freudenbezeigungen nach Posen zurück. Auch der Erzbischof Droste wurde seiner Haft entlassen; nach einer mit ihm und dem römischen Stuhl getroffenen Uebereinkunft kehrte derselbe jedoch nicht auf seinen Bischofsitz zurück, welcher dem bisherigen Eoadjutor Geißel zufiel. Die letzten Regierungsjahre Friedrich Wilhelms Iii. wurden noch durch eine wichtige Handlung bezeichnet, welche dem Handel in Preußen und fast in ganz Deutschland einen neuen Aufschwung gab, und das Streben nach deutscher Einigung wenigstens in einer Beziehung förderte: Preußen schloß nämlich mit dem größten Theil der kleineren deutschen Staaten einen Zollverein ab, durch welchen die Schranken, die den Handel und Verkehr derselben getrennt hatten, beseitigt wurden und ein einziges Handelsgebiet entstand. Am zweiten Pfingsttag, 7. Juni 1840, ging Friedrich Wil-

6. Theil 4 - S. 197

1880 - Stuttgart : Heitz
Gregor Xvi. Pius Ix. 197 die Keime äußerer Wohlfahrt und einer gewissen äußern Cultur auf alle Weise zu pflegen, und Gewerbfleiß und Fabrikation nach Möglichkeit zu fördern. Die große Macht, über welche der Czar mit völliger Unumschränktheit gebot, wendete er aber vorzugsweise zur Erweiterung des Einflusses nach außen an, wozu andererseits die ausgezeichnete diplomatische Kunst des russischen Hofes das ihrige beitrug. So war durch den Tractat von Ttnkiar Skelessi (1833) die Türkei eng mit dem russischen Interesse verknüpft worden. Die Donaufürsteuthümer Moldau und Walachei waren zinspflichtige Fürstenthümer unter Hospodaren geworden, deren Wahl ganz unter russischem Einfluß stand. Die Perser wurden von den Russen mit Glück bekriegt und zwei ihrer Provinzen zum russischen Reiche geschlagen, wogegen mit dem durch englischen Einfluß aufgeregten Bergvolke der Tscherkessen der Kampf mit wechselndem Glück geführt ward. In Italien war am 1. Juni 1846 der alte, schwache Gregor Xvi. gestorben, und an seine Stelle wurde unter französischem Einfluß der Cardinal Mastai Ferretti gewählt, welcher den Namen Pius Ix. annahm. Nach eigner Neigung und auf den Rath der französischen Regierung, besonders des Gesandten Grafen Rossi, betrat der neue Papst die Bahn der Reform in der Verwaltung. Er führte mannigfache Ersparnisse ein, gab der Presse mehr freien Spielraum, genehmigte den Bau von Eisenbahnen, eröffnete den bis dahin von allen höheren Aemtern ausgeschlossenen Laien den Zugang zu denselben, berief Männer des öffentlichen Vertrauens in seinen Rath, gab der Stadt Rom eine freie Mnni-cipalverfassung und erweckte so^ar Hoffnungen zur Herbeiführung eines italienischen Staatenbundes. Natürlich erweckten diese Neuerungen den größten Enthusiasmus, durch ganz Italien erscholl der Jubelruf: »Evviva Pio nono!« und das Volk gab sich zuerst ohne Rückhalt der Leitung des gefeierten Kirchenfürsten hin; nur die alte Regierungspartei, gestützt auf den Einfluß Oestreichs, hielt mit ihren Bedenken und ihrem Widerspruch gegen das kühne Beginnen des Papstes nicht zurück. Derselbe umgab sich jedoch vertrauensvoll mit einer neu berufenen Bürgerwehr und ahnte fo wenig, wie seine zahlreichen Bewunderer in ganz Europa, bis zu. welchem Abgrunde ihn der Freiheitstaumel des seit langen Jahren zum ersten Mal entfesselten Volks führen würde. Aber es währte nicht lange, da stiegen schon Wolken an dem Horizont der neu gewährten Freiheit auf. Der Papst hatte von

7. Theil 4 - S. 325

1880 - Stuttgart : Heitz
Rußland. Aufstand in Polen. 325 in dem durch Wühlereien und durch die Erfolge des Nationalitätsprincips in Italien zu sanguinischen Hoffnungen aufgeregten Polen. Lange vorbereitete Demonstrationen national-religiöser Art führten in den letzten Tagen des Februar 1861 in Warschau zu blutigen Conflicten und diese zu einer allgemeinen Gährnng, welche bei der Nachsicht des Statthalters, Fürsten Gortschakow, einen bedenklichen Charakter annahm. Die höheren Stände, an ihrer Spitze der Erzbischos von Warschau, richteten eine Adresse an den Kaiser und baten darin um Gewährung nationaler Einrichtungen in Kirche, Schule und Gesetzgebung. Ein kaiserlicher Ukas vom 27. März 1861 bewilligte die Einsetzung eines Staatsrathes für das Königreich Polen, Neugestaltung des Unterrichtswesens und andre Reformen. Ein bekannter politischer Patriot, der Marquis von Wielopolski, wurde in die Regierung berufen. Aber dieser Ansang zu einer staatlichen Neubildung Polens auf nationaler Grundlage im Anschluß an Rußland befriedigte nicht; man wollte nationale Unabhängigkeit. Die Aufregung dauerte fort und die Regierung sah sich daher wieder zur Strenge- genöthigt. Sie löste den sogenannten „Landwirtschaftlichen Verein" auf, welcher die Seele der ganzen Bewegung war, und als (7. April) abermals eine großartige Demonstration veranstaltet ward, kam es zu einem Conflict mit der bewaffneten Macht. Jetzt flüchtete der * Aufruhr sich von den Straßen in die Kirchen und Wielopolski selbst beschuldigte die polnischen Priester in einem amtlichen Erlaß der strafbaren Agitation. Der größte Theil der Einwohnerschaft von Warschau legte Trauerkleider au; man trug nationale und religiöse Abzeichen, und in den Kirchen wurden national-religiöse Lieder gesungen. Graf Lamp ert, der Nachfolger des am 30. Mai verstorbenen Gortschakow, schritt hiergegen ein und verhängte den Kriegszustand über das ganze Königreich; nichtsdestoweniger ward der Todestag Kocziusko's (15. October) in Warschau in gleich demonstrativer Weise begangen, so daß das Militär die Kathedrale und die Bernhardinerkirche räumen mußte, worauf die. Geistlichkeit die Kirchen für entweiht erklärte und dieselben schloß. Die Regierung gab aber nicht nach, und General Lüders, welcher jetzt an Lamperts Stelle trat, ließ eine Anzahl der angesehensten Bürger verhaften. Auch der Bisthumsverweser wurde verhaftet und zum Tode verurtheilt, vom Kaiser aber begnadigt. Ein einfacher Priester, Felinski, wurde hierauf zum Erzbischof ernannt; er ließ die Kirchen wieder öffnen. Kaiser

8. Theil 4 - S. 403

1880 - Stuttgart : Heitz
Das ökumenische Concil in Rom und das Ende des Kirchenstaates. 403 Bedeutung bleiben, was als Zeugniß der Wahrheit im Petersdome zu Rom von den Lippen katholischer Bischöfe ertönte, und niemals werden die Worte verhallen, welche Stroßmayer, Bischof von Bosnien und Syrmien, mit begeistertem Eifer dort gegen die Jesuiten und für Reformen in der katholischen Kirche gesprochen hat. Im Januar 1870 überreichten 400 Concilsmitglieder eine Adresse, in welcher sie um Aufstellung des Dogmas von der Unfehlbarkeit baten; die Gegenadresse der Minorität von 150 Bischöfen, an deren Spitze die Erzbischöfe von Wien und Prag, die Cardinäle Rauscher und Schwarzenberg, der Erzbischof Darboy von Paris, der Bischof Dupanloup von Orleans, standen, weigerte sich der Papst entgegen zu nehmen. Ehe man über die Unfehlbarkeit berieth, wurde über eine andre Vorlage von dem katholischen Glauben und der Verfassung der Kirche verhandelt. Alle Macht wurde in die Hand des Papstes gelegt, und Principien angeordnet, nach denen die Regierungen nur so viel Macht und die bürgerliche Gesellschaft nur so viel Freiheit behalten würden, als es der Kirche belieben würde, ihnen zu lassen. Die Regierungen von Frankreich Oestreich und auch die des norddeutschen Bundes warnten vor Uebergriffen und sprachen den Wunsch aus, sich durch Gesandte bei dem Concil vertreten zu lassen. Pius Ix. lehnte jede Einmischung ab. Die öffentliche Meinung in Europa wurde immer tiefer bewegt; auch Döllinger erhob aufs neue die Stimme wahrheitsvoller Ueberzeugung, und König Ludwig von Baiern ermunterte ihn, auf seinem Wege auszuharren. Unbeirrt und unerschütterlich hielt der Papst an seinem Ziele fest; in manchem seiner Aussprüche und auch in Handlungen wurde erkennbar, daß er sich in den Gedanken hineingelebt hatte, es wohne ihm eine der göttlichen gleiche Autorität bei. *) In der Mitte des Mai wurde das Dogma von der Unfehlbarkeit dem Concil zur Berathung vorge- *) Die Bulle, mit welcher das Concil angekündigt wurde, enthielt folgende Stelle: „Gestützt auf die Autorität des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes, sowie seiner h. Apostel Petrus und Paulus, welche Autorität auch wir auf Erden innehaben, berufen wir" u. f. w. Einige Jahre vor dem Concil hatte der Papst einst vor einer Versammlung Fremder, welche ihm ihre Huldigungen darbrachten, geäußert: „Ich allein bin der Nachfolger der Apostel, der Stellvertreter Jesu Christi, ich allein bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." Demgemäß hieß es in einem Gesänge bei einer am Schluß des Concils dargebrachten Ovation: Sprich, o großer Pius; was deine Lippen sprechen, ist nicht sterbliche, es ist Gottes Stimme."

9. Theil 4 - S. 405

1880 - Stuttgart : Heitz
-Das ökumenische Concil in Rom und das Ende des Kirchenstaates. 405 liche Fragen nach den Nachrichten über den zwischen Deutschland und Frankreich ausgebrochenen Krieg durch die Versammlung. Weitreichende Gedanken und Pläne im Vatican knüpften sich an die entfalteten Fahnen Frankreichs. Um so schwerer schmetterten die rasch sich folgenden Niederlagen der französischen Armeen und der Sturz Napoleon Iii. bei Sedan jene Hoffnungen nieder. Das Königreich Italien hatte bei dem Ausbruche des Krieges seine Neutralität erklärt, aber als die französische Besatzung den Kirchenstaat verlassen hatte und in Paris die Republik an die Stelle des Kaiserthums getreten war, zog die italienische Regierung ein Heer an der römischen Grenze zusammen unter dem Oberbefehl des Generals Cadorua. Am 8. September wurde die Grenze überschritten. Unterhandlungen, welche man mit Pius Ix. anzuknüpfen versuchte, wurden zurückgewiesen. Nun rückten die, italienischen Truppen vor Rom und zwangen die Stadt nach einer dreistündigen Kanonade zur Capitulation, 20. September. Die Bevölkerung des Kirchenstaates entschied darauf durch ein Plebiscit über den Anschluß an das Königreich Italien. Er wurde am 3. October mit 153,681 Stimmen gegen 1507 verlangt, worauf Victor Emanuel die Einverleibung des Kirchenstaates mit dem Königreich anordnete. Jetzt war die Vereinigung Italiens vollendet. Dem Papste blieb völlige Unabhängigkeit in Ausübung seiner kirchlichen Macht zugesichert, er behielt den Besitz des Leoninischen Stadttheiles mit dem Vatican und die- Stellung eines Souveränes mit einem Jahreseinkommen von 3,225,000 Lire (967,500 Thaler). Dieses Aufhören des Kirchenstaates und damit zugleich der weltlichen Gewalt des Papstthumes machte auch selbst in jenen Tagen, wo der Krieg in Frankreich die Gemüther beschäftigte, einen heftigen Eindruck in der katholischen Kirche. Der Papst schleuderte seinen Bannstrahl über Victor Emanuel; er betrachtete sich als einen Gefangenen in seinem Vatican. Die zu straff gespannten Ansprüche des päpstlichen Machtgebietes würden auch im gewöhnlichen Lauf der Dinge den ihnen entgegenstehenden Widerstand nicht überwunden haben, nun war unerwartet und jählings unter höherer Lenkung der Pfeiler, an welchen sich der weltliche Besitz des Papstthums noch stützte, das uapoleouische Kaiserthum, zusammengebrochen, und mit ihm sank auch jenes geistliche Staatswesen, das älteste unter den Staaten Europas, zu. Boden. —

10. Theil 4 - S. 382

1880 - Stuttgart : Heitz
382 Neueste Geschichte. 3. Periode. tung erhob sich gegen das seit 1855 bestehende Concordat. So lange dieser die Macht der römischen Kirche begünstigende Vertrag Geltung hatte, schien eine Neugestaltung der Staatsverhältnisse nicht möglich zu sein. Schon 1867 wurde ein Antrag auf die Aushebung desselben im Reichstage gestellt; er wurde zwar abgelehnt, aber im nächsten Jahre drei konfessionelle Gesetze festgestellt, welche dem Staate die Leitung des Schulwesens übertrugen, die Civilehe gestatteten und die Rechte der verschiedenen Religionsverwandten ordneten. Die Geistlichkeit, deren Befugnisse dadurch sehr eingeschränkt wurden, widersprach, aber vergeblich. Was nun vom Concordate noch Htlmg war, wurde nach der Annahme der päpstlichen Unfehlbarkeit im Jahre 1870 als durch dieselbe für aufgehoben erklärt, weil das persönliche Wesen des Papstes und seine Gewalt nun nicht mehr die nämliche sei, wie zur Zeit der Abschließung des Concordates. Daß diese kirchlichen Kämpfe in Oestreich das Volksleben tief bewegten, war bei dem großen Anhange, der sich um den Klerus schaarte, leicht verständlich. Die Gegenpartei aber beutete alles aus, was zur Schwächung des clericalen Ansehns diente. Einer der schlimmsten Vorfälle dieser Art war die Entdeckung der an einer Nonne, Barbara Ubryk, verübten Grausamkeit. Diese Unglückliche war wegen eines Vergehens gegen die klösterliche Zucht 1848 im Kloster der Karmeliterinnen zu Krakau in den Kerker geworfen worden und schmachtete nun in demselben bereits 21 Jahre, hülflos und vergessen. Auf eine namenlose Anzeige wurden Nachsuchuugen angestellt; man fand sie wahnsinnig, in bedauernswerter Blöße, in finstrer Zelle auf altem Stroh. Diese unmenschliche Härte erregte einen Sturm von Unwillen und Zorn. Ein Prozeß gegen die Aebtissin und den Beichtvater des Klosters wurde eingeleitet, nicht lange darauf jedoch eingestellt. Aber das Ministerium beschränkte durch eine Verordnung die Straf-gewalt der geistlichen Behörde über Mönche und Nonnen. Wichtig in Beziehung auf äußere Verhältnisse war der Condolenzbesuch, welchen Napoleon Iii. mit seiner Gemahlin nach dem unglücklichen Ende Maximilians von Mexico dem östreichischen Kaiserpaar in Salzburg abstattete, August 1867. . Wahrscheinlich sollte zugleich der Versuch eines Bündnisses gegen Preußen gemacht werden, doch ging Oestreich daraus nicht ein. Im October 1869 ereignete sich ein Aufstand in Dalmatien gegen die dortige Einführung des neuen Militärgesetzes. Er konnte nur mit Waffengewalt unterdrückt werden. —
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