Iv. Der Dreißigjährige Krieg 1618—48.
165
und die Ernennung des Erzherzogs Ferdinand zum Nachfolger des alten und kinderlosen Matthias in den österreichischen Erb-landen riefen in Böhmen eine große Gärung hervor. Als nun die Protestanten zu Braunau und Klostergrab (bei Teplitz) auf geistlichem Territorium Kirchen bauten, wozu sie nach dem Majestätsbrief das Recht zu haben glaubten, — was zweifelhaft war — ließ der Abt von Braunau die eine schließen, der Erzbischof von Prag die andere einreißen. Da die Beschwerden darüber zurückgewiesen wurden, erschienen im Mai 1818 unter der Führung des Grafen Matthias von Thurn bewaffnete Haufen auf der Prager Schloßkanzlei und warfen die kaiserlichen Statthalter Slawata (spr. Släwata) und Martinitz und deren Geheimschreiber Fabricius zum Fenster hinaus; alsdann wurde eine revolutionäre Landesregierung von 30 Direktoren eingesetzt und ein ständisches Heer unter Thurn ausgerüstet. Dieser an sich ziemlich geringfügige Aufruhr wurde die Veranlassung zu dem gewaltigen, lange erwarteten Kriege.
1. Der Religionskrieg des Kaisers gegen die Protestanten 1618-29.
a) Der böhmische Krieg 1618 — 21. Angesichts des Aufstau-§ 136. des starb Matthias 1619, und Ferdinand trat die Regierung in den habsburgischen Erblanden an. Die Böhmen erhielten Hilfe durch den kühnen Söldnerführer Grafen Ernst von Mansfeld; Schlesien, Mähren, Österreich, Ungarn schlossen sich den Aufständischen an; Thurn erschien vor Wien. Nur mit Mühe konnte sich Ferdinand aus größter Gefahr retten.
Trotzdem setzte er seine Erwählung zum Kaiser — als Ferdinand Ii. regierte er von 1619 — 37 — durch. Doch die Böhmen erhoben den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz und die Ungarn den Fürsten Gabriel Bethlen (Bethlen Gabor) auf den Thron. Da aber schloß Ferdinand einen Bund mit Spanien-, dem Papst und der Liga, ja auch mit Johann Georg von Sachsen, der den calvinistischen Friedrich V. haßte, und veranlaßte die Union zur Neutralität. Diesem Bunde stand Friedrich allein gegenüber; auch von seinem Schwiegervater Jakob I. von England, mit dessen Tochter Elisabeth er vermählt
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Matthias Matthias_von_Thurn Släwata Matthias Ferdinand Ferdinand Ernst_von_Mansfeld Ernst Ferdinand Ferdinand Ferdinand_Ii Ferdinand Friedrich_V. Friedrich_V. Gabor Ferdinand Johann_Georg_von_Sachsen Johann Friedrich_V. Friedrich_V. Friedrich Friedrich Jakob_I._von_England Elisabeth
Extrahierte Ortsnamen: Braunau Teplitz Braunau Prag Prager_Schloßkanzlei Ungarn Wien Ungarn
56
Zweite Periode. Von 843—1056.
sehen Klöstern waren auch St. Gallen (Notker), Hirsau und Fulda Stätten der Gelehrsamkeit und Bildung. Unter dem Eindruck der großen Zeitereignisse nahm die Geschichtschreibung wieder einen Aufschwung.
Nicht minder erheblich war die Entwickelung der Kunst. Der Kirchenbau1 weist Schöpfungen auf wie die in romanischem Stil erbauten Dome zu Speier, Mainz, Worms und Bamberg; die bedeutendsten romanischen Profanbauten sind die Kaiserpfalz zu Goslar und die Wartburg (Ende des 12. Jh.). Namhaft sind auch die Leistungen in der Erzgießerei, der Miniaturmalerei und der Elfenbeinschnitzerei.
1) Das altchristliche Gotteshaus ist hervorgegangen aus der antiken Basilika; es besteht aus einer durch Säulenreihen in drei oder fünf Schiffe geteilten Halle; das Mittelschiff ist breiter und höher als die Seitenschiffe und endet auf der Ostseite in eine halbkreisförmige Nische, die Apsis. Dann schob man zwischen Apsis und Langhaus ein Querschiff ein, welches vom Mittelschiffe durch einen auf zwei Säulen ruhenden Bogen, den Triumphbogen, abgeschlossen wurde. Der Turm, wenn vorhanden, steht abgesondert. Neben der Basilikenform gab es auch achteckige, kuppelüberwölbte Bundbauten (Baptisterien); ein solcher ist z. B. Karls d. Gr. Palastkapelle zu Aachen.
Für die byzantinische Kunst sind charakteristisch die kuppelgedeckten Zentralbauten, wie die Hagia Sophia (§12 Anm.) und die Markuskirche in Venedig.
Die vom 10. bis ins 13. Jh. herrschende romanische Kunst übernahm aus der altchristlichen den Rundbogen und den Grundriß und Aufbau der Basilika, erweiterte jedoch die Apsis zum Chor (unter ihm befand sich eine niedrige Gruftkirche, die Krypta); auf der Westseite schließen zwei Türme ein Portal ein, oder ein Westchor, dem zuweilen ein zweites Querschiff vorgelagert ist, bildet den Abschluß. An die Stelle der Säulenreihen treten vielfach bogenübeispannte Pfeiler als Stütze der Mauern des Mittelschiffs. Die flache Holzdecke wurde allmählich verdrängt durch das Kreuzgewölbe. Zur Gliedeiung der Wände dienen Lisenen, der Bundbogenfries und andere Zierglieder. Die Plastik stand durchaus im Dienste der Baukunst.
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20
Erste Periode. Vom Ende des . Jh. bis 843.
Die Gründe für den raschen Verfall und Untergang der germanischen Mittelmeerstaaten liegen
1. darin, daß die germanische Bevölkerung dieser Staaten, an Zahl sehr gering, von der römischen Bevölkerung leicht aufgesogen wurde;
2. in dem Gegensatz des Bekenntnisses der Germanen und der Römer;
3. in dem Umstande, daß auch bei den Germanen sich bald ein Stand von Latifundienbesitzern bildete, wodurch die Zahl der Gemeinfreien abnahm und also die Wehrkraft sank, während dem Königtum in dem neuen Adel ein Todfeind erwuchs;
4. in dem bald eintretenden sittlichen Niedergänge und in der Untüchtigkeit der meisten Herrscher;
5. in der Gegnerschaft Ostroms.
15. 5. Ergebnisse und Wirkungen der ostgermanischen Wanderung.
1. Die ostgermanische Wanderung hatte zunächst eine gewaltige Völkerverschiebung zur Folge: die Gebiete östlich von der Elbe-Saale und vom Böhmerwald waren von den Germanen geräumt und von den Slawen besetzt worden.
2. Der Germanen hatten antike Kulturelemente1 und als einen Teil der römischen Staatskultur auch das Christentum und zwar, weil Wulfila2 Arianer war, das arianische aufgenommen.
3. Anderseits fielen die westeuropäischen Völker nunmehr in die Naturalwirtschaft zurück, und es erfolgte überhaupt ein Rückgang der gesamten Kultur.
4. Nach dem Untergange des allbeherrschenden weströmischen Reiches begann die Gliederung Europas in die selbständigen Staatsgebiete, wie sie im wesentlichen noch jetzt bestehen.
1) Bezeichnend für den Kulturfortschritt der Germanen sind die Lehnwörter, wie Mauer (murus), Ziegel (tegula), Kalk (calx), Stube (stufa, stuba = Ofen), Kammer (camera), Tisch (discus), Schüssel (scutella), Pfanne (patina), Sichel (secula), Socke (soccus), Sohle (solea), Müller (molere) usw.
2) Wulfila (Ulfilas) wurde als Kind kappadokischer Eltern im Lande der Goten (311) geboren, bekehrte, zum Bischof der Goten geweiht, einen Teil des Volkes zum arianischen Christentum, übersetzte die Bibel ins Gotische und starb (381) in Konstantinopel.
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Extrahierte Ortsnamen: Ostroms Böhmerwald Europas Konstantinopel
26
Ii. Germanen und Römer.
Der Wanderzug der Kimbern und Teutonen durchflutete die sumpf- und moorreichen germanischen Arwälder und stieß in den Ostalpen auf römisches Reichsgebiet. Die Bitte um Weideplätze fand bei den römischen Beamten kein Gehör, denn sie hofften, mit den schlecht bewaffneten Laufen schnell fertig zu werden. Da erlag ein konsularisches Leer ihrem Ungestüm. Während jedoch Rom in dem „Kimb rischen Schrecken" zitterte, zogen die Sieger, anstatt ins römische Reich einzudringen, quer durch Süddeutschland, setzten über den Rhein und stiegen in das fruchtbare Rhonetal hinab. Lier vernichteten sie während eines Jahrzehntes mehrere Leere, die zum Schutze der transalpinischen Provinz herbeieilten. Nun ging es nach Spanien; doch zur festen Niederlassung kam es auch hier nicht/ Vielmehr wandte sich der Laufe wieder über die Pyrenäen zurück, um durch die Alpenpässe in die Poebene vorzudringen. Aber vor dem Einfalle trennte er sich. Dem kriegskundigen Konsul Marius gelang es, bei Aquä Sextiä 102 die Teutonen und bei Bercellä 101 die Kimbern zu vernichten. Die Menschenlawine, vor der Rom gebebt hatte, ruhte unter der Scholle oder diente im Sklavenjoch. An heldenmütiger Tapferkeit germanischer Männer und Frauen hatte es freilich nicht gefehlt. Aber sie konnte Roms Sieg nicht hindern: hier straffe militärische Ordnung und planvolle Taktik, dort wildes Anstürmen regelloser Laufen; hier kriegserfahrene Führer, deren strenges Kommando keine Widersetzlichkeit duldete, dort nur das anfeuernde Borbild der Führer, denen jegliche Strafgewalt abging, denn nur den Priestern stand das Strafrecht zu; hier erprobte Schutz-und Trutzwaffen: Panzer, Lelme, Arm- und Beinschienen, feste Fußbekleidung, dort dagegen Sippenhaufen, die nur mit eisengespitzten Lolz-spießen, Keulen oder Schwertern bewaffnet waren und barfuß, barhäuptig und vielfach nackt kämpften. Nur Edelinge waren besser bewaffnet.
Das gleiche Schicksal bereitete fünfzig Jahre später Cäsar den germanischen Stämmen, die unter Ariovists Führung im heutigen Elsaß über den Rhein gezogen waren, um sich in Gallien anzusiedeln. Selbstbewußt zwar trat Ariovist, der erste Germane, den wir aus Cäsars „Gallischem Krieg" persönlich kennen, dem römischen Statthalter entgegen, als dieser ihn zu einer Unterredung einlud. „Wenn Cäsar," so
geschichtlichen Funden kennen, aus seinen Wohnungen und Gräbern; in manchen Alpenseen sind Reste alter Pfahlbauten entdeckt worden, aus denen die Arbewohner gegen wilde Tiere geschützt waren, und in Urnen und Lünengräbern fanden sich zahlreiche steinerne Geräte und Waffen aus einer Zeit, der das Metall noch unbekannt war, der Steinzeit. Einer etwas späteren Periode gehören Werkzeuge und Schmuckfachen aus Bronze an. Erst in den letzten Jahrhunderten vor Christi Geburt wurde die Verarbeitung des Eisens auch nördlich der Alpen allgemeiner.
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Aquä_Sextiä Cäsar Cäsars Cäsar Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Rhein Spanien Rom Rhein Gallien Christi
Ii. Germanen und Römer.
29
Trotz zahlreicher Kämpfe war also weder den Germanen die Gewinnung Galliens noch den Römern die Unterwerfung Germaniens gelungen. Rhein und Donau blieben für die ersten Jahrhunderte die Grenzen, und auf die Zeiten der Kämpfe folgte ein Zeitalter fruchtbarer Verkehrsbeziehungen zwischen den einstigen Gegnern. Immer zahlreicher traten germanische Jünglinge in römische Kriegsdienste; germanische Häuptlinge mit ihren Gefolgschaften wurden insbesondere gern in die kaiserliche Leibgarde aufgenommen; denn man kannte ihre Tapferkeit und Treue.—And wie anziehend mußte die römische Kultur auf die Natursöhne wirken! Zwar lebte die große Masse des römischen Volkes in Stadt und Land in überaus gedrückter Lage, aber um so unwiderstehlicher zog das Glänzende des Kaiserreiches den Sohn der nordischen Wälder an: die prächtigen Bauten, die schönen und zweckmäßigen Geräte, die Vergnügungen und Genüsse des Lebens. So kehrten zahlreiche Germanen der Leimat dauernd den Rücken und siedelten sich im römischen Reiche an. Andere aber kamen wieder heim und brachten die fremden Sitten und Einrichtungen mit. An die Stelle der Lolzhütte trat nun hier und da das steinerne Laus mit dicken Mauern (murus), mehreren Kammern (camera), Fenstern (fenestra) und Türen (porta, Pforte). Die Lolzschindel und das Strohdach wurden vielfach durch die Ziegel (tegula) verdrängt. In den Gärten gediehen bald aus Italien und Gallien stammende Fruchtsorten, wie Äpfel, Birnen, Pfirsiche (persicum), Kirschen (cerasus) und Pflaumen Dazu wohlschmeckende Gemüsearten, wie Kohl und Spargel. Südliche Reben schmückten Lügel und Flußufer, und zahlreiche Winzer (vinator) kelterten ihre Trauben.
Bald kamen von Süden und Westen her die römischen Ländler. Einzeln und in Karawanen drangen sie auf den schmalen Waldwegen in das Innere Germaniens und brachten Tauschwaren mit: römische Münzen mit den Bildnissen der Kaiser, Waffen, Geräte für Feld und Garten und manches Schmuckstück für die germanischen Frauen: Armbänder, Ketten, Spangen und Spiegel. Dafür tauschte man Lörner und Läute der Tiere des Waldes, Gänsefedern, Mohrrüben und anderes ein. Mit den Gegenständen drangen auch die fremden Bezeichnungen ein und leben noch heute als „Lehnwörter" fort.
Nicht mit der gleichen Bequemlichkeit konnte der Germane römisches Gebiet betreten. Daran hinderte seit dem Ende des ersten Jahrhunderts der limes („Grenzwall"), auch Ladrianswall genannt, weil Kaiser Ladrian ihn vollendete. Das war eine von Regensburg bis Koblenz reichende, gegen sechzig Meilen lange Befestigung, die von der Donau bis in die Gegend von Schwäbisch-Gmünd aus einer zweieinhalb Meter hohen Bruchsteinmauer und
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114 V. Landesherrschasten und Reichsreform in Deutschland.
grafen von Lessen besaßen schon eine recht ansehnliche Macht. Nach solcher Festigung und Abrundung strebten auch die loser zusammen--gefügten Herrschaften des Südens und Westens, und so sind gerade Schwaben und Franken die Schauplätze des erbittertsten Ringens der Fürsten mit Städten und Rittern geworden, die sich der Aus-dehnung der fürstlichen Gewalt bisweilen mit Erfolg widersetzten. Reichsfreie Bauernschaften konnten sich jedoch nur an der friesischen Nordseeküste und im Schutze der Schweizer Berge behaupten.
In den um den Vierwaldstätter See gelegenen „Waldstätten" Schwyz, Uri, Unterwalden und Luzern übten die Labsburger Reichsvogtei- und andere Rechte aus. Den beiden ersteren hatte Friedrich Ii. Reichsfreiheit verliehen. Das erweckte auch in den Unterwaldnern, die mit ihnen in vielfachen Beziehungen standen, Luft, den Habsburgischen Einfluß abzuschütteln. Dies gelang ihnen zunächst nicht, und da Rudolf I. von seinen Rechten dort einen milden und gemäßigten Gebrauch machte, konnte diese Anabhängigkeitsbewegung zu seinen Lebzeiten keine rechte Kraft gewinnen. Erst nach seinem Tode (1291) schlossen die drei Bauernschaften einen „ewigen Bund" zur Aufrechterhaltung ihrer „alten Rechte". Auch unter Albrechts Regierung kam es im Widerspruch zu der in der Tellsage enthaltenen Überlieferung zu keinen Gewalttaten. Der Gegensatz gegen die Habsburger veranlaßte dann Leinnch Vii., den drei Orten ihre Reichsfreiheit zu verbriefen, und die Befugnisse der Labsburger wurden beseitigt. Nach der Doppelwahl von 1313 schlugen sich die „Schweizer" auf die bayrische Seite. Als 1315 Lerzog Leopold von Österreich, der Bruder Friedrichs des Schönen, gegen sie zog, erlitt er bei Morgarten eine schwere Niederlage. Der Ewige Bund wurde nunmehr erneuert und die Reichsfreiheit der Waldstätten von Kaiser Ludwig dem Bayern endgültig anerkannt. Bald schlossen sich auch die Lande Luzern, Zürich, Glarus, Zug und Bern an, freilich nicht ohne die Lerrfchaftsrechte benachbarter Fürsten, besonders der Labsburger, zu verletzen. Damit war der Bund der „acht alten Orte" fertig. Österreichische Ritterheere versuchten 1386 und 1388 das Land zu unterwerfen; die Niederlagen, die ihnen die Schweizer Bauern bei Sempach und Näfels bereiteten, bildeten wohl Grundlagen für die Tellsage. Auch in der Winkelriedsage ist die Kunde von der Tapferkeit und Öpferfreudigkeit der freiheitsliebenden Bergbewohner aufbewahrt worden. Als die Berner von Lerzog Karl dem Kühnen von Burgund das benachbarte Waadtland beanspruchten, konnte die Eidgenossenschaft gegen diesen mächtigen Fürsten sogar erobernd vorgehen. 1476 besiegten sie seine Söldnerscharen bei Granfon und Murten und drangen im folgenden Jahre sogar bis Nanzig vor, wo
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schwyz Unterwalden Luzern Glarus Sempach Murten Nanzig
Baukunst.
5
Wei, in Farbe oder Vergoldung, wendet aber auch wirklich Malerei an, wo er sie zum Beleben der Flche bentigt. Den neuen Stil, der lange flschlich als Um-bildung der Sptrenaissance galt, bezeichnet man als Barockstil nach dem por-tugiesischen Wort barroco = schiefrund", mit welchem auch in der Logik eine Schlufigur benannt wird, und legt somit den Nachdruck auf das Wunderliche, Unregelmige, während sein Wesen eher in malerischer Bewegung besteht. Wulst und Schwulst, wie er im Wortschwall der Literatur des 17. Jahrhunderts sich breit macht, eine Berhimmelung durch die Architektur und die Plastik, unterscheiden den Stil sehr von der gediegenen Form-
schnheit der Renais-sance.
Mit Unrecht hat man von einem Je-suitenstil im Kir-chenbau geredet. 3n der Anlage der Kir-chen hielten die Je-suiten, die eine eifrige Bauttigkeit entfal-teten, meist an den Grundstzen der Go-tik fest, bei der Aus-stattung trugen sie dem Ieitgeiste Rech-nung, oft mit groem (Beschmacke. Es verdient besondere Beachtung, da gerade der Lehrmeister der Renaissance, Mg-nola, die erste Ba-rockkirche J1 Gesti (S.3)inrom(1568)
baute, ein mit Ton-nengewlbe gedeck-tes Langhaus, an das sich der Kuppel-
bau schliet. Die von__
Giacomo della Porta Der Zwinger in Dresden.
erbeute massige Fassade ist durch ein Gesimse in ein Untergescho und einen im Giebel auslaufenden Oberbau geschieden und gegliedert durch Pilaster, belebt durch das Sulenportal, das von Sulchen eingerahmte Fenster darber, die Seitennischen fr Statuen und die Kartusche (Zierschild). 3m wesentlichen zeigen die im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts errichteten katholischen Pfarrkirchen diese Grundzge, erhalten aber oft zwiebelgekrnte Fronttrme mit aufsteigenden Pilastern.
Meister des Barockstils in Italien (1580-1680) waren Carlo Maderna (1556- 1639), der die Borhalle der Peterskirche in Rom schuf, Giovanni Lorertzo Bernini (1598 - 1680), der (Erbauer des Tabernakels in der St. Peterskirche
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Baukunst.
3
wie das Augsburger Zeughaus von Elias Holl 1615- 1620, bei aller Nchternheit der Form von monumentaler Wirkung. Ungefhr der gleichen Zeit gehrt an das Pellerhaus in Nrnberg (1605) und das Aschaffenburger Schlo, das der Straburger Georg Riedinger (1605- 1613) errichtete. Am Pellerhaus (Seite 1), erbaut von Wolff d. ., finden sich neben der Rustika und den Pilastern (Wand-pfeilern) sowie den reichgefllten Voluten (Schnecken an den Staffeln des Giebels) noch gotische berlieferungen, der Erker und der unechte Giebel, unecht, weil Dachfirst und Strae paral-lele Linie bil-den. Im all-gemeinen legt die deutsche Renaissance mehr Wert auf die Aus-
schmckung einzelner Bau-teile, als die
italienische,
wie dies na-mentlich die Portale, die Giebel und Erker und ein-zelne kleinere Kunstwerke (Brunnen,
Kamine und Tren) zeigen.
Vielfach scheint die Au-endekoration der Bauten eine Nachah-
mung von Fachwerk und der Aus-
schmckung bei ef, Rom.
von Innenrumen und Mbeln. Im Innern bringen die Baumeister reichste Dekoration an durch Holzschnitzereien, wie die im Kapitelsaal des Mnsterer Domes von Johann Kupper (1544-1552), das Getfel im Krameramthaus zu Mnster (1621), in Danzig (Artushof), Bremen, Lbeck (Fredenhagensches Zimmer) usw. Diese Neigung zu Ausschmckung der inneren Rume frderte das Kunstgewerbe auerordentlich. Den Werken der Kleinkunst des Mittelalters stehen daher die Schpfungen des Renais-sance-Handwerks an Schnheit und Reichtum der Ornamentik nicht nach. An Tren, an Wandgetfel, an Schrnken und Tischen findet sich eingelegte Holzarbeit (Intarsia)-Gitter, Schlsser gestalten der Kunstschmied und der Schlosser zu wundervollem Zier-werk; an den Kacheln zeigt der Tpfer sein Verstndnis fr Kunst; das Textilgewerbe
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Extrahierte Personennamen: Elias_Holl Georg_Riedinger Wolff Johann_Kupper Johann
Ornamentik, Bildhauerkunst.
11
In Arce Wa Wockelmpm
oder Menschenkpfen u. -Leibern (Grotesken von grotta)oder orten-talisierenden Blumenranken (Mau-resken) (Fig. 3 Aldegrever- oder Lederornament, Fig.4kandelaber-Schlichen). Viel kommt im 16. Iahrh. ein flaches Bandwerk mit runden Nagelkp-7 fen zur Verwen-
dung. Durch Umrollen zerschnittener Rnder entsteht das Rollwerk (Fig. 7), dessen sich auch noch das Barock gern zur Umrahmung der bauchigen Zierschilder (Kar-tuschen) bedient. Besonders aber liebt^es ppige Krnze aus Frchten und Blumen und das seltsame Knorpel- oder Ohrmuschelwerk (Fig. 8). Reichen derartigen Schmuck weisen namentlich Schrnke,
Kanzeln, Grabdenkmler des 17. Iahrh. auf.
Von dem Muschel- und Kurven-Geringel der Rokoko-Umrahmung geben Fig. 9 und 10 sowie S. 6 einen Begriff.
Unsymmetrie wird Regel, und dennoch herrscht im Wechsel der geschweiften Bogen, in den Wel-len der Bewegung ein gewisses Ebenma, wie die Lorbeer-zweige um das Quallen-Gebilde in Fig. 9 und die sanften Kur-ven in Fig. 10 zeigen. Die Wlbungen und Vertiefungen der Ranken (Fig. 9) erzeugen einen groen Reichtum von Licht-und Schattenwechsel, der bei aller Unruhe einen geflligen Ein-druck macht, freilich auch leicht-fertiger Koketterie gleicht.
Regelmigere Formen liebt der Zopfstil, der wieder die gerade Linie neben der ge-schwungenen zu Ehren bringt,
wieder Kpfe in die Gewinde einfgt (Fig. 12), allmhlich aber verflacht zu sinnlosen Draperien und Lorbeerwulsten um Urnen
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33
gischen Meeres bis nach Kreta, das bald zum Mittelpunkt der mykenischen Kultur wurde. Die Aoler besiedelten schon frhzeitig den Norden Kleinasiens (Troja. 6. Schicht.); ihre Kolonisation ging aus von to^^eon dem sprichwrtlich reichen Orchomenos in Botien, einem uralten Handels-Platz und Herrschersitz, mit dem die Sage vom goldenen Vlie und vom Argonautenzug verknpft ist.
Die Palste aus dem durch seine insulare Lage geschtzten Kreta, tretet, besonders in Knosos und Phaistos, waren offen und unbefestigt. Es befanden sich darin Wasserleitungen, Badestuben, Sle und ein Gewirr von Gngen (Labyrinth). Breite Treppen vor dem Opferaltar, die vielen Zuschauern die Teilnahme an der Kulthandlung ermglichten, scheinen das Urbild des griechischen Theaterbaues zu sein. Tiryns, Mykene Mykene^ und andere Städte des Festlandes waren dagegen stark befestigte Burgen und ~Lin3n~' wie das Homerische Troja, dessen Mauern 5 m breit sind. Die Unter-bauten waren von mchtigen ,Zyklopischen" Bruchsteinen auf-gefhrt und mit Lehm und kleinen Steinchen ausgefugt, während die Oberbauten aus getrockneten Ziegelsteinen bestanden. Zur Entlastung des Tragbalkens der Tre wurde, wie bei den gyptischen Pyramiden-kammern, ein dreieckiger Raum ausgespart, der hufig mit Skulpturen verziert war (z. B. das Lwentor in Mykene). Aus gypten hatte man auch die auf einem Stein sich erhebende Holzsule. In der Mitte des Hauptsaales befand sich ein runder Herd, der von Sulen umgeben war; diese trugen einen berhhten Teil der Decke, so da das Licht Zutritt hatte wie in den gyptischen Tempeln. In Mykene sind in den Fels gehauene Schachtgrber erhalten mit Totengaben, goldenen Toten-masken. Bechern u. dgl., und ferner groe Kuppelgrber (Schatz-haus des Atreus). Die Totenmasken weisen ebenso wieder auf gypten wie die in den guten Wandmalereien der Palste auftretenden Papyrus-stauden, während Stierleiber mit Menschenantlitz an Assyrien und Babylon erinnern. Auer Baukunst, Malerei und Skulptur blhten Keramik.
Weberei, Holzschnitzerei und auch die Metallindustrie; Dolchklingen mit der Darstellung von Lwenjagden und hnliche Dinge beweisen das (vgl. Daidalos). Merkwrdigerweise Haffen die Mykener bereits eine eigene, bis jetzt noch nicht entzifferte Schrift besessen, eine Bilderschrift und eine Linearschrift; anderseits scheinen sie aber die Sitte, aus Ton-tselchen zu schreiben, wiederum dem Orient entlehnt zu haben.
Es haben also mannigfache Berhrungen mit dem Morgenlande stattgesunden. Es blieb aber bei der Anregung; das zeigt die durchaus realistische Kunst, wo jede sklavische Nachahmung und jede Erstarrung fehlt. Da die griechische See- und Schiffersprache frei blieb von
Ksters-Mller, Lehrbuch der Geschichte des Altertums. 3
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