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1. Heimatkundliches Lesebuch - S. 144

1912 - Danzig : Kasemann
144 Heute kommt man jedoch zu der Erkenntnis, daß es ein Irrtum ist, nur das als Kunstprodukt anzusehen, was reichen Schmuck oder reichen Zierat aufweist. Wir müssen alle Erzeugnisse des Hausfleißes zur Volkskunst rechnen, weil sie aus einer selbständigen Fertigkeit hervorgehen. Der kaschubische Volksstamm ist von je her recht arm gewesen. Die meisten Dörfer lagen weit entfernt von der Stadt und waren von jeglichem Verkehr abgeschlossen. Der Boden ist in jenen Landstrichen äußerst mager. Arbeitsgelegenheit gab es, namentlich im Winter, nicht. Das Volk hatte hart mit dem Lebensunterhalt zu ringen, Geld war ein rarer Artikel. Die Leute waren gezwungen, alle zum täglichen Gebrauch im Hause und in der Landwirtschaft nötigen Gegenstände sich selbst anzufertigen. Daraus erklärt cs sich, daß gerade in der Kaschubei der Hausfleiß sehr verbreitet gewesen ist und sich in einigen entlegenen Ortschaften bis auf die Gegenwart erhalten hat. Ein jeder Gegenstand, den der Bauer in die Hand nahm, vom Holz- löffel bis zum Pflug, wurde von chm selbst an- gefertigt. Die Zimmer- einrichtung, das Mobiliar, ist bei dem kaschubischen Volksstamm niemals ein protzig-reiches gewesen. Aber erwägt man die bescheidenen Verhältnisse, unter denen das Volk damals wohnte, und be- trachtet man das Haus- gerät aus jener Zeit, sv muß man zugeben, daß der Geschmack, der Kunstsinn des Volkes, vor Jahrzehn- ten auf einer weit höheren Stufe stand als heute. Sehen wir uns jene alten, bemalten Schränke und Truhen an, wie man sie noch vereinzelt in den Hütten findet. Wie prächtig präsentiert sich der offene Geschirrschrank mit den blanken Löffeln in den Leisten und den buntbemalten alten Bauernschüsseln. Wie fein symmetrisch stehen seitlich die gedrehten Säulen, wie einfach und schön sind die Linien der oberen Ver- zierung. Betrachten wir daneben den Glasschrank, wie das Volk ihn heute auf dem Markte ersteht und der das höchste Ideal eines Kaschuben ist, so staunt man über die umsichgreifende Geschmacksverirrung. Ich fand in einem Bauernhause neben dem neumodischen Glasschrank auch den alten Geschirrschrank stehen, der noch recht gut erhalten war. Auf meine Frage, welcher Schrank wohl schöner sei, verglich der Bauer auf- merksam beide Stücke und kam zu dem Schlüsse: „Der alte Schrank sehe ja besser aus, aber das sei heute nicht mehr modern." Die unselige Mode ist also selbst in die fernsten Winkel der kaschubischen Dörfer eingedrungen und fegt den letzten Rest einer alten Kultur fort. Nicht der Geschmack des Volkes hat so barbarische Formen angenommen, sondern die Mode erweist sich als die größte Feindin der Überlieferungen.

2. Heimatkundliches Lesebuch - S. 145

1912 - Danzig : Kasemann
—- 145 — Das kaschubische Volk hat stets eine starke Vorliebe für bunte Farben gezeigt. Die Malerei hat als Volkskunst eine gewisse Bedeutung. Es gab eine Reihe Dorfkünstler, die die Truhen, Schränke, Stühle, Bettgestelle, Teller, Bilder usw. mit bunten Mustern verzierten. In den meisten Fällen sind die Ornamente bereits verwischt, aber soviel läßt sich noch erkennen, daß man sich ein Bild von ihrer Ursprünglichkeit machen kann. Der Hausfleiß des Spinnens und Webens stand in der Kaschubei in sehr hoher Blüte. Und auch bei dem Weben offenbarte sich die Vorliebe des Volkes für leuchtende Farben und buntemuster. Es sind prächtige Stoffe für Bettbezüge, Schürzen, Kleider ge- macht worden. Eine gewisse Berühmt- heit hat der kaschubische Warp erlangt, ein kräftiges Gewebe, bei dem Aufzug und Einschlag aus gesponnener Schaf- wolle sind. In der Färberei wurde der Stoff gewaschen, gewalkt und ge- färbt, für die Männerkleidung ein- farbig blau, für die Frauen rot oder grün mit schwarzen Streublümchen. In jeder Kreisstadt gab es eine Fär- berei, von denen die in Berent, Bütow und Konitz die bedeutendsten gewesen sind und sich bis auf die Gegenwart erhalten haben. Neben der Landwirtschaft betrieb der kaschubische Bauer die Fischerei, da die meisten Dörfer an einem See oder an einem Fluß liegen. Die Netze verschrieb der Fischer sich nicht aus der Fabrik, sondern er strickte sie aus selbstgesponnenem Garn. Männer und Frauen haben darin eine erstaunliche Fertigkeit erlangt. Die Technik entspricht genau der Filetarbeit. Die Zugseile drehten sich die Leute aus Kiefernwurzeln. Sie waren praktischer und namentlich billiger als die heutigen Hanfseile. Ein wirklich bodenständiges Erzeugnis des Hausfleißes waren die Wurzelflechtereien. Es gibt hier weite Strecken von Ödland, die mit kleinen verkümmerten Kiefern, den sog. Kuselnh, dicht bestanden sind. Sie haben zahllose dünne Wurzeln, die sich in dem mageren Erdreich weit hinaus- ziehen. Aus den geschälten Wurzeln werden allerhand Gebrauchsgegen- stände gemacht, als Maße zu Korn, Mehl und Kartoffeln; Behälter zu Pfeffer, Salz, Streichhölzchen, große Kiepen zum Korn, ja sogar Kannen und Feuereimer, die so dicht geflochten sind, daß kein Tropfen Wasser durchdringt. Einen Handelsartikel bilden noch heute die Lischken, eine Art zweiteiliger Spankörbe aus gerissenen Holzleisten, die sich sehr gut als Ver- sandkartons bewähren. ü Das „u" wird kurz gesprochen. Heimatkunde, Ii. Teil. Kaschubischer Fischer. 10

3. Heimatkundliches Lesebuch - S. 146

1912 - Danzig : Kasemann
146 Auch die Holzschnitzkunst wird von einigen Dorfkünstlern noch gepflegt, die namentlich Figuren für Wegekreuze anfertigen. Eine besondere ländliche Industrie, die ganz aus dem Bedürfnis des Volkes hervorgeht, ist die Anfertigung von Tabaksdosen. Der echte Kaschube ist kein Raucher, dafür aber ein um so leidenschaftlicherer Schnupfer. Und die Behälter für den Tabak, die Dosen, sind ein einheimisches Erzeugnis. Sie werden aus Birken-- oder Kirschbaumrinde und namentlich aus Rinder- gehörn angefertigt und mit Schnitzereien versehen. Auch den Tabak kaust sich der Kaschube nicht vom Krämer, sondern er macht sich ihn selbst. Früher hat er sich sogar seine Tabakstauden im Garten angebaut. Heute erwirbt er die Tabaksblätter im Dorfkrng, trocknet und zerschneidet sie und reibt sie in ei ner Schüssel mit r.'.uhem Boden zu feinem Ta- bakpulver. Es ist unleug- bar, daß der frühere Bauer mitseineraußer- vrdentlichen Ge- schicklichkeit dem heutigen Land- mann an Selb- ständigkeit lueit überlegen war. Der Dörfler von ehemals war ein Meister; sein ganzes Eigen- tum, vom Haus bis zum Holz- schuh, war oft das Werk seiner Hände. Der Bauer wußte nicht nur den Pflug zu führen, sondern er verstand ihn auch zu bauen. Heute überläßt der Dörfler schon das Aufstellen eines Zaunes dem Dorfhandwerker, und der arbeitet nach einem gewohnten Schema. Im allgemeinen ist man wohl der Ansicht, daß der Hansfleiß gänzlich erloschen ist. Für manche Landstriche trifft das auch zu, aber in den entlegenen Dörfern der Kaschubei ist er noch ziemlich stark verbreitet. Es werden eine Menge Gegenstände: Stühle, Ofenbänke, Körbe, Reusen, Lischken, Netze, Flachsschwingen usw. gefertigt. Das Spinnrad und den Webstuhl findet man noch in vielen Familien. Kleider aus selbstgefertigten Stoffen werden noch mehr getragen, als man anzunehmen pflegt. Soll man nun müßig zusehen, wie auch der letzte Rest einer alten Volkskunst, eines eingebürgerten Hausfleißes unwiederbringlich verloren geht? In Schweden hat man die Bedeutung, die der Hausfleiß für ein Volk hat, weit früher erkannt und sorgte für dessen Belebung Da war es namentlich Artur Hazelius, der Schöpfer des Nordischen Museums und des Freilichtmuseums in Skanson, der sich mit nie versagender Begeisterung in

4. Heimatkundliches Lesebuch - S. 291

1912 - Danzig : Kasemann
291 daß für den gesamten Heizbetrieb nach nicht einmal alle Späne verbraucht werden. Eine andere Anlage befördert die Sägespäne vom Sägewerk nach der Hauptkesselanlage. Das Sägewerk wird gewöhnlich von der Haupt- maschinenanlage der Stuhlfabrik elektrisch angetrieben, hat aber auch eine eigene Kessel- und Maschinenanlage, die gleichzeitig so disponiert ist, daß sie im Bedarfsfälle mittels elektrischer Übertragung auch als Reserve für die Hauptfabrik benutzt werden kann. ^Eine interessante Anlage dient der Trocknung des Holzes. Während für die Trocknung an der freien Luft Jahr und Tag nötig ist, genügen in den künstlich erwärmten Trockenkammern 5—8 Tage. Einen Übelstand, daß bei der trockenen Hitze die Trocknung im Holze von außen nach innen geht und dadurch häufig ein Springen des Holzes veranlaßt wird, hat ein neueres System mit feuchter Wärme nach englischem Muster beseitigt. Zwar bleibt das Holz dabei zunächst noch feucht, trocknet aber bei der Möglichkeit, höhere Temperaturen anzuwenden, von innen nach außen und wird gleichfalls in etwa acht Tagen gebrauchsfertig. Trotz der Tagesproduktion von mehr als 1000 Stühlen erfordert die Fertigstellung des einzelnen Stuhles bei der intensiven Teilung der Arbeit einen Zeitraum von etwa einer Woche, also länger als der Handwerker, der alle Teile nacheinander selbst fertigt, benötigt, dafür ist aber eine Gewähr für vollständige Gleichheit der einzelnen Stücke in einem Maße gegeben, wie es bei Handarbeit mit primitiven Maschinen nicht annähernd der Fall ist. Das Sägewerk dient fast ausschließlich zum Einschnitt des eigenen Be- darfes an Holz, der sich jährlich ans etwa 12000 Festmeter Rohhvlz stellt. Es werden in der Fabrik sämtliche Zargenstühle in allen Holzarten und Ausführungen hergestellt, und zwar in etwa 2000 verschiedenen Formen und Ausführungen. Der größte Teil der Produktion wird auf dem deutschen Markt umgesetzt, ein verhältnismäßig nicht unbedeutender Bruchteil wird teils nach den Nachbarländern, teils nach überseeischen Ländern exportiert. Für den überseeischen Export kommt ausschließlich der der Fabrik durch verschiedene Patente geschützte zerleg- und zusammenschraubbare Resiak-Stuhl in Frage, bei welchem statt der verleimten Zapfen verdeckte, also äußerlich nicht sichtbare Metallschraubenverbindungen zur Anwendung kommen Durch Herstellung von selbsttätigen Feuerlösch-Einrichtungen nach engli- schem und amerikanischem System (sogenannten Sprinkleranlagen) ist mit einem Kostenaufwand von über 50000 Mk. nach menschlicher Berechnung kiinftig dem Auftreten von umfangreichen Schadenfeuern vorgebeugt; dem- selben Gesichtspunkte wurde bei der Einrichtung der Transmissionsanlage, die bei einer Holzbearbeitungsfabrik unter gewöhnlichen Umständen als er- hebliche Gefahrenstelle anzusehen ist, Rechnung getragen. Die Thorner Pfefferkuchen. ""kehr noch als durch seine bewegte Geschichte und durch seine inter- essanten Bauten ist Thorn durch seine Honigkuchen überall bekannt. Schon in der ersten Zeit ihres Bestehens wurden in der alten Weichselstadt Honig-

5. Heimatkundliches Lesebuch - S. 243

1912 - Danzig : Kasemann
243 (hl lifo..'3 j Hl 9 l«il Kirche zu Rumian (Kreis Löbau), Schurzholzbau vou 1714. Farbiger Schmuck war in alter Zeit oft vorhanden, aber sehr wenig ist davon geblieben. Das schönste Beispiel für eine Gewölbemalerei des 14. Jahrhunderts birgt die jüngst instandgesetzte Kirche zu Dörbeck. Aber auch die späteren Jahrhunderte waren farbenfreudig und, wo irgend die Mittel ausreichten, schmückte man die Decke mit einem reichen Teppich figürlicher oder ornamentaler Malerei, so in Lemberg (Kr. Strasburg), Gnrske (Kr. Thorn), in Gnojau und Gr. Montau (Kr. Marienburg) und in vielen evangelischen Kirchen des Marienburger, Elbinger und Danziger Werders. Die Ausstattung mit Altären, Kanzeln, Beichtstühlen, Orgelprospekten und Kirchenbünken ist verschieden, je nachdem wir uns im wohlhabenden Werder oder in den wenig ertragreichen Gebieten des pvmmerellischen Land- rückens befinden; aber immer war die Gemeinde bestrebt, mit Liebe das Beste für das Gotteshaus zu beschaffen und hat damit denn auch Hervorragendes erreicht. Die Altäre sind wohl ausnahmslos von städtischen Tischlern und Schnitzern bezogen, die Gestühle und die Anstriche aber öfter von dörflichen Handwerkern hergestellt, wirkliche Erzeugnisse der Volkskunst. Holzkirchen, wie die katholischen zu Rosenthal und Zwiniarz (Kr. Löbau) oder Lesno (Kr. Konitz) können in dieser Hinsicht als Meisterwerke gelten. Ebenso interessant, wenn auch auf anderem geistigen Boden erwachsen, sind die Niederungskirchen zu Schönbaum (1644), Steegen, Tiegenort, Katznase (1706) u. a. m. Hier fallen besonders, als Eigenart lutherischer Kirchen-Verfafiung,

6. Heimatkundliches Lesebuch - S. 338

1912 - Danzig : Kasemann
338 man darin Messerchen aus Feuerstein, Pfeilspitzen, Steingerüte und Scherben von Tongefäßen. Die ersten Bewohner Westpreußens hatten also schon feste Wohnsitze und hielten Haustiere. Sie scheinen auch schon ein wenig Acker- bau getrieben zu haben; denn einige gefundene Steingeräte lassen sich nur als Hacken erklären, mit denen man den Boden lockerte. Was von Gräbern aus der Steinzeit er- halten geblieben ist, weist auf eine doppelte Bestattungsart hin: entweder begrub man die Leiche in liegender Stellung, oder man ver- brannte sie und setzte die Asche in Urnen bei. Man gab dem Verstorbenen einige Waffen und Geräte, die er im Leben gebraucht hatte, mit ins Grab. Jedenfalls glaubte man, daß er sie im jenseitigen Leben gebrauchen werde. Es sind nur sehr wenig Gräber aus der Steinzeit entdeckt worden, weil die Stein- kreise, die man über dem Grabe errichtete, Bronzespirale meistens längst zerstört worden sind. aus dickem Wir dürfen nicht annehmen, daß; die Bronzeband. Menschen der Vorzeit in völliger Weltabge- schiedenheit dahinlebten. Es bestand schon damals ein Verkehr mit den Nachbarvölkern, man tauschte Erzeugnisse der Heimat gegen Produkte der Fremde aus. Durch den Zwischenhandel von Volk zu Volk fand manches seinen Weg aus weiter Ferne auch in unser abgelegenes Weichsel-Ostsee-Land. Auf diese Weise lernten unsre Altvordern metallene Geräte und Waffen kennen, die ihren alten Steinsachen überlegen waren. Der Häuptling eines Weichselgaues, der zuerst Gefallen fand an den glänzenden Bronzesachen, die der Händler aus dem Süden mitgebracht hatte, und den ersten ehernen Kelt, das erste goldglünzende Schmuckstück aus Bronze erwarb, ahnte gewiß nicht, daß er damit einer neuen Kultur die Tür öff- nete. Es dauerte frei- lich lange, bis oie Gewandnadel (Brillensibel) aus Bronze, alten Steingeräte durch die eingeführten Bronzesachen verdrängt wurden. Als das leicht formbare, glänzende Metall den starren, unscheinbaren Stein besiegt hatte und die Bronzekultur auf ihrer Höhe stand, war auch in Sitte und Brauch ein Wandel eingetreten. Wir sind verhältnismäßig gut über gewisse Abschnitte der west- preußischen Bronzezeit unterrichtet. Waffen, Geräte und Schmucksachen jener Zeit sind in nicht geringer Anzahl anfge- funden worden. Nicht selten sind ganze Lager von Bronze- schwert. fachen zum Vorschein gekommen, die vielleicht einstmals der

7. Heimatkundliches Lesebuch - S. 339

1912 - Danzig : Kasemann
339 Erde in Gewahrsam gegeben worden sind, später aber nicht mehr von dem Eigentümer gehoben werden konnten. Solche Schatzfunde enthalten prächtige Armbänder, Ringhalskragen, Gewandnadeln, Gehänge, Schwerter und Dolche mit kunstreich verzierten Griffen, Kette, verzierte Gefäße, Trinkhörner u. a. m. Offenbar schätzte man hier nicht nur die Brauchbarkeit der Bronzesachen, sondern erfreute sich auch an ihrer schönen Form. In dieser Zeit wurden die Leichen in ihrem vollen Schmuck auf dem Scheiterhaufen verbrannt; die Asche sammelte man in Urnen und setzte diese in Steinkammern bei, die man aus Steinplatten zusammenfügte. Diese Steinkisten, in denen nach und nach die Urnen einer Familie beigesetzt wurden, sind entweder über der Erde ausgeführt und mit einem ansehn- lichen Grabhügel bedeckt (Hügelgräber), oder man setzte sie unter der Erde zusammen (Steinkisten- gräber). Besonderes In- teresse verdienen die haupt- sächlich in Pommerellen vorkommenden „Gesichts- urnen". Am Halse, dem deutlich abgesetzten oberen Teile der Urne, seltener auch am Bauche, finden sich plastische Darstellun- gen des menschlichen Ant- litzes: Nase und Ohren, Augen und Mund, zu- weilen auch Augenbrauen, Kinn und Bart; manch- mal kommen noch Dar- stellungen der Hände und Arme auf dem Bauche der Urne hinzu. Die Ohren sind nicht selten durchbohrt und mit Gehängen aus Bronze oder Kaurimuscheln geschmückt; manchmal ist auch ein Bronzering um den Hals der Urne gelegt. Die Urnendeckel haben die Gestalt von Mützen, Hüten oder Helmen. Eingeritzte Zeichnungen von Schmuckstücken und Waffen vervollständigen manchmal die Nachbildung der menschlichen Figur; doch finden sich hin und wieder auch Zeichnungen von Wagen, Reitern, Tieren, Bäumen auf den Urnen. Offenbar sollten die Gesichtsurnen ein Abbild des Verstorbenen geben, dessen Asche sie bargen. Wir können an ihnen noch die Tracht der Bronzezeit erkennen. Endlich wurde hier auch das Eisen bekannt. Breite und lange Schwerter, ferner Lanzenspitzen und Schildbeschläge, Hämmer, Feilen, Nadeln, Scheren usw. aus Eisen finden sich in Gräbern, die etwa aus der Zeit der Geburt Christi stammen. Man gab sich jetzt bei der Bestattung

8. Heimatkundliches Lesebuch - S. 341

1912 - Danzig : Kasemann
341 (Pommerellen) Wenden, tut Süden Polen; das rechts von der Weichsel gelegene Gebiet der Provinz hatten, ebenso wie Ostpreußen, die heidnischen Preußen (Pruzzen) inne, ein in Sprache und nach Abstammung den Lithauern verwandtes Volk, das jedoch südlich der Ossa, im Culmer Lande, stark pv- lonisiert und mit Polen gemischt war. Die heidnische Bevölkerung Westpreußens unterhielt außer mit den deutschen Nachbarn in dem oben genannten Zeitraum sehr lebhafte Handels- beziehungen mit den mohamedanifchen Reichen des Orients. Von dort ge- langte viel arabisches Geld (kufische Münzen) ditrch Handelsaustausch hier- her, außerdem lieferten die arabischen Handelsplätze unserm Norden Weine, Früchte, leinene, seidene und baumwollene Stosse, von denen im Laufe der Zeit nichts als die arabischen Namen sich erhalten haben, wie Damast, Atlas, Kattun usw.; wahrscheinlich wurden auch Waffen, Geräte, Schiffstaue, Kauri- muscheln und Glasperlen ausgeführt, ferner zahlreiche Schmucksachen aus Silber, Hals- und Armringe aus mehreren gewundenen Silberdrähten usw., endlich die sogenannten Hakenringe, kleine offene Ringe ans Silber von der Gestalt eines Hakens, deren eines Ende schleifenförmig umgebogen ist. Dafür lieferte unser Norden den Arabern Sklaven, Mammutszähne, Jagdfalken, Vieh, Leder, besonders aber Pelze vom Fuchs, Zobel, Hermelin, Wiesel, Biber, Eichhörnchen und Hasen, Fischleim und Fischzähne, Honig, Wachs, Getreide, Bernstein. Schwerter, Panzer, Pfeile und Pelzmützen; die zahlreichen Geräte aus Eisen, wie Äxte, Messer, Pfeilspitzen, Lanzen usw. wurden wahr- scheinlich hier verfertigt. Es find uns nun aus jener Zeit in Westpreußen auch Überreste von Wohnplätzen erhalten, nämlich Pfahlbauten in einigen Seen, z. B. im Lonkorreker See (Kr. Löbau), im Skarliner See (Kr. Strasburg) usw. Aber auch die Burg wälle, zwar in erster Linie für Verteidigungszwecke bestimmt, find zum Teil auch bewohnt worden. Die Erbanungsart der Burgwälle wurde überall genau der Ört- lichkeit angepaßt, und es lassen sich in dieser Beziehung verschiedene Typen unterscheiden. Als vornehmster Typus sind die Ringwälle zu nennen, die dort an- gelegt wurden, wo ein Schutz auf allen Seiten nötig war, also auf ebenem Gelände oder auf flachen, leicht ersteigbaren Hügeln. Wie die Ringwälle erbaut wurden, darüber gibt einen guten Aufschluß ein Bericht des Ibrahim ibn Jaküb, der im Jahre 973, wahrscheinlich als Arzt, eine Sarazenen- Gesandtschaft an den Kaiser Otto I. nach Merseburg begleitete. Er sagte darin folgendes: „Wenn sie (die Slaven) eine Burg gründen wollen, so suchen sie ein Weideland, welches an Wasser oder Rvhrsümpfen reich ist und stecken dort einen runden oder viereckigen Platz ab, je nach der Gestalt und dem Umfang, welche sie der Burg geben wollen. Dann ziehen sie darum einen Graben und häufen die aufgeworfene Erde auf. Diese Erde wird mit Brettern und Balken so fest gestampft, bis sie die Härte von Pisé (tapia) erhalten hat. Ist dann die Mauer (der Wall) bis zur erforderten Höhe aufgeführt, so wird an der Seite, welche man auswählt, ein Tor abgemessen und von diesem eine hölzerne Brücke über den Graben gebaut." Ju dieser Schilderung ist zunächst bemerkenswert, daß der Wall, rund oder viereckig, in sich geschloffen war. Ferner, die Erde zur Errichtung des

9. Heimatkundliches Lesebuch - S. 334

1912 - Danzig : Kasemann
.334 Ans grauer Bvrzeit. „Folgen sich doch wie die Blätter am Baume die Menschengeschlechter! Welkende streut auf die Erde der Wind, und andere neue Bildet der knospende Wald im wiedergeborenen Friibling. Ebenso wächst ein Menschengeschlecht, und das andere schwindet" ^der null die Geschlechter zählen, die einst aus unserem heimischen Baden lebten, ins Grab sanken und ihres Lebens Frucht auf Söhne und Enkel vererbten? Es geziemt sich, ihrer mit Pietät zu gedenken; zehren wir dach heute nach von dem Erbteil derer, die vor uns waren. Darum ver- nehmen wir gern die Kunde aus alter Zeit, wie sie uns der Mund der Sage in poetischer Verklärung erzählt und der Griffel der Geschichte wahrheits- getreu aufzeichnet. Freilich ist es nur eine kurze Spanne Zeit, von der die Geschichte unserer Heimat zu berichten weiß: nur etwa ein Jahrtausend reichen die ältesten Urkunden zurück. Und doch hat sich unzweifelhaft auch auf westpreußischem Boden durch mehrere Jahrtausende vorher manches wechselvolle Völkerschicksal abgespielt, von dem uns keine Kunde ward. Kein Geschichtsschreiber erzählt uns, welcher Volksstamm zuerst das Weichsel- Ostsee-Land besiedelte, welche Sprache er redete, welchem Gott er diente; wir erfahren nichts von feinen Fürsten und streitbaren Helden, seinen Kämpfen, seinen Siegen und seinem Untergange, wie wir auch nichts wissen von dem Volke, das seine Erbschaft antrat und später weitergab. Ein tiefes Dunkel lagert über der ältesten Vorzeit unserer Heimat. Und doch ist dieses Dunkel für unser Auge nicht ganz undurchdringlich. Es läßt sich manche Spur verfolgen bis in weit entlegene Zeiten. Im Schoße der Erde finden wir die Urkunden, die Zeugnis ablegen von einer Zeit, von der uns sonst keine Chronik, keine Sage, kein Lied berichtet. Da ruht in uralten Gräbern die Asche derer, die hier einst lebten, und mit dieser Asche zusammen so manches Werkzeug, manche Waffe, manches Schmuckstück, das man den Toten mit ins Grab gab. Anderes kam zufällig in die Erde oder wurde ihr bei besonderen Anlässen übergeben. Was nicht aus unver- wüstlichen Stoffen bestand, sondern etwa aus Holz, Leder, Bast, Gewebe, ist natürlich längst vermodert; nur Gegenstände aus Stein, Knochen, Horn und Metall konnten sich Jahrtausende hindurch erhalten. Der Spaten des ge- lehrten Forschers fördert jetzt diese Zeugen einer längst vergangenen Zeit zutage; aber auch der Pflug des Landmannes oder das Grabscheit des Erd- arbeiters stößt manchmal auf diese seltsamen Überbleibsel, die der Unkundige dann wohl staunend betrachtet oder achtlos wegwirft, wenn sie unansehnlich sind. Die Forscher aber, die nach Urkunden über das Leben der Vorzeit suchen, sammeln sorgfältig alle Funde aus alter Zeit. Im Provinzial- Museum zu Danzig findet man sie in großen Schränken aufgespeichert, und man kann Stunden und Stunden vor diesen Schränken zubringen, so viel gibt es da zu sehen, und so viel haben diese stummen Sammlungen zu er- zählen aus grauer, grauer Vorzeit. Wer die ausgestellten Sachen zuerst einzeln betrachtet hat und dann noch einmal das Ganze überschaut, der wird herausfinden, daß die Funde Zeugnis ablegen von einer allmählichen Entwicklung der Kultur auf unserm

10. Heimatkundliches Lesebuch - S. 335

1912 - Danzig : Kasemann
335 heimischen Boden. Wir sehen, daß es eine Zeit gab, in der man hier noch kein Metall kannte, wo man vielmehr die unentbehrlichen Werkzeuge und Waffen aus anderen einigermaßen geeigneten Stoffen herstellte, die man in der Natur vorfand. Da schlug man sich aus Feuerstein größere oder kleinere scharfkantige Späne zurecht, mit denen man schneiden und schaben, auch Knochen und Horn bearbeiten konnte. Man lernte ferner aus den überall herumliegenden harten Steinen Hämmer, Meißel und Beile herstellen. Die Zeit, in der man sich mit Geräten aus Stein, Knochen und Horn behelfen mußte, weil Metalle noch unbekannt waren, nennt man die Steinzeit. Die Steininstrumente sind gewiß viele Jahrhunderte im Gebrauch gewesen, bis man die Verwendung von Metall kennen lernte. Etwa anderthalb Jahr- tausende vor Christi Geburt wurde hier die erste Bekanntschaft mit dem Metall gemacht, indem von Süden her Werkzeuge, Waffen und Schmuck- sachen aus Bronze eingeführt wurden Die Bronzegeräte verdrängten die Steinsachen allmählich und waren ungefähr eintausend Jahre im Gebrauch, bis man auch hier das Eisen kennen lernte, das sich bis auf unsere Tage als das geeignetste Material zu den verschiedensten Werkzeugen bewährt hat. Auf die Steinzeit folgte also die Bronzezeit, auf diese die Eisenzeit. Wenn wir nun versuchen, an der Hand der ältesten Funde uns ein Bild von dein Leben und Treiben der vorgeschichtlichen Bewohner Westpreußens zu machen, so dürfen wir nicht erwarten, daß dieses Bild vollständig sein wird, da sich, wie bereits gesagt, nur ein Teil ihrer Gerät- schaften erhalten hat. Auch sonst wird es uns nicht leicht fallen, uns in jene Zeit mit ganz anderen Lebensverhältnissen zu versetzen. Wo die Reste der ältesten Kultur auf westpreußischem Boden uns Rätsel aufgeben, da werden wir zum Vergleich das heranziehen müssen, was uns Reisende von sogenannten „wilden" Völkern erzählen, die jetzt noch auf einer ähnlichen Kulturstufe leben wie die ersten Bewohner Westpreußens. Wir werden zunächst kennen zu lernen wünschen, welche Werkzeuge die Menschen der Steinzeit an Stelle unserer Messer und Äxte benutzten, die auch unter den einfachsten Verhältnissen unentbehrlich sind. Nun, die Her- stellung von Messern verursachte den Steinzeitmenschen nicht gerade besondere Schwierigkeiten. Es war ihnen nicht entgangen, daß der Feuerstein durch einen Schlag mit einem andern Steine leicht gespalten und gesplittert werden könne. Durch geschickt geführte Schläge splitterten sie von einem Feuerstein- kern Späne und Splitter mit scharfkantigen Rändern ab, die sich ohne weiteres als Messer benutzen ließen, da der Feuerstein sehr hart ist. Manche kleine Feuersteinsplitter wurden quer gefaßt und konnten als Schaber viel- fach Verwendung sinden, z. B. zum Zurechtmachen der Felle, zum Säubern der Knochen, zum Glätten des Holzes oder bei der Bearbeitung von Knochen, Horn und Bernstein. Man hat mehrere Stellen in der Provinz entdeckt, wo ehemals Feuersteinsachen angefertigt worden sind; dort fand man eine ganze Menge von Messerchen und Schabern, sowie die Steinkerne, von denen sie abgeschlagen worden sind. Größere schneidende Werkzeuge, die auch als Waffen dienen konnten, wurden ebenfalls aus Stein hergestellt, jedoch weniger aus Feuerstein, als vielmehr aus anderem harten Gestein. Solche Geräte sind in Westpreußen recht zahlreich gefunden worden. Es sind nicht etwa roh zugeschlagene Steine, deren scharfe Kanten eine Schneide bilden, sondern meistens schön geformte Heimatkunde, Ii. Teil. oo
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