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Marienwerder.
Zweckdienlich und schön ist jeder Raum gestaltet, und zwanglos kommt
seine Bedeutung nach außen zum Ausdruck. Dennoch ist alles, wie des
Ordens Glieder selbst, streng geeint in eine große gesetzmäßige Erscheinung:
jenes Banviereck, welches wie eine Bergschroffe weithin die Landschaft be-
herrscht. Gespannt von dieser Eigenart hat man darin wohl den Geist
wuchtiger, straffer friederizianischer Staatskunst verkörpert sehen wollen,
Welcher den Orden und seine Meister in der Schule des großen Hohen-
staufen erfaßte.
Solch hohes Komturschloß, mit mehrfachen Terrassen, Mauern und
Gräben umgeben und mit den erdenklichsten Mitteln gesichert, war füglich
uneinnehmbar. Die Festigkeit gelang aber nur dadurch, daß außer Besatzung
und Vorräten aller Wirtschaftsballast daraus ferngehalten und in Vorburgen
abgeschoben war. Das aber waren Dinge von beträchtlichem Umfang; denn
eine Ordenskomturei war darauf angewiesen, den Unterhalt aus eigenem
Natural- und Handelsbetrieb zu beschaffen: die Erzeugnisse aus Feld und
Wald, Rosse und Schlachtvieh, die Barmittel für Beschaffung der Bauten,
für Haus- und Küchengerät. Dazu gehörten Stallungen, Speicher, Scheunen,
Werkstätten, Mühlbetrieb und Wohnungen für Gesinde, Handwerker und
Amtleute aller Art. Die Vorburgen dehnten sich deshalb gewaltig aus,
waren oft zwei- oder dreigestaltig und selbständig befestigt, immer aber von
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(Pommerellen) Wenden, tut Süden Polen; das rechts von der Weichsel
gelegene Gebiet der Provinz hatten, ebenso wie Ostpreußen, die heidnischen
Preußen (Pruzzen) inne, ein in Sprache und nach Abstammung den Lithauern
verwandtes Volk, das jedoch südlich der Ossa, im Culmer Lande, stark pv-
lonisiert und mit Polen gemischt war.
Die heidnische Bevölkerung Westpreußens unterhielt außer mit den
deutschen Nachbarn in dem oben genannten Zeitraum sehr lebhafte Handels-
beziehungen mit den mohamedanifchen Reichen des Orients. Von dort ge-
langte viel arabisches Geld (kufische Münzen) ditrch Handelsaustausch hier-
her, außerdem lieferten die arabischen Handelsplätze unserm Norden Weine,
Früchte, leinene, seidene und baumwollene Stosse, von denen im Laufe der
Zeit nichts als die arabischen Namen sich erhalten haben, wie Damast, Atlas,
Kattun usw.; wahrscheinlich wurden auch Waffen, Geräte, Schiffstaue, Kauri-
muscheln und Glasperlen ausgeführt, ferner zahlreiche Schmucksachen aus
Silber, Hals- und Armringe aus mehreren gewundenen Silberdrähten usw.,
endlich die sogenannten Hakenringe, kleine offene Ringe ans Silber von der
Gestalt eines Hakens, deren eines Ende schleifenförmig umgebogen ist. Dafür
lieferte unser Norden den Arabern Sklaven, Mammutszähne, Jagdfalken,
Vieh, Leder, besonders aber Pelze vom Fuchs, Zobel, Hermelin, Wiesel,
Biber, Eichhörnchen und Hasen, Fischleim und Fischzähne, Honig, Wachs,
Getreide, Bernstein. Schwerter, Panzer, Pfeile und Pelzmützen; die zahlreichen
Geräte aus Eisen, wie Äxte, Messer, Pfeilspitzen, Lanzen usw. wurden wahr-
scheinlich hier verfertigt.
Es find uns nun aus jener Zeit in Westpreußen auch Überreste von
Wohnplätzen erhalten, nämlich Pfahlbauten in einigen Seen, z. B. im
Lonkorreker See (Kr. Löbau), im Skarliner See (Kr. Strasburg) usw. Aber
auch die Burg wälle, zwar in erster Linie für Verteidigungszwecke bestimmt,
find zum Teil auch bewohnt worden.
Die Erbanungsart der Burgwälle wurde überall genau der Ört-
lichkeit angepaßt, und es lassen sich in dieser Beziehung verschiedene
Typen unterscheiden.
Als vornehmster Typus sind die Ringwälle zu nennen, die dort an-
gelegt wurden, wo ein Schutz auf allen Seiten nötig war, also auf ebenem
Gelände oder auf flachen, leicht ersteigbaren Hügeln. Wie die Ringwälle
erbaut wurden, darüber gibt einen guten Aufschluß ein Bericht des Ibrahim
ibn Jaküb, der im Jahre 973, wahrscheinlich als Arzt, eine Sarazenen-
Gesandtschaft an den Kaiser Otto I. nach Merseburg begleitete. Er sagte
darin folgendes:
„Wenn sie (die Slaven) eine Burg gründen wollen, so suchen sie ein
Weideland, welches an Wasser oder Rvhrsümpfen reich ist und stecken dort
einen runden oder viereckigen Platz ab, je nach der Gestalt und dem Umfang,
welche sie der Burg geben wollen. Dann ziehen sie darum einen Graben
und häufen die aufgeworfene Erde auf. Diese Erde wird mit Brettern und
Balken so fest gestampft, bis sie die Härte von Pisé (tapia) erhalten hat.
Ist dann die Mauer (der Wall) bis zur erforderten Höhe aufgeführt, so
wird an der Seite, welche man auswählt, ein Tor abgemessen und von
diesem eine hölzerne Brücke über den Graben gebaut."
Ju dieser Schilderung ist zunächst bemerkenswert, daß der Wall, rund
oder viereckig, in sich geschloffen war. Ferner, die Erde zur Errichtung des
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trugen 120 Millionen Taler. Die landwirtschaftlichen Besitzungen waren so
heruntergekommen, daß sie in Sulchastationen um 1/e, ja um V10 ihres
heutigen Wertes verkauft wurden. Die Kriegsschulden der einzelnen Städte
waren sehr groß: so betrug die von Elbing über 2000000, die von Danzig
12000000 Taler. Auch um das Schulwesen stand es schlecht: ganz West-
preußen hatte 1816 nur 1133 Volksschulen. Ganz besonders erschrecklich
waren die Zustände natürlich in den entlegenen Gegenden der Provinz, der
Tuchler Heide und der sogenannten Kassubei. Dafür ist charakteristisch eine
Beschreibung, die der Oberforstmeister von Pannewitz in Marienwerder noch
1829 entwarf und in der es folgendermaßen heißt: „Besonders roh sind die
polnischen Bewohner der Wälder, namentlich der Tuchelschen Heide und in
Kassuben. Die Nahrung dieser Menschen ist mit der der Haustiere oft ganz
gleich. Ihr Bart und das Haupthaar wird nicht gekämmt, und die Kleidung
besteht in grober Leinwand und einer Art selbstbereitetem hellblauen, groben
Tuch, welches im Winter den schmutzigen, gelbbraunen Körper oft nur zum
Teil bedeckt, denn häufig sieht man selbst sechs- bis achtjährige Kinder beim
Froste im Hemde und barfuß im Schnee herumlaufen. Ein Strick befestigt
die Kleidung um den Leib und vertritt die Stelle von Schnallen, Nadeln
usw., deren in dieser Wildnis niemand bedarf. Viele dieser Halbwilden in
den Wäldern haben das ganze Jahr kein Brot im Hause, sondern genießen
es höchstens, wenn sie sich in der Stadt oder bei kirchlichen Anlässen etwas
zugute tun wollen. Manche haben nie Brot gekostet, und eine Delikatesse
ist es, wenn sie an Feiertagen das zwischen Steinen gequetschte Getreide zu
einem ungesäuerten Teig bilden und es in Kuchenform in der heißen Asche
backen. Die in ausgehöhlten Baumstämmen durch Klopfen selbst roh und
elend bereitete Graupe, ferner Sauerkohl, Kohlrüben, Buchweizen, Erbsen,
Kartoffeln und schmacklose Kräuter sind nächst der Milch das Hauptnahrungs-
mittel dieser Waldbewohner und überhaupt der meisten Landbewohner. Die
jungen Triebe der Kiefern, mit Wasser gekocht und dann bloß mit Salz
verzehrt, geben in der Tuchelschen Heide hie und da auch eine Speise ab;
sogar roh verzehren sie die Hirtenknaben. Die von Raupen, Staub und
Regen beschmutzten Blätter der Futterrüben werden ungewaschen auf das
Dach gebreitet, dort ohne Schutz getrocknet und so im Winter als Gemüse
in Suppen verzehrt. Pilze, selbst die der schlechtesten Art, sind eine Leckerei
für die Waldbewohner, werden aber für jeden andern ungenießbar zubereitet.
Fleisch ist eine seltene Speise und kommt in den Waldgegenden zuweilen
jahrelang nicht auf den Tisch; es wird daher das minder kraftgebende
Gemüse in oft unglaublich großen Massen verschlungen Zu dieser elenden
Lebensart kommt nun noch die ungemein große Unreinlichkeit, welche sich
kaum beschreiben läßt; Kopf, Bart, Kleider wimmeln von Ungeziefer; der
Körper wird fast nie gewaschen; Seife kennt der polnische Bauer garnicht,
und das vielleicht alle vier Wochen gewechselte Hemd wird, wie überhaupt
die Wäsche, auf einen Stein im Flusse oder See gelegt, dort angefeuchtet,
mit einem Stück Holz tüchtig geklopft, dann ausgerungen und getrocknet."
Ebenso elend waren die Wohnungsverhältnisse. „Schweine, Kälber und
Gänse leben oft in vertraulichem Vereine mit den Bewohnern, ein plumper
Tisch und eine rohe Bank und desgleichen Bettgestell und höchstens einige
Klötze zum Sitzen, ein schwarzgrauer Sack mit Moos, Stroh und selten
mit schlechten Federn als Bett, alles selbst gefertigt, eine große Wassertonne,
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