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1. Geschichte - S. 143

1871 - Freiburg im Breisgau : Herder
143 in ihren verschanzten Lagern stehen. Eiu Sturm, den die Schweden auf Wallensteins Lager unternahmen, mißlang gänzlich. Bei Lützen dagegen kam es zu einer mörderischen Schlacht, in welcher der König den zweifelhaften Sieg mit seinem eigenen Leben erkaufte (16. Nov. 1632). Vou uuu an leitete der Kanzler Oxenstierna die Angelegenheiten der Schweden und ihrer protestantischen Verbündeten. Indessen fehlte die Einigkeit unter ihren Generälen, und Wallenstein hätte durch seinen überlegenen Geist leicht seinen kaiserlichen Herrn zum Sieger machen können. Statt dessen knüpfte er treuloser Weise mit den Schweden und Franzosen geheime Unterhandlungen an und wurde deßhalb, übrigens ohne Wissen und Willen des Kaisers, als Verräther in Eger ermordet. Der Kampf dauerte noch 14 Jahre, hauptsächlich durch Frankreichs Schuld, das nun auch seine Heere, nicht bloß seine Gelder, in das unglückliche Deutschland entsendete, mit wechselndem Glücke fort. Endlich aber verlangte alles den lang entbehrten Frieden, der 1648 zu Münster und Osnabrück zu Staude kam und wegen der Lage der erstgenannten Stadt der westphälische genannt wird. Hinsichtlich der Religionsverhältnisse wurden die früheren Verträge erneuert, d. i. den Protestanten gleich den Katholiken freie Religionsübung eingeräumt und zugleich festgesetzt, daß sie alle Kirchen und Kirchengüter behalten sollten, welche sie seit dem Jahre 1624 besaßen. Schweden dagegen erhielt bedeutende Besitzungen tu Deutschland, Sitz und Stimme auf dem Reichstage, und nach all' den schrecklichen Verwüstungen, die seine beutesüchtigen Kriegsschaaren in Deutschland angerichtet und die ihren Namen noch jetzt zum Schrecken jedes Freundes des Vaterlandes machen, anch noch 5 Millionen Thaler Kriegsentschädigung. Deß-gleichen bekam Frankreich außer einer Reihe deutscher Festungen das herrliche Elsaß. Das sonst so blühende Vaterland selbst aber bot einen Entsetzen erregenden Anblicks dar. Tausende von Dörfern und Städten lagen in Schutt und Asche, und heimatlos irrten die unglücklichen Bewohner umher. Ganze Gegenden waren in schauerliche Wüsten verwandelt. Felder lagen nnangebant, Handel und Gewerbe stockten. Dagegen vermehrten sich in den verödeten Landstrichen die wilden Thiere und drangen bis

2. Geschichte - S. 19

1871 - Freiburg im Breisgau : Herder
19 ward es auch unter dem Kessel lebendig: die Salpetersteine zerschmolzen, vermischten sich mit der Asche und dem Sande, und als das Feuer ausgebrannt war, verhärtete sich der Brei zu einer schönen, blanken, durchsichtigen Masse und wurde — Glas. Ein anderes mal weidete ein phönizischer Hirt seine Heerde nicht weit vom Meeresstrande. Sein Hund schnobert überall umher und kommt endlich zurück mit blutendem Maule. Der Hirt will den Schaden besehen, wischt die Schnauze des Hundes mit einer Flocke Wolle, aber siehe da! es ist kein Blut, sondern ein Saft, und nach einigem Suchen findet der Hirt eine zerbissene Schnecke. Eine schönere Farbe hatte der Hirt nie gesehen; er macht die Sache bekannt, man versucht es, Zeuge mit diesem Safte zu färben, was vortrefflich gelingt. Diese Purpurkleider wurden im Alterthum so kostbar geachtet, daß nur Könige und sonst sehr reiche Leute dergleichen tragen konnten. Der reiche Prasser im Evangelium z. B. kleidete sich in Purpur. Das Glas hatte bei den Phöniziern weniger Nutzen als bei uns; sie brauchten es nur als Münze und Putzwerk. Trinkgefäße verfertigten die Alten überhaupt aus Thon, Holz, Blech, Gold oder Silber; Fensterscheiben hat man in dem warmen Morgenlande nicht nothwendig; man schloß die Oeffnnngen höchstens durch Vorhänge, und statt der Spiegel, die erst später vorkamen, waren polierte Metallplatten im Gebrauch. Noch wichtiger ist für uns die Buchstabenschrift, deren Erfindung ebenfalls den Phöniziern zugeschrieben wird. Die Phönizier hatten nur 16 Buchstaben und schrieben von der Rechten zur Liuken, und alle, die von ihnen schreiben lernten, folgten ihrem Beispiele, z. B. die Israeliten, Chaldäer, Araber. Die Griechen schrieben nachher die erste Zeile nach der Rechten, die zweite nach der Linken, die dritte wieder nach der Rechten und so abwechselnd, ohne abzusetzen. Dies nannte man Bnstrophedon, Ochsenwendung, weil die Ochsen beim Pflügen so gehen. Noch später schrieben die Griechen bloß nach der Rechten hin. Man schrieb auf gepreßte Palmblätter, auf feine Lindenrinden, auf Leinwand, auf ägyptischen Papyrus, auf Thierhäute, die nirgends so trefflich zubereitet wurden wie in Perga-mns, und daher Pergament hießen. Man hatte schwarze

3. Geschichte - S. 99

1871 - Freiburg im Breisgau : Herder
99 Pferden über Deutschland, das, zumal da gerade ein Kind auf dem Throne saß, zu unmächtig zum Widerstände war. Wo sie immer hinkamen, wurden die unerhörtesten Grausamkeiten verübt, alles Tragbare als Beute fortgenommen und viele tausend Männer, Weiber und Kinder an den Haaren zusammengebunden und in die Knechtschaft der Barbaren fortgeführt. Da wurde endlich ein thatkräftiger, dabei weiser und gerechter Mann, Heinrich, Herzog der Sachsen, zum Könige der Deutschen erwählt (reg. 919—936). Um sich der gefürchteten Ungarn zu entledigen, wandte er einen neunjährigen Waffenstillstand, den er erkaufte, dazu an, seine Deutschen in der Kampfweise der Feinde einzuüben, lehrte sie in geschlossenen Reihen fechten, schnelle Schwenkungen machen rc. Feruer liest er, da es damals in Deutschland uoch au großen Festungen fehlte und die Städte noch nicht mit Mauern und Wällen umgeben waren, alte Städte befestigen und mehrere Burgen bauen. Der neunte Mann vom Lande mußte iu die Stadt ziehen und die übrigen acht für ihn das Feld mitbauen. Auch der dritte Theil des Getreides wurde in die festen Plätze König Heinrich I. 5*

4. Heimatkundliches Lesebuch - S. 144

1912 - Danzig : Kasemann
144 Heute kommt man jedoch zu der Erkenntnis, daß es ein Irrtum ist, nur das als Kunstprodukt anzusehen, was reichen Schmuck oder reichen Zierat aufweist. Wir müssen alle Erzeugnisse des Hausfleißes zur Volkskunst rechnen, weil sie aus einer selbständigen Fertigkeit hervorgehen. Der kaschubische Volksstamm ist von je her recht arm gewesen. Die meisten Dörfer lagen weit entfernt von der Stadt und waren von jeglichem Verkehr abgeschlossen. Der Boden ist in jenen Landstrichen äußerst mager. Arbeitsgelegenheit gab es, namentlich im Winter, nicht. Das Volk hatte hart mit dem Lebensunterhalt zu ringen, Geld war ein rarer Artikel. Die Leute waren gezwungen, alle zum täglichen Gebrauch im Hause und in der Landwirtschaft nötigen Gegenstände sich selbst anzufertigen. Daraus erklärt cs sich, daß gerade in der Kaschubei der Hausfleiß sehr verbreitet gewesen ist und sich in einigen entlegenen Ortschaften bis auf die Gegenwart erhalten hat. Ein jeder Gegenstand, den der Bauer in die Hand nahm, vom Holz- löffel bis zum Pflug, wurde von chm selbst an- gefertigt. Die Zimmer- einrichtung, das Mobiliar, ist bei dem kaschubischen Volksstamm niemals ein protzig-reiches gewesen. Aber erwägt man die bescheidenen Verhältnisse, unter denen das Volk damals wohnte, und be- trachtet man das Haus- gerät aus jener Zeit, sv muß man zugeben, daß der Geschmack, der Kunstsinn des Volkes, vor Jahrzehn- ten auf einer weit höheren Stufe stand als heute. Sehen wir uns jene alten, bemalten Schränke und Truhen an, wie man sie noch vereinzelt in den Hütten findet. Wie prächtig präsentiert sich der offene Geschirrschrank mit den blanken Löffeln in den Leisten und den buntbemalten alten Bauernschüsseln. Wie fein symmetrisch stehen seitlich die gedrehten Säulen, wie einfach und schön sind die Linien der oberen Ver- zierung. Betrachten wir daneben den Glasschrank, wie das Volk ihn heute auf dem Markte ersteht und der das höchste Ideal eines Kaschuben ist, so staunt man über die umsichgreifende Geschmacksverirrung. Ich fand in einem Bauernhause neben dem neumodischen Glasschrank auch den alten Geschirrschrank stehen, der noch recht gut erhalten war. Auf meine Frage, welcher Schrank wohl schöner sei, verglich der Bauer auf- merksam beide Stücke und kam zu dem Schlüsse: „Der alte Schrank sehe ja besser aus, aber das sei heute nicht mehr modern." Die unselige Mode ist also selbst in die fernsten Winkel der kaschubischen Dörfer eingedrungen und fegt den letzten Rest einer alten Kultur fort. Nicht der Geschmack des Volkes hat so barbarische Formen angenommen, sondern die Mode erweist sich als die größte Feindin der Überlieferungen.

5. Heimatkundliches Lesebuch - S. 387

1912 - Danzig : Kasemann
— 387 - Marienwerder. Zweckdienlich und schön ist jeder Raum gestaltet, und zwanglos kommt seine Bedeutung nach außen zum Ausdruck. Dennoch ist alles, wie des Ordens Glieder selbst, streng geeint in eine große gesetzmäßige Erscheinung: jenes Banviereck, welches wie eine Bergschroffe weithin die Landschaft be- herrscht. Gespannt von dieser Eigenart hat man darin wohl den Geist wuchtiger, straffer friederizianischer Staatskunst verkörpert sehen wollen, Welcher den Orden und seine Meister in der Schule des großen Hohen- staufen erfaßte. Solch hohes Komturschloß, mit mehrfachen Terrassen, Mauern und Gräben umgeben und mit den erdenklichsten Mitteln gesichert, war füglich uneinnehmbar. Die Festigkeit gelang aber nur dadurch, daß außer Besatzung und Vorräten aller Wirtschaftsballast daraus ferngehalten und in Vorburgen abgeschoben war. Das aber waren Dinge von beträchtlichem Umfang; denn eine Ordenskomturei war darauf angewiesen, den Unterhalt aus eigenem Natural- und Handelsbetrieb zu beschaffen: die Erzeugnisse aus Feld und Wald, Rosse und Schlachtvieh, die Barmittel für Beschaffung der Bauten, für Haus- und Küchengerät. Dazu gehörten Stallungen, Speicher, Scheunen, Werkstätten, Mühlbetrieb und Wohnungen für Gesinde, Handwerker und Amtleute aller Art. Die Vorburgen dehnten sich deshalb gewaltig aus, waren oft zwei- oder dreigestaltig und selbständig befestigt, immer aber von

6. Heimatkundliches Lesebuch - S. 341

1912 - Danzig : Kasemann
341 (Pommerellen) Wenden, tut Süden Polen; das rechts von der Weichsel gelegene Gebiet der Provinz hatten, ebenso wie Ostpreußen, die heidnischen Preußen (Pruzzen) inne, ein in Sprache und nach Abstammung den Lithauern verwandtes Volk, das jedoch südlich der Ossa, im Culmer Lande, stark pv- lonisiert und mit Polen gemischt war. Die heidnische Bevölkerung Westpreußens unterhielt außer mit den deutschen Nachbarn in dem oben genannten Zeitraum sehr lebhafte Handels- beziehungen mit den mohamedanifchen Reichen des Orients. Von dort ge- langte viel arabisches Geld (kufische Münzen) ditrch Handelsaustausch hier- her, außerdem lieferten die arabischen Handelsplätze unserm Norden Weine, Früchte, leinene, seidene und baumwollene Stosse, von denen im Laufe der Zeit nichts als die arabischen Namen sich erhalten haben, wie Damast, Atlas, Kattun usw.; wahrscheinlich wurden auch Waffen, Geräte, Schiffstaue, Kauri- muscheln und Glasperlen ausgeführt, ferner zahlreiche Schmucksachen aus Silber, Hals- und Armringe aus mehreren gewundenen Silberdrähten usw., endlich die sogenannten Hakenringe, kleine offene Ringe ans Silber von der Gestalt eines Hakens, deren eines Ende schleifenförmig umgebogen ist. Dafür lieferte unser Norden den Arabern Sklaven, Mammutszähne, Jagdfalken, Vieh, Leder, besonders aber Pelze vom Fuchs, Zobel, Hermelin, Wiesel, Biber, Eichhörnchen und Hasen, Fischleim und Fischzähne, Honig, Wachs, Getreide, Bernstein. Schwerter, Panzer, Pfeile und Pelzmützen; die zahlreichen Geräte aus Eisen, wie Äxte, Messer, Pfeilspitzen, Lanzen usw. wurden wahr- scheinlich hier verfertigt. Es find uns nun aus jener Zeit in Westpreußen auch Überreste von Wohnplätzen erhalten, nämlich Pfahlbauten in einigen Seen, z. B. im Lonkorreker See (Kr. Löbau), im Skarliner See (Kr. Strasburg) usw. Aber auch die Burg wälle, zwar in erster Linie für Verteidigungszwecke bestimmt, find zum Teil auch bewohnt worden. Die Erbanungsart der Burgwälle wurde überall genau der Ört- lichkeit angepaßt, und es lassen sich in dieser Beziehung verschiedene Typen unterscheiden. Als vornehmster Typus sind die Ringwälle zu nennen, die dort an- gelegt wurden, wo ein Schutz auf allen Seiten nötig war, also auf ebenem Gelände oder auf flachen, leicht ersteigbaren Hügeln. Wie die Ringwälle erbaut wurden, darüber gibt einen guten Aufschluß ein Bericht des Ibrahim ibn Jaküb, der im Jahre 973, wahrscheinlich als Arzt, eine Sarazenen- Gesandtschaft an den Kaiser Otto I. nach Merseburg begleitete. Er sagte darin folgendes: „Wenn sie (die Slaven) eine Burg gründen wollen, so suchen sie ein Weideland, welches an Wasser oder Rvhrsümpfen reich ist und stecken dort einen runden oder viereckigen Platz ab, je nach der Gestalt und dem Umfang, welche sie der Burg geben wollen. Dann ziehen sie darum einen Graben und häufen die aufgeworfene Erde auf. Diese Erde wird mit Brettern und Balken so fest gestampft, bis sie die Härte von Pisé (tapia) erhalten hat. Ist dann die Mauer (der Wall) bis zur erforderten Höhe aufgeführt, so wird an der Seite, welche man auswählt, ein Tor abgemessen und von diesem eine hölzerne Brücke über den Graben gebaut." Ju dieser Schilderung ist zunächst bemerkenswert, daß der Wall, rund oder viereckig, in sich geschloffen war. Ferner, die Erde zur Errichtung des

7. Heimatkundliches Lesebuch - S. 448

1912 - Danzig : Kasemann
448 Die Kulturarbeit Friedrichs des Großen in Westpreußen. Die Richtigkeit des bekannten Wortes: „Mannen machen die Geschichte" beweist die Geschichte keines Landes überzeugender als die Geschichte Preußens. Denn was Preußen geworden ist, ist es lediglich durch die Hohenzollern geworden. Sie haben trotz der Ungunst der Verhältnisse und "der Feind- schaft ihrer Nachbarn ihr Land von kleinen Anfängen zu einem der herrlichsten der Weltgeschichte erhoben, weil sie, getragen vom tiefsten Pflichtgefühl, ihre reichen Kräfte zu allen Zeiten selbstlos in den Dienst ihres Landes und Volkes stellten. Unter den Schöpfern preußischer Größe aber überragt alle Friedrich der Große. Nicht nur hat er als genialer Feldherr die Fahnen Preußens mit unerhörten Lorbeeren überschüttet und unter den Kümmernissen und Nöten langer Kriegsjahre das preußische Volk zusammengeschmiedet wie Eisen unter dem Feuer, noch Größeres hat er geleistet als Organisator und Kultivator seines Landes. Keine Provinz aber hat seine segensreiche organi- satorische Tätigkeit mehr erfahren als Westpreußen. Durch die Teilungsverträge von 1772 erhielt Preußen von Polen, das nach dem Aussterben der Jagellonen, unter denen es zu einer glänzenden Machtfülle emporstieg, bereits im Niedergänge war, das Bistum Ermland, die Woidwodschaften Marienburg, Kulm und Pommerellen mit Ausnahme der Städte Danzig und Thorn, dazu Teile der großpolnischen Woidwod- schaften Posen, Gnesen, Hohensalza und Brzesk, die dann der Finanzrat v. Brenckenhoff noch bis zu den Quellen der Netze erweiterte. Diese Er- werbung, die nirgends Widerstand fand, war nicht nur politisch notwendig, um Ostpreußen mit den übrigen Teilen der Monarchie zu verbinden, sondern gab vor allen Dingen dem Könige Friedrich die Gelegenheit, mit seiner gewaltigen Kraft die westpreußischen Landesteile aus den Ruinen zu neuem Leben zu erwecken. Einst zur Zeit des deutschen Ordensstaates war Westprenßen ein glück- liches Land, das auf allen Gebieten des wirtschaftlichen Lebens eine unver- gleichliche Blüte sah. Aber seit dem zweiten Thorner Frieden, vor allem seit dem Lubliner Dekret von 1569, das die Personalunion zwischen Polen und Westpreußen aufhob, änderten sich seine Zustünde. Die Berichte der Kommissare Friedrichs überbieten sich förmlich in Schilderungen der jämmer- lichen Verhältnisse, die sie in Stadt und Land vorfanden. Ein Viertel des Ackerlandes war überhaupt nicht bebaut, das übrige ausgesogen, die Wiesen versumpft, die Waldungen verwirtschaftet. Nicht besser sah es in den Städten aus, die vielfach bei dem Darniederliegen jeder gewerblichen und kommerziellen Tätigkeit in Schutt und Trümmern lagen, so daß in Kulm von 800 Häusern nur noch 100 bewohnbar waren. Elend war die Lebenshaltung besonders der ländlichen Bevölkerung, die, leibeigen, verkaufbar und vertauschbar,, kümmerlich ernährt, ohne Liebe zur Scholle in Hütten hauste, die kaum ge- eignet waren, menschlichen Wesen zum Aufenthalt zu dienen, lind während der Bauer in Trägheit und Indolenz dahinlebte, vergeudete der Adel seine Kraft in einem wilden Genußleben. Da schritt nun der König Friedrich sofort nach Übernahme der Provinz zu seiner großartigen Kulturarbeit und setzte alles auf preußischen Fuß.

8. Heimatkundliches Lesebuch - S. 315

1912 - Danzig : Kasemann
315 gewaltig gewesen, daß, um die in die Wege geleiteten Unternehmungen aus- führen zu können, neben den über 60 Millionen eigener Volksangehöriger noch mehr als 1/2 Million ausländischer Arbeitskräfte beschäftigt werden; und dennoch ist Mangel an ausführenden Händen. Welch eine bedeutsame Rührigkeit und welch ein großer Zug unseres Volkes zu Tüchtigkeit und Leistung! Und nicht nur die wirtschaftliche Seite unseres Volkslebens — Nationalreichtum, Ausgestaltung des Verkehrs, bedeutsame Beteiligung am Welthandel — hat durch den Aufschwung gewonnen; es sind auch andere Güter von idealer Bedeutung gewonnen: in die unteren Schichten des Volkes ist Kultur und Bildungsbedürfnis gekommen, und wir sind politisch in der Welt in eine der ersten Stellen gerückt. Leider aber wirkt ja gewöhnlich jede große Entwickelung auf andere Verhältnisse hemmend, oftmals sogar verhängnisvoll und zerstörend. Das Anwachsen unserer Industrie hat ein das gesunde Maß weit überschreitendes Anwachsen der großen Städte herbeigeführt und viele der kleinen Städte in die Reihen der mittleren herausgerückt und hat eine selbsttätige Be- siedlung und Bevölkerung unseres platten Landes, wie es unserer Volks- vermehrung entsprechen müßte, erheblich gehindert. Die Industrie hat an sich gerissen, was auf dem Lande ohne Grundbesitz lebte; unser ländliches Ar- beitervolk hat sie uns fortgezogen. Die Volksvermehrung — der Überschuß der Geburten über die Todesfälle — ist abgeflossen in die Städte, und so groß ist das Hinströmen nach dem städtischen Leben, daß wir in dieser Bewegung in der Welt fast obenan stehen und nur noch von Nordamerika übertroffen werden. Durch das ständig steigende Anwachsen der Städte ist natürlich die Lebenshaltung allgemein verteuert, denn anders, wenn die Lebensmittel bis zum Verbraucher nur einen kurzen Weg zu passieren haben, anders, wenn sie durch viele Abschnitte des Zwischenhandels, der in jeder Station seinen Gewinnzoll fordert, hindurchgehen müssen. Und eine derartige Entwickelung der Bevölkerungsverteilung ist auch für die Erhaltung der Volksgesundheit sehr schädlich. Das Leben in den Städten ist aufreibend, Beschäftigungsart und falscher Lebensgenuß verderben Nerven und Blut. Und die Folge für den Staat ist, daß die Zahl der Militärtauglichen abnimmt. Auch die Säuglingssterblichkeit in den Städten ist durch die schlechten Wohnungs- und Ernährungsverhältnisse erhöht. Gegenüber diesen schädlichen Einflüssen ist das Landvolk der Jungbrunnen, aus dem Ersatz für die verlorene Kraft geschöpft wird, — wenn er reichlich gefüllt ist. — Wir haben in den letzten 50 Jahren in Westpreußen durch den Abzug des Landvolkes in die Städte schwere Verluste erlitten. Durch die Land- flucht sind nicht nur der Landwirtschaft — Gütern und bäuerlichen Be- trieben — die notwendigen Arbeitskräfte entzogen, es sind auch die Dörfer von Handwerkern und Gewerbetreibenden entblößt, das gewerbliche und soziale Leben in den Dörfern ist verödet. Da ist es erfreulich, daß sich denn doch in den letzten Jahren allmählich eine die Schäden günstig be- einflussende rückläufige Bewegung geltend gemacht hat, eine gesunde Arbeit, welche an die Fortbildung aller Verhältnisse, die eine kräftige Steigerung des ländlichen Lebens herbeizuführen geeignet sind, beherzt und tatkräftig Hand anlegt und bestrebt ist, zu sorgen, daß der Vergleich zwischen Stadt und Land im Kopfe des Landmanns, des Arbeiters nicht stets nur zu Un- gunsten des Landes ausfällt. „Warum sollte es nicht möglich sein, die

9. Heimatkundliches Lesebuch - S. 499

1912 - Danzig : Kasemann
499 trugen 120 Millionen Taler. Die landwirtschaftlichen Besitzungen waren so heruntergekommen, daß sie in Sulchastationen um 1/e, ja um V10 ihres heutigen Wertes verkauft wurden. Die Kriegsschulden der einzelnen Städte waren sehr groß: so betrug die von Elbing über 2000000, die von Danzig 12000000 Taler. Auch um das Schulwesen stand es schlecht: ganz West- preußen hatte 1816 nur 1133 Volksschulen. Ganz besonders erschrecklich waren die Zustände natürlich in den entlegenen Gegenden der Provinz, der Tuchler Heide und der sogenannten Kassubei. Dafür ist charakteristisch eine Beschreibung, die der Oberforstmeister von Pannewitz in Marienwerder noch 1829 entwarf und in der es folgendermaßen heißt: „Besonders roh sind die polnischen Bewohner der Wälder, namentlich der Tuchelschen Heide und in Kassuben. Die Nahrung dieser Menschen ist mit der der Haustiere oft ganz gleich. Ihr Bart und das Haupthaar wird nicht gekämmt, und die Kleidung besteht in grober Leinwand und einer Art selbstbereitetem hellblauen, groben Tuch, welches im Winter den schmutzigen, gelbbraunen Körper oft nur zum Teil bedeckt, denn häufig sieht man selbst sechs- bis achtjährige Kinder beim Froste im Hemde und barfuß im Schnee herumlaufen. Ein Strick befestigt die Kleidung um den Leib und vertritt die Stelle von Schnallen, Nadeln usw., deren in dieser Wildnis niemand bedarf. Viele dieser Halbwilden in den Wäldern haben das ganze Jahr kein Brot im Hause, sondern genießen es höchstens, wenn sie sich in der Stadt oder bei kirchlichen Anlässen etwas zugute tun wollen. Manche haben nie Brot gekostet, und eine Delikatesse ist es, wenn sie an Feiertagen das zwischen Steinen gequetschte Getreide zu einem ungesäuerten Teig bilden und es in Kuchenform in der heißen Asche backen. Die in ausgehöhlten Baumstämmen durch Klopfen selbst roh und elend bereitete Graupe, ferner Sauerkohl, Kohlrüben, Buchweizen, Erbsen, Kartoffeln und schmacklose Kräuter sind nächst der Milch das Hauptnahrungs- mittel dieser Waldbewohner und überhaupt der meisten Landbewohner. Die jungen Triebe der Kiefern, mit Wasser gekocht und dann bloß mit Salz verzehrt, geben in der Tuchelschen Heide hie und da auch eine Speise ab; sogar roh verzehren sie die Hirtenknaben. Die von Raupen, Staub und Regen beschmutzten Blätter der Futterrüben werden ungewaschen auf das Dach gebreitet, dort ohne Schutz getrocknet und so im Winter als Gemüse in Suppen verzehrt. Pilze, selbst die der schlechtesten Art, sind eine Leckerei für die Waldbewohner, werden aber für jeden andern ungenießbar zubereitet. Fleisch ist eine seltene Speise und kommt in den Waldgegenden zuweilen jahrelang nicht auf den Tisch; es wird daher das minder kraftgebende Gemüse in oft unglaublich großen Massen verschlungen Zu dieser elenden Lebensart kommt nun noch die ungemein große Unreinlichkeit, welche sich kaum beschreiben läßt; Kopf, Bart, Kleider wimmeln von Ungeziefer; der Körper wird fast nie gewaschen; Seife kennt der polnische Bauer garnicht, und das vielleicht alle vier Wochen gewechselte Hemd wird, wie überhaupt die Wäsche, auf einen Stein im Flusse oder See gelegt, dort angefeuchtet, mit einem Stück Holz tüchtig geklopft, dann ausgerungen und getrocknet." Ebenso elend waren die Wohnungsverhältnisse. „Schweine, Kälber und Gänse leben oft in vertraulichem Vereine mit den Bewohnern, ein plumper Tisch und eine rohe Bank und desgleichen Bettgestell und höchstens einige Klötze zum Sitzen, ein schwarzgrauer Sack mit Moos, Stroh und selten mit schlechten Federn als Bett, alles selbst gefertigt, eine große Wassertonne,

10. Heimatkundliches Lesebuch - S. 95

1912 - Danzig : Kasemann
95 — so daß eine neue Oberförsterei gebildet werden konnte. Füllt erst an beiden Seiten der Pilow der angelegte Wald die noch vorhandene Lücke ans, dann wird auch in der Breite die Heide 24 Kilometer betragen. In den sandigen Fluren am Rande der Heide gedeihu spärlicher Roggen, Hafer und Flachs, sowie eine gute Kartoffel und die Lupine. Aus Mangel an genügendem Stroh wird Waldstreu, das sind die zusammengeharkten Nadeln des Kiefernwaldes, dem Vieh untergeworfen. Rindvieh und Pferde sind nicht von besonderer Güte, dagegen werden Schweine, Schafe und Gänse mit gutem Erfolg gezogen. Wie in der Kaschnbei, so werden auch hier die Gänse meistens vor Eintritt des Herbstes an Händler verkauft und gehen in die Weite. Das arme Volk arbeitet in der Heide beim Holzfällen oder bei den Aufforstungen. Frauen und Kinder sammeln Pilze und Beeren, hauptsäch- lich Erd-, Blau- und Preißelbeereu. Wie mühselig ist aber die Gewinnung und der Absatz dieser Waldfrüchte und dessen, was die Landwirtschaft, Vieh- und Geflügelzucht hervorbringt, da die nächste Stadt 15 Kilometer entfernt ist. Zum großen Teil dienen die Beeren und Pilze daher den Leuten im Sommer tagaus, tagein zur Nahrung. Wie andere Gegenden des Ostens liefert auch der Dt. Krouer Kreis eine große Anzahl Sachsengänger und Dienstboten für Berlin. In den Städten ringt der Bürger ebenfalls schwer um sein Fortkommen. Der Stadtbewohner, auch wenn er Handwerker ist, pflegt sich nebenbei etwas Land und Vieh zu halten (Ackerbürger), und er gehört ebenfalls zu den Schweinezüchtern. Einige Zweige des Gewerbefleißes, wie die Tuchmacherei (Flanelle), die Schuhmacherei (z. B. in Jastrow) und die Tabakverarbeitung sind zu ansehnlicher Blüte gekommen und werden hier und da fabrikmäßig betrieben. Die ehemals zahlreichen Eisenhämmer an der Pilow beschränken sich heute auf die Herstellung von Pflugscharen in Roharbeit. Sonst wird die Wasserkraft der Flüsse noch zu Holzschueidemühleu und in dem Dorfe Betkenhammer an der Küddow zur Pappeerzeugung benutzt. Vor 30 Jahren noch berührte keine Eisenbahn den Kreis; die Ostbahn führte in einiger Ent- fernung vorüber. Jetzt ist von der wichtigen Ostbahnstation Schneidemühl ans nach zwei Richtungen die Verbindung hergestellt. Da die Geschichte dieses Grenzlandes viel von Fehde und Krieg, von Brand und Raub erzählt und der Fürsorge des Deutschen Ritterordens entbehrt hat, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn kuustgeschichtliche Bauten der Vorzeit kaum hier vorkommen. Sehr bezeichnend ist, daß einige Dörfer noch Glocken, aber keine Kirchen haben. Schlösser und Burgen zur Verteidigung des Landes in früherer Zeit werden wohl ge- nannt, aber die alten Burgen und die Befestigungen der Städte bis in das 15. Jahrhundert hinein, bestanden aus Holz, in Verbindung mit Planken- zäunen, Wall und Graben. Sie konnten daher gründlicher als an anderen Orten zerstört werden und sind spurlos verschwunden. Reste von Stadt- mauern, wie in anderen westpreußischeu Städten (Schlochau, Konitz, Mewe, Stuhm usw.) gibt es in allen fünf Städten des Kreises überhaupt nicht. An alte Befestigungen erinnern der Schloßberg auf dem Klatteuwerder in dem Gr. Raduu-See bei Dt. Krone, der Schloßberg auf einer Halb- insel am Südende des Gr. Böthin-Sees, dessen Burg „Bitom" in Ur- kunden erwähnt ist und sich im Namen des Sees erhalten hat, und der
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