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Jphigenia auf Tauris
(von Göthe).
(Als der Zug gegen Troja unternommen ward, hatten die Griechen
den Agamemnon zum obersten Heerführer gewählt. Widrige Winde hin-
derten die Ausfahrt der in Aulis versammelten Schiffe, und der Oberpriester
Kalchas erklärte, Diana sei Schuld daran und könne nur dadurch versöhnt
werden, daß ihr Agamemnon seine Tochter Jphigenia zum Opfer bringe.
Agamemnon schickte sich an, das Opfer zu bringen; im entscheidenden Augen-
blicke aber ward Jphigenia von der Göttin in einer Wolke nach Tauris
entrückt. Die Griechen segelten ab; Klytämnestra aber, Agamemnon's Ge-
mahlin, konnte diesem seine Opferbereitwilligkeit nicht vergeben, und aus
Zorn über ihn schenkte sie in seiner Abwesenheit den Werbungen des Aegisth
Gehör, welcher ihn mit Hilfe Klhtämnestra's bei seiner Rückkehr ermordete.
Orestes, der Sohn Agamemnon's, zum Manne herangewachsen, erschlug
die Mutter und ward zur Strafe der Blutthat von Furien verfolgt, so daß
er nirgends Ruhe finden konnte. Auf Befragung des Delphischen Apollo
ward er beschieden, daß er nur dann Ruhe finden könne, wenn er die
Schwester aus dem Taurischen Tempel entführte und nach Griechenland
brächte. Da er nicht wußte, daß seine eigene Schwester dort als Priesterin
der Diana lebte, so konnte er nur denken, daß Apollo damit das berühmte
Götterbild seiner (Apollo's) Schwester Diana meinte.
Er reist mit seinem Freunde Phlades nach Tauris, wo sie, von den
Einwohnern gefangen, der Sitte gemäß geopfert werden sollen. Jphigenia,
die Priesterin, soll das Opfer vollziehen und erkennt den Bruder.)
Dritter Akt. Erster Auftritt.
Jphigenia. Orest.
Jphigenia. Unglücklicher, ich löse deine Bande
Zum Zeichen eines schmerzlichern Geschicks.
Die Freiheit, die das Heiligthum gewährt,
Ist, wie der letzte lichte Lebensblick
Des schwer Erkrankten, Todesbote. Noch
Kann ich es mir und darf es mir nicht sagen,
Daß ihr verloren seid! Wie könnt' ich euch
Mit mörderischer Hand dem Tode weihen?
Und Niemand, wer es sei, darf euer Haupt,
So lang' ich Priesterin Dianens bin,
Berühren. Doch verweigr' ich jene Pflicht,
Wie sie der aufgebrachte König fordert,
So wählt er eine meiner Jungfrau'n mir
Zur Folgerin, und ich vermag alsdann
Mit heißem Wunsch allein euch beizustehn.
O werther Landsmann! Selbst der letzte Knecht,
Der an den Herd der Vatergötter streifte.
Ist uns in fremdem Lande hoch willkommen:
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Wie deine schöne Freude mir verräth:
So bändige dein Herz und halt' es fest!
Denn unerträglich muß dem Fröhlichen
Ein jäher Rückfall in die Schmerzen sein.
Du weißt nur, merk' ich, Agamemnon's Tod.
Jphigenia. Hab' ich an dieser Nachricht nicht genug?
Orest. Du hast des Gräuels Hälfte nur erfahren.
Jphigenia. Was fürcht' ich noch? Orest, Elektra leben.
Orest. Und fürchtest du für Klytämnestren nichts?
Jphigenia. Sie rettet weder Hoffnung, weder Furcht.
Orest. Auch schied sie aus dem Land der Hoffnung ab.
Jphigenia. Vergoß sie reuig wüthend selbst ihr Blut?
Orest. Nein, doch ihr eigen Blut gab ihr den Tod.
Jphigenia. Sprich deutlicher, daß ich nicht länger sinne.
Die Ungewißheit schlägt mir tausendfältig
Die dunklen Schwingen um das bange Haupt.
Orest. So haben mich die Götter ausersehn
Zum Voten einer That, die ich so gern
Jn's klanglos dumpfe Höhlenreich der Nacht
Verbergen möchte? Wider meinen Willen
Zwingt mich dein holder Mund; allein er darf
Auch etwas Schmerzlich's fordern und erhält's.
Am Tage, da der Vater fiel, verbarg
Elektra rettend ihren Bruder; Strophius,
Des Vaters Schwäher, nahm ihn willig auf,
Erzog ihn neben seinem eignen Sohne,
Der, Phlades genannt, die schönsten Bande
Der Freundschaft um den Angekommnen knüpfte.
Und wie sie wuchsen, wuchs in ihrer Seele
Die brennende Begier, des Königs Tod
Zu rächen. Unversehen, fremd gekleidet,
Erreichen ffe Mpcen, als brächten sie
Die Trauernachricht von Orestens Tode
Mit seiner Asche. Wohl empfänget sie
Die Königin; sie treten in das Haus.
Elektren giebt Orest sich zu erkennen;
Sie bläst der Rache Feuer in ihm auf,
Das vor der Mutter heil'ger Gegenwart
In sich zurückgebrannt war. Stille führt
Sie ihn zum Orte, wo sein Vater fiel,
Wo eine alte leichte Spur des frech
Vergoßnen Blutes oftgewaschnen Boden
Mit blassen ahnungsvollen Streifen färbte.
Mit ihrer Feuerzunge schilderte
Sie jeden Umstand der verruchten That,
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sie solche in ihren wundergleichen Wirkungen gehörig zu würdigen vermoch-
ten; denn der große Tyrann selbst täuschte sich ja durch den Wahn: die
Völker des Nordens seien keines hochauslodernden Enthusiasmus für Freiheit,
Ehre und Vaterland fähig.
Dem Volke konnte nicht zweifelhaft bleiben, wohin der Aufruf zur allge-
meinen Bewaffnung deutete. Blücher, der hochverehrte Held und ruhm-
volle Veteran, trat wieder in Dienst, und daß Er nur gegen, nie für die
französische Tyrannei fechten werde, war Jedermann gewiß. Der König
brauchte das durch Gründe der Politik noch zurückgehaltene Wort also nicht
auszusprechen; — man wußte doch, was er wollte! Wie durch Zauberschlag
erhob sich nunmehr die allgemeine Begeisterung. Der Wille und Wunsch
des Volks eilte dem Befehle des geliebten Königs vorauf. Die Jugend der
höheren Stände flog zu den Waffen, sobald nur die erste Aufforderung el-
solgte, und die niederen Stände zeigten denselben Eifer. Selbst Staats-
beamte verließen ihre Posten, Familienväter ihre ruhigen Geschäfte, alte
längstens für Invaliden gehaltene Offiziere ihre Zurückgezogenheit, um die
Gefahren des Vaterlandes unter seinen Fahnen zu theilen. Wer keinen
unmittelbaren Antheil am Kriege nehmen konnte, unterstützte den Kampf
durch sein Vermögen, und indem Jeder opferte, was er, ohne sich selbst zu
vernichten, der allgemeinen Sache darbringen konnte, entstand ein so schöner
Wetteifer, daß selbst Fremde davon hingerissen wurden und beträchtliche
Summen zur Rettung Preußens hergaben.
Binnen 24 Stunden hatten sich in der Hauptstadt 9000 zum Dienst
gemeldet. Von allen Seiten strömten begeisterte deutsche Jünglinge herbei.
Die Hörsäle der Universität, die Comptoire der Kaufleute, die Werkstätten
der Handwerker wurden leer. Der Geist des Vaterlandes ergriff auch die
Frauen, und durch die Reize, welche sie über das große Unternehmen der
Vaterlandsbefreiung verbreiteten, halfen sie dem nach, was die Staatsge-
walt nimmer zu bewirken vermochte. Nicht nur opferten die Edelsten ihre
Kostbarkeiten, sondern sie übernahmen selbst die lästige Verbindlichkeit, die
kranken und verwundeten Vaterlands-Krieger zu Pflegen. Allen Frauen des
Königreichs ging die Gemahlin des Prinzen Wilhelm mit erhabenem Bei-
spiele voran. Sie war die Seele der edlen Frauen-Vereine, sie das Muster
der Standhaftigkeit und ausdauernden Geduld in den trüben Tagen, die
Preußen, bevor es den herrlichen Siegeskranz errang, erst noch erfahren
sollte. Eben diese hohen Opfer stärkten das National-Gefühl, entflammten
es täglich mehr, und ließen der Regierung fast nichts mehr zu thun übrig,
als durch ihre ordnende Hand das Ganze zur Einheit und Harmonie zu
bilden. Zum sichtbaren Zeichen der schönen Volksvereinigung bestimmte nun
eine königliche Verordnung vom 22. Febr. die schwarz und weiße National-
Kokarde, welche alle Männer, die das 20. Jahr zurückgelegt haben, tragen
sollten. Die Schlechten und Feigen wurden jedoch jenes Vorrechts, jenes
Ehrenzeichen zu tragen, beraubt, und den für des Vaterlandes Nothstand
gefühllosen Vätern oder Vormündern die psifffgen Auswege, ihre Söhne oder
Mündel dem Dienste des Vaterlandes zu entziehen, versperrt. Den jungen,
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