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hat. staunen, wenn er durch das Hauptportal eingetreten ist! Es
ist die echt deutsche, es ist die christliche Kunst, die uns aus den
herrlichen Pfeilern und Türmen, aus der ehrfurchtgebietenden Säulen-
halle nach allen Richtungen hin entgegentritt mit einer Pracht und
Vollkommenheit, die ihresgleichen sucht.
Berühmt ist auch das großartige Uhrwerk, welches zwei Männer
Namens Haberecht — und zwar Vater und Sohn — nach Zeich-
nungen des Mathematikers Dasypodeus (Rauhfuß) verfertigten. Die
alte Uhr, welche seit 1789 stockte, wurde 1842 von Schwilgue kuust-
reich erneuert. Durch das Uhrwerk werden Figuren bewegt, von
welchen abwechselnd jede Viertelstunde angeschlagen wird. Nach Ab-
lauf jeder Stunde erscheinen die vier Lebensalter des Menschen, und
während sie vorübergehen, schlägt der Tod mit einem Knochen die
Stundenzahl an. Um 12 Uhr mittags ziehen die zwölf Apostel vor
dem Herrn vorüber, und. ein Hahn auf der Spitze des Uhrwerkes
schlägt mit den Flügeln und kräht dreimal.
Ein weiteres Meisterwerk des Münsters ist der Turm; seine
Höhe beträgt vom Boden aus 142 in. Als eigener Bau erhebt er
sich von der Plattform, welche sich über dem großen Portale aus-
breitet und der Grund von zwei gleichartigen Türmen werden sollte.
Vollendet wurde der Turm im Jahre 1439 durch Johaunes Hültz
von Köln. Besonders bewundert wird die Majestät, mit welcher
der Bau bei aller Leichtigkeit und Zierlichkeit in durchbrochener Arbeit
emporstrebt. Man steigt bis zur Hälfte der Turmhöhe und hat von
der Altaue eine ausgedehnte Fernsicht über die ganze Stadt und
Umgebung. Ist man schwindelfrei, so kann man mit besonderer
Erlaubnis die sogen. Laterne, den höchsten zugänglichen Punkt, er-
steigen, vou dem aus das Auge eine entzückende Rundschau genießt.
Im Westen breitet sich die liebliche Ebene des Elsasses aus, im
Hintergründe von dem gebuckelten Wasgan begrenzt; im Osten ent-
falten sich die wolkenumflorten Berge des Schwarzwaldes; gegen Süden
schimmern die Schweizer Alpen und der Jura.
461 Jahre gingen vorüber, ehe der Straßburger Münster in
seiner jetzigen Gestalt vollendet war. Nur der christliche Sinn und
TM Hauptwörter (50): [T9: [Tempel Stadt Kirche Säule Zeit Gebäude Bau Mauer Haus Dom], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau]]
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261 —
und nun erst darf die Sennerin an ihr Mittagsmahl denken, das
aus Brot, Milch, „Topfen", Butter oder dem beliebten „Schmarren"
besteht, selten einmal auch aus Fleisch, das man ihr „von unten"
heraufbringt; denn in Zwischenräumen erscheint ein Hausgenosse,
um die von der Sennerin bereitete Butter abzuholen. Abends findet
sich die Schar der Rinder zur Nachtruhe ein. Zum drittenmal
wird gemolken; Grünfutter bildet die Abendkost. Bald herrscht tiefe
Ruhe in der Hütte und auf der Alm; nur die Bergamfel flötet
im Busche.
Wohl ist es schön auf der Alm, „wenn's klare Tag hat und
's Vieh g'sund ist"; aber ängstlich wird es der einsamen Bewohnerin
der Hütte, weun die Sommerschwüle donnernde Gewitter erzeugt
und zuckende Blitze die Herde bedrohen. Und wenn erst die Nebel
hereingezogen kommen! Schwer und fröstelnd lagern sie tagelang
über der Alm und wollen gar nicht weichen, bis sie sich endlich in
kalten Regen auflösen, während dann auf den Berggipfeln Schnee
fällt und der Sturm Flocken und Wolken vor sich her treibt.
Dann läßt das Vieh den Kopf hängen, und die Sennerin ist
„völlig zag". Sie möchte lieber unten im Thale sein. Nur Ge-
duld! Der Michaelistag rückt immer näher heran, und mit ihm
geht die Almzeit zu Ende. Man denkt ans „Absödeln" und an
den Heimtrieb; geht es dann endlich thalein, so trägt jede Kuh
Blumenkränze auf den Hörnern. Allgemach breitet sich der Winter
ins Thal, und die Sennerin sitzt an den langen Abenden am Spinn-
rocken, oft in Gesellschaft befreundeter Almerinnen aus der Nachbar-
schast. Sie singen Almlieder und erzählen einander, was sie in der
Sommerzeit erlebten. (Nach Daniel.)
Die ungarischen Wußten.
In Deutschlaud hat man von den ungarischen Pußten oft eine
Vorstellung, die ganz unrichtig ist. Man denkt sich unabsehbare
grüne Flächen, bedeckt mit prächtigen Viehherden, die im üppigen
Grase halb verschwinden. Und doch giebt es in der ganzen West-
Hälfte Europas keine Gegend, die den größten Teil des Jahres mehr
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und Futterkräuter. Nur die Akazie mit den sanften, dünnen Blättern
scheint sich in der trockenen Luft wohl zu fühlen. An grüne Wälder
und murmelnde Bäche ist gar nicht zu denken. Ein Stück festes Holz
ist auf weite Strecken so selten wie ein Stein. Alles ist Erde, höchst
fruchtbare Erde, aber nichts als Erde, und die einzige Abwechslung
ist, daß die Erde zu Zeiten Schlamm, zu Zeiten Staub wird.
Die größte Not, woran diese ungeheure Fläche fruchtbaren Bodens
leidet, ist der zeitweise Mangel an Wasser auf den Feldern. Man
spricht schon lange davon, die ganze große Ebene durch regelmäßig
ineinander greifende Kanäle zu bewässern — ein riesenhaftes, jedoch
ausführbares Unternehmen.
Naturgemäß sind die Pußten sehr schwach bewohnt. Sie haben
wenige, weit auseinander liegende Städte und Dörfer. An der großen
Straße zwischen Tokay und Debreczin trifft man alle drei oder vier
Stunden ein Dorf, aber in einigen Gegenden erfreut oft tagelang
keine solche willkommene Ansicht das Auge des müden Wanderers.
Die Hauptstadt der Pußten ist Debreczin, eine von den Magyaren
sehr hoch gestellte Stadt, in der sich 1848 der ungarische Reichstag
samt der Regierung versammelt hatte. Doch was sieht man in
Debreczin? Hauptsächlich lange Stücke der Steppe, die man Straßen
nennt, weil sie hin und wieder Häuser zur Seite haben. Von
Domen, Palästen, glänzenden Häuserreihen ist keine Rede. Ein großer
Platz, ein paar Kirchen, Straßen und ebenerdige Bauernhütten
bilden die Stadt. Und so wie Debreczin sind all die andern Städte
der Pußten. Sie erscheinen wie ein großes Lager, worin sich das
Volk zusammendrängte. (Nach Fr. v. Löher.)
Das Werner Hbertand.
Das Berner Oberland ist unter allen Teilen der Alpen am
meisten bekannt und besucht. Kein anderer Teil der Hochgebirgs-
schweiz hat eine solche Längenausdehnung, keiner solch zusammen-
hängende Gletscher und Firnfelder, und bei keinem ist die Gipfel-
bildung so reichhaltig und darum sür das Auge so überraschend ent-
wickelt. Die Berner Alpen entfalten, vom nördlichen Flachland oder
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scheint die Sonne in diese düstere Tiefe. Es ist das Thal der
Schatten und der Graber, und wer über die Brücke geht, die dort
den Kidron überbaut, wird unwillkürlich von Grabesschaner be-
schlichen. Rechts von der Brücke befinden sich die Gräber Absaloms,
Josaphats und Zacharias'. Vor Absaloms Grab liegen eine Masse
aufgeschichteter Steine. Heute noch werfen die Orientalen Steine
vor die Gruft, indem sie einen Fluch aussprechen wider den gott-
losen Sohn und wider jeden, der seinen Eltern nicht gehorcht. Ein
hoher sittlicher Ernst liegt in diesem Brauche. — Am Ende des
Thales Josaphat ist die Quelle Siloah. Könige und Propheten
haben auf das Rieseln dieses Quells gehorcht und in seiner Kühle
Trost in Bekümmernissen gesucht. Nirgeuds in der ganzen Umgebung
Jerusalems kann der Wanderer sich mit einem Trünke Wassers er-
frischen; nirgends findet er Schatten, um auszuruhen von den Müh-
seligkeiten der Reise; nnr am Quell Siloah ist es ihm vergönnt, die
lechzende Zunge zu erfrischen und das müde Haupt im Schatten
niederzulegen.
Auf Moria erhebt sich mit hochgewölbter Kuppel an derselben
Stätte, wo einst der jüdische Tempel stand, die Moschee des Omar,
nächst den Moscheen in Mekka und Medina das größte Heiligtum
der Mohammedauer; denn sie umschließt die Stelle, von der aus
Mohammed gen Himmel gefahren sein soll. — Der Kessel des Toten
Meeres begrenzt die Aussicht gegen Südost. Tiefe Trauer, düsteres
Schweigen liegt auf dem See wie auf der ganzen Umgebung desselben.
„Dort im Osten," sagte mein Führer zu mir, „sehen Sie
Bethanien und den Qlberg." ■—- Nächst Bethlehem ist Bethanien
gewiß der lieblichste Ort, den der Reisende weit und breit findet.
Und welch teure Erinnerungen knüpfen sich an diese Stätte! Hier
haben Lazarus, Maria und Martha gewohnt; in ihrem Kreise hat
Jesus ausgeruht von der heiligen Arbeit. Bethanien möchte ich den
Ort der stillen Liebe nennen; es ist so einsam, so traulich an den
Berg gebaut, rings von schattigen Bäumen und grünenden Feldern
umlagert, daß man, umgeben von geliebten Herzen, darin wohnen
möchte. Noch heute wallen alle Pilger besonders gerne nach Bethanien.
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Extrahierte Personennamen: Grabesschaner Ernst Mohammed Lazarus Maria Maria Martha
318 —
stundenlang unter ihnen, während sie an anderen Stellen gar nicht
vorkommen. Ihr Anblick ist überaus malerisch; jedes Lüftchen
schaukelt sie, und sanft schütteln sie das liebliche Haupt, voll Huld
und Anmut herabzugrüßen.
Doch wir vergessen über deu schlauken Palmen beinahe die
baumartigen Farnkräuter, die allein an Schönheit und
Mannigfaltigkeit mit jenen lieblichen Kindern der Natur wetteifern
können. Sie ähneln gar sehr den Palmen, nur ist ihr leichtes,
biegsames Blütterdach flacher und weniger buschig als das der
Palmenkrone. Gar lieblich ist es, wenn diese bedeutenden, 3—5 m
langen und fast 3 m breiten Farukrüuter, von dem leisesten Lüst-
chen angehaucht, bei ihrer Leichtigkeit sich anmutig wiegen und diese
sanften Schwingungen ins unendliche fortsetzen.
d. Vir Tierwelt.
Nicht minder ausgezeichnet als die Pflanzen- ist die Tierwelt,
welche jene Urwälder bewohnt. Der Naturforscher weiß uicht, ob
er mehr die Formen oder die Farben oder die Stimmen der Tiere
bewundern soll. Den Mittag ausgenommen, wo alle lebenden Ge-
schöpfe der heißen Zone Schatten und Ruhe suchen und wo daher
eine majestätische Stille über die Tropennatur verbreitet ist, ruft
jede Stunde des Tages eine andere Welt von Geschöpfen hervor.
Den Morgen verkünden das Gebrüll der Heulaffen, die hohen und
tiefen Töne der Laubfrösche und Kröten, das einförmige Schmettern
und Schwirren der Cikaden und Heuschrecken. Hat die aufsteigende
Sonne den Nebel verdrängt, so freuen sich alle Geschöpfe des neuen
Tages. Die Wespen verlassen ihre langen, von den Zweigen herab-
hängenden Nester; die Ameisen kommen aus ihren künstlich von
Lehm aufgetürmten Wohnungen und beginnen die Reise auf den
selbstgebahnten Straßen; die buntesten, an Glanz mit den Farben
des Regenbogens wetteifernden Schmetterlinge eilen von Blume zu
Blume; Taufende der glänzendsten Küfer durchschwirren die Luft
oder blinken gleich Edelsteinen ans dem frischen Grün der Blätter
hervor. Indessen schleichen Eidechsen von ausfallender Form, Größe
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— 319
und Farbenpracht, düster gefärbte Schlangen aus dem Laube oder
aus den Höhlen der Bäume hervor und sonnen sich, dabei auf
Insekten oder Vögel lauerud. Von nun an ist alles voll thätigen
Lebens. Eichhörnchen und Herden von geselligen Affen ziehen neu-
gierig aus dem Innern der Wälder nach den Anpflanzungen und
schwingen sich pfeifeud und schnalzend von Baum zu Baum. Vögel
von der sonderbarsten Gestalt und dem glänzendsten Gefieder flattern
durch die duftenden Gebüsche. Die grün, blau oder rot gefärbten
Papageien erfüllen die Luft mit ihrem krächzenden Geschwätz. Der
Tukan (ein Klettervogel) klappert mit seinem großen, hohlen Schnabel
auf den äußersten Zweigen und ruft in lauten Tönen weheklagend
nach Regen. Die geschäftigen Pirolen (Gattung der Sperlingsvögel)
schlüpfen aus ihren beutelförmigen Nestern hervor, um die vollen
Orangenbäume zu besuchen, und ihre ausgestellten Wachen verkünden
mit lautem Geschrei die Annäherung des Menschen. Im Gesträuche
verborgen, giebt indessen die Drossel ihres Lebens Freude in schönen
Melodien kund, und der Specht läßt sein weitschallendes Klopfen
ertönen. Lauter als alle diese wunderbaren Stimmen erschallen von
den höchsten Baumspitzen die metallischen Töne der Uraponga, welche
den Klängen der Hammerschläge auf dem Amboß ähnlich sind.
Während so jedes lebeude Wesen in Bewegung und Tönen die
Schönheit des Tages feiert, umschwirren die zarten Kolibris, an
Pracht und Glanz mit Diamanten, Smaragden und Saphiren wett-
eifernd, die prunkvollsten Blumen. Mit dem Untergang der Sonne
kehren die meisten der Tiere zur Ruhe zurück; nur das schlanke Reh,
das scheue Pekari (Warzenschwein), die furchtsame Aguti (ein Nage-
tier) und der rüsselige Tapir weiden noch umher. Die Nasen- und
Beuteltiere, die hinterlistigen Katzenarten schleichen, nach Raub spä-
hend, durch die Dunkelheit des Waldes, bis endlich die brüllenden
Henlaffen, das gleichsam um Hilfe rufende Faultier, die trommelnden
Frösche und die schnarrenden Cikaden den Tag beschließen. Myriaden
leuchtender Käfer beginnen nun gleich Irrlichtern umherzuschwärmen,
und gespensterartig flattern die blutsaugeuden Fledermäuse durch das
tiefe Dunkel der Tropennacht. (Nach Prinz Adalbert von Preußen u. a.)
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daß die Tiefe, in welche die Arbeiter hinabgelassen werden, so be-
trachtlich ist, daß aus ihr selbst hohe Kirchtürme nicht bis zur
Oberfläche emporragen würden. Um ^12 Uhr kommen aus den
Gruben sämtliche Arbeiter bis auf zwei oder drei, welche die Spren-
gungen vorbereiten, die dann Punkt 12 Uhr beginnen. Stark und
voll, wie der Donner im Gebirge, erdröhnt der Sprengschuß, und
meint man, mm sei der Donner verrollt, so prallt er plötzlich aus
einer Höhle oder an einer Klippe zurück und erstirbt dann grollend.
Während dieser Zeit fliegt das zersprengte Gestein auseinander, und
man hört noch lange den Fall einzelner Trümmer in der Tiefe.
Die Arbeiter haben zwar Zeit, sich zu verbergen, sobald die Zünd-
schnür angebrannt ist; aber die Gewohnheit der Gefahr macht die
Leute oft unvorsichtig, und es geschehen manche Unglücksfälle. Als
es hieß, die Arbeiter würden nun aus der Tiefe kommen, konnte
ich sie anfangs gar nicht gewahr werden. Endlich sah ich graue
Klumpen, die sich entlang der Wände heraufbewegten. Später er-
kannte ich in jedem Klumpen einen Eimer, auf dessen Rand drei
oder vier Arbeiter standen, die sich mit einer Hand am Seile hielten,
das sich langsam mit den daranhängenden Menschen um sich selbst
drehte. Die Leute hielten sich scheinbar ganz nachlässig an dem
Seile; sie sprachen zusammen; der eine nahm seine Mütze ab, der
andere sah zu uns herauf, der dritte trocknete sich die Stirne.
Gottlob! jetzt schwebten sie näher und näher, und bald entlud sich
der Eimer friedlich im nächsten Schuppen. Vier Menschen stiegen
vom Rande des Eimers herab, und ein fünfter, der darin gesessen
hatte, kroch heraus. Sie setzten sich auf Bänke und ließen sich ihr
Butterbrot wohl schmecken. Man erzählte mir, daß einige Wochen
vorher mehrere Engländerinnen die Fahrt in einer Tonne gewagt
hätten; das machte mir Mut, und ich beschloß, auch die Reise in
die Tiefe anzutreten. Mein Führer übergab mich zwei Gruben-
arbeitern, die mich auf meiner Fahrt begleiten sollten. Die Eimer
oder Tonnen, in welchen man zur Tiefe fährt, hängen ganz frei
über dem Abgrunde. Das Hineinsteigen ist für denjenigen, der mit
Schwindel behaftet ist, nicht ohne Gefahr. Als ich mit Hilfe meiner
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— 293 —
Begleiter glücklich in die Tonne gelangt war. ging es rasch entlang
der schroffen Wand in die Tiefe hinab, und nach fünf Minuten
fühlte ich mit großem Behagen festen Boden unter mir. Da ich
nun in dem schaurigen Schlünde stand, kam ein unheimliches Gefühl
der Verlassenheit über mich. Der mit düstern Wolken überzogene
Himmel bildete gleichsam die schwarze Decke zu dem leeren Sarge
eines Riesen; in furchtbar schauriger Schönheit stiegen die schroffen
Wände aus der Tiefe empor. Es war eisig kalt; niemals dringt
ja ein erwärmender Sonnenstrahl hierher. Der Abbau des Erzes
kann deshalb auch nur im Sommer betrieben werden; im Winter
werden die während des Sommers gewonnenen Erze verhüttet. Durch
künstliche Hinabführung warmer Luft befördert man im Frühjahr
das Schmelzen des Eises.
Die lange Macht und die Mitternachtssonne in Kammerfest.
Das Hlordkap.
Hammerfest ist die nördlichst gelegene Stadt der Erde. Die
lange Nacht, in welche die Stadt im Winter gehüllt ist, bildet auch
die Zeit der Ruhe für alles Handelsleben. Die Fische haben Frieden;
der schmutzige Seelappe und der nordische Fischer liegen in Erdhütten
am qualmenden Feuer und warten dort in trägem Winterschlafe,
bis der nene Tag erscheint. Die Kaufleute in Hammerfest bringen
ihre Bücher in Ordnung, dann sitzen sie die meiste Zeit am Karten-
tische, halten Bälle und Schmausereien, spielen sogar Theater und
sehnen sich endlich unruhig nach der Zeit, da im Osten ein Lichtstreis
hervorbricht. Außer den Kaufleuten wohnt in Hammerfest kaum noch
ein anderer gebildeter Mensch als der Pastor und der Arzt.
Die Zeit der langen Nacht ist aber doch nicht gauz so, wie wir
sie nns vorstellen. Die Sonne ist freilich acht Wochen ganz unter
dem Horizont, und vier Wochen lang — von Mitte Dezember bis
Mitte Januar — ist so tiefe Finsternis, daß bestandig Licht gebrannt
werden muß. Indes tritt bei hellem Wetter um die Mittagsstunde
eine Art Dämmerung ein, so daß man am Fenster ungefähr eine
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halbe Stunde lesen kann. Die Sterne stehen dabei glänzend am
Himmel; nicht selten leuchten auch Nordlichter (Bild 100). Ist
trübes Wetter, so herrscht die finsterste, ununterbrochene Nacht.
Mitte Januar wird die Dämmerung lichter, und ist der Tag erst
einmal angebrochen, so wächst er auch rasch. Nun gleicht die Natur
den Unterschied ans. Von Mitte Mai bis Ende Juli verschwindet
die Sonne nicht mehr unter dem Horizonte. Der ganze Unterschied
zwischen Mittag und Mitternacht ist dann der, daß die Strahlen
Bild 100. Nordlicht.
um die letzte Zeit etwas bleicher und matter werden, ohne jedoch
die belebende Wärme zu verlieren. Eigentümlich ist, daß während
der tageshellen Nachtzeit der Wind schweigt und eine feierliche Ruhe
in der Natur herrscht, als wolle diese dadurch die Zeit des Schlafes
ankündigen. Die Sonne scheint aber in der Nacht oft so heiß, daß
sie lästig wird. Ein Bekannter erzählte mir, die Sonne habe, als
er um Mitternacht von Hammerfest auf das Schiff zurückkehrte, so
heiß geschienen, daß er den Rock auszog; das Thermometer zeigte
im Schatten 18°. Dieser über zwei Monate währende Sonnen-
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schein macht es wohl allein möglich, daß bei Hammerfest noch
Ernten gedeihen.
Wie seltsam ist aber der Mensch! Es wohnen hier reiche
Handelsherren, die, wenn sie wollten, im schönen Süden leben
könnten. Wer hierher kommt, thut es natürlich des Gewinnes
wegen; wer aber hier geboren ist, der liebt diese Einöden ebenso-
sehr wie der Lappe seine Renntieralpen oder der Grönländer seine
Eisbuchten.
Das Nordkap, ungefähr 115 km von Hammerfest entfernt,
bildet die nördlichste Spitze der Insel Magerö. Die Ufer steigen als
nackte, öde Felsen steil aus dem Wasser. Die Schluchten sind bis
zum Meere herab mit Schnee angefüllt. Hin und wieder ist ein
Fleck mit Moos oder kurzem Gras bedeckt. Kein Baum, kein Strauch,
keine Spur einer menschlichen Wohnung ist sichtbar. Selten werden
die einsamen Gewässer von dem Segel eines Schiffes belebt; die
grausige Stille wird nur von dem Geschrei der Möwen unterbrochen,
welche in unzähligen Massen in den Rissen und Spalten der Insel
Hansen. „Als wir uns" — erzählt ein Reisender — „dem Vor-
gebirge näherten, saßen auf jeder Felsenleiste Tausende weißer Möwen,
welche zur nächtlichen Ruhe gegangen waren; aber schon waren die
Vorbereitungen getroffen, ihren Schlummer zu stören. Die Kanone
des Dampfers wurde gegen die Felswand abgefeuert. Die Antwort
war ein Schrei, so wild, durchbohrend, verwirrend, daß er mir noch
heute in den Ohren tönt. Mit dem Schrei kam ein Rauschen, wie
von einem Sturm im Walde; eine weiße Wolke brach aus den Ge-
wölben, gleich dem Rauche eines antwortenden Geschützes, und in
einer Sekunde war die Luft von Vögeln erfüllt, so dicht, als im
Herbste die Blätter liegen. Ein zweiter Schuß trieb auch aus andern
Höhlen die Möwen. Das Schwirren, Rauschen und Schreien der
Vögel, die über unsern Häuptern kreisten oder wie dicke Schneeflocken
auf das Waffer niederfielen, war wahrhaft entsetzlich. Es waren
sicher 50 000 Möwen in der Luft, während eine ähnliche Anzahl an
der Außenseite des Felsens hing oder aus der Tiefe der Gewölbe
hervorschrie." (Nach Mügge und Taylor.)
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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