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1. Bd. 2 - S. 162

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
162 Viertes Kap. Römische Geschichte. Gegen die sieggewohnten Legionen hielt sich die hilflose Stadt bis in's dritte Jahr. Mehrere consularische Heere wurden geschlagen, cs schien die Kraft der Belagerten täglich zu wachsen; fast zagten die Römer. Da ernannten sie den jungen Scipio Aemilianus (Paul Aemil's Sohn, aber durch Adoption des afrikanischen Seipio Enkel) zum Consul, einen der vortrefflichsten Römer, seinen Ahnen an Tugend und Tapferkeit gleich, über ihnen an Wissenschaft und feiner Sitte, einen menschenfreundlichen Helden, und der früher gegen Cato laut zu Gunsten der Karthager gesprochen. Aber jezt hielt er für Pflicht, zu vollziehen, was der Senat und das Volk beschlossen, und er that cs, seines Namens würdig. Die Legionen erhielten neuen Muth durch seinen Anblick, Kriegszncht durch seine Strenge, durch seinen Genius den Sieg. Die Kartbager thaten mehr, als glaublich ist. Der Ha- fen war durch einen Damm gesperrt; wunderbar schnell wurde eine neue Mündung gegraben und der Feind durch eine neue Flotte geschreckt. Zwei Mauern waren gefallen, die dritte hielt. Das Heer vor der Stadt wurde geschlagen, alle Zufuhr gehemmt, man trozte dem Hun- ger, wie den Schrecken des Krieges. Endlich drang Scipio bei Nacht in den leztcn Hafen; der untere Theit der Stadt wurde genom- men, die obere Stadt und das Schloß (B yrsa) ergaben sich nicht. Da stürmte Scipio sechs Tage und sechs Nächte lang; in allen Straßen, Plazen, Häusern floß Blut. Unermüdet, furchtbar stritten die aus- gehungerten Bürger gegen immer frische Truppen, bis die leztcn Kräfte schwanden. Am siebenten Tage baten einige Abgeordnete um Gnade. Gerne hätte Scipio sie allen ertheitt. Aber nur 50,000 Menschen ans einer Stadt, welche siebenmal hunderttausend zählte, nahmen sie an, und zogen in jammervoller Gestalt nach Scipio's Lager. Die klebrigen, in wilder Verzweiflung, stritten fort, zündeten die Stadt an, und tödtetcn sich selbst in ihren Häusern, Tempeln, über den Gräbern der Väter. Schauderhaft groß war die That eines Wei- des, H a s dru ba l' s Gattin. Ihr Gatte nahm Gnade an. Sie strafte ihn durch Wort und Blick, und, ihre Kinder umarmend, stürzte sie mit ihnen sich von der Burg herab in die Flamme. Siebenzehn Tage brannte die herrliche, übergroße, unglückliche Stadt; die Römer, auf Befehl des Senats, vollendeten den Ruin. Aber mit erschüttertem Ge- müthe sah Scipio sie in Asche sinken. Vergangenheit und Zukunft standen vor ihm, und es gingen aus seinem Munde Homerys den- tungsvolle Worte: „Kommen wird noch ein Tag, da die heilige Troja wird fallen, Priamos fallen und Priamos Volk, des Lanzenberühmten So verschwand von der Erde, nachdem cs hundert und zwanzig Jahre mit Rom gewaltig gestritten, das weitherrschende, dem Handel

2. Bd. 2 - S. 262

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
262 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. siasmus für die hie und da erscheinenden einzelnen Schönheiten. Wie ließe sich von Griechen etwas Anderes gedenken? —Die Gesezgeber fühlten ihre Ohnmacht gegen den Hang der Natur, und duldeten meist den Verkehr mit Hetären, welcher in späteren Zeiten fast allgemein ward. Der freiere Umgang mit Männern, und zwar mit den aus- gezeichnetsten Männern, gab den Hetären (cs waren meist Skla- vinnen oder Fremde; Bürgerinnen, wenn sie dieses Gcwerb ergriffen, verloren das Bürgerrecht) einen hohen Grad von Bildung; ihr geist- voller, gefälliger Umgang mochte selbst den Ernst des Philosophen anfheitern, und an vielen wurde selbst die Schönheit der Seele (so weit sie verträglich ist mit solchem Stande) nicht minder gerühmt, als jene des Körpers. Auch wurde den berühmtesten ans ihnen — zwar keine bürgerliche Achtung, aber — eine der Vergötterung sich nähernde, leidenschaftliche Huldigung im Leben und im Tode gezollt. Die Namen einer Lais, einer Phryne wurden über ganz Griechen- land mit Entzücken genannt;' Dichter und Künstler verewigten sie. Kein prächtigeres Monnment gab cs in Hellas, als jenes, welches unfern Athen Harpalns seiner geliebten Pythionice errichtete; Lamia beherrschte, selbst noch alternd, den stolzen Demetrius, den Städtebezwinger; und früher war Aspasia Genossin von Pe- rikles Macht und Ruhm. Die Zahl der Hetären war sehr groß. 2n Korinth zählte man tausend Priesterinnen der Venus. Allmätig nahmen auch freie Mädchen und Matronen die Sitten der Hetären an, aber nicht ihre Liebenswürdigkeit. Einen grellen Kontrast mit den leidenschaftlichen Verehrern der Schönheit bildeten die Weiberfeinde (Misogyne), deren es in Grie- chenland in ansehnlicher Menge und znm Theit unter den ausgezeich- netsten Männern gab. Euripides war Misogyn. Melancholisches Temperament, Bizarrerie oder unglückliche Liebe waren die Quellen dieser Krankheit. Die väterliche Gewalt bei den Griechen, wie bei den meisten alten Völkern, war groß. Das neugeborene Kind, wenn es gebrech- lich schien, oder der Vater sich zu dürftig für dessen Erziehung hielt, mochte dieser zum Tode oder zur Aussezung verdammen. Wer cs im lezten Falle anfnahm, behielt cs als Sklave. Die Spartaner tödteten regelmäßig die schwächlichen Kinder; in Theben und weni- gen anderen Städten hielt das Gesez diese Barbarei hintan. Allent- halben in Griechenland wurde über die Erziehung sorgfältig ge- wacht. Der Grnndsaz war herrschend, daß der Heranwachsende für den Staat müsse erzogen werden. Daher stand entweder, wie in A then, hie häusliche Erziehung unter Aufsicht und Leitung der Magistrate,

3. Bd. 2 - S. 277

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
277 Zweites Kap. Religion. selbe war — so wie Numa sie einführte (*) — hetrurischen Ur- sprungs, aber gleichwohl in den meisten Stücken der griechischen ähnlich. Auch mochte schon in den frühesten Zeiten auf mancherlei Wegen die griechische Mythologie nach Italien gelangt seyn, und der nachmalige nähere Verkehr der Römer mit den Griechen veran- laßte noch eine genauere Gleichförmigkeit. Wir treffen in Rom die- selben Gottheiten, wie in Hellas, nur mit verändertem Namen, die- selben Göttergeschichten, nur minder poetisch, und sehr ähnliche Ge- bräuche an, nur etwas modifiât nach den übrigen Begriffen und Verhältnissen der Römer und vermehrt durch einige Nationalgötter (wie Aeneas, Quirinus re.) und andere, welche eigens die Klngs heit der Gesezgeber zu moralischen oder politischen Zwecken geschaffen, als Fides, Terminus n. s. w. So finden wir auch eine ganz ähnliche Gottesverehrung durch Gebete, Opfer (leider auch Men- schenopfer! * **), vielerlei Feste, Spiele und Mysterien. Von den hei- ligen Spielen (den circensischen, amphitheatralischen und scenischen) wird an einem anderen Orte die Rede seyn. Die My- sterien waren der Ceres, Proserpina, Bona Dca und dem Bacchus geweiht, aber minder wichtig, als die griechischen. Der Tempel waren viele, die meisten prächtig; airch wurde in Hainen, Höhlen rc. die Gottheit verehrt. Das Detail der römischen Mythologie kann ich wohl bei meinen Lesern voraussezen. Doch ist nicht dieses oder das blose Gerüste, das Materielle der römischen Religion, was den Welthistoriker in- tereffirt, sondern der innere Charakter derselben und ihr Verhält- niß zum Staate und zur allgemeinen Kultur. Die Römer waren sehr religiös. Kein öffentliches, kein wichti- geres Privatgeschäft wurde ohne Anrufung der Götter und ohne reli- giöse Gebräuche begangen. Sie glaubten sich ringsum von Göttern umgeben, den Zeugen ihrer geheimsten Handlungen, den Rächern des Lasters, den Leitern und selbst Verkündern des Schicksals. Rom war schon Herrscherin der Welt, als dieser fromme Sinn noch währte. Erst in den Zeiten der Bürgerkriege lehrte die griechische Philosophie die Römer zweifeln; und später riß mit dem äußersten Sittenver- derbniffe auch Unglaube in den höheren Ständen ein. Wenn wir die ('•*) Schon Romulus soll sechzig Priester aus den angesehensten Männern gewählt haben. Aber erst sein Nachfolger gab — gleichfalls der Sage nach — dem Religionswesen eine feste Gestalt. (**) In großen Gefahren, als bei einigen gallischen Kriegen, wurden Menschen geschlachtet. Nach der Niederlage bei Canna begrub man vier Personen lebendig. Der mildere Gebrauch, alljährlich eine Zahl Menschen- figuren in die Tiber zu werfen, floß wohl ursprünglich aus derselben Quelle.

4. Bd. 2 - S. 278

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
278 Zweites Kap. Religion. Erzählungen des Livius und Plutarch lesen (welche wenigstens den Ton der betreffenden Zeiten, bei Plutarch auch wohl seine eigene Sinnesweise, schildern), wenn wir selbst einen Cicero von einem Traume, als einer von Gott eingegebenen Ahnung, sprechen hören (de divin. I. 28.); so können wir nicht verkennen, daß nicht nur Fröm- migkeit, sondern abergläubische Gcmüthsart und meist sklavische Götterfurcht ein Hanptzug des Römercharakters bei Großen und Kleinen gewesen. Trefflich hatten die ersten Gründer des Staates sowohl, als seine folgenden Häupter, diesen religiösen Sinn genüzt und gcpffcgt. Sie hatten ihn zu einer Hauptstüze der Verfassung, znm Triebwerke des Gehorsams und des patriotischen Eifers, znm Erhalter der politischen Tugend gemacht. Die Religion war das kostbarste Staatseigen- t h u m; sie antasten hieß gegen die Majestät des Volkes sündigen (*). Hinwieder wurde für Gottlosigkeit gehalten, die Fahnen zu verlassen, den Magistraten nicht zu gehorchen, gegen den Vorzug edler Ge- schlechter zu kämpfen. Ohne diese heilige Waffe wären die Patrizier viel früher und vollständiger der Plebs erlegen. Alle schwereren Pflich- ten, alle härteren Opfer wurden den Bürgern im Namen der Götter aufgelegt; alle Tugenden, an deren Erhaltung dem Staate lag, wurden zu Religionspflichten gestempelt; jedes Widerstreben wurde durch Autorität des Himmels gedämpft. Daher konnten die griechischen Götterfabeln, in so fern sie blos Dichterphantasie und theils von belustigender, theils von sitten- verderblicher Wirkung waren, in Rom keinen Eingang finden. Hier wurde nur ausgenommen, was p o li t isch - nü z ti ch schien. Der Charak- ter der römischen Religion blieb ernst und feierlich; sie reichte den Aus- schweifungen weder Deckmantel, noch Entschuldigung dar, sondern schärfte die Gebote der Sittlichkeit und des Rechts durch eine höhere Sanktion ein. Jedoch nicht des öffentlichen Rechts; denn da sie Staatsmaschine und Dienstmagd der Politik war, so gebrauchte man sie (bei Kriegserklärungen, Friedensschlüssen und Bündnissen waren Priester, die Fccialen, nöthig) zur Beschwichtigung des Ge- wissens, zur Aufrichtung des Selbstvertrauens in den abscheulichsten Kriegen und zur Beschönigung der gröbsten Attentate gegen das Völ- kerrecht. Aus demselben Grllnde, daß die Religion in Rom mehr znm Besten des Staates, als jenem der Bürger vorhanden war, floß auch die Unbestimmtheit ihrer Unsterblichkeitslehre. Es scheint die- (') Auch die Sacra prirat« (Hausgottesdienst) mußten vom Volte gebilligt seyn.

5. Bd. 2 - S. 225

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
223 Kultur überhaupt. Feine Formen , Ucbcrsiuß an Bildungsanstalten, Politur der Sitten; aber wenig Leben, lauter Maschinenartiges und Armuth an Geist und Herz. Nicht also die Griechen. Keine Kraft, weder der Seele noch des Körpers, blieb unentwickelt (*), keiner war die Form der Ent- wicklung vorgeschriebe«; jeder Bürger, jede Gemeinde war selbststän- dig, und aus dem bauten Gemische der persönlichen und der Votkscha- raktere ging als allgemeiner Charakter die Regsamkeit, Vielseitigkeit, das stolze Selbstgefühl und das rivalisirende Streben nach Vervoll- kommnung hervor. 2) Dieses Alles ist schon vielmal gesagt worden; aber es ist der Wiederholung werth. Nicht zu oft kann die Freiheit gerühmt werden. Einige der neuesten Schriftsteller, um ja nicht zu sagen, was andere, haben das Verdienst der griechischen Kultur lediglich oder doch vorzüglich der — Poesie zugcschricbcn. Allerdings hat dieselbe Vieles gewirkt (s. das folgende Kapitel Iii. und schon I. B. S. 306.), aber darum Alles? — Sie hat der griechischen Kultur einen eigenen Ton und einen höheren Schwung gegeben, sie aber nicht erschaffen. Ja sie selb st war ein Kind der Freiheit, oder doch des Freiheitsinn es. Die älte- sten Dichter sangen in Zeiten noch ungebündigter Natursreiheit, und ein Homer, wiewohl er theoretisch die Fürstenmacht verthcidigte [f. Jl. Ii. 204.] (doch lebte er gerade in der Periode ihres Sturzes in Grie- chenland), würde wohl so wenig, als seine großen Nachfolger unter einem Sklaveuvolke erstanden, oder doch ohne mächtige Wirkung für ein solches geblieben seyn. Anstatt allso die Poesie zur Hauptquclle der griechischen Kultur zu machen, mögen wir lieber behaupten, daß der allzupoetische Sinn der Griechen, während dem er den Künsten förderlich war, die ernsten Disciplinen in ihrem Fortgange zurückgc- halten habe, und daß durch ihn die Kultur zwar ästhetischer, schimmern- der, aber minder solid, ja zum Theil frivol geworden. 3) Auch mittelst der Religion, welche großcntheils aus Poesie hcrvorgegangen, hat leztere die Eigenthümlichkeit der griechischen Kultur bestimmt. Wir kennen diese griechische Religion (s. B. I. S. 272 ff.), wir wissen, wie sehr sie in's Privat- und iu's öffentliche Leben Angriff, aus die Poesie selbst, von welcher sie ihre Gestaltung empfangen, ver- edelnd zurückwirkte, den Künstlern Stoff und Begeisterung gab, und die Menschen durch einen fortwährenden Zauber in einer Welt von Göttern und Halbgöttern erhielt. Allerdings erhebend für's Gefühl und . (*) Hievon machen etlicl'e Staaten, die, wie Sparta, eine auf ein- seitige Zwecke berechnete Gelezgebung hatten, eine Ausnahme. Auch gab es Stämme, wie die Aetolier, deren hartnäckige Wildheit die Kultur nicht aufkommen ließ. Ii. 15

6. Bd. 2 - S. 226

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
226 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. belebend für die Kraft, aber der Philosophie hinderlich und unfruchtbar für die Moral. Diese Mangel wurden großenteils vergütet durch die glückliche Organisation der Priesterschaft, welche zwar hier, wie allent- halben, Feindin der Volksanfklärung war, aber nach ihren Verhält- nissen derselben nur wenig zu schaden vermochte. Nicht die Priester waren die Lehrer des Volks und die Erzieher der Jugend; cs wurde nicht, wie im Orient, durch einen, wohl gar erblichen, Verein ihre Macht gestärkt, das Monopol der Kenntnisse gehörte nicht Ihnen. Allen im Volke war der Tempel der Wissenschaft offen (auch hier ist der Geist der Freiheit sichtbar); Jeder mochte auf selbstgcwählter Bahn und ungehindert seine Kraft versuchen, Jeder durch eigenthümlichen Geistes- crwerb den allgemeinen Nationalschaz mehren, und in gegenseitigem Wetteifer den Sporn zu unermüdeter Thätigkeit finden. 4) Und solches umso mehr, da auch die bürg erlichen Ge sez e und Anstalten — insbesondere die wichtigen, so enthusiastisch began- genen öffentlichen Spiele — auf die Erhöhung (euer schönen Riva- lität zwischen Gemeinden, wie zwischen Einzelnen berechnet waren, und die meisten Gcsezgeber, vorzüglich durch die Einführung einer öffentlichen Erziehung dafür gesorgt hatten, daß von der frühe- sten Jugend an in den Herzen der Bürger die Ruhmbegierde, der Na- tionalstolz, die Liebe der Freiheit und des Vaterlandes entzündet, immer- dar genährt und ein reges Streben nach allem Großen und Edlen erzeugt würde. §. 3. Und Ausbreitung. Ans diesen Betrachtungen, in Verbindung mit Dem, was zerstreut sowohl in der detaillirten Geschichte, als unter den übrigen Rubriken von den Griechen gesagt ist, läßt sich die hohe Stufe, so wie der Cha- rakter der griechischen Kultur würdigen und begreifen. Sie war nicht rein und nicht ohne große Gebrechen, überhaupt mehr ästhe- tisch, als rationell; für den Genuß des Lebensund die freie Reg- samkeit der Kräfte vortrefflich, jedoch mit parteiischer Begünstigung des Schönen vordem Nüzlichen, und weder dem Weltbürger- sinne, noch der wahren Moral gedeihlich; ein anziehender Abdruck des freudig erblühenden Jünglingsalters. Darum wäre es wohl thöricht, ihre Rückkehr oder Nachbildung unter uns zu wünschen. Wir können nicht mehr Griechen seyn, <> aber freuen wollen wir uns wenig- stens" — wie ein geistvoller Schriftsteller sagt — "daß cs einmal Grie- chen gegeben, und daß, wie jede Blüthe der menschlichen Denkart, so auch diese ihren Ort und ihre Zeit zur schönsten Entwicklung fand." — Wie weit die griechische Kultur durch Kolonien, Handel und

7. Bd. 2 - S. 11

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
11 Viertes Kap. Allgemeinste Gestalt der Welt. Ein Sieg hatte Cyrns das medische, ein anderer das ly dische, ein dritter das b ab y lo nisch e Reich unterworfen. Das Schicksal schien diese großen Massen nur darum gebildet zu haben, damit sie um so leichter in eine noch größere zusammenfielen. Iezt war keine Macht mehr, die sich mit Persien hätte vergleichen dürfen. Jedes überwundene Volk gab neue Mittel und Streitkräfte her, um noch andere zu überwinden. Es fiel das stolze Aegypten; Thrazien, Makedonien huldigten; Indien zitterte. Aber die armen Scythen, durch ihre Wildnisse ge- deckt, trozten dem furchtbaren Reiche; und das kleine Griechenland demüthigte, erschütterte, untergrub es. Der orientalische Despotismus mit seinem traurigen Gefolge, Serail-und Satrapenregierung, hatte aus ihm einen Koloß ans thönernen Füßen gemacht. Der ungeheuere, schlechtverbundene Staat, durch Empörung in den Provinzen und Zwist im Königshause unabläßig zerrüttet, ohne anderes Erhaltungs-Prin- zip, als den Schrecken, seinen eigenen Völkern meist ebenso verhaßt, als den Fremden — mußte zu Grunde gehen durch langsame innere Auf- lösung, oder schnell Zusammenstürzen durch einen energischen Angriff von außen. Das Vcrhängniß hatte das Leztere beschlossen. Dcrmace- donische Held Alerander zerstörte plözlich das wankende Reich. Die Kriege gegen Persien waren das vorzüglichste Mittel zur Er- hebung Griechenlands gewesen. Die gemeinschaftliche Gefahr hatte seine vielen Stämme zur engeren Vereinigung gebracht, der glückliche Erfolg hatte ihr Selbstgefühl erhöht und Nacheiferung einen allgemeinen Heldenmnth erzeugt. Frei im Inneren, ruhmgekrönt und gesichert von Außen, hätten sie ein glückliches und edles Volk werden, und auf fried- lichen Wegen durch Handel und Kolonien immerdar weiter sich aus- breiten mögen, wären sie einig unter sich, einfach in Bedlirfniß und Sitte und treu der Tugend, dem Patadium der Freiheit, geblieben. Oder hätten sie, weit solche Reinheit der Sitten und unaufhörliche patrio- tische Selbstverläugnung sich schwer erhalten lassen, einen mäßigen Pri- mat unter sich gegründet, die Wahrung des allgemeinen Jnteressc's, die Leitung der allgemeinen Kraft einer gesezlich organisirten Ccntralgewalt übertragen; sie wären zwar etwas weniger frei im Innern, aber nach außen um so furchtbarer geworden. Keines von beiden geschah. Der Primat, welchen Sparta zuerst und darauf Athen besaßen, war weder gesezlich bestimmt, noch durchgängig anerkannt, kraftlos für's Allgemeine, tyrannisch ans Einzelne wirkend, verhaßt, ein Zunder der Eifersucht und die Quelle verwüstenderkricge. Zum zweitenmale schwang sich Sparta über den Trümmern der athenischen Größe zur Herr- schaftauf, und mißbrauchte sic mehr, als zuvor. Der allgemeine, wohl- verdiente Haß und Thebens, durch zwei Helden plözlich gebaute, Macht

8. Bd. 2 - S. 5

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
Erstes Kap. Quellen. 8 dankbare Stadt, zu Thurii in Großgriecbenland eine Freistätte zu suchen, allwo er beim Ausbruch des peloponuesischen Krieges starb. In die Haupthandlung seiner Geschichte — die Erzählung der zwi- schen Europa und Asia geführten Kriege — hat Herodot mit unnach- ahmlicher Kllust und auf die ungezwungenste Weise den ganzen Reich- thum der historischen und geographischen Kunde seiner und der früheren Zeiten verwebt, als Einleitung oder als Darstellung der näheren und entfernteren Anlässe, als Schilderung des Schanplazes oder als na- türlich sich darbietende bald anmnthige, bald rührende, bald erschüt- ternde Episode. Auf den vieljährigen Reisen, welche er — in allen griechischen Meeren und bis Babylon, ja bis an die äthiopische und scy- thische Grenze — gethan, hatte er sich jene ausgebreitete Kenntniß der Länder und Volker erworben, welche wir erst in den neuesten Zeiten nach Verdienst schäzen und bewundern lernten, seitdem die lange ver- dunkelte Kunde von den Morgenländern und zum Theil von Afrika un- ter uns wieder erwachte, und manche einst für Mährchen gehaltene An- gabe des Vaters der Geschichte als ein wahres Faktum der Natur und als wahre, zum Tbeil noch dauernde, Menschensitte darstellte. Man hat mit Recht Herodot den Homer der Geschichte genannt. Einer, wie der Andere hat genialisch sich eine eigene Bahn gebrochen und sie erfüllt; Jeder ein hohes — und in seiner Art noch unerreich- tes Vorbild. In Beiden das gleiche tiefe Gemüth, derselbe religiöse Sinn, Beide voll edler Einfalt, Kraft und Anmnth, lebendig in Schil- derung der Natur und des Menschen und — dies leztere vorzüglich Herodot — glühend für Vaterland und Freiheit. Sein Styl hat den Schwung des Epos nicht; aber in klarem und sanftem Fluß strömt seine (jonische) Rede dahin, und alle Kenner des Schönen sprechen nach, was Athenäns sagt. //O Scivpacnoorcctos xotî ‘H Ço^Otos'“ Dreihundert Jahre nach Herodot schrieb Po ly bi ns von Mega- lopolis (geb. 3780. gest. 3862) acht und dreißig Bücher der allge- meinen Geschichte vom Anfang des zweiten punischen Krieges bis zum Untergänge des macedonischen Reiches, welchen zwei andere Bücher, die summarische Erzählung der früheren Begebenheiten von dem galli- schen Brande an enthaltend, als Einleitung vorangehen. Schon in seiner Heimath hatte Polybius, des Prätors Lykortas Sohn, als Staatsmann und Feldherr hervorgeglänzt: er mußte mit den Ausge- zeichnetsten unter den Achäern, deren Talente und Tugenden die Rö- mer scheuten, als Geisel nach Italien wandern, erwarb sich allda die Achtung und das Vertrauen der wichtigsten Männer, wurde Scipio's des Jüngern Freund und Rathgeber, und vervollkommnete durch

9. Bd. 2 - S. 259

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
239 Geseze und Sitten. bildet in seinen Gcsezen und Sitten eine eigenthümliche, von allen ande- ren unterschiedene Erscheinung. Erst später hat die Herrschaft Noms einer Menge Völker die Gleichförmigkeit der Sitten und Geseze auf- gedrungen, so wie in neueren Zeiten eine ähnliche Gleichförmigkeit durch das Christenthum und einen gemeinschaftlichen Gang der Civi- lisation entstand. §. 19. Persische Geseze. Von persischen Gesczen wissen wir wenig. Die griechischen Be- richte darüber sind sowohl dürftig, als verdächtig, und insbesondere ist das lezterc von den Teno phontisch en Erzählungen zu sagen, welche wohl großentheils erdichtet, oder doch nur von dem Stamme der P afarga den giltig sind. Doch mag nach den allgemeinen An- gaben und der Analogie der fast beständig gleichförmigen asiatischen Sitten ein summarischer Umriß gezeichnet werden. Die ursprünglich rohen Sitten der Perser wandelten sich in me- d isch e Weichlichkeit um; bald war kaum ein Unterschied zwischen Sie- gern und Besiegten mehr, besonders da die Lehre Zorvasters, welche auch über das Privat- und bürgerliche Leben Vorschriften ertheilt, im ganzen Reiche herrschend geworden. Sehr wohlthätig wirkte diese Lehre auf den Ackerbau (*) und alle friedlichen Beschäftigungen, auf Be- völkerung, Erziehung und Sitten. Aber sie hob die beiden Grnndübel asiatischer Völker nicht, Polygamie und U ep p ig ke it. Die erste (**) machte das Gedeihen schöner Familienverhältnisse unmöglich, veranlaßte die Absonderung und Sklaverei der Weiber, den Gebrauch der Ver- schnittenen, die Ertödtung der wohlthätigsten menschlichen Gefühle und ein allgemeines Sinken der Moralität. Die zweite, zum Theil eine Folge des Klima's, zum Theil des natürlichen Ubermuths einer herrschenden Nation, sezt freilich, wo eine bedeutende Zahl sich ihr er- geben kann, eine desto größere Dürftigkeit der klebrigen voraus, und wir mögen wohl annehmen, daß die durch das Beispiel des Hofes er- munterte ungeheure Schwelgerei der persischen Satrapen oder überhaupt der Großen und Reichen — wovon die grellsten Züge Vorkommen — aus der Entbehrung und Noth der Masse des Volkes ihre Nahrung gezogen. So wenig lobenswürdig nach diesen beiden Hanptzügen und dann nach der knechtischen Denkart der persische Charakter im Allgemeinen (*) Die persisten Satrapen, bei aller ihrer Pracht, bauten häufig dar .Land. Der jüngere Cyrus rühmte sich gegen Lysanter, seine Lusthaine und Gärten selber angelegt und viele Bäume mit eigener Hand gepflanzt zu haben. (**) Wir lesen auch von Ehen mit Müttern und Töchtern. 17*

10. Bd. 2 - S. 260

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
260 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. erscheint; so nehmen wir doch daran noch verschiedenes Schöne im Einzelnen wahr. Eine große Sorgfalt für die Erziehung geht aus den Schilderungen der Cyropädie sowohl, als aus anderen Nachrich- ten (insbesondere auch aus den hieher gehörigen Vorschriften in den persischen Religionsbüchern) hervor. Nur spricht Lenophon von öffentlicher oder Staatscrzichung (welche wohl bei den edlen Pa- sargadcn statt fand), diese von Privaterziehung. Man hielt die Wahrheitsliebe für eine charakteristische Tugend der Perser. Sie scheinen — bevor sie durch Sklaverei völlig herabgcwürdigt wa- ren — ein lebhaftes Gefühl für Ehre und Schande gehabt zu haben. 2hrc Strafgeseze waren mild (wiewohl die Wuth des Despoten der- selben wenig achtete). Nur gegen die Richter selbst waren sie streng. Uebcrhaupt wurde das Recht mit Eifer gehandhabt und selbst die Bil- ligkeit und Dankbarkeit durch positive Verordnungen eingeschärft. tz. 20. Griechische. Dorer und Ionier. Von den griechischen Gesezen haben wir die merkwürdigsten, jene des Lykurgus und So ton, schon im ersten'zeiträume beleuch- tet (B. I. S. 221. f. 241.); doch bleibt uns noch eine Nachlese übrig, wobei wir gleichfalls unseren Blick fast ausschließend auf Athen und Sparta (und zwar meistens auf jenes) richten werden, da von anderen Staaten weniger interessante Nachrichten vorliegen, und jene füglich als die Repräsentanten der ganzen jonischen und dorischen Zunge (der zwei Hauptgeschlechter der Griechen [f. B. I. S. 155. und 158]) (*) gelten mögen. Durch eine merkwürdige und bleibende Verschiedenheit der Charak- tere waren diese Hauptstämme von einander geschieden. An Sitten und Einrichtungen mochte man sie, wie an der Sprache, erkennen. In Allem, was Liebenswürdigkeit und Bildung heißt, waren die Ionier vorzüglich und zu Allem geschickt; aber unstät, frivol, dem Genüsse ergeben. Dagegen zeichneten die Dorer durch Würde, Ernst und Einfachheit sich aus und durch Anhänglichkeit an alte Sitte. Die 'Ionier haßten Alles, was Beschränkung der Freiheit schien, hielten mit wachsamer Eifersucht die Vorzüge des Standes und der Geburt zurück, wollten keine anderen, als demokratische Verfassungen und den häufigen Wechsel der Magistrate; die Dorer ehrten das At- ter der Personen und Geschlechter, duldeten lebenslängliche Magistrate und dauerhafte aristokratische Formen. Beide waren religiös, vatcr- (*) Der äolische Stamm — wozu auch die Aehnlichkeit der Dialekte bei- trug — verschmolz fast ganz mit dem dorischen. Von den Achäern wurde ein Theil durch die Dorer unterjocht, nur im kleinen Achaja blieben sie frei.
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