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Zweites Kap. Religion.
selbe war — so wie Numa sie einführte (*) — hetrurischen Ur-
sprungs, aber gleichwohl in den meisten Stücken der griechischen
ähnlich. Auch mochte schon in den frühesten Zeiten auf mancherlei
Wegen die griechische Mythologie nach Italien gelangt seyn, und
der nachmalige nähere Verkehr der Römer mit den Griechen veran-
laßte noch eine genauere Gleichförmigkeit. Wir treffen in Rom die-
selben Gottheiten, wie in Hellas, nur mit verändertem Namen, die-
selben Göttergeschichten, nur minder poetisch, und sehr ähnliche Ge-
bräuche an, nur etwas modifiât nach den übrigen Begriffen und
Verhältnissen der Römer und vermehrt durch einige Nationalgötter
(wie Aeneas, Quirinus re.) und andere, welche eigens die Klngs
heit der Gesezgeber zu moralischen oder politischen Zwecken geschaffen,
als Fides, Terminus n. s. w. So finden wir auch eine ganz
ähnliche Gottesverehrung durch Gebete, Opfer (leider auch Men-
schenopfer! * **), vielerlei Feste, Spiele und Mysterien. Von den hei-
ligen Spielen (den circensischen, amphitheatralischen und
scenischen) wird an einem anderen Orte die Rede seyn. Die My-
sterien waren der Ceres, Proserpina, Bona Dca und dem
Bacchus geweiht, aber minder wichtig, als die griechischen. Der
Tempel waren viele, die meisten prächtig; airch wurde in Hainen,
Höhlen rc. die Gottheit verehrt.
Das Detail der römischen Mythologie kann ich wohl bei meinen
Lesern voraussezen. Doch ist nicht dieses oder das blose Gerüste,
das Materielle der römischen Religion, was den Welthistoriker in-
tereffirt, sondern der innere Charakter derselben und ihr Verhält-
niß zum Staate und zur allgemeinen Kultur.
Die Römer waren sehr religiös. Kein öffentliches, kein wichti-
geres Privatgeschäft wurde ohne Anrufung der Götter und ohne reli-
giöse Gebräuche begangen. Sie glaubten sich ringsum von Göttern
umgeben, den Zeugen ihrer geheimsten Handlungen, den Rächern des
Lasters, den Leitern und selbst Verkündern des Schicksals. Rom war
schon Herrscherin der Welt, als dieser fromme Sinn noch währte.
Erst in den Zeiten der Bürgerkriege lehrte die griechische Philosophie
die Römer zweifeln; und später riß mit dem äußersten Sittenver-
derbniffe auch Unglaube in den höheren Ständen ein. Wenn wir die
('•*) Schon Romulus soll sechzig Priester aus den angesehensten Männern
gewählt haben. Aber erst sein Nachfolger gab — gleichfalls der Sage nach —
dem Religionswesen eine feste Gestalt.
(**) In großen Gefahren, als bei einigen gallischen Kriegen, wurden
Menschen geschlachtet. Nach der Niederlage bei Canna begrub man vier
Personen lebendig. Der mildere Gebrauch, alljährlich eine Zahl Menschen-
figuren in die Tiber zu werfen, floß wohl ursprünglich aus derselben Quelle.
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Extrahierte Personennamen: Canna
Extrahierte Ortsnamen: Italien Rom Hellas Bona_Dca
291
Schöne Künste und Wissenschaften.
Allmälig versuchten die Römer ihr eigenes Künstlcrtakent. Aber
niemals durften sie ihre Werke neben die griechischen stellen Auch
wurden griechische Künstler zu allen bedeutenden Arbeiten gebraucht.
Nur in der Baukunst mögen die Römer den selbstständigen Ruhm
der Größe und Festigkeit ansprechen. Die Schönheit mußten sie auch
hier von den Griechen lernen. Schon die Könige hatten in Rom die
erstauuenswürdigeu Kloaken, dann das Kapitolinm und den
Circus marimus erbaut. Nach einem langen Stillstände (denn
die Wiedererbauung der Stadt nach dem gallischen Brande geschah
flüchtig und schlecht) wurde die Herrscherin der Welt durch eine
Menge von Prachtgebäuden geziert. Es stiegen stolze Tempel,
Basiliken, Porticus, Bäder, Triumphbogen, Thea-
ter und Amphitheater, selbst reiche Privatgebäude empor, alle
prangend mit geraubten und gekauften Kunstschäzcn, überherrlich,
aber beladen mit der geplünderten Völker Fluch. Doch schufen die
Römer auch gemeinnüzige und wahrhaft große Werke. Ihre Was-
serleitungen, ihre Heerstraßen, Brücken rc. verdienen die
Bewunderung aller Zeiten. Kein Volk hat in solchen Sachen das
römische erreicht.
§. 6. Gymnastik und Musik.
Von der Liebe der Griechen zur Gymnastik zeuget, was wir
oben von den öffentlichen Spielen und Gymnasien sagten. Die mei-
sten Uebungen derselben bezogen sich jedoch auf die Palästrik,
welche nicht wohl eine schöne Kunst genannt werden kann. Der
Orchestik aber (gleichfalls ein Tbcit der Gymnastik) kommt diese
Benennung zu, weil Schönheit das Grundgesez des Tanzes ist. Der
Gebrauch beim Gottesdienste (heilige Tanze kommen fast allent-
halben vor), mehr noch die Anwendung aus's Theater, wo man
auch die Mimik damit verband, hoben die Orchestik. Insbesondere
gewann sie bei den Römern, welche die mimischen und panto-
mimischen Spiele leidenschaftlich liebten, und zur höchsten Voll-
kommenheit brachten (*). Auch die Palästrik wurde von ihnen ge-
schäzt. Doch beschränkten die Bürger sich auf Privat-Uebungcn,
und später besuchten sie die griechischen Spiele.
Der Gymnastik wurde die Musik entgegengcsezt, aber man nahm
dieses Wort in gar verschiedenem und oft sehr ausgedehntem Sinne.
(*) D. h. indem sie die gedungenen öffentlichen Tänzer durch reiche Be-
lohnung ermunterten. Ater an den Bürgern selbst wurde das Tanzen
für eine schändliche Ausschweifung gehalten: wie aus dein Eifer erhellt, wo-
mit Cicero den Murena gegen die Beschuldigung des Tanzens verlheidigt.
pro Muren. G.
19
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332
hinauf. Das Pferd flog in wildem Galoppe mit ihm davon, und sein Vater
fürchtete für sein Leben. Als er aber umlenkte und das unbändige Roß sicher
tummelte, da erstaunten Alle, und Philipp rief voll Freuden: „Mein Sohn,
suche dir ein anderes Königreich: Makedonien ist zu klein für dich!" —
Alexander war kaum zwanzig Jahre alt, als sein Vater starb. Zuerst
unterwarf er sich Griechenland und zeigte sich überall als einen Kenner und
Beschützer der Künste unv Wissenschaften. In Korinth besuchte er auch den
weisen Diogenes. Der glaubte, wie Sokrates, daß der Mensch desto
glücklicher sei, je weniger er bedürfe — und wohnte darum nicht in einem
Hause, sondern in einem Fasse. Der König Alexander, der von ihm gehört
hatte, ging zu ihm. Er lag gerade in seiner Tonne, um sich an der Sonne zu
wärmen. Der König dachte, er würde doch aufstehen und ihm entgegenkom-
men. Aber Diogenes blieb liegen, als wenn die Ankunft des Königs gar
nichts Besonderes sei. Alexander redete lang mit ihm und fand seine Ant-
worten so treffend und geistreich, daß er freundlich zu ihm sagte: „Kann ich
dir eine Gunst erweisen?" — „Ja!" antwortete Diogenes, „tritt mir ein
wenig aus der Sonne!" Da erkannte der König, daß er einen Mann gefun-
den hatte, welcher weder Geld, noch schöne Kleider, noch sonstige Herrlichkeiten
begehrte, sondern mit Wenigem zufrieden war, und er sagte zu den Umstehen-
den: „Wahrlich, wenn ich nicht Alexander wäre, somöchteich
wohl Diogenes sein!"
Mit glühendem Eifer begann Alexander nun die Eroberung des persi-
schen Reiches. Von Europa setzte er nach Asien über den Hellespont. Hier
traf er mit den Persern am Flüßchen Granikus zusammen. Seine Feldherren
wiederriethen es, im Angesichte des Feindes über den Fluß zu gehen; aber
Alexander antwortete: „Der Hellespont würde sich ja schämen, wenn wir die-
ses Flüßchen fürchteten." Mit diesen Worten stürzte sich der kühne Jüngling
in den Fluß; seine Macedonier folgten, und glücklich wurde das jenseitige
User erreicht. Sogleich begann auch der Kamps, und fast hätte Alexander hier
sein Leben verloren; denn zwei persische Führer sprengten auf ihn los, hieben
ihm aus den Kopf, daß der Helm zersprang, und schon hob der eine den Arm
empor, um ihm den Kopf zu spalten. Da, in dem gefährlichen Augenblicke,
sprengte Alexanders Feldherr, Klitus, herbei und schlug mit einem Streiche
dem Perser den rechten Arm herunter, daß Schwert und Arm zugleich herab-
fielen. Alexanders Leben war gerettet.
Die Eroberung Kleinasiens war die Frucht dieses Sieges. Im Süd-
osten dieser Halbinsel lag die Stadt Tarsus, welche von dem Cydnus durch-
flossen wird. Hier kam Alexander bei großer Hitze, mit Staub und Schweiß
bedeckt, an. Das klare Wasser des Fluffes lud ihn zum Bade ein. Aber kaum
war er einige Minuten darin, so überfiel ihn ein heftiges Fieber; leichenblaß
und zitternd an allen Gliedern, mußte er aus dem Bade getragen werden.
Die Krankheit verschlimmerte sich bald so, daß die Aerzte ihn aufgaben, und
keiner mehr Etwas verordnen wollte. Und doch war Alexanders Genesung eben
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Extrahierte Personennamen: Philipp Philipp Alexander Alexander Alexander Alexander Alexander Alexander Diogenes Alexander Alexander Alexander Alexander Alexander Alexander Alexander Alexander Alexanders Alexanders Alexanders Alexanders Alexander Alexander Alexanders Alexanders
Extrahierte Ortsnamen: Makedonien Griechenland Korinth Europa Asien Kleinasiens
81
70. Wenn dieser arme Mann auch Leib und Leben
Verwirkt durch seine leichte Schuld, bei Gott!
Er hätte jetzt zehnfachen Tod empfunden.
Entlaßt ihn ungekränkt in seine Hütte;
Er hat euch kennen lernen; dieser Stunde
75. Wird er und seine Kindeskinder denken.
Gehler.
Oeffnet die Gasse! — Frisch! was zauderst du?
Dein Leben ist verwirkt; ich kann dich tödten,
Und sieh', ich lege gnädig dein Geschick
In deine eig'ne kunstgeübte Hand.
80. Der kann nicht klagen über harten Spruch,
Den man zum Meister seines Schicksals macht.
Du rühmst dich deines sichern Blicks. Wohlan I
Hier gilt es, Schütze, deine Kunst zu zeigen;
Das Ziel ist würdig, und der Preis ist groß!
85. Das Schwarze treffen in der Scheibe, das
Kann auch ein And'rer; der ist mir der Meister,
Der seiner Kunst gewiß ist überall,
Dem's Herz nicht in die Hand tritt, noch in's Auge.
Walther Fürst (wirft sich vor ihm niedre).
Herr Landvogt, wir erkennen eure Hoheit;
90. Doch lasset Gnad' für Recht ergehen! Nehmt
Die Hälfte meiner Habe, nehmt sie ganz!
Nur dieses Gräßliche erlasset einem Vater!
Walther Tell.
Großvater, knie nicht vor dem falschen Mann'!
Sagt, wo ich hinsteh'n soll;- ich fürcht' mich nicht;
95. Der Vater trifft den Vogel ja im Flug';
Er wird nicht fehlen auf das Herz des Kindes.
S t a u f f a ch e r. V
Herr Landvogt, rührt euch nicht des Kindes Unschuld?
Rö ff elmann. J
O, denket, daß ein Gott im Himmel ist,
Dem ihr müßt Rede steh'n für eure Thaten!
Gehler (zeigt auf dcn Knaben).
100. Man bind' ihn an die Linde dort!
Walthertell. ±
Mich binden
Nein, ich will nicht gebunden sein. Ich will
Still halten, wie ein Lamm, und auch nicht athmen.
Wenn ihr mich bindet, nein, so kann ich's nicht,
So werd' ich toben gegen meine Bande.
Kieffer, Viertes Lesebuch. Ii.
6
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144
Unter dem ersten Eindrucke, den diese Worte auf uns machten, waren wir im
Begriffe, unsere Sessel zurückzuschieben; aber ein bittender Blick des Opfers
bewog uns, in dieser Stellung zu verbleiben, wiewohl uns die Gefahr, in der
wir Alle schwebten, einleuchtend genug war, indem bei jeder neuen Windung
das Ungeheuer von unserm unglücklichen Freunde auf einen von uns Herüber-
gleiten konnte. Wen dieses Schicksal traf, der war als todt zu betrachten; so
gefährlich und schnellwirkend ist der Biß dieser Schlange.
Doctor M. saß, wie die meisten Engländer in Indien, in Hemdärmeln,
weiten, dünnen Pumphosen und seidenen Strümpfen und fühlte dadurch um
so genauer und peinlicher jede Bewegung der Schlange. Sein Gesicht erhielt
einen schwarzgclben Anstrich, während er selbst einer Bildsäule glich; denn da
er wußte, daß jede Muskelbewegung den Biß der Schlange beschleunigen
würde: so waren selbst beim Sprechen seine Lippen und Blicke erstarrt. —
So saßen wir in derselben Todesangst unendlich lang scheinende Minuten.
„Jetzt windet sie sich wieder rund," unterbrach M. hohl und murmelnd
die Grabesstille: „ich fühle sie kalt an meinem Oberschenkel; jetzt strammt sie
sich — um des Himmelswillen, laßt Milch bringen! Ich darf nicht laut spre-
chen; laßt die Milch mir nahe auf den Boden und etwas davon daneben
gießen." — Ich gab sogleich den Befehl, und mein Diener schlüpfte vor-
sichtig weg.
„Sitzt still, Hauptmann! Ihr bewegt den Kopf; bei Allem, was euch
heilig ist, beschwöre ich euch, thut es nicht wieder! Es kann nicht lang dauern,
bis mein Schicksal entschieden ist. Ich habe eine Frau und zwei Kinder in
Europa; sagt ihnen, daß ich, sie segnend, gestorben sei, daß meine letzten Gebete
für sie gewesen; — die Schlange windet sich höher; — ich lasse ihnen Alles,
was ich besitze; — es kommt mir vor, als fühle ich bereits ihren Athem;
großer Gott, auf solche Art zu sterben!"
Die Milch ward gebracht und von meinem gewandten indischen Diener,
der selbst unhörbar, wie eine Schlange, am Boden hinkroch, an den bestimmten
Ort niedergesetzt, nachdem er etwas nebenbei auf den Boden gegossen hatte. —
Kaum war dieß geschehen, als M. wieder begann: „Nein, nein, es hat keine
Wirkung; im Gegentheil, sie zieht sich fester zusammen; jetzt entfaltet sie die
obere Schlinge! Ich darf nicht niedersehen: aber ich bin gewiß, sie dreht sich
rückwärts, um mir den Todesstoß zu geben. Nimm mich auf, o Herr, und ver-
gib mir meine Sünden! — Meine letzte Stunde ist gekommen; — ich habe
Festigkeit; aber dieß übersteigt, was zu ertragen ist! — Ach nein, sie entfaltet
einen zweiten Knoten und macht sich frei. Sollte sie zu einem Andern gehen?"
— Wir bebten unwillkürlich zurück.
„Um des Himmels willen, rührt euch nicht; steht nicht auf; ich bin des
Todes! Haltet mit mir aus! Sie lös't sich noch mehr; sie ist im Begriffe, sich
niederzuwerfen. Bewegt euch nicht; aber seht euch vor! Hauptmann, sie fällt
nach eurer Seite! O, diese Todesangst ist zu groß! — Ein anderer Druck,
und ich bin todt. Nein, sie läßt los!"
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205
Durch's zweite Thor ziehen ein in's Schloß der Sänger und Spieler gar viele;
Wenn ab der König steigt vom Roß, so freut er sich am Spiele.
Durch's dritte Thor hinaus man sieht in einen schönen Garten,
Wo manche Vlume duftend blüht, dem König aufzuwarten.
Ein zweiter Garten ist noch nah, wo süße Früchte hangen;
Das vierte Thor ist dazu da, daß sie in's Schloß gelangen.
Zehn Ritter steh'n am fünften Thor, je fünf auf einer Seite;
Die schickt der König oft hervor, bald friedlich, bald zum Streite.
Die Ritter zu der rechten Hand sind taps'rer, als die linken;
Sie werden meistens nur gesandt, wenn jene etwa hinken.
Geöffnet sind den ganzen Tag die Thore all' des Schlosses,
Bis Abends müd' darnieder lag der Herr des Flügelrosses. Mises.
78. Vorzüge des menschlichen Körpers.
Der Mensch steht als das herrlichste Werk der Schöpfung da. Welches
Ebenmaß der Glieder, wie zweckmäßig alle geordnet und gestellt, welche Fein-
heit, welcher sanfte Umriß, welche Majestät!
Die für uns unentbehrlichsten — die wohlthätigsten Sinnen sind Hören
und Sehen. Das Ohr soll die Stimme des Freundes vernehmen, so wie den
geheimen Anschlag des Feindes gegen uns; das Auge soll die ankommende
Freundin schon in der Ferne entdecken, so wie unsern Gegner, der im Hinter-
halte lauert. Darum stehen beide als unsere Hochwächter, welche die An-
näherung des erwarteten Einzugs oder die Feuersnoth verkündigen, zu oberst
am Haupte — das Auge, um desto weiter zu reichen, das Ohr, weil der
Schall nach den Gesetzen der Natur in die Höhe geht. Wie kunstreich jenes
zusammengesetzt ist, lehrt die Zergliederung des menschlichen Körpers! Wie
kostbar ist für uns die Anstalt des Schöpfers, es wohl zu verwahren! Da die
scharfe Feuchtigkeit dem Auge schadet, so umwölbte die Natur es mit Augen-
braunen, den von der Stirne triefenden Schweiß abzuleiten. Ist es dem Land-
manne, der in der Tageshitze sein Brod gewinnt, wohl schon eingefallen, wie
viel er den Augenbraunen dankt? Hat er scbon daran gedacht, wie sehr ihm
die Augenlider dienen, damit Sand und Staub der Sehkraft nicht schaden,
damit unser Auge unter einer wohlthätigen Decke sicher ist, wenn wir im
Schlafe keine Gefahr ahnen? Unsere Seele gibt, als die Königin des Körpers,
Audienz durch das Ohr, vor dem ein zartes Häutchen, als Trommelfell, ge-
spannt ist, damit sie durch das Anschlagen der Worte an dasselbe Nachricht
von dem erhält, was sie erfahren soll. Aber wie vieler Gefahr ist dieses zarte
Häutchen ausgesetzt, besonders von Insekten!
Wie Vieles müßte der ermüdete Wanderer, der im Schatten eines Bau-
mes schläft, befürchten, hätte nicht der wohlthätige Schöpfer den Eingang des
Ohres durch mancherlei Krümmungen erschwert! Der Weg zu diesem kostbaren
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141
Viertes Kap. Römische Geschichte.
legen Willen, zur Schlacht. An den Ufern des A ufi du s (*) bei dem
Flecken Canna wurde sie geliefert, die verderblichste für Rom in
seiner ganzen Geschichte. An diesem Tage sieten 45,000 Bürger, es
fielen 80 Senatoren, viele Consnlaren und Staatsbeamte und die
Blüthe der Ritterschaft. Aemilius Paulus nahm einen schönen
Tod, Terenti us Varrò die Flucht. Dennoch ging ihm der Senat-
um des Volkes Muth zu erhalten — dankend entgegen, dafür, daß
er am Heile des Vaterlandes nicht verzweifelt.
§. 88. Folgen derselben.
Dies war das Zenith von Hannibals Glück und Ruhm. Das
erste begann jezt zu sinken, der zweite nie. Zwar werfen ihm Viele
vor, daß er nach dem großen Siege nicht schnell, wie Maharbal
wollte, das Kapitol gcstürmet: und in der That ist es ein wichtige-
res Talent, Siege zu benüzen, als Schlachten zu gewinnen; aber
daß der Tag bei Canna ohne entscheidende Folgen blieb, lag wohl in
den Umständen und nicht in Hannibal's Schuld. Mit 26,000 Mann
war er von den Alpen hinabgestiegen, und hatte seitdem, außer der
gallischen Hilfe, keine bedeutende Verstärkung erhalten. Wie konnte
er nun, im dritten Feldzuge, nach so vielen Gefechten und vier groß-
ßen Schlachten, stark genug seyn, das zwar bluttriefende, aber noch
immer an Volk und Waffen reiche Rom anzugreifen; Rom, dessen
eigenthümlicher Charakter darin bestand, nach Unfällen am furchtbar-
sten zu seyn? Daher, um nicht die Frucht der Siege durch Verwegen-
heit zu vertieren, beschloß Hannibal, bevor er das Größte wagte,
durch Gewinnung der römischen Bundesgenossen sich zu verstärken,
und karthagische Hilfe zu erwarten. Auch fielen jezt die meisten
Völker des unteren Italiens ab von dem längst gehaßten Rom. Solches
that auch Campanie» mit seiner Hauptstadt Cap na. 2n diesem
schönen, von der Natur überreich begabten Lande (**), dessen schwel-
gerische Einwohner keine Kunst höher, als jene des Genusses schäz-
ten, nahm Hannibal die Winterquartiere. Unmäßigkeit und Wollüste
entnervten daselbst seine Krieger: nach geschmecktem Uebersiusse schie-
nen Entsagung und Mühseligkeit unerträglich.
Aber vergebens begehrte Hannibal Verstärkung von Karthago.
Hanno bcharrte bei seiner Anfeindung des barkinischen Hauses,
und da dieses auf den Krieg seine Größe baute; so erhob jener sich
(*) Gleich nach der trasimenischen Schlacht war Unteritalien derschan-
plaz des Krieges geworden.
(**) Omnium non modo Italia, scd toto orbe terrarum, pulcherrima
Campania« plaga est. Nihil mollius coclo, nihil uberius solo : ideo Liberi
Cererisque certame» dicitur. Florus.
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Extrahierte Personennamen: Aemilius_Paulus Hannibals Hannibal Hannibal Hannibal Hanno
Extrahierte Ortsnamen: Rom Hannibals Rom Rom Italiens Rom Karthago Unteritalien
20 Die alten Deutschen. Kriegswesen.
Blutsverwandten; denn so wurden die einzelnen am meisten zu wetteifernder Tapferkeit und Ausdauer angeregt. Die Schlachtordnung war der Keil an dessen Spitze und Seiten die Stärksten und Tapfersten standen. Den Kern des Heerbannes bildete das Fußvolk, das mit der zum Stoß und Wurf benutzten Lanze bewaffnet war; daneben aber mich das wuchtige Schwert, Keulen und Streitäxte, seltener Bogen und Pfeile trug. Der große, aus Weidengeflecht gefertigte, mit Häuten überzogene und buntbemalte Schild deckte fast den ganzen Mann; Helm und Panzer trugen nur wenige. Neben dem Fußvolk gab es auch eine tüchtige Reiterei, die mit großer Gewandtheit auf den kleinen Pferden ohne Sattel kämpfte. Nicht selten fochten Fußsoldaten mit Reitern untermischt. Kurz vor Beginn des Kampfes ertönte der fchreckenerregende S chlach tg e f aug; dann folgte ein wütender Ansturm, der meistens ans den ersten Stoß den Kamps entschied, manchmal aber auch die eigene Ordnung störte und so dem Feinde den Sieg erleichterte. Als letzte Zuflucht für das geschlagene Heer galt die Wagenburg, wo mit der Kraft der Verzweiflung Männer, Frauen und Kinder das Eindringen der Feinde zu hindern suchten.
Verschieden von dem Volksheere sind die Geleite oder Gefolgschaften. Nur der König in monarchischen und die Fürsten (Vordersten) in republikanischen Staaten waren berechtigt, dieselben zu halten. Sie bestanden ans jungen, kriegslustigen Männern, oft jüngeren Söhnen ohne eigenes Erbe, die sich durch ihren Eid auf Leben und Tod in den Dienst des Ge-solgsherrn ergaben, für ihn in allen Fehden kämpften, sein Leben mit dem ihrigen schützten. Dagegen gewährte ihnen der Gesolgs-herr Unterhalt, Beute und Ehre. Er socht an ihrer Spitze; für ihn war es eine Schande, sich an Tapferkeit übertreffen zu lassen, für bte Genoffen bte größte Schmach, ohne ihren Herrn aus der Schlacht zurückzukehren. Die Gefolgschaft gab ein größeres Ansehen im eigenen Volke, aber auch als Bundesgenossen in den Kämpfen fremder Stämme wurden mächtige Gefolgsherren eifrig gesucht. Da endlich Adlige, Freie und selbst Freigelassene in solchen Dienst eintraten und hier ihren Rang von dem Herrn nach ihrer Tüchtigkeit erhielten, so ist in dieser Einrichtung der erste Ansang zur Heranbildung eines neuen Abels, des Di enst-a b e l s , zu erkennen.
3. Die Keligion brr Deutschen.
Der sittlich-ernste Sinn des bentschen Volkes und seine Empfänglichkeit für das Wunderbare der Natur zeigt sich auch in
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Sein Privatleben. °'
Hühnern und Tauben, auch hielt man als Ziervögel Pfauen, Enten und Turteltauben. Die Aufsichtsbeamten mußten zu Weihnachten ein genaues Verzeichnis von dem ganzen Bestände an Vieh, Getreide, Wein, Honig, Eiern, Wolle n. s. w. einreichen, am Palmsonntag den Geldertrag abliefern und Rechnung ablegen. Wenn Karl feine Güter bereifte, was fehr oft geschah, fo war er ganz Landwirt und vergaß den König und Staatsmann; er nahm alles selbst in Augenschein, ordnete Verbesserungen an, prüfte die Bauanschläge und sah die Rechnungen nach, in welche alles bis aufs Kleinste, selbst jedes verkaufte Ei, eingetragen sein mußte.
6. Karls Privatleben und Tod.
So groß Karl iu allen Verhülltnissen des öffentlichen Lebens war, fo liebenswürdig erscheint er irrt Privatleben. Wie er seiner Mutter stets die höchste Ehrfurcht erwies, so war er feiner Schwester Gisla ein liebevoller Bruder, feiner (Zweiten) Gemahlin Hildegard ein zärtlicher Gatte, feinen Kindern ein sorgsamer Vater. Seine Söhne ließ er nicht nur in den Waffen üben, sondern er war auch mit der größten Sorgfalt für ihre geistige Bildung bemüht. Eben so sorgte er dafür, daß feine Töchter, an denen er mit ganzer Seele hing, nicht nur in den weiblichen Künsten des Spinnens, Webens und Wirkens, sondern auch iu den Wissenschaften unterrichtet würden. Nie mochte er sie von feiner Seite lassen, und nicht bloß bei Tische mußten sie neben ihm fitzen, sondern sie begleiteten ihn auch auf feinen Reifen, gingen mit ihm auf die Jagd, und selbst auf feinen Kriegszügen trennte er sich nicht von ihnen.
In feiner Lebensweise war er außerordentlich einfach. Niemand konnte müßiger fein in Speise und Trank. An seiner gewöhnlichen Mittagstafel gab es nur 4 Gerichte, außer dem Braten, den er von den Jägern am Bratspieß herbeibringen ließ, und den er fehr gern atz. Gastmähler fanden nur selten und an besonders festlichen Tagen statt; dann fah er aber auch gern recht viele Leute bei sich. Wein trank er wenig, selten mehr als dreimal bei Tische, und nichts verabscheute er mehr, als Trunkenheit; dagegen wurde es ihm fehr schwer, an Fasttagen ohne alle Speise fertig zu werden, und er meinte, das Fasten schade ihm. Zur Unterhaltung ließ er sich bei Tafel etwas von den Thaten der alten Könige, auch wohl aus den Schriften des heiligen Augustin vorlesen; auch liebte er bei Tische Saitenfpiel und Gesang. Nach der Mahlzeit pflegte er 2—3 Stunden zu schlafen;
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karls Karls Karl Karl Gisla Hildegard
206 Ritterzucht.
trug, desto ehrenvoller für ihn. Erst wenn er das 60. Jahr erreicht hatte, konnte er von diesen Kämpfen sich ausschließen, als Zuschauer blieb ihm dabei stets der Ehrenplatz. Nur selten noch nahm ein sechzigjähriger Greis am Turnier teil. Geschah es einmal und war er auch dann noch siegreich, so ehrte ihn zwiefaches Lob.
5. Nitterzucht.
Strenge war das Verfahren wider den Ritter, der eine entehrende Handlung oder ein Verbrechen begangen, und dem als Strafe dafür der Verlust der Ritterwürde zuerkannt worden. Sobald das Urteil gesprochen, führte man ihn auf ein Gerüst, brach seine Waffen und feine Rüstung in Stücke und warf sie ihm vor die Füße. Die Sporen wurden ihm auf einem Misthaufen abgenommen, seinem Pserde daselbst der Schweif abgehauen. Dann ward fein Schild, nachdem das Wappen auf demselben ausgelöscht worden, an den Schweif eiues Pferdes gebunden, mit der Spitze nach oben gekehrt, und durch den Kot gezogen. Die Umkehrung des Schildes mit der Spitze in die Höhe bedeutete, daß der Eigentümer gestorben, hier daß er sittlich tot, daher auch als wirklich verstorben angesehen wurde. Die bei diesem Verfahren wirksamen Herolde und andere Diener durften sich die bittersten Schmähungen und Beleidigungen wider den Ritter erlauben. Von der Höhe des geselligen Lebens ward er in den tiefsten Abgruud sittlicher Verachtuug hinabgestoßen. Und nicht bloß eine weltliche Strafe war solche Entehrung, auch die Kirche, wie sie vertreten war bei der Erteilung der Ritterwürde , beteiligte sich bei der Entziehung derselben. Priester saugen, während der Ritter seiner Ehren entkleidet wurde, die Vigilien der Toten, darnach einen Psalm, der viele Verwünschungen wider den Verräter enthält. Dreimal rief der Wappenherold den Namen des Unglücklichen. Jedesmal nannte ihn der Wappen-perfevant, aber stets entgegnete der Herold, daß dieser nicht der Name desjenigen fei, der hier vor feinen Augen stehe, denn an diesem erkenne er weiter nichts als einen Verräter, einen Treulosen, einen Eidbrüchigen. Mit so vielen entehrenden Beschimpfungen war indessen die Strafe noch nicht zu Eude. Durch äußere Zeichen wenigstens sollte alles, was noch an die ritterliche Würde erinnerte, von dem, der sie zu besitzen unwürdig geworden, vertilgt werden. Der Wappenpersevant nahm ein Becken mit warmem Messer und schüttete es zürnend auf das Haupt des ehrlosen Ritters: so ward gleichsam die mit dem Ritterschlag
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