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Viertes Kap. Römische Geschichte.
Aber die Cimbrer — wenn sie auch die Welttyrannin stürzten —
waren selbst wohl schwerlich zur Weltherrschaft gelangt. Dafür
hatte durch ihren Sieg zu den unterdrückten Völkern die Freiheit wic-
derkehren, und aus dein erneuten Leben unendlich mehr Gutes anf-
blühen mögen, als jemals die Römermacht schuf. Verhängnißschwer
war in jeder Annahme der Augenblick; und wer mag es Zufall
nennen, daß jezt plözlich die hervorbrechende Sonne die Cimbrer blen-
dete, und den halb gewonnenen Sieg ihnen entriß? Es erging ihnen,
nach gräßlichem Widerstande, wie den Teutonen. Selbst ihre Weiber
stritten noch von der Wagenburg mit heldenmüthiger Verzweisiung.
Die Tignriner, als sic solches Unglück vernahmen, zerstreuten sich.
Marius, der Retter Roms, hielt einen herrlichen Triumph; doch
erkannten Viele, daß die Ehre des tezten Tages dem Catnlus ge-
bühre.
tz. >46. Der Bundesgenossenkrieg.
Für Rom selbst wurden die Siege des Marius fast so verderblich,
als seine Niederlage gewesen wäre. Trunken von der soldatischen
Größe und des Herrschens gewohnt, glaubte er Anspruch zu haben
auf bleibende Herrschaft. Auch ward er zum scchstenmal Cónsul
(3883. 100 v. Chr.) durch die Gunst des Pöbels, dem er immer-
dar angehangen, und durch den Eifer zweier gleichgesinnter Dema-
gogen, des Tribuns L. Appulejus Saturni uns und des Prä-
tors Glaucias. Gegen dieses Triumvirat vermochten Metellus
und Sulla, die Anführer der Optimaten, für jezt noch wenig.
Metellns wurde verbannt. Sulla arbeitete im Stillen. Als aber Sa-
turninns seinen Mitwerber um's Tribunat, Nonnius, auf den Co-
mitien ermorden ließ, und Glaucias dasselbe gegen Memmius
verübte, der mit ihm das Consulat gesucht; so empörte sich das ganze
Volk, solcher Gräuel noch nicht gewohnt, gegen die Verbrecher.
Diese bemächtigten sich des Kapitols. Marius, um nicht mitschuldig
zu scheinen, verband sich mit dem Volke, und sah seine treuen Ge-
hilfen, als sie der Uebermacht sich ergaben, eines schmählichen To-
des sterben. Er selbst hielt für nöthig, sich auf einige Zeit nach
Asien zu entfernen. Metellus wurde glorreich zurückbernfen.
Nach kurzer Ruhe veranlaßte Livius Drusus noch größeren
Brand. Es ist schwer, seinen Charakter zu würdigen. Talent und
Eifer schreiben ihm Alle, die Meisten auch edle Gesinnungen zu (*) ;
aber, was er tbat, wirkte schädlich, und es war sein Leben, wie
(*) Er isi's. der sein Haus dergestalt erbaut haben wollte, daß alle Men-
schen sähen, was er darin begänne. Ein Zug, in welchem Rousseau die
remile und erhabenste Tugend erblickt.
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Extrahierte Personennamen: Marius Marius Marius Marius L._Appulejus_Saturni Sulla Metellns Sulla Marius Marius Metellus Livius_Drusus
178
Viertes Kap. Römische Geschichte.
einem Tage mittelst geheimer Befehle ermorden, ging über's Meer,
besezte die Inseln, besezte Thracien, Makedonien, einen Theil von
Griechenland mit Athen, und hatte den Plan, die Völker vom Ta-
nais bis an die Alpen in einen großen Bund zum Angriff auf Italien
zu sammeln. Die Gefahr schien größer, als beim cimbrischen Kriege.
§. 47. Sulla. Erster Bürgerkrieg (*).
Sie ging vorüber. Die Weisheit des Senates besänftigte die
Bundesgenossen; Sulla's Genie und Glück besiegten Mithridat-
Der Senat, nachdem L. Jul. Cäsar, Cn. Pompejus
Strabo, Marius und Sulla über die Bundesgenossen verschie-
dene Siege erfochten, gab denjenigen, welche treu geblieben (als
vielen Lateinern und Umbrern), hierauf solchen, welche zur Treue
zurückkehrten, das Bürgerrecht. Die Uebrigen — besonders nach
des Silo Poppädius (ihres besten Feldherrn) Tode — wurden
ohne Mühe einzeln besiegt, und erhielten fast gleiche Bedingungen.
Auf solche Weise wurde ganz Italien Rom: allerdings gerecht,
da Rom durch Italiens Kräfte so groß geworden. Auch kam, durch
die Vergrößerung des Hauptes, die Gebieterin der Welt zu einer
festeren Grundlage der Macht. Aber um so unzureichender wur-
den die alten Formen und um so gefährlicher die ganze Verfassung.
Die Bewegungen der römischen Stadtgemeinde seztcn sich nun über
ganz Italien fort, und wuchsen an Furchtbarkeit, wie an Umfang.
Aus dem Zusammenflüsse von so ungleichen Interessen entstand ein
beständiger Conflikt derselben. Hinfort wurde fast unmöglich, eine
Gemeinschaft des Entschlusses zu bewirken, und es mochte der
verworfenste Rottenführer, wenn er in Rom übermannt war, in den
Leidenschaften und Vorurtheilen Italiens eine gesezliche Stüze finden.
Ja es wurde — bei der Unmöglichkeit, eine so ungeheuere Bürgerliste
in Ordnung zu erhalten — leicht, auch Sklaven und Fremde unter
die Stimmenden zu schwärzen. Die allerdings weise Maßregel, wor-
nach man aus den adoptirten Bundesgenossen, anstatt sie in die alten
Tribus zu vertheilen, acht eigene Tribus bildete, und hiedurch jenen
das Uebergewicht auf den Comitien sicherte, verminderte zwar das
Unheil, aber hob es nicht. Schon der Streit um dieses wiederholt
gegebene und widerrufene Gesez tränkte mehrmals Italien mit Blut.
Sonach war der Bundesgenossen-Krieg nicht nur Vor-
spiel und Anleitung zu den Bürger-Kriegen, wie die Schrift-
steller sagen, sondern auch die Quelle derselben und die Ursache
(*) L.sachse's Lebensgeschichte desdiktator Sulla. Leip.sommer. 1791.
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Extrahierte Personennamen: Sulla Cäsar Pompejus
Strabo Marius Marius Sulla Sulla
183
Viertes Kap. Römische Geschichte.
zu Sulla über, den er verdrängen sollte. Ftaccus wurde von Fla-
vius Fimbria, seinem Uuterfeldherrn, getödtet, welcher hierauf
nach Asien ging. Auch Er drängte den König, fiel jedoch mehr den
Einwohnern und Städten durch Plünderung und Gewaltthat schwer.
Mithridates suchte billigen Frieden durch Unterhandlung. Auch schie-
nen die Vorgänge in Italien Sulla zur Rückkehr aufzufordern, und
des Königs Beistand mochte ihm nüzlich gegen die einheimischen Feinde
seyn. Aber Sulla, entweder weil seine Römerseele sich gegen die Ver-
bindung mit dem Feinde Roms empörte, oder weit er richtig erwägte,
daß Vermehrung des Ruhmes für ihn Vermehrung der Kräfte scy,
verwarf alle Anträge, welche Archelaus und dann der König selbst
in mündlicher Besprechung thaten, und sezte den Krieg fort, bis Mi-
thridat das Aeußerste einging. Bithynien, Cappadocien, Asien (das
pergamenische Reich), Alles, was er erobert, dazu 3000 Talente und
80 Schiffe mußte der König als Preis des Friedens geben, und sich
auf Pontus beschränken (3900. 83 v. Ehr.). Hierauf wurde der ver-
brecherische Fimbria angegriffen, und gab sich verzweifelnd den
Tod. Seine Legionen erhielt Murena.
Dies Alles vollbrachte Sulla ohne Hilfe von Rom. Die Länder,
worin er kriegte, trugen die Last. Die Schäze der Götter zu Del-
phi, zu Olympia, zu Epidaurus wurden geplündert; welche
Schonung konnten die Menschen erwarten? — Kleinasien vorzüg-
lich fühlte die Geisel der Brandschazung, der Lieferungen, des will-
kürlichen Raubes. Endlich mußte es noch 20,000 Talente Straf-
geld wegen der gegen Rom gezeigten Abneigung zahlen. Der Ver-
fall seiner einst so blühenden Srädte kann von hier an gerechnet
werden.
tz. 50. Sulla besiegt di e Marianer.
Aber in Rom wütheten die Schreckensmänuer fort. Zwar Cinna
selbst hatte ein paar tallsend marianische Henker auf dem Forum
umzingelt und getödtet; allein Er und Carbo, der sich Eonsul
nannte, und Norbauus und der junge Marius wurden durch
Haß und Verdacht, Furcht und natürliche Grausamkeit zu unauf-
hörlichem Morden getrieben. Die Rückkunft Sutla's eröffnete noch
blutigere Sceuen. Cinna, die Seele der marianischen Partei, als
er ihm entgegen zog, wurde von seinen eigenen Soldaten im Auf-
stand erschlagen. Sertorius war nach Spanien gegangen. Die
übrigen Anführer hatten zwar gleiche Tapferkeit, aber nicht gleiches
Talent. Dennoch war ihre Macht furchtbar. Alle neue Bürger hiel-
ten es mit ihnen: sie zählten 225,000 Streiter.
Gegen dieselben führte Sulla in ruhiger Zuversicht seine vierzig-
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Extrahierte Personennamen: Sulla Mithridates Sulla Sulla Murena Sulla Sulla Marius Marius Sertorius Sulla
Extrahierte Ortsnamen: Asien Italien Asien Rom Kleinasien Rom Rom Spanien
136 Viertes Kap. Roinische Geschichte.
dens, gerieth gleich darauf durch Empörung der Miethtruppen in die
äußerste Gefahr. Es war unvermögend, ihnen den rückständigen Sold
zu bezahlen, und wollte sie abdankcn: da brach ein schrecklicher Auf-
ruhr aus, woran die meisten afrikanischen Städte, die über Bedrückung
klagten, oder eifcrsichtig gegen Karthago waren, endlich selbst Utika
und Hippo, Theil nahmen. Der Krieg währte in's vierte Jahr un-
ter schrecklicher Verwüstung und unmenschlicher Grausamkeit. Auch in
Sardinien empörten sich die Miethlinge. Die Römer schickten Trup-
pen dahin, anscheinend um Karthago zu helfen. Aber sie behielten die
Insel treuloser Weise für sich, und forderten noch, mit unerhörter
Frechheit, 1200 Talente für die Unkosten! — Karthago, in höchster
Bedrängniß und muthtos, unterschrieb. Doch bald erhob es sich zu
neuen Planen der Herrschaft und der Rache.
Hamilkar, mit dem Zunamen Barkas "der Bliz", Derselbe
welcher ans Sicilien in der lezten Zeit des römischen Krieges glorreich
gestritten, rettete den Staat durch Vertilgung der Rebellen. Und nun
in der doppelten Absicht, sich groß zu machen und Karthago Ersaz
für allen Vertust zu bereiten, warf er seine Augen auf Spanien,
das reichste Silberland und die Heimath der tapfersten Streiter. Ohne
Auftrag des Staates ging er mit einem ihm ergebenen, durch frühe-
ren Krieg in Numidien wohlgeübtcn Heere über die Meerenge dahin,
und benüzte die durch alte Handelsverbindungen und Werbungen er-
zeugten freundschaftlichen Verhältnisse zu schneller Ausbreitung der
karthagischen Herrschaft. Seine glänzenden Erfolge in Unterhandlun-
gen und Schlachten und die Früchte derselben, die Silbcrströme, die
er nach Karthago sandte, bewogen das Volk zur lauten Billigung
und eifrigsten Unterstützung seiner Entwürfe. Aber ein ansehnlicher
Theil des Senats, Hanno den Großen, Hamilkars Nebenbuhler im
Ruhme, an der Spize, fürchtete, und nicht ohne Grund, die hiedurch
bewirkte, der Verfassung gefährliche Vergrößerung der Macht des po-
pulären Hamilkar. Diese aristokratische Opposition gegen das
durch Volksgunst mächtige barkinische Haus wurde zwar durch
den Schimmer seiner Siege und durch den Einfluß seines Reichthumö
niedergehatten; aber nie hörte sie auf, und man kann sic als die Quelle
aller folgendeu Faktioncn und sonach als die Grundlage des Ver-
derbens von Karthago betrachten.
In neun Jahren schon hatte Hamilkar einen großen Theil dessel-
den Spaniens unterworfen, um welches die Römer nachmals zwei-
hundert Jahre kämpften. In einer Schlacht mit den Lusitanern
fiel der große Mann (3756. 227 v. Ehr.). Sein Eidam, Asdru-
bal, Held wie Er und noch mehr Liebling des Volkes, hatte glei-
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Extrahierte Personennamen: Hamilkar Barkas Hanno Eidam
158
Viertes Kap. Römische Geschichte.
theils in Verbindung mit den Etruskern u. A. gegen Rom erhob, sind
oben bemerkt worden. Von Zeit zu Zeit störten auch innere Fehden
der gallischen Völker und frische Einwanderungen von jenseits der Al-
pen die Ruhe. Durch die Anlage von Sena Gallica (Sinigaglia)
suchten die Römer ihre Grenzen zu decken; später (3754) vertheil-
ten sie ans des Tribuns Fla min ins Vorschlag die den Scnnonen ent-
rissenen Ländereien unter ihre Bürger. Hievon nahmen die I n s u b r e s
— im Mailändischen — und die B ojer— um Parma — Anlaß, mit
Rom zu brechen. Diegaesaten von der Rhone verbanden sich mit
ihnen. Rom, wie in den größten Gefahren, suchte durch Menschen-
opfer die Götter sich günstig zu machen, und zog alle Streitkräfte zu-
sammen. Die 770,000 Mann des Polybins mögen überhaupt von der
waffenfähigen Mannschaft Italiens, nicht aber von der mobilen Armee
verstanden werden. Sechs Jahre währte der Krieg, unter beständigem
Verluste der Gallier. Nach Eroberung von Ligurien drangen die
Römer in das eigentliche Gallia cis- und transpadana ein, eroberten
Mailand (Marcellus, ihr Feldherr, erkämpfte in der Schlacht
gegen Vi rido mar sich spolia opima), machten das ganze Po-Gebiet
zur römischen Provinz (gallia cisalpina oder togata), und legten zu
deren Behauptung zwei Kolonien, Ere mona und Pl a centi a, an.
Auch Istrien wurde unterworfen und die Alpenkette zur Grenze gemacht.
Diese Kriege, so wie der panische, hatten viele Menschen geko-
stet. Beim zweiten Bruche mit Karthago (3764. 219 v. Ehr.) wur-
den fast um ein Drittheil weniger waffenfähige Bürger, als beim
ersten, gezählt.
tz. 25. Hannibal. Zweiter panischer Krieg.
Der zweite Krieg zwischen Rom und Karthago ist durch die Cha-
raktere, die in demselben auftraten, durch die romantischen Scenen
und imposanten Katastrophen, die er mit sich führte, endlich durch die
ungeheueren Folgen, die er nach sich zog, wohl der interessanteste in
der alten Geschichte. Als Haupfigur tritt in demselben Hannibal
hervor. Sollen wir seinen Charakter schildern? — Die Erzählung sei-
ner Thatcn mag dafür gelten. "Das römische Volk", sagt der genia-
lische Verfasser des Ardi ugello, "das seine Bildsäulen in die
Straßen stellte, wo sic am furchtbarsten gesehen wurden, und sich her-
nach noch an den Mauersteinen von Karthago ereiferte, gab dadurch
den wahrsten Maßstab von der Größe des Mannes." —
Im zweiten Jahre seiner Gewalt, nach wichtigen Siegen über die
Spanier und vortrefflicher Bildung des Heeres, griff Hannibal das
den Römern verbündete Sagnnt an (3765. 218 v. Ehr.), under-
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Iao Viertes Kap. Römische Geschichte.
Als er in Italien ankam, blieben ihm noch 20,000 Mann Fußvolk
und 6000 Reiter. Damit griff er Rom an, das, nach Polybius,
über 150,000 Bürger in den Waffen hatte, und in ganz Italien über-
haupt an 800,000 Streiter zählte.
Aber Hannibat hoffte ans die Hilfe der mißvergnügten italischen
Völker, zumal der kaum besiegten Gallier, welche auch vor seiner An-
kunft schon die Kolonien von Cremona und Ptacentia vertrieben hat-
ten. Um diesen Völkern Mnth zur Empörung zu geben, dazu waren
schnelle Siege nöthig. Also zog Hannibal rasch hinab an den Tessino,
schlug allda den Consul Corn. Scipio, welcher ans dem jenseitigen
Gallien, wo Hannibal ihm ausgewichen, eilig zurückgekommen war,
in einer ersten Schlacht, bald darauf an der Trebia ihn und Sem-
pronius, den anderen Eonsnt, ans entscheidende Weise; endlich am
trasimenischen See (Lago di Perugia) in Hetrurien, wohin
er durch einen mühevollen Marsch über die Apenninen gegangen, den
vermessenen neuen Consul Fl am in ins (3767. 216 v. Ehr.) fast
zur Vernichtung des Römerheeres. Iezt treten die Gallier meist auf seine
Seite, die Bundesgenossen wanken; Rom, erschüttert, aber nicht
verzagt, wirbt neue Legionen, und ernennt einen Diktator.
Dieser, Q. Fab ins Mar im ns, ein wohlerfahrener, bcdächtli-
chcr Mann, erkannte in dem Ungestüme seiner Vorgänger die Ursache
des Unglücks. Daher, anstatt mit srischgcworbenen Truppen Hanni-
bal's sieggewohntem Heere in offenem Felde zu stehen, anstatt das
Schicksal des Staates dem Wagestücke einer lezten Schlacht zu ver-
trauen, zeigte er seine Kunst in Märschen und Stellungen, womit er
den, im fremden Lande mit vielen Nachtheilen ringenden Feind hinhielt,
ermüdete, erschöpfte, und den Seinen neuen Mnth und Uebnng gab.
Von ihm wurde mit Wahrheit gesagt: «liic unus iiomo nobis ciinc-
tando restituit rem. » Wie unzufrieden der römische Pöbel mit diesen
Maßregeln gewesen, wie auch beim Heere Minutins dem Diktator
getrozt, von ihm abgesondert, dann aber, als dieser ihn aus der Gefahr
errettet, seinen Fehler edelmüthig getilgt habe — dies, mit noch vie-
len romantischen Scenen, hat Livins vortrefflich beschrieben.
Für's folgende Jahr (3768. 215 v. Ehr.) wurden Consuln ge-
wählt, der weise Paulus Aemilius, durch Tugenden noch mehr,
als durch den alten Adel glänzend und der Mann des Pöbels (welche
Charakterisirung jedoch den Verdacht des Partei-Hasses an sich trägt),
der tollkühne Terentius Varro. Hannibal, welcher von dem Cha-
rakter seiner Gegner so gut, als von den Eigenheiten jedes Lokals
Vortheile zu ziehen verstand, brachte den leztercn, gegen seines Kol-
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187
Viertes Kap. Römische Geschichte
viele Großthaten und so viele Verbrechen erkauft war, legte Sulla
seine Macht nieder, sorglos, als ob er keinen Menschen gekränkt,
und nichts um sich, als Freunde hätte, und genoß die Freuden des
Privatstandes, als ob er nicht wüßte, was herrschen sey — bei
allen Freveln, die sein Andenken schänden, ein großer Charakter,
eine erstaunungswürdige, vielleicht isolirte Vereinbarung tyranni-
schen Herrschergeistes und wahren republikanischen Sinnes. Er-
starb, ohne die mindeste Anfeindung zu erfahren — der Eindruck
seiner persönlichen Größe und das Ansehen seiner Freunde schüz-
ten ihn davor — ein Jahr nach niedergelegter Diktatur, den zweiten
Tag nach Vollendung des 22sten Buches seiner eigenen Geschichte.
(3906. 77 v. Ehr.).
Die Feindschaft des Marius und Sulla hatte Rom 150,000 Bur-
ger gekostet. Zwölfhundert Ritter, zweihundert Senatoren, sechzig
Aedilen, siebenzig Prätoren, drei und dreißig Consnlaren waren ihr
Opfer geworden! Alle Provinzen des Reiches waren verwüstet.
tz. ¿52. Serkor ins. Spartacus.
Die Schwingungen dieser großen Bewegung dauerten fort, oder
erneuerten sich gleich nach Sulla's Tode. Lepidus, einer der Con-
snln, ein Marianer, widersezte sich der feierlichen Beerdigung des
Tyrannen, und verlangte die Abschaffung von dessen Gesezen. Aber
sein Kollege, der vortreffliche Q. Lütatius Ca tu ln s, besiegte ihn
in mehreren Treffen, und zwang ihn zur Flucht nach Sardinien,
wo er starb.
Die Reste des geschlagenen Heeres wurden von P erp ern a nach
Spanien geführt, allwo Sertorius eine merkwürdige Rolle spielte.
Dieser wahrhaft große Mann, als ihn die sullanische Tyrannei
auch in Spanien bedrohte, gedachte nach den glücklichen (cana-
rischen) Inseln zu fliehen. Aber die Lnsitaner baten ihn, ihr
Feldherr zu seyn. Bald sah er sich an der Spize eines mächti-
gen Heeres, da auch von den übrigen Völkern der Halbinsel viele
theits aus Haß gegen Rom, theits aus fast abgöttischer Verehrung
für Sertorius mit ihm sich verbanden. Iezt sammelten sich um ihn
die Trümmer der marianischen Partei; und es schien in seinem La-
ger, wo sich ein Senat von 300 Gliedern bildete, die Majestät des
römischen Volkes zu seyn. Vom fernen Pontus kamen die Gesand-
ten Mithridat's, um mit Sertorius ein Bündniß gegen die in
Rom herrschende Partei zu unterhandeln. Der König hatte auf die
Entzweiung der römischen Häupter und auf die Wichtigkeit seiner
Allianz für Sertorius die Hoffnung eines günstigen Friedens gebaut.
TM Hauptwörter (50): [T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal]]
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Extrahierte Personennamen: Sulla Marius Marius Sulla Spartacus
Extrahierte Ortsnamen: Rom Sardinien Spanien Spanien Rom Rom
Vi ertes Kap. Römische Geschichte. 143
§. 28. Scipio. Schlacht bei Zama.
Die Augen der Völker richteten sich auf Scipio, welcher zum
Lohne seiner Großthaten, und weil an seinen Namen das Glück gefes-
selt schien, vor dem gesezmäßigen Alter zum Consul gewählt ward.
Er sollte nach Sicilien und von da, wenn es ihm nüzlich bauchte,
nach Afrika gehen (3780. 203 v. Ehr.). Schon früher hacke eine
römische Flotte dessen Küsten geplündert, und schon von Spanien
aus hatte Scipio mit numidischeu Fürsten wichtige Verbindungen ge-
schlossen. Anfangs Syphar, Fürst der Massäsyler, und, als diesen
die Liebe zu Hasdrubal's schöner Tochter, Sophonisbe, auf kartha-
gische Seite führte, Masiuissa, König der Massyler, der ihr Ver-
lobter gewesen, ergriffen die Waffen für Rom. Der leztc, welchem
Syphar Braut und Land geraubt, stieß, als Scipio bei dem schönen
Vorgebirge gelandet, mit wenig Reitern zu ihm. Jezt wandte sich
das Glück. Scipio und Lälins — schon früher hatte dieser Hippo
gewonnen — schlugen die Karthager. Masiuissa besiegte Syphar völ-
lig, und nahm ihn gefangen. Die Geschichte Sophonisbcns, wie
nach dem Unglücke ihres Gatten Masiuissa abermal durch ihre Schön-
heit gerührt worden, sie zur Gemahlin erklärt, bald darauf aber der
Freundschaft Roms geopfert, endlich die heroische Fassung, womit
Sophonisbe den ihr zum Brautgeschenk gereichten Giftbecher getrun-
ken — alles dies ist von hohem, tragischem Interesse.
Unaufhaltsam verfolgte Scipio seinen Siegeslauf. Vergebens suchen
die Karthager durch Waffen, vergebens durch Unterhandlungen den
Sturm zu beschwören. Keine Hoffnung, als Haun ibal ist ihnen ge-
blieben. Man ruft ihn aus Italien zurück. Seufzend verläßt der Held
diesen Schauplaz sechszehnjähriger Thatcn, das so standhaft behaup-
tete Erntefeld unsterblichen Ruhmes. Auch die Freudenfeste, welche
Rom über seinen Abzug feierte, sind Monumente seiner Größe. Bei
seiner Ankunft in Afrika erhebt sich der Muth der Karthager; die
Flüchtlinge, die Zerstreuten sammeln sich um ihn; das Heer lagert
bei Z a m a.
Ein großes Verhängniß war an die kommende Schlacht geknüpft.
Hannibal fühlte es, suchte ihm auszuweichen, und bot den Frieden
unter schweren Opfern. Alles karthagische Land, außer Afrika, sollte
der Römer seyn. Aber Scipio, voll Zuversicht des Sieges, veuvarf
diesen Frieden. Im 552stcn Jahre der Erbauung Roms (3782),
201 Jahre vor Christi Geburt, stritten die beiden größten Feld-
herren ihrer Zeit — und vielleicht aller Zeiten — jeder um den
höchsten Preis des Ruhmes, der Herrschaft — ja des Daseyns — für
sich und sein Volk. Aber die Wichtigkeit dieser Betrachtungen, welche
die Soldaten Scipio's gleich tief mit ihrem Feldherrn empfinden moch-
Ii. 10
TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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169
Viertes Kap. Römische Geschichte.
tz. 33. Pompejus. Crassus. Casar.
Immer mehr werden jezt die Schicksale Roms und der Welt won
den Charakteren, Leidenschaften und Interessen einzelner Mäncr ab-
" hängig (*). Zwar schon früher und meistens hatten dergleichen Häup-
ter, als ein Brutus, C a m i l l n s, R e g u ln s, S c i p i o n. A., hervor-
geglänzt, hatten der Menge den Impuls und dem wankenden Schicksale
die Entscheidung gegeben: aber, wie groß auch ihr Einfluß war, immer
konnte man sie als auserlesene Organe oder als verstärkten Ausdruck
der allgemeinen Gesinnung, als die edelsten Werkzeuge der all-
gemeinen Kraft betrachten. Erst seit Marius Zeiten kommen
jene berrischen Charaktere vor, deren persönliche Interessen der
Schlüssel aller Verhandlungen, der Hebel aller Bestrebungen, der
Grund und Mittelpunkt von allem Wirken und Leiden des ganzen
Volkes sind. Um so verflochtener wird jezt die Geschichte und um so
nothwendiger zu ihrem Verständnisse die Schilderung jener Charaktere.
Die großen Gestalten eines P o m p e ju s, Er a ssu s, Cä sa r, Cicero,
Cato und neben ihnen verschiedene Männer des zweiten Ranges,
erfüllen jezt den Schauplaz. Ihre Geschichte ist die Geschichte Roms.
Cnejus Pompejus (der Sohn jenes Pompejus Strabo,
welchen im marianischen Kriege der Donner erschlagen), nachdem
er den rückkehrenden Sulla durch ein setbstgeworbenes Heer verstärkt,
initalien, Sicilien, Afrika die Marianer vielfältig besiegt und
den numidischen König H i a rba s gefangen hatte, wurde im 24 sten
Jahre seines Alters von Sulla mit dem Namen Imperator und
Magnus begrüßt, und hielt einen Triumph. Gegen diesen Sulla,
vor welchem Alle zitterten, wagte er bei einem Zwiste den trozigen
Ausruf: "Gedenke, daß die Menschen der ausgehenden Sonne mehr,
als der nntergehenden achten!" — und blieb in Gunst. Hierauf,
als er in dem gefährlichen Kriege gegen Sertorius und in dem
(*) Allerdings wurde die Individualität dieser Männer minder eingreifend
in die großen Verhältnisse gewesen, ja vielleicht mit ihren auffallendsten Zü-
gen gar nicht erschienen sepn, wenn nicht eine durch lebendige Ideen und "tief
gefühltes Bedürfniß mächtig bewegte Zeit sie auf den Schaüplaz großer Tha-
ten berufen, und wenn nicht die allgemeine Gährung der Gemüther, sowie
der unversöhnliche Zwiespalt der Interessen, ihnen eine willkommene Masse
von Streitkräften bereitet hätte. Aber nicht minder gewiß ist, daß, um jene
Massen sicb zu unterwerfen, um sie da oder dorthin zsslenken, und dem großen
Drama diese oder jene Entwicklung zu geben, die Individualität der Häupter
vpn entscheidender Wirkung seyn mußte, und daß immer unendlich Vieles da-
von abhängt — wiewohl das große Rad des Schicksals in seinen Umwälzun-
gen nicht durch einzelne Menschen, sondern durch den Strom der Dinge be-
besümmt wird — ob ein Brutus oder ein Crom well, ein Cäsar oder
ein Washington, ein Augustus oder ein Napoleon sich einer Revolu-
tion bemächtige.
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Extrahierte Personennamen: Casar Brutus Marius Marius Cicero Cato Cnejus_Pompejus Pompejus_Strabo Sulla Sulla Magnus Magnus Sulla Brutus Cäsar Augustus Napoleon
Drittes Kap. Römische Geschichte. *93
Catulus und die aufgeklärtesten Patrioten dawider gestritten (3918.
65 v. Ehr.).
§. Ss. Lucullus. Pvmpejus endet den mithridatischen Krieg.
Indessen schien die Wichtigkeit des Krieges solche außerordentliche
Maßregel zu fordern. Einen Feind, wie Mithridates, hatte Rom
noch nie gehabt. Bald nach Snlla's Tode, welcher seine Hoffnungen
erneuerte, ergriff er zum drittenmale die Waffen (3908. 75 v. Ehr.)
wegen Bithyniens, welches Nikomedes den Römern vermacht hatte.
Seine Zurüstnngcn waren unermeßlich. Viele Völker — zum Th eil
unter Anführung sertorischcr Generale — stritten für ihn, und überall
waren seine Agenten geschäftig, die einheimischen und auswärtigen
Feinde Roms zu ermuntern, aufznhezen, in Bewegung zu erhalten.
Man fürchtete bereits für Italien, dessen Angriff allerdings im Plane
des Königs lag, und beide Consuln, Aurelias Cotta und L. Li-
ein ins Lucullus, wurden nach Asien geschickt, um mit vereinter
Macht das Ungewitter zu beschwören. Der Feldzug des Erstercn war
nur durch Grausamkeiten und Verluste bezeichnet; aber Lucullus,
ein Feldherr, bei welchem natürliches Talent und Studium die Stelle
der Kriegsübung ersezten, stritt überaus glorreich und glücklich gegen
Mithridat, besonders bei Cycikns zu Wasser und zu Lande. Nach
dem Verluste aller Eroberungen und seines eigenen Landes blieb dem
Könige bloö noch sein Muth und sein an Hilfsmitteln reiches Genie.
Er sammelte ein neues Heer unter den tapfern Nomadenhorden nörd-
lich am schwarzen Meere und unter den kaukasischen Bergvölkern,
drängte Lucullus, und erfuhr abermals — bei Cabira — die Tücke
des Schicksals. Verrath seiner Befehlshaber und Freunde schien seinen
Ruch zu vollenden. Da warf er sich in die Arme seines Eidams, des
mächtigen Tigranes, Königs von Armenien und Syrien, der aber
besser Sklaven zu beherrschen, als gegen Römer zll kriegen verstand.
An der Spize von 300,000 Soldknechten (wir müssen jedoch nicht
vergessen, daß dieses blos römische Offizialberichte sind) glaubte er
den zehnmal kleineren Hccrhaufcn des Lncultns verachten zll können,
und wurde bei Tigranocerta für seinen Uebermuth bestraft (3916.
67 v. Ehr.). Lucullus hielt den Krieg für geendet, und lud den Senat
ein, zur Einrichtung des eroberten Pontus Commissarien zu schicken.
Aber Mithridates hatte nochmals ein Heer geworben, und suchte,
klug gemacht durch wiederholte Erfahrung, die Römer durch Zandern
und kleine Gefechte zu schwächen. Lucullus, da er auch Mißtrauen
gegen die Parthcr hegt, zieht seine Truppen ans Pontus an sich,
schlägt beide Könige bei Artarata, wird aber durch die Meuterei
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TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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