Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Bd. 2 - S. 176

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
176 Viertes Kap. Römische Geschichte. Aber die Cimbrer — wenn sie auch die Welttyrannin stürzten — waren selbst wohl schwerlich zur Weltherrschaft gelangt. Dafür hatte durch ihren Sieg zu den unterdrückten Völkern die Freiheit wic- derkehren, und aus dein erneuten Leben unendlich mehr Gutes anf- blühen mögen, als jemals die Römermacht schuf. Verhängnißschwer war in jeder Annahme der Augenblick; und wer mag es Zufall nennen, daß jezt plözlich die hervorbrechende Sonne die Cimbrer blen- dete, und den halb gewonnenen Sieg ihnen entriß? Es erging ihnen, nach gräßlichem Widerstande, wie den Teutonen. Selbst ihre Weiber stritten noch von der Wagenburg mit heldenmüthiger Verzweisiung. Die Tignriner, als sic solches Unglück vernahmen, zerstreuten sich. Marius, der Retter Roms, hielt einen herrlichen Triumph; doch erkannten Viele, daß die Ehre des tezten Tages dem Catnlus ge- bühre. tz. >46. Der Bundesgenossenkrieg. Für Rom selbst wurden die Siege des Marius fast so verderblich, als seine Niederlage gewesen wäre. Trunken von der soldatischen Größe und des Herrschens gewohnt, glaubte er Anspruch zu haben auf bleibende Herrschaft. Auch ward er zum scchstenmal Cónsul (3883. 100 v. Chr.) durch die Gunst des Pöbels, dem er immer- dar angehangen, und durch den Eifer zweier gleichgesinnter Dema- gogen, des Tribuns L. Appulejus Saturni uns und des Prä- tors Glaucias. Gegen dieses Triumvirat vermochten Metellus und Sulla, die Anführer der Optimaten, für jezt noch wenig. Metellns wurde verbannt. Sulla arbeitete im Stillen. Als aber Sa- turninns seinen Mitwerber um's Tribunat, Nonnius, auf den Co- mitien ermorden ließ, und Glaucias dasselbe gegen Memmius verübte, der mit ihm das Consulat gesucht; so empörte sich das ganze Volk, solcher Gräuel noch nicht gewohnt, gegen die Verbrecher. Diese bemächtigten sich des Kapitols. Marius, um nicht mitschuldig zu scheinen, verband sich mit dem Volke, und sah seine treuen Ge- hilfen, als sie der Uebermacht sich ergaben, eines schmählichen To- des sterben. Er selbst hielt für nöthig, sich auf einige Zeit nach Asien zu entfernen. Metellus wurde glorreich zurückbernfen. Nach kurzer Ruhe veranlaßte Livius Drusus noch größeren Brand. Es ist schwer, seinen Charakter zu würdigen. Talent und Eifer schreiben ihm Alle, die Meisten auch edle Gesinnungen zu (*) ; aber, was er tbat, wirkte schädlich, und es war sein Leben, wie (*) Er isi's. der sein Haus dergestalt erbaut haben wollte, daß alle Men- schen sähen, was er darin begänne. Ein Zug, in welchem Rousseau die remile und erhabenste Tugend erblickt.

2. Bd. 2 - S. 178

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
178 Viertes Kap. Römische Geschichte. einem Tage mittelst geheimer Befehle ermorden, ging über's Meer, besezte die Inseln, besezte Thracien, Makedonien, einen Theil von Griechenland mit Athen, und hatte den Plan, die Völker vom Ta- nais bis an die Alpen in einen großen Bund zum Angriff auf Italien zu sammeln. Die Gefahr schien größer, als beim cimbrischen Kriege. §. 47. Sulla. Erster Bürgerkrieg (*). Sie ging vorüber. Die Weisheit des Senates besänftigte die Bundesgenossen; Sulla's Genie und Glück besiegten Mithridat- Der Senat, nachdem L. Jul. Cäsar, Cn. Pompejus Strabo, Marius und Sulla über die Bundesgenossen verschie- dene Siege erfochten, gab denjenigen, welche treu geblieben (als vielen Lateinern und Umbrern), hierauf solchen, welche zur Treue zurückkehrten, das Bürgerrecht. Die Uebrigen — besonders nach des Silo Poppädius (ihres besten Feldherrn) Tode — wurden ohne Mühe einzeln besiegt, und erhielten fast gleiche Bedingungen. Auf solche Weise wurde ganz Italien Rom: allerdings gerecht, da Rom durch Italiens Kräfte so groß geworden. Auch kam, durch die Vergrößerung des Hauptes, die Gebieterin der Welt zu einer festeren Grundlage der Macht. Aber um so unzureichender wur- den die alten Formen und um so gefährlicher die ganze Verfassung. Die Bewegungen der römischen Stadtgemeinde seztcn sich nun über ganz Italien fort, und wuchsen an Furchtbarkeit, wie an Umfang. Aus dem Zusammenflüsse von so ungleichen Interessen entstand ein beständiger Conflikt derselben. Hinfort wurde fast unmöglich, eine Gemeinschaft des Entschlusses zu bewirken, und es mochte der verworfenste Rottenführer, wenn er in Rom übermannt war, in den Leidenschaften und Vorurtheilen Italiens eine gesezliche Stüze finden. Ja es wurde — bei der Unmöglichkeit, eine so ungeheuere Bürgerliste in Ordnung zu erhalten — leicht, auch Sklaven und Fremde unter die Stimmenden zu schwärzen. Die allerdings weise Maßregel, wor- nach man aus den adoptirten Bundesgenossen, anstatt sie in die alten Tribus zu vertheilen, acht eigene Tribus bildete, und hiedurch jenen das Uebergewicht auf den Comitien sicherte, verminderte zwar das Unheil, aber hob es nicht. Schon der Streit um dieses wiederholt gegebene und widerrufene Gesez tränkte mehrmals Italien mit Blut. Sonach war der Bundesgenossen-Krieg nicht nur Vor- spiel und Anleitung zu den Bürger-Kriegen, wie die Schrift- steller sagen, sondern auch die Quelle derselben und die Ursache (*) L.sachse's Lebensgeschichte desdiktator Sulla. Leip.sommer. 1791.

3. Bd. 2 - S. 189

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
169 Viertes Kap. Römische Geschichte. tz. 33. Pompejus. Crassus. Casar. Immer mehr werden jezt die Schicksale Roms und der Welt won den Charakteren, Leidenschaften und Interessen einzelner Mäncr ab- " hängig (*). Zwar schon früher und meistens hatten dergleichen Häup- ter, als ein Brutus, C a m i l l n s, R e g u ln s, S c i p i o n. A., hervor- geglänzt, hatten der Menge den Impuls und dem wankenden Schicksale die Entscheidung gegeben: aber, wie groß auch ihr Einfluß war, immer konnte man sie als auserlesene Organe oder als verstärkten Ausdruck der allgemeinen Gesinnung, als die edelsten Werkzeuge der all- gemeinen Kraft betrachten. Erst seit Marius Zeiten kommen jene berrischen Charaktere vor, deren persönliche Interessen der Schlüssel aller Verhandlungen, der Hebel aller Bestrebungen, der Grund und Mittelpunkt von allem Wirken und Leiden des ganzen Volkes sind. Um so verflochtener wird jezt die Geschichte und um so nothwendiger zu ihrem Verständnisse die Schilderung jener Charaktere. Die großen Gestalten eines P o m p e ju s, Er a ssu s, Cä sa r, Cicero, Cato und neben ihnen verschiedene Männer des zweiten Ranges, erfüllen jezt den Schauplaz. Ihre Geschichte ist die Geschichte Roms. Cnejus Pompejus (der Sohn jenes Pompejus Strabo, welchen im marianischen Kriege der Donner erschlagen), nachdem er den rückkehrenden Sulla durch ein setbstgeworbenes Heer verstärkt, initalien, Sicilien, Afrika die Marianer vielfältig besiegt und den numidischen König H i a rba s gefangen hatte, wurde im 24 sten Jahre seines Alters von Sulla mit dem Namen Imperator und Magnus begrüßt, und hielt einen Triumph. Gegen diesen Sulla, vor welchem Alle zitterten, wagte er bei einem Zwiste den trozigen Ausruf: "Gedenke, daß die Menschen der ausgehenden Sonne mehr, als der nntergehenden achten!" — und blieb in Gunst. Hierauf, als er in dem gefährlichen Kriege gegen Sertorius und in dem (*) Allerdings wurde die Individualität dieser Männer minder eingreifend in die großen Verhältnisse gewesen, ja vielleicht mit ihren auffallendsten Zü- gen gar nicht erschienen sepn, wenn nicht eine durch lebendige Ideen und "tief gefühltes Bedürfniß mächtig bewegte Zeit sie auf den Schaüplaz großer Tha- ten berufen, und wenn nicht die allgemeine Gährung der Gemüther, sowie der unversöhnliche Zwiespalt der Interessen, ihnen eine willkommene Masse von Streitkräften bereitet hätte. Aber nicht minder gewiß ist, daß, um jene Massen sicb zu unterwerfen, um sie da oder dorthin zsslenken, und dem großen Drama diese oder jene Entwicklung zu geben, die Individualität der Häupter vpn entscheidender Wirkung seyn mußte, und daß immer unendlich Vieles da- von abhängt — wiewohl das große Rad des Schicksals in seinen Umwälzun- gen nicht durch einzelne Menschen, sondern durch den Strom der Dinge be- besümmt wird — ob ein Brutus oder ein Crom well, ein Cäsar oder ein Washington, ein Augustus oder ein Napoleon sich einer Revolu- tion bemächtige.

4. Bd. 2 - S. 151

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
Viertes Kap. Römische Geschichte. 13l dann kann die Erzählung der einzelnen Eroberungen rascherund verständlicher seyn. Auch werden ans solcher Erzählung von selbst die Beweise und Beispiele Desjenigen hcrvorgehen, was in den beiden vorigen Paragraphen im Allgemeinen gesagt ist. Außer dem mittleren und unteren Italien, dem Hauptsize der römischen Macht, waren derselben auch Sicilien, Sardinien (nebst Korsika und den kleineren Inseln), das cisalpinische Gallien und die beiden Hispanien — das dies- und jenseitige — als Provinzen unterthan. Doch sezten Ligurien, Istrien und andere Strecken Oberitaliens, weit mehr aber Hispanien den Widerstand fort, und beschäftigten die Legio- nen. In Westen lag Karthago darnieder, und Masinissa von Numidien war durch Politik sowohl, als durch Freundschaft an das römische Interesse gebunden. In Norden konnten die vereinzelten galli- schen Horden, und was sonst, noch namenlos, jenseits der Alpen herum- schwärmte, wenig schrecken. In Osten bildeten die makedonischen Reiche ein eigenes und wichtiges Staatensystem, stark durch Ausdehnung und Volkszahl, aber in sich selbst die Keime der Zerstörung tragend und bis jezt fast ohne Verkehr mit dem Abendlande. Non den vier Hauptmächten dieses Staatcnsystemes war das eigent- liche Macedonien durch seinen Namen, durch die natürlich feste Lage des Landes und den soldatischen Geist der Einwohner, endlich durch das vergleichungsweise höhere Talent seines Königs (Philipp) von Gewicht. Aber sein beschränkter Umfang und die feindselige Stimmung fast aller Nachbaren hinderte es an großen Entwürfen, die griechischen Angelegenheiten beschäftigten fast ausschließend seine Politik und seine Kraft. Auch hatte Philipp durch Tyrannei und Wortbrüchigkeit seinen Credit geschwächt. Griechenland, nach seiner Lage und seinem Reichthume, nach der Zahl und dem Geiste seiner Völker, hätte unüberwindlich seyn mögen, wäre es ein ig gewesen. Aber eine tödtlichefeindschaft herrschte zwischen den Aetoliern und Achäern. Die Böotier und andere, mehr aber noch die Spartaner, dachten nur für Sich; und, ungeachtet so vieler erlittenen Demüthignngcn, wiegte Alte der Stolz und die Rückerinnerung an die glorreiche Vorzeit in eine gefährliche Sicherheit ein. Sonst war Acto- lien und Sparta gegen Philipp, Achaja von ihm abhängig. Ein großes und herrliches Land, voll Menschen und Geld, diehaupt- masse von Alexanders Eroberungen, war das syrische Reich. Aber der Unwerth seiner Könige und die Weichlichkeit des Volkes hatten cs kraftlos gemacht. An tiochnö M. gab ihm einiges Leben wieder, ohne seine Grundübel zu heilen. Damals stand es mit Macedonien im Bund- gegen das vom Anfänge verhaßte Aegypten.

5. Bd. 2 - S. 258

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
268 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. erklärung für nothwendig zu gerechter Feindseligkeit, und die Fe- cialen verrichteten dieses Geschäft, so wie auch die Schließung vou Frieden und Bündnissen, unter religiösen Gebräuchen: aber damit glaubten sie auch, sey Alles gethan. An dem Feinde erkannten sie kaum ein Menschenrecht mehr; und nur sklavische Göttcrfurcht be- wachte die beschworene Treue. Doch der Aberglaube ersann Mittel der Erpiation, und leicht fand die Leidenschaft den Vorwand des Bruches. An die Namen von Caudium, Numantia, Karthago, Korinth, Perseus, Jugurtha — an die Namen aller Länder und Völker und Könige, die ihr Unglück mit Rom in Derhältniß brachte, sind häßliche, abscheuliche, zum Thcile schauderhafte Erinne- rungen geknüpft. Die äußere Geschichte Roms ist ein fortlau- fender Frevel (*). Iii. Geseze und Sitten (**). §.18. Ueberhaupt. Dieser Zeitraum hat keine so großen Gesezgcber, als der vorige erzeugt. Kein würdiger Nachfolger eines Solon, eines Numa wird genannt. Auch scheint die Wiegeuzcit der Staaten die günstigste für die Schöpfungen eines legislatorischen Genies. Ist einmal einer Na- tion durch längere Dauer ein bestimmter Charakter eingeprägt, haben ihre Sitten und Gebräuche Consistenz erhalten; so läßt sich wohl theil- weis verbessern oder anders gestalten, aber eine völlige Umschaffung oder Wiedergeburt ist schwerer. In der That ist, was wir von Gcsezen dieses Zeitraumes zu sagen haben, meist nur Stückwerk, durch das Bedürfniß des Augenblicks und lokaler Verhältnisse diktirt, keineswegs aber das Ergebniß eines Systems oder einer wissenschaftlichen Gesezgebung. Zwar sind zu einer solchen in den Werken der Griechen, vorzüglich in den aristote- lischen Schriften, schäzbare Materialien enthalten; und die Römer (zumal Cicero) haben selbe benüzt: aber in der Ausübung fin- den wir noch wenig Spur wissenschaftlicher Grundsäze oder eines all- gemeinen Fortschreitens der Gesezgebungskunst. Auch haben die Hauptvölker noch insgesammt ihre besonderen Cha- raktere, ihre eigenen Nationalphysiognomieen beibehalten: ein jedes (*) Raptores orbis, postquam cuncta vastantibus defuere terrae, et mare scrutantur. Si locuples hostis est, avari, si pauper, ambitiosi, quos non oriens non occidens satiaverit; soli omnium opes atque inopiam pari allectu concupiscunt. Auferre, trucidare, rapere falsis nominibus imperium; atque, ubi solitudinem faciunt, pacem appellant. Tacit. Agrie. (**) Gvguets Untersuchungen von dem Urspning der Geseze, Künste und Wissenschaften u. s. w. aus dem Französischen im Ausz. und neu bea» beitet von Sattler. Nürnberg 17l6.

6. Bd. 2 - S. 262

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
262 Erstes Kap. Bürgerlicher Zustand. siasmus für die hie und da erscheinenden einzelnen Schönheiten. Wie ließe sich von Griechen etwas Anderes gedenken? —Die Gesezgeber fühlten ihre Ohnmacht gegen den Hang der Natur, und duldeten meist den Verkehr mit Hetären, welcher in späteren Zeiten fast allgemein ward. Der freiere Umgang mit Männern, und zwar mit den aus- gezeichnetsten Männern, gab den Hetären (cs waren meist Skla- vinnen oder Fremde; Bürgerinnen, wenn sie dieses Gcwerb ergriffen, verloren das Bürgerrecht) einen hohen Grad von Bildung; ihr geist- voller, gefälliger Umgang mochte selbst den Ernst des Philosophen anfheitern, und an vielen wurde selbst die Schönheit der Seele (so weit sie verträglich ist mit solchem Stande) nicht minder gerühmt, als jene des Körpers. Auch wurde den berühmtesten ans ihnen — zwar keine bürgerliche Achtung, aber — eine der Vergötterung sich nähernde, leidenschaftliche Huldigung im Leben und im Tode gezollt. Die Namen einer Lais, einer Phryne wurden über ganz Griechen- land mit Entzücken genannt;' Dichter und Künstler verewigten sie. Kein prächtigeres Monnment gab cs in Hellas, als jenes, welches unfern Athen Harpalns seiner geliebten Pythionice errichtete; Lamia beherrschte, selbst noch alternd, den stolzen Demetrius, den Städtebezwinger; und früher war Aspasia Genossin von Pe- rikles Macht und Ruhm. Die Zahl der Hetären war sehr groß. 2n Korinth zählte man tausend Priesterinnen der Venus. Allmätig nahmen auch freie Mädchen und Matronen die Sitten der Hetären an, aber nicht ihre Liebenswürdigkeit. Einen grellen Kontrast mit den leidenschaftlichen Verehrern der Schönheit bildeten die Weiberfeinde (Misogyne), deren es in Grie- chenland in ansehnlicher Menge und znm Theit unter den ausgezeich- netsten Männern gab. Euripides war Misogyn. Melancholisches Temperament, Bizarrerie oder unglückliche Liebe waren die Quellen dieser Krankheit. Die väterliche Gewalt bei den Griechen, wie bei den meisten alten Völkern, war groß. Das neugeborene Kind, wenn es gebrech- lich schien, oder der Vater sich zu dürftig für dessen Erziehung hielt, mochte dieser zum Tode oder zur Aussezung verdammen. Wer cs im lezten Falle anfnahm, behielt cs als Sklave. Die Spartaner tödteten regelmäßig die schwächlichen Kinder; in Theben und weni- gen anderen Städten hielt das Gesez diese Barbarei hintan. Allent- halben in Griechenland wurde über die Erziehung sorgfältig ge- wacht. Der Grnndsaz war herrschend, daß der Heranwachsende für den Staat müsse erzogen werden. Daher stand entweder, wie in A then, hie häusliche Erziehung unter Aufsicht und Leitung der Magistrate,

7. Bd. 2 - S. 277

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
277 Zweites Kap. Religion. selbe war — so wie Numa sie einführte (*) — hetrurischen Ur- sprungs, aber gleichwohl in den meisten Stücken der griechischen ähnlich. Auch mochte schon in den frühesten Zeiten auf mancherlei Wegen die griechische Mythologie nach Italien gelangt seyn, und der nachmalige nähere Verkehr der Römer mit den Griechen veran- laßte noch eine genauere Gleichförmigkeit. Wir treffen in Rom die- selben Gottheiten, wie in Hellas, nur mit verändertem Namen, die- selben Göttergeschichten, nur minder poetisch, und sehr ähnliche Ge- bräuche an, nur etwas modifiât nach den übrigen Begriffen und Verhältnissen der Römer und vermehrt durch einige Nationalgötter (wie Aeneas, Quirinus re.) und andere, welche eigens die Klngs heit der Gesezgeber zu moralischen oder politischen Zwecken geschaffen, als Fides, Terminus n. s. w. So finden wir auch eine ganz ähnliche Gottesverehrung durch Gebete, Opfer (leider auch Men- schenopfer! * **), vielerlei Feste, Spiele und Mysterien. Von den hei- ligen Spielen (den circensischen, amphitheatralischen und scenischen) wird an einem anderen Orte die Rede seyn. Die My- sterien waren der Ceres, Proserpina, Bona Dca und dem Bacchus geweiht, aber minder wichtig, als die griechischen. Der Tempel waren viele, die meisten prächtig; airch wurde in Hainen, Höhlen rc. die Gottheit verehrt. Das Detail der römischen Mythologie kann ich wohl bei meinen Lesern voraussezen. Doch ist nicht dieses oder das blose Gerüste, das Materielle der römischen Religion, was den Welthistoriker in- tereffirt, sondern der innere Charakter derselben und ihr Verhält- niß zum Staate und zur allgemeinen Kultur. Die Römer waren sehr religiös. Kein öffentliches, kein wichti- geres Privatgeschäft wurde ohne Anrufung der Götter und ohne reli- giöse Gebräuche begangen. Sie glaubten sich ringsum von Göttern umgeben, den Zeugen ihrer geheimsten Handlungen, den Rächern des Lasters, den Leitern und selbst Verkündern des Schicksals. Rom war schon Herrscherin der Welt, als dieser fromme Sinn noch währte. Erst in den Zeiten der Bürgerkriege lehrte die griechische Philosophie die Römer zweifeln; und später riß mit dem äußersten Sittenver- derbniffe auch Unglaube in den höheren Ständen ein. Wenn wir die ('•*) Schon Romulus soll sechzig Priester aus den angesehensten Männern gewählt haben. Aber erst sein Nachfolger gab — gleichfalls der Sage nach — dem Religionswesen eine feste Gestalt. (**) In großen Gefahren, als bei einigen gallischen Kriegen, wurden Menschen geschlachtet. Nach der Niederlage bei Canna begrub man vier Personen lebendig. Der mildere Gebrauch, alljährlich eine Zahl Menschen- figuren in die Tiber zu werfen, floß wohl ursprünglich aus derselben Quelle.

8. Bd. 2 - S. 278

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
278 Zweites Kap. Religion. Erzählungen des Livius und Plutarch lesen (welche wenigstens den Ton der betreffenden Zeiten, bei Plutarch auch wohl seine eigene Sinnesweise, schildern), wenn wir selbst einen Cicero von einem Traume, als einer von Gott eingegebenen Ahnung, sprechen hören (de divin. I. 28.); so können wir nicht verkennen, daß nicht nur Fröm- migkeit, sondern abergläubische Gcmüthsart und meist sklavische Götterfurcht ein Hanptzug des Römercharakters bei Großen und Kleinen gewesen. Trefflich hatten die ersten Gründer des Staates sowohl, als seine folgenden Häupter, diesen religiösen Sinn genüzt und gcpffcgt. Sie hatten ihn zu einer Hauptstüze der Verfassung, znm Triebwerke des Gehorsams und des patriotischen Eifers, znm Erhalter der politischen Tugend gemacht. Die Religion war das kostbarste Staatseigen- t h u m; sie antasten hieß gegen die Majestät des Volkes sündigen (*). Hinwieder wurde für Gottlosigkeit gehalten, die Fahnen zu verlassen, den Magistraten nicht zu gehorchen, gegen den Vorzug edler Ge- schlechter zu kämpfen. Ohne diese heilige Waffe wären die Patrizier viel früher und vollständiger der Plebs erlegen. Alle schwereren Pflich- ten, alle härteren Opfer wurden den Bürgern im Namen der Götter aufgelegt; alle Tugenden, an deren Erhaltung dem Staate lag, wurden zu Religionspflichten gestempelt; jedes Widerstreben wurde durch Autorität des Himmels gedämpft. Daher konnten die griechischen Götterfabeln, in so fern sie blos Dichterphantasie und theils von belustigender, theils von sitten- verderblicher Wirkung waren, in Rom keinen Eingang finden. Hier wurde nur ausgenommen, was p o li t isch - nü z ti ch schien. Der Charak- ter der römischen Religion blieb ernst und feierlich; sie reichte den Aus- schweifungen weder Deckmantel, noch Entschuldigung dar, sondern schärfte die Gebote der Sittlichkeit und des Rechts durch eine höhere Sanktion ein. Jedoch nicht des öffentlichen Rechts; denn da sie Staatsmaschine und Dienstmagd der Politik war, so gebrauchte man sie (bei Kriegserklärungen, Friedensschlüssen und Bündnissen waren Priester, die Fccialen, nöthig) zur Beschwichtigung des Ge- wissens, zur Aufrichtung des Selbstvertrauens in den abscheulichsten Kriegen und zur Beschönigung der gröbsten Attentate gegen das Völ- kerrecht. Aus demselben Grllnde, daß die Religion in Rom mehr znm Besten des Staates, als jenem der Bürger vorhanden war, floß auch die Unbestimmtheit ihrer Unsterblichkeitslehre. Es scheint die- (') Auch die Sacra prirat« (Hausgottesdienst) mußten vom Volte gebilligt seyn.

9. Bd. 2 - S. 292

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
202 Drittes Kap. Kunst und Wissenschaft. Nicht blos die eigentliche Tonkunst wurde darunter verstanden; ge- wöhnlich rechnete man auch Deklamation, Tanz und Geber- dcnspiet, Poesie und Redekunst dazu (*); oder überhaupt alle geistige Uebungen (daher die uyooyss /jcva/Kc), im Gcgensaze der yvvvty.c'y, oder endlich in noch größerer Allgemeinheit Alles, worauf sich der Begriff der Harmonie natürlich oder figürlich au- wenden laßt, sonach fast das ganze Gebiet sowohl der spekulativen Wissenschaften, als der praktischen Philosophie und die wirkliche Tu- gendübung. Diese schwärmerische Erweiterung des Begriffes galt vor- züglich in der pythagoreischen Schule, wie wir unten bemerken wer- den. Für sezt haben wir nur von der Tonkunst zu reden. Schon in frühen Zeiten lernten die Griechen dieselbe kennen, im Geleite der Poesie und der sanfteren Gesittung. Die ältesten Dich- ter und so auch die meisten ihrer Nachfolger waren zugleich Tonkünst- ler, was den Eindruck ihrer Gesänge verstärkte. Daher der Musik nicht minder, als der Dichtkunst die erste Civilisirung der Nation zugeschrieben wird. Deßwegcn, und weil man ihre mächtige Wirkung auf die Gemüther fortwährend erkannte, hielten die größten Gesezge- der und einsichtsvollsten Magistrate für uothwendig, sie durch Anstal- ten und Verordnungen zu begünstigen, und nn't Strenge über ihrer Erhaltung zu wachen (**). Man gebrauchte sie beim Gottesdienste, bei Volksversammlungen, bei jeder öffentlichen und Privatfeicr; un- wissend darin zu seyu, war Schande. Aber ihr Charakter war Würde und Ernst, Vergnügen nur ein untergeordneter Zweck. Den Sturm der Leidenschaften sollte sie besänftigen, nicht erregen. So wurden bei Gastmalen Götter- und Heldenhymnen gesungen, um die Ausschwei- fungen des Trunkes zu verhindern; so folgte eine Zahl Flötenspieler den Spartanern in die Schlacht, um den Ungestüm der jungen Krie- ger zu mäßigen u. s. f. Bei solcher Anwendung schien auch wichtig, den wohlbcrechneten Erfolg durch unveränderte Beibehaltung dersel- den Instrumente, Tonarten und Saugweisen zu sichern. Aber die Einführung der Musik auf das Theater, mehr noch der allgemein ein- reißeude Hang des Vergnügens, änderte nach und nach ihren Cha- rakter. Die Musik wurde künstlicher, vollkommener, aber auch wei- cher, üppiger, gefährlicher für Phantasie und Herz. Solche Aende- (*) Die Wunder, die man von der Musik erzählt, konnten nur von der vereinten Wirkling jener Künste herrühren. So muß die Mythe von der Lever Amphion's, so die Sage von Terpander, der durch die Musik einen Aufruhr dämpfte, verstanden werden. (**) Plato behauptete, daß Neuerungen in die Musik einführen so viel heiße, als die Grundfesten des Staates erschüttern.

10. Bd. 2 - S. 303

1838 - Freiburg im Breisgau : Herder
Mathematische und Physik. Wissenschasten. 305 und die Thorheiten der Magie, die ans dem Fetischmns und Pric- stcrbetrng hcrvorgegangcn, benahmen dem Forschungsgeiste die Flüget. Einige große Geister (wie Demokrit) warfen die Fesseln von sich; doch konnten sie nur Licht in einzelne Räume bringen. Die Zweige der Naturkunde, die dem gemeinen Bedürfnisse näher tagen, wurden nicht ohne Erfolg bearbeitet, insbesondere die Metallurgie und soviel von der Chemie, als die Fabriken und Gewerbe und auch die Medizin zu ihrem unmittelbaren Gebrauche erheischten. Die Arzneikunde hatte sich zuerst von der Philosophie und von den übrigen Wissenschaften gesondert, um einen eigenen Gang zu gehen, ohne jedoch von dem bald hemmenden, bald befördernden Ein- fluß derselben befreit zu werden. Noch weniger machte sie sich vom Aberglauben los; lange Zeit suchten die Kranken in Tempeln Ge- nesung. Die Priester derselben bewahrten die Kenntniß verschiedener Heilmittel als Geheimnisse, und überall wurde die Arzneiknnde nur empirisch, nicht rationell getrieben. Der unvollkommene Zustand der Naturwissenschaft hielt sie in unvermeidlicher Beschränkung, Re- ligiosität verbot lange Zeit das Zergliedern menschlicher Leichen. In diesen Verhältnissen erscheint der große Umfang der Kenntnisse eines Hippokrates wahrhaft bewunderungswürdig. Auf impirische Weise, insbesondere durch Vergleichung der in Tempeln (etwa ans Votiv- tafeln) verzeichnten Heilungsarten einzelner Krankheitsfälle, war er da- zu gelangt, aber er brachte den Geist der Wissenschaft zu solchem Studium, und zog ans zerstreuten Erfahrungen allgemeine Grundsäze s*). Später geriet!) die Arzneiknnde auf den entgegengesezten Abweg. Die Aerzte gencralisiten zu viel, und zwar nach Hypothesen und idea- len Spekulationen, nicht nach Grundsäzen der Erfahrung. Man trug die verschiedenen Systeme der philosophischen Schulen, und mit ihnen Sektcngeist und Verblendung, auf die Arzneiwissenschaft über, schwor zu einer bestimmten Methode, und huldigte dem Ansehen des Meisters, nicht jenem der Natur. So wurde das Fortschrciten unmöglich, und — mit Ausnahme der Anatomie, welche beträcht- lich gewann — war man an richtigen ärztlichen Kenntnissen in Angn- stus Zeiten' ärmer, als in jenen des Hippokrates. §. 14. Nach Aristoteles. Von Aristoteles hebt eine neue Periode in der Geschichte der Wissenschaften an. Dieser große Denker, dessen ungeheueres Genie das ganze Reich der Erkenntniß umfaßte, sonderte die einzelnen Gebiete /(’) An Ihm wurde sein eigenes Wort erfüllt: (pikoaocpos iccs'eoi’."
   bis 10 von 129 weiter»  »»
129 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 129 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 0
1 6
2 1
3 0
4 18
5 1
6 0
7 2
8 0
9 4
10 66
11 5
12 2
13 0
14 14
15 0
16 0
17 0
18 0
19 0
20 10
21 0
22 1
23 8
24 0
25 3
26 7
27 7
28 2
29 0
30 0
31 1
32 0
33 7
34 1
35 0
36 0
37 33
38 0
39 1
40 0
41 0
42 2
43 1
44 0
45 100
46 2
47 0
48 1
49 0

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 2
1 33
2 32
3 20
4 16
5 0
6 2
7 2
8 26
9 47
10 0
11 3
12 2
13 18
14 43
15 13
16 36
17 158
18 1
19 2
20 9
21 10
22 22
23 49
24 3
25 62
26 15
27 1
28 11
29 5
30 10
31 31
32 2
33 7
34 3
35 39
36 12
37 0
38 9
39 14
40 1
41 49
42 9
43 87
44 1
45 30
46 12
47 9
48 0
49 1
50 1
51 3
52 123
53 5
54 5
55 144
56 11
57 0
58 2
59 19
60 19
61 2
62 0
63 29
64 3
65 12
66 12
67 8
68 23
69 11
70 1
71 62
72 6
73 0
74 10
75 5
76 7
77 29
78 1
79 2
80 0
81 4
82 10
83 10
84 1
85 3
86 6
87 4
88 14
89 42
90 14
91 3
92 267
93 3
94 12
95 6
96 5
97 10
98 144
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 1
1 5
2 4
3 1
4 0
5 4
6 2
7 4
8 3
9 2
10 2
11 1
12 3
13 3
14 0
15 20
16 0
17 0
18 0
19 4
20 2
21 3
22 18
23 1
24 0
25 0
26 4
27 7
28 6
29 3
30 1
31 0
32 1
33 70
34 3
35 2
36 0
37 13
38 0
39 7
40 6
41 0
42 2
43 5
44 0
45 0
46 2
47 0
48 0
49 5
50 3
51 2
52 4
53 0
54 27
55 0
56 0
57 1
58 9
59 49
60 1
61 6
62 14
63 8
64 9
65 3
66 0
67 5
68 0
69 3
70 0
71 3
72 2
73 14
74 38
75 5
76 3
77 4
78 0
79 2
80 1
81 55
82 4
83 2
84 4
85 7
86 0
87 0
88 0
89 1
90 0
91 16
92 0
93 0
94 0
95 1
96 0
97 0
98 3
99 0
100 19
101 2
102 9
103 3
104 0
105 0
106 4
107 3
108 0
109 5
110 0
111 6
112 4
113 18
114 8
115 7
116 6
117 0
118 1
119 0
120 15
121 2
122 4
123 2
124 5
125 1
126 1
127 26
128 5
129 3
130 0
131 9
132 1
133 0
134 4
135 0
136 123
137 6
138 0
139 0
140 2
141 2
142 1
143 9
144 2
145 8
146 10
147 3
148 7
149 2
150 2
151 1
152 6
153 0
154 2
155 3
156 9
157 3
158 2
159 0
160 0
161 2
162 9
163 12
164 0
165 7
166 55
167 5
168 1
169 1
170 0
171 2
172 6
173 24
174 0
175 43
176 0
177 83
178 0
179 23
180 0
181 19
182 19
183 24
184 4
185 0
186 4
187 16
188 0
189 8
190 4
191 2
192 2
193 1
194 9
195 2
196 7
197 0
198 0
199 3