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Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
138
X. Das Kaiserreich Rußland.
X. Vas Kaiserreich Nußland.
1. Seine Lage in Osteuropa.
Das Kaiserreich Rußland breitet sich im östlichen Europa aus und nimmt
dies ganz ein. Im Norden wird es vom nördlicheneismeer be-
spült. Dies schiebt das W e i ß e M e e r weit nach Süden vor. Im Osten
hängt Rußland mit Asien zusammen. Auf der nördlichen Hälfte bildet
das U r a l g e b i r g e die Grenze. Doch reicht Rußland nach Süden zu
über das hinaus nach Asien hinein. Aus der südlichen Hälfte liegt die Grenze
zwischen dem Uralfluß und der W o l g a. Im Südosten bildet das
große K a s p i s ch e M e e r die Grenze gegen Asien. Im Süden grenzt
Rußland abermals an Asien; hier erhebt sich der hohe Kaukasus als
Grenzmauer. Dann begrenzt das Schwarze Meer Rußland. Das
schiebt das Asowschemeer weit nach Norden vor; dies ist von der
Halbinsel Krim abgetrennt. Im Westen sind es zuerst drei Staaten, an
welche Rußland grenzt, nämlich an das Königreich Rumänien und an die
Kaiserreiche Österreich-Ungarn und Deutschland. Zwischen diesen Ländern sind
zuweilen Flüsse die Grenze. Zwischen Rumänien und Rußland ist es die D o n a u
mit dem Pruth, zwischen Galizien und Rußland die Weichsel, zwischen
Preußen und Rußland die P r o s n a. Auf der nördlichen Hälfte grenzt Ruß-
land zunächst an die Ostsee und zuletzt an Schweden und Norwegen. Die
Ostsee bildet drei Buchten, den Rigaer, den F i n n i s ch e n und den
Bottnischen Meerbusen. Zwischen Schweden und Rußland bildet der
Tornea die Grenze. So hat Rußland vorwiegend Landgrenzen, aber es
grenzt doch an vier Meere, an das Eismeer, an die Ostsee, das Schwarze
Meer und an das Kaspische Meer.
2. Seine ungeheure Größe.
Rußland nimmt das ganze Osteuropa ein und bildet eine große zusammen-
hängende Ländermasse. Diese hat die Gestalt eines unregelmäßigen Vierecks.
Die langen Seiten liegen im Osten und Westen, die kurzen im Süden und
Norden. Sehen wir uns Rußland auf der Karte von Europa an, dann be-
merken wir sogleich: Rußland ist vielmal größer als Skandinavien, als Deutsch-
land, als Österreich-Ungarn. Rußland ist größer als Österreich-Ungarn, Deutsch-
land, Skandinavien, England und Frankreich zusammen. Es ist gerade zehn-
mal so groß als das Deutsche Reich, denn es umfaßt 5 400000 qkm Es
sind gewaltige Ausdehnungen, mit denen wir bei Rußland zu rechnen haben.
Von der schlesisch-galizischen Grenzecke bis an die Ostspitze der Grenze am
Tobol sind es gerade 3000 km, vom Kaukasus bis an die Nordspitze sind es
gleichfalls 3000 km. Von Odessa bis ans Weiße Meer sind es 2000 km;
2000 km sind es auch von Thorn bis ans Knie zwischen Wolga und Ural.
Von Straßburg bis Danzig oder von Köln bis Königsberg oder Warschau
sind je 1 000 km. Demnach ist Rußlands größte nordsüdliche oder ostwestliche
Ausdehnung dreimal so groß als die Entfernung von Köln bis Königsberg;
die kleine ostwestlicke Ausdehnung ist immer noch das Doppelte von der Ent-
fernung zwischen Straßburg—danzig. Rußland erstreckt sich weit nach Süden
und weit nach Norden, weit nach Westen und weit nach Osten.^ An der
Westgrenze geht die Sonne 3 Stunden später auf als an der Ostgrenze.
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone], T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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TM Hauptwörter (200): [T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T176: [Frankreich England Rußland Deutschland Preußen Krieg Italien Spanien Schweden Holland], T109: [Europa Asien Afrika Amerika Australien Insel Erdteil Land Zone Klima]]
Extrahierte Ortsnamen: Osteuropa Europa Asien Asien Asien Asien Deutschland Galizien Ostsee Schweden Norwegen Schweden Ostsee Kaspische Osteuropa Europa Skandinavien Skandinavien England Frankreich Deutsche_Reich Odessa Thorn Danzig Königsberg Warschau Königsberg
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X. Das Kaiserreich Rußland.
143
Weißen Meere ist A r ch a n g e l der wichtigste Hafen. Aber er ist nur 4 bis
5 Monate eisfrei. In dieser kurzen Zeit herrscht hier das regste Tun und
Treiben. Da wird das auf der Dwina herabgeflößte Holz auf große Schiffe
verladen; da verstaut man Teer- und Pechfässer, Flachs und Leinsamen, Felle
und Tran. Die Schiffe fahren uni das Nordkap hemm. Sie haben zwar
einen weiten Umweg, aber die Schiffsfracht ist immer noch billiger als die
Bahnfracht. Es gibt auch eine Bahn, die von Archangel nach Moskau fährt,
also mitten durch das große nordrussische Waldgebiet.
7. Das feenreiche Finnland nebst Lappland.
Der nordwestliche Teil Rußlands heißt Finnland und Lappland. Beide
Landschaften liegen westwärts vom Weißen Weere. Sie sind durch große
Seen, den O n e g a - und Ladogasee von deni nordrussischen Waldgebiete
getrennt. Diese Seen liegen in einer tiefen Senke Ehemals reichte das
Weiße Meer bis zum Finnischen Meerbusen. Dieses Meer setzte sich dann durch
die schwedische Seensenke nach dem Skagerrak fort. Der Ladoga- und der
Onegasee usw. sind die Reste dieses einstigen Meeres. Es sind gewaltige
Wasserbecken. Der Ladogasee ist beinahe so groß wie Württemberg. Finnland
ist heute noch das Land der tausend Seen. Der neunte Teil des Landes be-
steht aus Seen; dazu kommen noch viel mehr Sümpfe und Moore. Der
dritte Teil besteht aus See, Sumpf und Moor. Das zeigt uns, daß hier ehe-
mals das Wasser die Herrschaft führte, daß wir es hier mit einem einstigen
Meeresboden zu tun haben. Der Boden hat sich gehoben, das Wasser trat
zurück; aber die tiefen Becken blieben Seen, Sümpfe und Moore, genau wie
im südlichen Schweden. Finnland hat felsigen Boden, der das Wasser nicht
durchläßt. Für den Ackerbau eignet sich darum der finnische Boden wenig.
In Finnland gibt es ebenso wenig Acker- und Gartenland wie in Norwegen.
Dafür treibt man mehr Viehzucht wie in Schweden; die Nindviehzucht ist sehr
stark vertreten. Daneben hat Finnland viel Wald. Die wichtigste Stadt ist
Helsingsors am Finnischen Meerbusen, sie ist so groß wie Erfurt und
führt namentlich Holz und Fische und Butter aus und treibt Schiffahrt.
Lappland ist bedeutend kälter und hat darum nur in den Tälern
Wälder. Hier leben Lappen mit ihren Renntieren. Im Innern Lapplands
herrscht außerordentliche Kälte; doch sind die Sommer ziemlich warm.
8. Die Ostseeprovinzen im baltischen Tieslande.
Südlich vom Finnischen Meerbusen breitet sich das baltische Tiefland aus.
Nach Süden zu ist es von einem Landrücken vom eigentlichen Rußland abge-
trennt. Das baltische Tiefland umfaßt die sog. Ostseeprovinzen: Ing er-
ma nland, Esthland, Livland und Kurland; dazu gehört noch
Litauen, das an Ostpreußen grenzt, aber nicht bis an die Ostsee reicht.
Diese Landschaften enthalten gleichfalls Seen und Sümpfe nebst Mooren.
Die N e w a, die D ü n a und die Memel sind die Hauptflüsse. Das balti-
sche Tiefland hat ein milderes Wetter als Lappland oder das nordrussische
Waldgebiet. Freilich bringen die Winter noch sehr strenge Kälte. Aber im
ganzen ist es dem Ackerbau günstig. Die Ostseelandschaften sind Hauptge-
biete des Ackerbaus; hier erbaut man namentlich Roggen, Gerste und Hafer,
ferner Flachs. Das Wetter ist feucht; es tröpfelt nicht nur tagelang, sondern
TM Hauptwörter (50): [T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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TM Hauptwörter (200): [T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
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X. Das Kaiserreich Rußland.
oft auch wochenlang. Deshalb gibt es hier so viel Sümpfe und Moräste.
Alle Äcker sind von Gräben durchzogen, um das Wasser abzuleiten; alle Wege
sind erhöhte Dämme. Der Flachs verträgt die meiste Feuchtigkeit. In Liv-
land ist der achte Teil des Ackerbodens mit Flachs bestellt. Das Obst ge-
deiht meist gut. In Esth- und Jngernmnland treibt man mehr Viehzucht, weil hier
der Boden sumpfiger und feuchter ist. Tie Wälder haben eine große Aus-
dehnung. Ungeheure Mengen von Holz flößt man die Düua und die Memel
abwärts. .*
St. Petersburg an der Newa ist die größte Stadt, denn sie zählt
^gegen iy2 Mill. Einwohner. Kronstadt am äußersten Ende des Finni-
schen Meerbusens ist Festung und Kriegshafen. Reval am Südufer des
Finnischen Meerbusens ist eine bedeutende Hafenstadt und gleichfalls ein
Kriegshafen. Dorpat, westlich vom Peipussee, ist namentlich von Deut-
schen bewohnt und hat auch eine deutsche Hochschule. Riga, an der Mün-
dung der Düna in den Rigafchen Meerbusen, ick an Größe Hannover gleich
und eine bedeutende See- und Handelsstadt. Hier landen die gewaltigen
Holzflöße, die die Düna abwärts trägt. Dünaburg ist eine Festung an
der Düna. L i b a u an der Ostsee, nördlich von Memel, ist gleichfalls ein
Kriegs- und Handelshafen. In Litauen liegen Kowno und Wilna.
Kowno liegt an der Memel.
9. Das russische Weichselgebiet oder Russisch-Polen.
Das Kaiserreich Rußland schiebt nach Westen hin zwischen Ost- und West-
preußen und Galizien einen breiten Keil vor. Hier liegt Polen. Polen bildete
ehemals ein selbständiges Königreich. Es ward dann aber unter Rußland,
Österreich und Preußen geteilt. Rußland bekam den Hauptteil, das Gebiet
an der Weichsel oder Russisch-Polen. Die Weichsel durchsließt das Land in
weitem ostwärts gerichtetem Bogen. Ganz im Westen sammelt die Warthe die
polnischen Gewässer und führt sie der Oder zu. Russisch-Polen gehört dem
großen Tieflande an, aber im Südosten steigt das Land bis gegen 600 in
an. Polen hat mit Posen und Oberschlesien ziemlich gleiche Bodenbeschaffen-
heit. Seine Winter sind nur noch etwas strenger. Die Weichselniederung ist
sehr fruchtbar, das Hügelland ist teilweise sandig und trägt große Wälder.
Polen birgt auch Bodenschätze, namentlich das südwestliche, das an das ober-
schlesische Kohlen- und Eisenerzlager angrenzt. Hier fördert man Kohlen,
Eisen- und Zinkerze. Hier ist auch das Webgewerbe emporgeblüht, wie in
Lodz, das an Einwohnerzahl Düsseldorf gleichsteht. Gegen 100 000 Deut-
sche leben in diesem polnischen Manchester. Warschau an der Weichsel,
mit etwa 3/4 Mill. Einwohnern, hat viel Maschinenbau und Handel. Schiff-
bauholz, Getreide und Wolle strömen hier zusammen und gehen auf unzäh-
ligen Kähnen die Weichsel abwärts bis Danzig. Die Hauptbahnen Polens
kreuzen sich in Warschau.
10. Das mittelrussische Ackerbaugebiet.
Südlich stößt an das nordrussische Waldgebiet ein äußerst fruchtbares Ge-
biet, worin man vornehmlich Ackerbau treibt. Es reicht weit nach Süden
hin, aber nicht bis an das Schwarze Meer. Es umfaßt Flächen, die mehr-
fach größer als Deutschland sind. In ihm gibt es auch große Sumpfgebiete,
wie z. B. am P r i p e t, zwischen Polen und dem Dnjepr nördlich von
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
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146 x. Das Kaiserreich Rußland.
Hier sind auch große Städte entstanden. Am Dnjepr liegt Kiew; es ist so
groß wie Mmberg. Es ist eine der ältesten Städte Rußlands und war auch
früher eine Zeitlang die Hauptstadt. Kiew gilt den Russen als heilige Stadt
und wird von zahlreichen Wallfahrern besucht. Groß ist die Zahl der Klöster
und Kirchen. Sie ist eine starke Festung. Hier handelt man vor allem mit
Getreide und daneben gibt es zahlreiche Fabriken. Moskau an der
Moskwa zählt über 1 Million Einwohner. Es war früher die Hauptstadt des
russischen Reiches. Nach ihr nannte man die Russen Moskowiter. 32 Kirchen
zieren die Stadt. Die Himmelfahrtskirche ist im Innern fast ganz vergoldet.
Nach der heiligen Stadt Moskau mit ihren 400 Kirchen pilgern ebenfalls
Tausende von Wallfahrern. Hier wurden und werden die Zaren gekrönt.
Moskau liegt ziemlich im Mittelpunkt Rußlands. Hier treffen viele Bahnen
zusammen. Hierher strömen das Getreide der Schwarzerde, das Holz und das
Pelzwerk der Waldgebiete, das Vieh der Weidegebiete, die Metalle des Urals
zusammen. So ist Moskau mit den vergoldeten Kuppeln seiner Kirchen und
Klöster eine reiche Handelsstadt.
Nishni-Nowgorod (= Erfurt) liegt an der Wolga, da, wo die
Oka einmündet. Sie ist die wichtigste Meßstadt Rußlands. Man hat ein be-
sonderes Meßviertel erbaut, das aus 250 steinernen Warenhäusern und 6 500
Warenbuden besteht. In diesen Häusern wohnt niemand. Erst zur Zeit der
Messe beleben sie sich. Dann ziehen Scharen von Händlern ein, dann ver-
doppelt sich die Bewohnerzahl Nishni-Nowgorods. Dann geben sich die Kauf-
leute der Welt hier ein Stelldichein. Wir sehen da die Pelzhändler von Lon-
don, Paris, Leipzig, Berlin, Wien, Breslau; sie kaufen von den Jägervölkern
und Chinesen. Daneben handelt man mit Woll- und Baumwollwaren.
Solche wichtige Handelsstädte sind auch Kasan, Kamara und Saratow
an der Wolga. Im Innern liegen Tula, O r e l und Charkow.
11. Das russische Steppenland.
Südlich von dem Gebiet der Schwarzerde breitet sich eine dürre Land'
schüft aus, die russische Steppe. Die Mederschläge nehmen nach Süden hin
immer mehr ab. Es wird daher immer trockener. Die lockere, feine, an sich
sehr fruchtbare Erde sieht nicht mehr schwarz, sondern braun aus. Der Wald
hört ganz auf, selbst die Bäume werden zur Seltenheit. Das ganze Steppen-
land umsäumt das Schwarze Meer und das Kaspische Meer. Es ist zum
größten Teile eine tafelförmige Ebene. Die Flüsse haben sich in sie tief
eingegraben. Es gibt eine Grassteppe und eine W ü st e n st e p p e.
Die russische Grassteppe findet sich nördlich vom Schwarzen Meere. Da es
keine Wälder und nur am Rande Hügel gibt, schweift der Blick über weite
Flächen hin. Der Winter ist in der Steppe außerordentlich streng, der
Sommer ist unerträglich heiß. Fast aper drei Tage weht ein heftiger Steppen-
sturm. Im Winter kann man es dann im Freien kaum aushalten; leicht er-
friert man Ohren und Nase. Plötzlich naht der Frühling mir seiner lauen
Luft und seinen befruchtenden Regenschauern. Nun sprießt und sproßt es
allerorten, und bald hat sich ein grüner Teppich über die weite Steppe ge-
legt. Da gibt es Gräser aller Art, Tulpen, Hyazinthen, Zwiebeln, Lauch arten,
Schneeglöckchen usw. Hier gibt es ganze Geviertkilometer Zwiebeln, dort
ebenso große Flächen voll lauter Tulpen. Dann kommt wilder Klee, Schaf-
garbe, Hanf, Kümmel, Wicken usw. Die Schafgarbe wird bis 2 m hoch. Die
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T0: [Blatt Baum Pflanze Blüte Frucht Wurzel Blume Erde Zweig Stengel]]
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Extrahierte Personennamen: Mmberg
Extrahierte Ortsnamen: Kiew Kiew Moskau Moskwa Moskau Moskau Moskau Nishni-Nowgorod Erfurt Wolga Rußlands Paris Leipzig Berlin Wien Breslau Kasan Saratow Tula Charkow
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Geschlecht (WdK): koedukativ
148
X. Das Kaiserreich Rußland.
bewohnt, wie z. B. von den Kalmücken und Kirgisen. Sie leben
in Zelten und widmen sich der Zucht ihrer Pferde, Kamele usw.
Das Land an der Küste des Schwarzen Meeres ist besser bebaut. Hier
sind auch einige bedeutende Städte aufgeblüht, z. B. Odessa, Cherson
usw. Odessa, fast so groß wie Breslau, ist die wichtigste See- und
Handelsstadt am Schwarzen Meere. Es führt viel Getreide, Häute, Hanf,
Flachs, Talg, Schafe und Holz ans. Die Halbinsel Krim streckt sich weit
ins Meer vor. Ihr nördlicher Teil ist eine dürre Steppe, aber ihr südliches
Gestade ist ein fruchtbarer Garten. An dem Gebirge regnen sich die Wolken
ab, es mangelt daher nicht an Mederschlägen. Die Nordwinde haben keinen
freien Zutritt, das Wetter ist deshalb mild. Hier gedeihen nicht allein die
Obstbäume und die Reben, sondern auch die Zypressen, Mandel- und Myrten-
bäume, Ol- und Orangenbäume. Wichtig ist, daß die Insel auch reiche
Eisenerzlager birgt. An der Südwestküste liegt der Kriegshafen Sewa-
stopol.
12. Rußlands Witterung.
Rußland hat eine große Ausdehnung von Westen nach Osten und von
Süden nach Norden; es reicht vom 45. Breitengrade bis über den 70. hin-
aus. Das sind 25 Breitengrade oder 25 mal 15 = 3750 Kilometer. Sewa-
stopol liegt ebenso südlich wie Triest oder Bordeaux; die nördlichsten Bezirke
liegen jenseit des Polarkreises. Daher muß es in Rußland große Unter-
schiede in der Wärme und Witterung geben. Bei Sewastopol auf der süd-
lichen Küste der Krim beträgt das Jahresmittel 12 Grad Wärme, in den
kältesten Tundren sinkt es bis auf 8 Grad Kälte; das ist ein Unterschied von
20 Grad im Jahresdurchschnitt! Aber Rußland hat überhaupt starke Gegen-
sätze in Wärme und Trockenheit. Es hat Binnenklima mit kalten Wintern
und heißen Sommern. In Moskau z. B. hat der wärmste Monat 19 Grad
Wärme und der kälteste Monat 11 Grad Kälte, das sind 30 Grad Unter-
schied. Bei uns ist der Unterschied zwischen dem wärmsten und kältesten Monat
vielleicht 15—20 Grad. Noch viel größer sind die Schwankungen zwischen
dem wärmsten und kältesten Tage oder zwischen der höchsten und tiessten
Temperatur. Diese steigen bis auf 50—70 Grad und mehr. Moskau hat
dieselbe Januarkälte wie Haparanda, aber dieselbe Juliwärme wie Paris. Die
Winter Petersburgs sind nur wenig kälter als die Astrachans, die Winter Arch-
angels nicht viel kälter als die Orenburgs. Die Meere sind zu weit ent-
fernt, als daß sie das Binnenklima mildern könnten. Wir haben im Winter
vorherrschend westliche Winde, sie bringen Wärme von: Meere und Golfstrom.
Sie sind am wärmsten an den englischen, französischen, holländischen, deut-
schen, dänischen und norwegischen Küsten. Je weiter sie nach Osten gelangen,
desto mehr haben sie ihre Wärme verloren; endlich sind sie bis unter den
Nullpunkt abgekühlt. Je weiter wir nach dem östlichen Rußland kommen,
desto kältere Winter und desto niedrigere Temperaturen gibt es da. Wenn
aber das Quecksilber auf 30 bis 40 Grad fällt und endlich erharrt, dann
heißt es seine Nase und seine Ohren nebst den Füßen und Händen in acht
nehmen. Es gibt tm nordöstlichen Rußland manchen Bezirk, wo es kaum
einen erwachsenen Menschen gibt, der nicht schon seine Nase oder seine Ohren
einmal erfroren hätte. Da reibt man sich die frierenden Glieder mit Schnee;
die Bekannten rufen sich beim Vorübergehen zu: „Väterchen, Eure Nase!"
Da wundern wir uns rächt, wenn man vielfach nicht bloß Doppelfenster hat,
TM Hauptwörter (50): [T49: [Land Klima Europa Meer Lage Asien Winter Insel Afrika Zone]]
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TM Hauptwörter (200): [T83: [Klima Winter Sommer Land Meer Wind Regen Niederschlag Zone Gebirge], T24: [Luft Wasser Wärme Körper Erde Wind Regen Höhe Temperatur Schnee], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T152: [Auge Haar Gesicht Nase Krankheit Körper Mensch Mund Ohr Kopf]]
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Geschlecht (WdK): koedukativ
152
X. Das Kaiserreich Rußland.
Kohlenlager gefunden. Roheisen gewinnt es etwas mehr als Österreich-Un-
garn und etwas weniger als Frankreich. In Kohlenförderung und Roheisen-
gewinnung wird Rußland von Deutschland vielmal übertroffen. Dafür ist
seine Ausbeute an G o l d sehr beträchtlich; der Ural liefert gegen 10 000 kg
Gold im Jahre. Damit übertrifft es selbst Österreich-Ungarns Goldausbeute
um das Dreifache. Das wertvolle Platin wird fast ganz allein im Ural
gefunden. Das ist ein wichtiger Vorzug Rußlands; denn alle andern Länder
müssen das Platin von ihm kaufen. Zink-, Kupfer - und Silber-
erze werden nur in ziemlich geringen Mengen gefunden, Bleierze fast
gar nicht. Aber an Salz fehlt es nicht; es wird teilsaus Bergwerken, teils
aus Solen, teils aus Strandseen und Salzseen in den Steppen gewonnen.
Wichtig ist, daß der Kaukasus reich an S t e i n öl ist. Kein Staat in Europa
gewinnt so viel Steinöl wie Rußland, nämlich über 10 Mill. t im Jahre.
Man verwendet sehr viel ungereinigtes Erdöl als Heizöl; sonst könnte Ruß-
land noch mehr Brennöl ausführen.
16. Rußlands Industrie.
Rußland ist vorwiegend ein landwirtschaftlicher Staat und wird dies auch
immer bleiben. Ihm fehlen ja die reichen Kohlen- und Eisenvorräte. Den-
noch haben einige große Gebiete bereits eine nicht unbedeutende Industrie.
Der Flachs- und Hanfbau rief die Leinweberei ins Leben. Die große Schaf-
zucht gestattet die Wollweberei. Dazu gesellte sich in neuerer Zeit das Baum-
wollgewerbe. So beschäftigt Rußland bereits mehr Spindeln als Frankreich
(9 gegen 7 Mill.). Lodz und Tula, Polen und Mittelrußland, sind
die wichtigsten Webereibezirke.
Neben der Weberei spielt das Eisen- und Metallgewerbe noch eine wich-
tige Rolle z. B. in Warschau, Moskau, Tula usw. Berühmt ist die
Gerberei; sie liefert uns das haltbare Juchtenleder, das mit Birkenteer be-
handelte Leder. Da Rußland viel Talg und Fett erzeugt, ist die Talg-, Lichter-
und Seifenherstellung ziemlich verbreitet. Daneben stellen die Zurichtereien
kostbares Pelzwerk her. Das Holzgewerbe blüht in den waldreichen Land-
schaften. In Seestädten gibt es Schiffsbauanstalten, wie in Odessa, Libau,
Riga, Reval usw»
Die russische Industrie hat allerdings mit mancherlei Schwierigkeiten zu
kämpfen. Es fehlte von jeher an tüchtigen Handwerkem und Unternehmern.
Sie wurden zumeist aus dem Ausland, aus Deutschland, Österreich, Frankreich
usw. herbeigezogen. Aus Deutschland stammen auch zumeist die Leiter, die
Werkmeister, die Vorarbeiter der Fabriken. Darum finden wir in allen großen
Städten Rußlands viele Deutsche, in Lodz z. B. gegen 100 000. Die russi-
schen Arbeiter verlassen im Sommer die Fabrik, um ihre Felder zu bestellen.
Damm stehen im Sommer viele Fabriken still. Nachteilig sind auch die zahl-
reichen Feiertage. Rußland verehrt viele Heilige: es vergeht kaum eine
Woche ohne einen besonderen Feiertag. Das stört und hindert die Arbeit
in den Fabriken. Den russischen Bauer stören sie in seiner Arbeit weniger;
er plagt sich so wie so nicht zu sehr. Die russischen Arbeiter sind noch nicht
recht geschult; sie wechseln zu oft die Arbeit. Sie erhalten zwar sehr wenig
Lohn, leisten dafür auch wenig. Deswegen kann die mssische Industrie noch
keine hochfeine, gediegene Arbeit verrichten. Sie vermag den einheimischen
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T6: [Eisen Gold Silber Kupfer Wasser Blei Metall Salz Kalk Stein], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T40: [Fabrik Maschine Industrie Arbeiter Stadt Weberei Arbeit Herstellung Handel Art], T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner]]
TM Hauptwörter (200): [T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T87: [Meer Rußland Wolga Stadt Petersburg Moskau See Ostsee Hauptstadt Ural], T107: [Eisen Gold Silber Kupfer Blei Metall Salz Zinn Stein Mineral], T52: [Arbeiter Arbeit Zeit Betrieb Jahr Fabrik Maschine Staat Preis Kapital], T78: [Mill Staat Million Deutschland Reich Europa Einwohner Land Jahr deutsch]]
Extrahierte Personennamen: Reval
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Europa Frankreich Lodz Tula Polen Warschau Moskau Tula Odessa Libau Riga Deutschland Frankreich Deutschland Lodz
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Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
X. Das Kaiserreich Rußland.
153
Bedarf noch nicht zu decken, weswegen Rußland gewerbliche Erzeugnisse, vor-
nehmlich Maschinen usw., vom Auslande beziehen muß. Aber das wird sich
bald ändern.
17. Rußlands Handel und Verkehrswege.
Rußland hatte ehemals sehr schlechte Verkehrswege. Die großen
Ausdehnungen waren für den Straßenbau nicht förderlich. Von Petersburg
bis Astrachan oder von Lodz bis Kasan oder von Odessa bis Archangel ist fast
genau so weit wie von Petersburg bis Paris. Das sind ungeheure Strecken.
Dazu geht der Weg oft durch recht spärlich bewohnte Gegenden und große
Wälder. Auch die sumpfigen Landschaften hindern die Anlegung von guten
Wegen. Im Gebiet der Schwarzerde und der Steppen fehlt es an Steinen.
Die meisten Wege sind derart, daß sie bei Regenwasser kaum befahren wer-
den können. Viele Brücken sind halb zerfallen. Ein schweres Fuhrwerk be-
nutzt sie lieber nicht. Am leichtesten ist der Verkehr im Winter, wenn der
Schlitten gut geht. In dieser Zeit schafft der Russe gewöhnlich sein Getreide
und sein Holz in die Stadt. Der Staat hat nur etliche große Heeresstraßen
hergestellt. Es fehlt eben an Geld für den Bau guter und zahlreicher
Straßen. Jetzt baut aber Rußland viele Heerstraßen.
Rußland hat auch im Verhältnis wenig Bahnen. Seine Bahnen sind
ungefähr gerade so lang wie die unsrigen; das heißt, im Verhältnis zur
Fläche haben wir zehnmal so viel Bahnen; im Verhältnis zur Bewohnerzahl
haben wir doppelt so viel Bahnen. Mittelpunkt des russischen Bahnnetzes ist
Moskau. Von hier laufen die Hauptlinien strahlenfömrig aus nach Peters-
burg, nach Warschau, nach Orenburg usw. Die russischen Bahnen haben eine
größere Spurweite als unsre. Infolgedessen müssen alle Güterwagen an der
deutsch-russischen Grenze umgeladen werden; das macht viele Arbeit und
Kosten. Nach Österreich und Ungarn fahren unsre Güterwagen, ohne daß sie
umgeladen werden; desgleichen fahren die Güterwagen ohne Umladung aus
Österreich und Ungarn oder Holland nach Deutschland; das alles erleichtert
den Verkehr. Nach Rußland ist wegen der größeren Spurweite der Bahn-
verkehr erschwert. Auch die Reisenden müssen an der Grenze alle umsteigen.
Zwischen Berlin—wien oder Berlin—paris kann man aber fahren, ohne daß
man umsieigen muß; das ist bequem. Rußland hat im Verhältnis zu seinem
langen Bahnnetz zu wenig Verkehr; vor allem fehlt es noch an Güterverkehr.
Darum hat es hohe Frachtsätze eingeführt; um so mehr sparen die armen
Russen die Bahnfracht. In Rußland stehen die Bewohner untereinander viel
weniger in Verkehr und Güteraustausch als wir.
Rußland hat ungemein viele Wasserstraßen. Seine Flüsse sind
wasserreich und wegen des geringen Gefälles meist auch gut schiffbar. Viele
können bis nahe an die Quelle befahren werden. Dazu kann man sie bequem
durch Kanäle verbinden. Die Weichsel, die Memel und die Düna stehen
durch Kanäle mit dem Dnjeprgebiet in Verbindung, das Newagebiet ist mit
dem Wolga- und Dwinagebiet verbunden. So stehen die drei Grenzmeere
miteinander in Verbindung. Aber die russische Flußschiffahrt wird durch die
langen und strengen Winter gehindert. Die Flüsse sind mindestens 4 und
manche bis zu 8 oder 9 Monaten zugefroren. Da muß natürlich die Schiff-
fahrt ruhen. Im dürren Sommer ist bei manchen der Wasserstand zu niedrig.
Immerhin ermöglichen die Flüsse eine bequeme und billige Verbindung in
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X. Das Kaiserreich Rußland.
155
fortwährend. Daher werden in einem einförmigen Flachlande die Menschen
einander ähnlicher. In den abgeschlossenen Tälem der Gebirge werden die
Menschen sich unähnlicher. Da reden die Bewohner eines jeden Haupttales
anders und tragen sich anders. In Rußland ist das nicht so geworden. Dennoch
gibt es auch hier viele verschiedene Völker und Volksstämme. Mindestens 30
größere Volksstämme leben auf diesem Raume; man kann aber leicht 100 auf-
zählen, wenn man die kleinsten auch mitrechnet. Von Asien her sind im Laufe
der Zeit immer neue Volksstämme eingewandert. Sie kamen meistens durch
das breite Völkertor zwischen dem Uralgebirge und dem Kaspisee gewandert.
Viele von ihnen haben sich nach und nach mit andern vermischt; manche haben
sich so ganz verloren. Ein Stamm hat nun die Oberhand gewonnen und die
Herrschaft über das weite Reich errungen.
Das sind die Russe n. Sie wohnten ursprünglich am Dnjepr und in
den: Gebiete nördlich davon bis zum Ladogasee. Kiew war die Hauptstadt,
die andere war Groß-Nowgorod am Jlmensee. Nach und nach dehnten sie sich
weiter aus. Dann ward Moskau ihre Hauptstadt und blieb es auch lange Zeit.
Die Russen zählen zusammen über 90 Mill. und zerfallen in zwei Haupt-
stämme, in nördliche und südliche. Die nördlichen Russen heißen Groß-
r u s s e n. Sie nehmen das ganze Mittelrußland ein und haben sich nun auch
weithin über den Norden und Osten ausgebreitet. Sie finden sich jetzt überall
im ganzen Reiche, denn sie sind ja der herrschende Stamm, die eigentlichen
Russen. Es gibt ungefähr 60 Mill. Großrussen, also gerade soviel Großrussen
als Deutsche im Deutschen Reiche. Die Großrussen unterscheiden sich unter-
einander fast gar nicht. Sie haben gleiche Körper- und Gesichtsbildung, sprechen
eine und dieselbe Sprache und kleiden sich ganz in gleicher Weise. Wer zum ersten
Male Großrussen aus Petersburg, Moskau und Nowgorod sieht und hört, der
bemerkt kaum einen Unterschied. Die Großrussen sind nicht groß, sondern haben
einen gedrungenen Körper; ihr Gesicht erscheint grob und rot; das Haupt- und
Barthaar ist hell. Die Nase ist stumpf, das Gesicht oft platt. Die Backenknochen
stehen häufig vor. Sie heißen Großrussen, nicht weil sie groß sind, sondern weil
sie dem großen Stamme der nördlichen Russen angehören. Die Großrussen
sind heiter und sorglos und singen daher oft. Ein lustiges Leben gefällt ihnen
mehr als strenge, emsige Arbeit. Dabei fügen sie sich geduldig auch ins größte
Ungemach. Haben sie etwas, dann machen sie Lebeschön; haben sie nichts, dann
darben sie eben. Sparen und zurücklegen für die Zeit der Not, das ist nicht nach
ihrem Sinn. Aber sie hängen an ihrer Familie, sind gegen Arme und Unglück-
liche wohl- und mildtätig; doch können sie auch hart, roh und grausam sein,
namentlich im Zorn und im Streite. Sehr gastfrei sind sie gegen die eigenen
Volksgenossen, wie auch gegen Fremde. Im Kriege geben sie tapfere Soldaten
ab; da scheuen sie im Notfälle weder Entbehrungen noch Anstrengungen. Sonst
huldigen sie gern der Genußsucht, der Habsucht,' der Trunksucht und Unreinlich-
keit. Der Diebstahl ist recht verbreitet unter ihnen. Die Beamten sind sehr
unredlich, sie nehmen mehr, als es sich gebührt, sie lassen sich bestechen, sie be-
drohen sogar, um Geld zu erpressen. Dabei heißt es in aller Gemütsruhe: Der
Himmel ist hoch, und der Zar ist weit; d. h. Der Himmel ist so hoch, daß er unsre
Schandtaten nicht sieht; der Zar ist so weit, daß uns sein rächender und stra-
fender Arm nicht erreicht. Da wir straflos bleiben, können wir es uns erlauben,
unredlich zu sein. Der Staat ist selbst mit schuld, denn er gibt den Beamten
einen viel zu kärglichen Lohn. Die Großrussen betrinken sich von Zeit zu Zeit.
Sie können wochenlang völlig nüchtern sein, dann müssen sie aber trinken und
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X. Das Kaiserreich Rußland.
trinken, nein saufen, bis sie stockbesoffen daliegen. Haben sie ihren Rausch aus-
geschlafen, dann gucken sie längere Zeit kein Glas an. Die niederen Leute trin-
ken meistens einen schlechten Branntwein. Widerlich ist ihre große Unsauber-
keit. Die niedrigen Wohnungen werden in den langen Wintern kaum einmal
gelüftet. In dieser stickigen Lust vermehrt sich das Ungeziefer schrecklich. Der
Bauer legt sich in der Regel samt seinem Pelz ins Bett. Höchstens Sonntags
kämmt und wäscht er sich. Am Samstag nimmt er ein Dampfbad, doch zieht
er seinen verlausten und verwanzten Pelz wieder an, ohne ihn zu säubern. Nach
dem Dampfbade wälzen sich manche im Schnee oder begießen sich mit eiskaltem
Wasser, um sich abzuhärten.
Die Großrussen sind lebendig und haben eine erstaunliche Zungenfertigkeit.
Sie geben daher gute Redner und Händler ab. Zum Ackerbau haben sie we-
niger Lust. Der ist ihnen zu eintönig, und ihnen gefällt das Herumziehen mehr;
sie verteilen sich daher auch leicht übers ganze Reich. Das Handeln und Feil-
schen, das Markten und Schachern gefällt ihnen, besonders wenn sie den andern
übers Ohr hauen können. Gewerbliche Arbeiten lernen sie rasch, aber mehr
oberflächlich. Peinliche Gewissenhaftigkeit ist ihnen lästig. Die Kost ist meist
recht dürftig. Fleisch gibt es meist nur an Feiertagen. Sonst begnügen sie sich
mit Roggenbrot, Buchweizengrütze und Suppe aus Kohl, Pilzen, saurer Milch
und gefrorenem Fisch. Gegorenes Roggenwasser (Kwaß) ist ihr Volksgetränk;
schmutzige Verkäufer halten es überall in irdenen Töpfen feil. Daneben trinkt
man Tee mit Branntwein. Die Wohnstuben sind rauch- und rußgeschwärzt,
voll Schmutz und Ungeziefer. Außer einem plumpen Tische und etlichen roh
gezimmerten Stühlen gibt es nur selten andere Möbel. Aber ein kleines Glas-
schränkchen enthält ein Heiligenbild, wovor stets ein Licht brennt. Wer eintritt,
der verbeugt sich vor dem Heiligen und schlägt ein Kreuz; unterließe man das,
so wäre das eine Grobheit und Verletzung sondergleichen. Da die Häuser zu-
meist aus Holz gebaut sind, so werden oft ganze Dörfer ein Raub der gefräßigen
Flammen. Man legt sehr breite Straßen an und baut die Gehöfte weit aus-
einander, um die Feuersgefahr zu vermindem. Die meisten Städte haben kein
Pflaster.
In dem Winter häuft sich in den Rinnsteinen ungeheuer viel Unrat an;
wenn er im Frühjahr auftaut, dann gibt es einen fürchterlichen Gestank;
kein Wunder, wenn Rußland öfter von verheerenden Seuchen heimgesucht
wird.
Die südlichen Russen zerfallen in Weiß- und Kleinrussen. Die Weiß-
russen wohnen am oberen Dnjepr bis hin zur Düna und grenzen ziemlich
bis an Deutschland. Sie trugen und tragen gern weiße Filzhüte und helle Klei-
dung, was ihr Name andeutet. Die Weißrussen standen jahrhundertelang unter
polnischer Herrschaft. Sie wurden vom polnischen Adel gehörig geknechtet.
Sie haben zum Teil recht unfruchtbare, feuchte und ungesunde Landstriche
inne und sind arbeitsam und gutmütig. Ihre Dörfer sind sehr klein. Selten
zählt ein Dorf ein Dutzend Häuser, meist nur drei oder vier; häufig liegen die
Bauernhöfe einzeln zwischen Wäldern und Sümpfen.
Die Kleinrussen wohnen südlich von den Weißrussen. Sie heißen
auch Ruthenen und sind schöner, größer und feiner als die Weiß- und Groß-
russen. Dazu sind sie lebhafter mrd tätiger. Ihnen gegenüber sind die Groß-
russen plump und schwerfällig. Die Kleinrussen sind meist Ackerbauer und Hirten;
für Handel und Gewerbe haben sie wenig Sinn. Kiew, Charkow usw. sind
die Hauptstädte von Kleinrußland. Die Ukraine ist ihr Hauptgebiet. Die Klein-
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Ortsnamen: Weiß- Deutschland Kiew Charkow
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Inhalt: Zeit: Geographie
Geschlecht (WdK): koedukativ
X. Das Kaiserreich Rußland.
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russen betrachten die Großrussen als ihre Unterdrücker, auch die Polen mögen
sie nicht leiden. Sie möchten gern wieder frei werden.
Die Kosaken sind auch großrussischer Abstammung, sie bestanden ur-
sprünglich aus Flüchtlingen, welche sich in die südrussische Steppe geflüchtet
hatten, um der Bestrafung zu entgehen.
Die Großrussen zahlen etwa 60 Will., die Kleinrussen gegen 24 Mill.,
die Weißrussen bloß 6 Mill. Die Kleinrussen könnten daher auch heute noch
ein eigenes Staatswesen bilden. Klein- und Weißrussen sprechen eine andere
Sprache als die Großrussen; doch sind diese drei Sprachen nahe verwandt.
In Rußland leben weiter Polen. Sie nehmen zumeist das Weichsel-
gebiet ein, doch wohnen sie auch noch in Litauen, am Njemen, in Wolhynien
zwischen Galizien und dem Pripet, in Podolien am Dnjestr, wie in Galizien
und in der deutschen Ostmark. Insgesamt mag es gegen 17 Mill. Polen geben.
Davon leben in Rußland gegen 9 Mill. Die Polen gehören schon den West-
slawen an, während die Groß-, Weiß- und Kleinrussen Ostslawen sind. Die
Polen sind groß und kräftig und ähneln schon mehr den Deutschen, mit denen
sie sich vielfach vermischt haben. Doch sind viele dem Trunk und Spiel sehr
ergeben. Dabei haben sie Hinneigung zu Leichtsinn, Unstetigkeit und Unsauber-
keit wie die Russen. Der polnische Adel liebt das Französische Mehr als das
Deutsche, ja das Deutsche haßt er. Das polnische Volk ward vom Adel in Armut
und Knechtschaft gehalten. Darum bestehen die polnischen Dörfer noch heute
zumeist aus elenden, mit Stroh oder Schilf gedeckten Holzhütten und Lehm-
wänden. Doch nehmen schon viele Polen manches von den umwohnendere
Deutschen an. Dazu arbeiten auch viele Polen und Ruthenen während des
Sommers auf deutschen Gütern und lernen da vieles, was sie dann zu Hause
nachmachen. Sie bringen auch viel Geld mit nach Hause.
Östlich von Ostpreußen wohnen Litauer und Letten. Sie zählen
etwa 3 Mill. und sind den Slawen verwandt; man nennt sie darum auch Letto-
slawen. Sie sitzen zwischen Deutschen und Russen vor allem zwischen Memel
und Dürra.
In Rußland leben auch viele Germanen. Sie zerfallen in Schwe-
den und Deutsche. Die Schweden leben in Finnland; dies gehörte früher
lange zu Schweden. Die Deutschen wohnen zunächst in den Ostseeprovinzen,
vornehmlich in Kurland, Livland und Esthland, weniger in Jngermanland. Deutsche
Kaufleute gründeten Riga; dann kamen deutsche Ritter ins Land und schufen
hier ein deutsches Ordensland. Noch heute sind die meisten Großgrundbesitzer
Deutsches auch die Bürger der meisten Städte bestehen vorwiegend aus Deut-
schen. Die deutsche Sprache wird überall gebraucht. Es gibt deutsche Schulen
und deutsche Kirchen, deutsche Vereine und deutsche Gesellschaften. In Polen
wie auch in Riga, Dorpat, Dünaburg, Libau, Mitau usw. leben sehr viele
Deutsche, namentlich in den Städten (Lodz, Warschau usw.). Deutsche finden
sich auch in vielen andern Städten Rußlands, in Petersburg, Moskau, Odessa
usw. Die russischen Zaren haben auch viele deutsche Bauern aus Württem-
berg, Baden usw. ins Land gerufen und angesiedelt, z. B. von Wolhynien an
bis nach der Wolga bei Saratow und Sarepta. Sie haben große Sumpslän-
dereien trocken gelegt und urbar gemacht, besonders am Pripet; sie haben bei
Odessa, sowie in Bessarabien südlich vom Dnjestr mitten im Steppenlande
vrele blühende Bauerndörfer gegründet. Selbst bis an und in den Kaukasus
sind sie vorgedrungen. Auch bei Petersburg gibt es schmucke deutsche Bauern-
dorfer. Wir finden Deutsche als Offiziere, als Gelehrte, als Arzte, als Apo-
TM Hauptwörter (50): [T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
TM Hauptwörter (100): [T78: [Polen Rußland Preußen Land Orden Russe Stadt Reich Warschau Weichsel], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner]]
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