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1. Geschichtliches Lesebuch - S. 17

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Ii. v. Sybel, Erste Jahre des Bundestags. 17 gewesen. Diese Befugnis der Partikularstaaten war um so mißlicher, als drei fremde Könige Mitglieder des Bundes waren, England für Hannover, Niederland für Luxemburg, Dänemark für Holstein. Ohne Zweifel wurde die Regierung dieser Bundeslande nicht nach deutschen, sondern nach fremden Interessen geführt, und bald genug sollte sich die Gefahr dieser Zwitterstellung nicht bloß für die darin befindlichen Territorien, sondern für das ganze öffentliche Leben Deutschlands zeigen. Daß die Präsidialmacht des Bundes, Österreich, bei dem Übergewicht ihrer außerbüudischeu Kroulande kaum ein wärmeres Herz als jene drei Höfe für die deutschen Interessen haben konnte, braucht nicht weiter erörtert zu werden. Vollendet wurde die Uusicherheit aller dieser Dinge dnrch die Aufnahme des deutschen Lersassuugsgesetzes in die Wiener Kongreßakte, welche die fünf Großmächte nebst Schweden, Spanien und Portugal zur Regelung des gesamten europäischen Zustandes vereinbarten. Österreich und Preußen hatten diese Maßregel in dem guten Glauben betrieben, daß damit die Sicherung des Bundes gegen fremde Eingriffe durch Europa gewährleistet sei. Ganz anderer Meinung aber war man in Petersburg, Paris und London; nachdem die Bundesakte als Teil der Kongreßakte unter den Schutz der Mächte gestellt sei, dürfe auch Deutschland ohne die Erlaubnis der Garanten daran nichts ändern, stehe also unter europäischer Vormundschaft, genau so wie im 18. Jahrhundert Polen unter der russischen gestanden hatte. Der Zweifel war um so gefährlicher, als vom ersten Tage an recht viele deutsche Fürsten keine Bedenken trugen, bei innern Nöten oder nachbarlichen Händeln den hohen Schutz vornehmlich des russischen Kaisers anzurufen; soweit wie auf diplomatischem Wege möglich, lehnten wohl die beiden Großmächte derartige Einmischung ab, aber erst als im Jahre 1831 gegen einen von jenen veranlaßten Bundesbeschluß die drei fremden Großmächte als Garanten der deutschen Verfassung einen förmlichen Protest anmeldeten, wies der Bundestag unter Preußens Vorgang die Anmaßung des Auslandes grundsätzlich zurück. Die Fremden ließen daraus den einzelnen Fall auf sich beruhen, hielten aber ihren Anspruch aufrecht, und haben ihn, wie wir sehen werden, noch oft in gefährlicher Weise durchzusetzen versucht. Die wichtigste Forderung eines großen Volkes, die nationale Unabhängigkeit, war somit für Deutschland, am Abschluß seines glorreichen Befreiungskriegs, aus einem anerkannten Rechtssatz zu einer offenen Machtfrage geworden. Müller, Geschichtliches Lesebuch. q

2. Geschichtliches Lesebuch - S. 220

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
220 Xv. Maurenbrecher, Die schleswig-holsteinsche Frage. staatsverfassung für Holstein und Lauenburg 6. November 1858 auf, und so wurde die Exekution sistiert. Die preußische Regierung der neuen Ära nahm den schon von Mantenffel angeknüpften Faden noch entschlossener in die Hand. Die schleswigschen Stände verlangten im März 1860 Anschluß an Holstein; sie protestierten gegen die Einverleibung in Dänemark; deshalb wurden sie aufgelöst. Ju Holstein beschwerte man sich über die Steuerauflagen, man klagte beim Bundestag. Der König von Dänemark aber publizierte daraus das Budget ohne die Stände; es war damit also der ständische Zwist in Holstein ganz offenkundig geworden. Im Jahre 1861 brachte Oldenburg die Holsteiner Beschwerde aufs neue vor den Bundestag und trug auf Exekution an. Der Bundestag beschloß 7. Februar 1861 nach dem Antrag. In Dänemark rüstete mau sich wenigstens Schleswig zu behaupten und bot Zugeständnisse für Holstein an. Die Engländer mahnten in Beziehung auf Holstein zur Nachgiebigkeit, um einen europäischen Konflikt zu vermeiden. Das scheinbare Entgegenkommen der Dänen ließ die Exekution noch einmal vertagen. Aber auch in Deutschland fing man endlich an ungeduldig und entrüstet zu werden. Der Deutsche Bund hatte in allen bisherigen Äußerungen seine Verwendung auf Holstein eingeschränkt, wie er ja kaum anders konnte. Es war das Verdienst Preußens endlich auch Schleswig in die Erörterung hineinzuziehen. Preußen nahm sich jetzt nicht nur Holsteins, sondern auch Schleswigs an. Am 5. Dezember 1861 legte Graf Bernstorsf gegen die Trennung der Herzogtümer Verwahrung ein und forderte Aufklärungen von Dänemark über die Verletzungen des früheren dänischen Versprechens von 1852. Der dänische Reichstag ging über alles gleichgültig hinweg. Das dänische Ministerium erörterte, über Schleswig habe der Deutsche Bund gar nichts zu sagen; seine Kompetenz erstrecke sich nur auf Holstein; aber der Deutsche Bund habe noch gar nicht ausgesprochen, welche Einrichtung er positiv in Holstein verlangte. Die Gegenvorstellungen der Österreicher und Preußen hatten keine Änderung erzielt und keinen Eindruck gemacht. Da beantragte England Trennung der Verwaltung im dänischen Reiche (Note vom 24. September 1862) und Beseitigung der Gesamtstaatsverfassung von 1855. Auf England hatte in der That die preußische Politik eingewirkt. Die Dänen beteuerten gegenüber England (15. Oktober) die enge Vereinigung zwischen Schleswig und Dänemark sei eine

3. Geschichtliches Lesebuch - S. 222

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
222 Xy. Maurenbrecher, Die schleswig-holftemsche Frage. Feldzugsplan und stellten schon die Details für das ganze kriegerische Vorgehen gegen Dänemark fest (vgl. Moltkes Denkschrift vom 6. Dezember 1862). In Dänemark verlangte die öffentliche Meinung fofort gegen Deutschland zu schlagen; auch in Deutschland herrschte heftige Entrüstung. Der Nationalverein verwarf die preußische Politik: „im Innern sei sie rechtlos, gegen die Polen freiheitfeindlich und matt gegen die Dänen." Der Nationalverein verlangte zum Schutz der deutschen Rechte ein deutsches Parlament. Auch mehrere deutsche Fürsten traten für die deutsche Sache gegen Dänemark auf. Der Herzog von Oldenburg verlangte von dem Deutschen Bunde bte Erklärung, die Vertrüge vou 1852 habe Dänemark gebrochen, man müsse also die Herstellung des alten Zustandes in Holstein von den Dänen fordern. Ähnliche Wünsche wurden im preußischen Landtage geäußert und dort durch Bismarck bekämpft. Als Tweften sagte: „Preußen sei unfähig zur Kriegsführung bei den inneren Wirren" entgegnete ihm Bismarck (17. April 1863): die preußische Regierung würde Krieg führen mit oder ohne Genehmigung des Landtags, sobald sie selbst den Krieg für nötig halte. Von dem Deutschen Bunde verlangte Bismarck nicht die Erklärung der Ungültigkeit der mit den Dänen geschlossenen Verträge, sondern die Bundesexekution nach Holstein: würde Dänemark sich der Exekution widersetzen, dann habe Dänemark den Angriff begonnen, und das sei für die deutsche Sache günstig. Der deutsche Bundestag beschloß daher am 9. Juli 1863 die Exekution, und zwar wurde auf Verlangen Bismarcks der Auftrag an Hannover und an Sachsen erteilt, Preußen und Österreich sollten nur als Reserve dienen. Die Dänen polterten und lärmten hitzig. Der König von Schweden machte in Kopenhagen seinen Besuch; die „skandinavische Union" schien in Aussicht zu stehen. Auch England nahm sich der Dänen an. Lord Palmerston donnerte am 23. Juli furchtbar in feiner beliebten brutalen Tonart. Er fagte: „Der schleswigsche Handel sei so verwickelt, daß überhaupt nur drei Menschen ihn verstanden hätten: der erste sei der Prinz-Gemahl Albert, der sei tot; der zweite sei ein dänischer Minister, der übrigens über den Fall verrückt geworden; der dritte sei er selbst und er habe die Sache mittlerweile vergessen. Über Holstein — so gab er zu — dürfe der Deutsche Bund mitreden, in Schleswig habe aber der Deutsche Bund ebensowenig zu sagen als in Marokko oder Spanien; würde der Deutsche Bund etwas gegen

4. Geschichtliches Lesebuch - S. 304

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
304 Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. Diese Dankbarkeit hat die Regierungszeit Friedrich Wilhelms Iii. beherrscht. Das Saldo, welches Rußland im preußischen Konto hatte, ist durch die Freundschaft, ich kann fast sagen, durch die Dienstbarkeit Preußens während der ganzen Regierungszeit des Kaisers Nikolaus ausgenützt und in Olmütz, kann ich sagen, getilgt worden. In Olmütz nahm der Kaiser Nikolaus nicht für Prenßen Partei, schützte uns nicht einmal vor üblen Erfahrungen, vor gewissen Demütigungen, wie der Kaiser Nikolaus überhaupt doch im ganzen mehr Vorliebe für Österreich als für Preußen hatte; der Gedanke, daß wir Rußland während seiner Regierung irgend welchen Dank schuldig wären, ist eine historische Legende. Wir haben aber, solange der Kaiser Nikolaus lebte, unsererseits doch die Tradition Rußland gegenüber nicht gebrochen; wir haben im Krimkriege, wie ich vorher schon erzählte, unter erheblichen Gefahren und Bedrohungen festgehalten an der russischen Aufgabe. Seine Majestät der hochselige König hatte keine Neigung — was damals, wie ich glaube, möglich gewesen wäre —, mit einer starken Truppenaufstellung eine entscheidende Rolle in dem Kriege zu spielen. Wir hatten Verträge geschlossen, nach denen wir verpflichtet waren, zu einer gewissen Zeit 100000 Mann aufzustellen. Ich schlug Seiner Majestät damals vor: stellen wir nicht 100000, sondern 200000 Mann auf, und stellen wir sie ä cheval auf, sodaß wir sie nach rechts und links gebrauchen können; so sind Eure Majestät Heute der entscheidende Richter des Krimkrieges Ihrerseits. Indessen der hochselige König war für kriegerische Unternehmungen nicht geneigt, und das Volk kann ihm dafür nur dankbar fein. Ich war damals jünger und unerfahrener, als ich heutigen Tages bin. Indessen haben wir immerhin für Olmütz keine Rancime getragen während des Krimkrieges; wir kamen aus dem Krimkriege als Freunde Rußlands heraus, und ich habe in der Zeit, wo ich Gesandter in Petersburg war1), die Frucht dieser Freundschaft durch eine sehr wohlwollende Aufnahme am Hof und in der Gesellschaft genießen können. Auch unsere Parteinahme für Österreich im italienischen Kriege war nicht nach dem damaligen Geschmack des russischen Kabinetts, aber sie hatte keine nachteilige Rückwirkung. Unser Krieg .1866 wurde eher mit einer gewissen Genugthuung gesehen; man gönnte den Österreichern das damals in Rußland. Im Jahre 1870 in unserem französischen Kriege 1) 1859—62.

5. Geschichtliches Lesebuch - S. 305

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. 305 hatten wir wenigstens noch die Satisfaktion, gleichzeitig mit unserer Verteidigung und siegreichen Abwehr dem russischen Freund einen Dienst irrt Schwarzen Meere erweisen zu können. Es wäre die Frei-gebung des Schwarzen Meeres durch die Kontrahenten keineswegs wahrscheinlich gewesen, wenn nicht die deutschen Truppen siegreich in der Nähe von Paris gestanden hätten. Wenn sie z. B. geschlagen wären, so, glaube ich, wäre der Abschluß des damaligen Londoner Abkommens') zu Gunsten Rußlands so leicht nicht gewesen. Also auch der Krieg von anno 70 hinterließ keine Verstimmung zwischen uns und Rußland. Ich führe diese Thatsachen an, um Ihnen die Genesis des Vertrages mit Österreich darzulegen, der vor wenig Tagen publiziert worden ist2), und um die Politik Seiner Majestät gegen den Vorwurf zu rechtfertigen, daß sie die Kriegsmöglichkeiten für das Deutsche Reich erweitert hätte durch Hinzufügung derjenigen, welche Österreich ohne sein Verschulden betreffen könnte. Ich bin deshalb im Begriff, Ihnen zu schildern, wie es kam, daß die von mir persönlich stets mit Vorliebe gepflegten traditionellen Beziehungen zwischen uns und Rußland sich so gestalteten, daß wir zum Abschluß des vorgestern publizierten Vertrages veranlaßt wurden. Die ersten Jahre nach dem französischen Kriege vergingen noch im besten Einverständnis; im Jahre 1875 trat zuerst eine Neigung meines russischen Kollegen, des Fürsten Gortschakow ^), zu Tage, sich mehr um Popularität in Frankreich als bei uns zu bemühen und gewisse künstlich herbeigeführte Konstellationen dazu zu benutzen, um die Welt durch ein hinzugefügtes Telegramm glauben zu machen, als hätten wir 1875 irgend einen entfernten Gedaukeu daran gehabt, Frankreich zu überfallen, und als wäre es das Verdienst des Fürsten Gortschakow, Frankreich aus dieser Gefahr errettet zu haben. Das war das erste Befremden, welches zwischen uns auftrat, und welches mich zu einer lebhaften Aussprache mit meinem früheren Freunde und späteren Kollegen veranlaßte. Demnächst und gleichzeitig hatten wir immer noch die Aufgabe festgehalten, den Frieden zwischen den drei Kaisern festzuhalten, die Beziehungen fortzusetzen, die zuerst ein- 1) Auf einer Konferenz in London wurde am 13. März 1871 die Aufhebung der Paragraphen des Pariser Vertrages von 1856 über das Flottenrecht auf dem Schwarzen Meere beschlossen. 2) Am 3. Februar 1888. 3) Russischer Reichskanzler. Müller, Geschicbllickes Lesebuch. oq

6. Geschichtliches Lesebuch - S. 306

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
306 Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. geleitet waren durch den Besuch der Kaiser von Rußland und von Österreich 1872 hier in Berlin und durch die darauf folgenden Gegenbesuche. Es war uns das auch gelungen. Erst 1876 vor dem türkischen Kriege traten uns gewisse Nötigungen zu einer Option zwischen Rußland und Österreich entgegen, die von uns abgelehnt wurden. Ich halte nicht für nützlich, in die Details darüber einzugehen; sie werden mit der Zeit auch einmal bekannt werden. Es hatte unsere Ablehnung die Folge, daß Rußland sich direkt nach Wien wandte, und daß ein Abkommen — ich glaube, es war im Januar 1877 — zwischen Österreich und Rußland geschlossen wurdex), welches die Eventualitäten einer orientalischen Krise betraf, und welches Österreich für den Fall einer solchen die Besetzung von Bosnien u. s. tu. zusicherte. Daun kam der Krieg, und wir waren recht zufrieden, wie das Unwetter sich weiter südlich verzog, als es ursprünglich Neigung hatte. Das Ende des Krieges wurde hier in Berlin durch den Kongreß definitiv herbeigeführt, nachdem es vorbereitet war durch den Frieden von Sau Stefanos. Der Friede von San Stefano war meiner Überzeugung nach nicht viel bedenklicher für die antirussischen Mächte und nicht sehr viel nützlicher für Rußland, als nachher der Kongreß-vertrag gewesen ist. Der Friede von San Stefano hat sich ja, kann man sagen, nachher von selber eingefunden, indem das kleine, ich glaube 800000 Seelen umfassende, Ostrumelien eigenmächtig die Wiederherstellung der — nicht ganz — der alten Sau Stefano-Grenze auf sich nahm und sich Bulgarien anfügte3). Es war also der Schaden, den der Kongreß in den Abmachungen von San Stefano angerichtet hat, nicht so sehr schlimm. Ob diese Abmachungen von San Stefano gerade ein Meisterwerk der Diplomatie waren, das lasse ich dahingestellt fein. Wir hatten damals fehr wenig Neigung, uns in die orientalischen Sachen zu mischen, ebenso wenig wie heute. Ich war schwer krank in Friedrichsruh, als mir von russischer Seite das Verlangen amtlich mitgeteilt wurde, zur definitiven Beilegung des Krieges einen Kongreß der Großmächte nach Berlin einzuberufen. Ich hatte zunächst wenig Neigung dazu, einmal weil ich in der körperlichen Unmöglichkeit war, dann aber auch, weil ich keine Neigung hatte, uns so weit in die Sache zu verwickeln, wie die Rolle des 1) Abkommen von Reichstadt vom 15. Januar 1877. 2) Am 3. März 1878. 3) Aufstand vom September 1885.

7. Geschichtliches Lesebuch - S. 307

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. 307 Präsidierens eines Kongresses notwendig mit sich bringt. Wenn ich schließlich dennoch nachgegeben habe, so war es einerseits das deutsche Pflichtgefühl im Interesse des Friedens, namentlich aber das dankbare Andenken, das ich an die Gnade des Kaisers Alexander Ii. für mich stets bewahrt habe, das mich veranlaßte, diesen Wunsch zu erfüllen. Ich erklärte mich dazu bereit, wenn es uns gelänge, die Einwilligung von England und von Österreich zu beschaffen. Rußland übernahm die Einwilligung von England zu besorgen, ich nahm auf mich sie in Wien zu befürworten; es gelang, und der Kongreß kam zustande 1). Während des Kongresses, kann ich wohl sagen, habe ich meine Rolle, soweit ich es irgend konnte, ohne Landesinteressen und befreundete Interessen zu verletzen, ungefähr so aufgefaßt, als wenn ich der vierte russische Bevollmächtigte gewesen wäre auf diesem Kongreß (Heiterkeit); ja ich kann fast sagen, der dritte; denn den Fürsten Gortschakow kann ich als Bevollmächtigten der damaligen russischen Politik, wie sie durch den wirklichen Vertreter Grafen Schuwalow vertreten war, kaum annehmen. Heiterkeit.) Es ist während der ganzen Kongreßverhandlungen kein russischer Wunsch zu meiner Kenntnis gekommen, den ich nicht befürwortet, ja, den ich nicht durchgesetzt hätte. Ich bin infolge des Vertrauens, das mir der leider verstorbene Lord Beaconsfield2) schenkte, in den schwierigsten, kritischsten Momenten des Kongresses mitten in der Nacht an dessen Krankenbett erschienen und habe in den Momenten, wo der Kongreß dem Bruch nahestand, dessen Zustimmung im Bett erreicht; — kurz, ich habe mich aus dem Kongreß so verhalten, daß ich dachte, nachdem er zu Ende war: nun, den höchsten russischen Orden in Brillanten besitze ich längst, sonst müßte ich den jetzt bekommen. (Heiterkeit). Kurz, ich habe das Gefühl gehabt, ein Verdienst für eine fremde Macht mir erworben zu haben, wie es selten einem fremden Minister vergönnt gewesen ist. Welches mußte also meine Überraschung und meine Enttäuschung fein, wie allmählich eine Art von Preßkampagne in Petersburg anfing, durch welche die deutsche Politik angegriffen, ich persönlich in meinen Absichten verdächtigt wurde. Diese Angriffe steigerten sich während des darauffolgenden Jahres bis 1879 zu starken Forderungen eines 1) Juni und Juli 1878. 2) Englischer Premierminister, f 1881. 20*

8. Geschichtliches Lesebuch - S. 308

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
308 Xxl Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. Druckes, den wir auf Österreich üben sollten in Sachen, wo wir das österreichische Recht nicht ohne weiteres angreifen konnten. Ich konnte dazu meine Hand nicht bieten; denn wenn wir uns Österreich entfremdeten, fo gerieten wir, wenn wir nicht ganz isoliert sein wollten in Europa, notwendig in Abhängigkeit von Rußland. Wäre eine solche Abhängigkeit erträglich gewesen? Ich hatte früher geglaubt, sie könnte es sein, indem ich mir sagte: wir haben gar keine streitigen Interessen; es ist gar kein Grund, warum Rußland je die Freundschaft uns kündigen sollte. Ich hatte wenigstens meinen russischen Kollegen, die mir dergleichen auseinandersetzten, nicht geradezu widersprochen. Der Vorgang betreffs des Kongresses enttäuschte mich, der sagte mir, daß selbst ein vollständiges Jndienststellen unserer Politik (für gewisse Zeit) in die russische uns nicht davor schütze, gegen unseren Willen und gegen unser Bestreben mit Rußland in Streit zu geraten. Dieser Streit über Instruktionen, die wir an unsere Bevollmächtigten in den Verhandlungen im Süden gegeben oder nicht gegeben haben, steigerte sich bis zu Drohungen, bis zu vollständigen Kriegsdrohungen von der kompetensten Seite. Das ist der Ursprung unseres österreichischen Vertrages *). Durch diese Drohungen wurden wir gezwungen, zu der von mir seit Jahrzehnten vermiedenen Option zwischen unseren beiden bisherigen Freunden zu schreiten. Ich habe damals den Vertrag, der vorgestern publiziert worden ist, in Gastein und Wien verhandelt, und er gilt noch heute zwischen uns. Die Publikation ist in den Zeitungen zum Teil, wie ich gestern und vorgestern gelesen habe, irrtümlich aufgefaßt worden; man hat in derselben ein Ultimatum, eine Warnung, eine Drohung finden wollen. Das konnte um so weniger darin liegen, als der Text des Vertrags dem russischen Kabinett seit langem bekannt war, nicht erst seit dem November vorigen Jahres. Wir haben es der Aufrichtigkeit einem loyalen Monarchen gegenüber, wie der Kaiser von Rußland es ist, entsprechend gefunden, schon früher keinen Zweifel darüber zu lassen, wie die Sachen liegen. Ich halte es auch nicht für möglich, diesen Vertrag nicht geschlossen zu haben; wenn wir ihn nicht geschlossen hätten, so müßten wir ihn heute schließen. Er hat eben die vornehmste Eigenschaft eines internationalen Vertrags, nämlich er ist der Ausdruck beiderseitiger dauernder Interessen, sowohl auf öster- 1) Vom 7. Oktober 1879.

9. Geschichtliches Lesebuch - S. 309

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. 309 reichischer Seite wie auf der unserigen. (Bravo!) Keine Großmacht kann auf die Dauer in Widerspruch mit den Interessen ihres eigenen Volkes an dem Wortlaut irgend eines Vertrages kleben, sie ist schließlich genötigt, ganz offen zu erklären: die Zeiten haben sich geändert, ich kann das nicht mehr, — und muß das vor ihrem Volke und vordem Vertrag schließenden Teile nach Möglichkeit rechtfertigen. Aber das eigene Volk ins Verderben zu führen an dem Buchstaben eines unter anderen Umständen unterschriebenen Vertrages, das wird keine Großmacht gutheißen. Das liegt aber in diesen Verträgen in keiner Weise drin. Sie sind eben — nicht nur der Vertrag, den wir mit Österreich geschlossen haben, sondern ähnliche Verträge, die zwischen uns und anderen Regierungen bestehen (hört! hört! rechts), namentlich Verabredungen, die wir mit Italien haben, — sie sind nur der Ausdruck der Gemeinschaft in den Bestrebungen und in den Gefahren, die die Mächte zu laufen haben. Italien sowohl wie wir sind in der Lage gewesen, das Recht, uns national zu konsolidieren, von Österreich zu erkämpfen. Beide leben jetzt mit Österreich in Frieden und haben mit Österreich das gleiche Bestreben, Gefahren, die sie gemeinsam bedrohen, abzuwehren, den Frieden, der dem einen so teuer ist wie dem anderen, gemeinsam zu schützen, die innere Entwickelung, der sie sich widmen wollen, vor Angriffen geschützt zu sehen. Dieses Bestreben und auch dabei das gegenseitige Vertrauen, daß man die Verträge hält, und daß durch die Verträge keiner von dem anderen abhängiger wird, als seine eigenen Interessen es vertragen, — das alles macht diese Vertrüge fest, haltbar und dauerhaft. (Bravo!) Wie sehr unser Vertrag mit Österreich der Ausdruck des beiderseitigen Interesses ist, das hat sich schon in Nikolsburg und hat sich 1870 gezeigt. Schon bei den Verhandlungen in Nikolsburg l) waren wir unter dem Eindruck, daß wir Österreich — und ein starkes aufrechtes Österreich — auf die Dauer doch nicht missen könnten in Enropa. 1870, als der Krieg zwischen uns mit Frankreich ausbrach, war ja die Versuchung für manches verletzte Gefühl in Österreich außerordentlich naheliegend, diese Gelegenheit zu benutzen, um dem Feind von 1866 gegenüber Revanche zu üben; aber die besonnene und voranssichtige Politik des österreichischen Kabinetts mußte sich fragen: was ist dann die Folge? in welche Stellung geraten wir, wenn wir jetzt beit Franzosen beistehen, um Preußen, respektive Deutsch- 1) Juli 1866.

10. Geschichtliches Lesebuch - S. 310

1898 - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht
310 Xxi. Rede des deutschen Reichskanzlers Fürsten Bismarck. land zu besiegen? Was wäre dann die Folge gewesen, wenn Frankreich mit Hülfe Österreichs über uns gesiegt hätte? Österreich hätte bei einer solchen Politik doch kaum einen anderen Zweck haben können, als wiederum seine frühere Stellung in Deutschland einzunehmen, denn das war eigentlich das einzige, was es im Jahre 1866 aufgegeben hat; andere Bedingungen waren nicht, die pekuniären Bedingungen waren ganz unbedeutend. Nun, wie wäre die Lage Österreichs in dem deutschen Bunde als Präsidialmacht gewesen, wenn es sich sagen mußte, daß es Deutschland das linke Rheinufer im Bunde mit Frankreich genommen, daß es die süddeutschen Staaten wiederum in eine Rheinbundsabhängigkeit von Frankreich gebracht, und daß es Preußen unwiderruflich zur Anlehnung an Rußland und zur Abhängigkeit von Rußlands künftiger Politik verurteilt hätte? Eine solche Stellung war für österreichische Politiker, die nicht vollständig von Zorn und Rache verblendet waren, unannehmbar. Dasselbe ist aber auch bei uns in Deutschland der Fall. Denken Sie sich Österreich von der Bildfläche Europas weg, so sind wir zwischen Rußland und Frankreich auf dem Kontinent mit Italien isoliert, zwischen den beiden stärksten Militärmächten neben Deutschland, wir ununterbrochen zu jeder Zeit einer gegen zwei, mit großer Wahrscheinlichkeit, oder abhängig abwechselnd vom einen oder vom andern. So kommt es aber nicht. Man kann sich Österreich nicht wegdenken: ein Staat wie Österreich verschwindet nicht, sondern ein Staat wie Österreich wird dadurch, daß man ihn im Stich läßt, wie es in den Villafranca-Feststellungen angenommen wurde, entfremdet und wird geneigt werden, dem die Hand zu bieten, der seinerseits der Gegner eines unzuverlässigen Freundes gewesen ist. Kurz, wenn wir die Isolierung, die gerade in unserer angreifbaren Lage für Deutschland besonders gefährlich ist, verhüten wollen, so müssen wir einen sicheren Freund haben. Wir haben vermöge der Gleichheit der Interessen, vermöge dieses Vertrages, der Ihnen vorgelegt ist, zwei zuverlässige Freunde, — zuverlässig nicht aus Liebe zu einander; denn Völker führen wohl aus Haß gegeneinander Krieg; aber aus Liebe, das ist noch gar nicht dagewesen, daß sich das eine für das andere opfert. (Heiterkeit.) Sie führen auch aus Haß nicht immer Krieg. Denn wenn das der Fall wäre, dann müßte Frankreich in ununterbrochenem Kriege nicht nur mit uns, sondern auch mit England und Italien sein; es haßt alle seine Nachbarn. (Beifall und Zustimmung.) Ich glaube auch, daß der künstlich aufgebauschte
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