Die Griechen. Das Land.
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Innern. Nach dem Gesetze sollten die persischen Herrscher Muster der
Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Mäßigkeit sein, und darum wurden
die Söhne der Edlen am Hofe erzogen, damit sie jene Tugenden lernen
möchten. Die persischen Könige zerstörten die Städte nicht leicht, mei-
stens nur bei wiederholter Empörung, und verheerten die angebauten
Ländereien nicht; sie selbst und Prinzen von Geblüte legten Wasser-
leitungen an und pflanzten mit eigener Hand Obstbäume. Daher blühte
Asien unter ihnen durch Handel und Ackerbau und gewährte jedenfalls einen
ganz andern Anblick als gegenwärtig unter türkischer Herrschaft. Dariuö
galt als ein ächter Ormuzddiener, obwohl die despotische Gewalt, die
er über alles Leben und Eigenthum besaß, auch ihn zu Handlungen der
Grausamkeit verleitete, wenngleich nicht in dem Maße wie die meisten
seiner Nachfolger. Er selbst erlebte noch den Anfang eines unglück-
lichen Krieges, welchen er seinen Nachfolgern vererbte; es ist dies der
griechisch-persische Krieg, in welchem die Bürger freier Gemeinwesen gegen
die Pascha und Sklaven des morgenländischen Despoten siegen und so
Europa vor jenem Despotismus bewahren, welcher auf Asien noch in
unfern Tagen lastet.
Drittes Kapitel.
Die Griechen.
Das Land.
Die Völker nördlich vom Jster hatte Darius nicht bezwingen können,
weil selbst die persische Reiterei mit ihren feurigen Nossen den zurück-
weichenden Feind nicht einzuholen oder aufzufinden vermochte; die un-
geheure Fläche an dem untern Jster, am Borysthenes, Tanais und
dem Rha, die größte Ausdehnung unseres Erdtheiles, wo ein kaum
bemerkbarer Erdrücken die Wasserscheide der bedeutendsten Ströme bildet,
hat bis auf den heutigen Tag noch jedes fremde Heer verschlungen, welches
sich tiefer hineinwagte. Dieselbe war aber von den Skythen in des Darius
Zeit bis zu den Mongolen unter Batu Chan (gest. 1256 n. Ehr.) der Tum-
melplatz wandernder Horden und Völker, welche sich aus Mittelasien nach
Europa drängten und trieben; dann wurde sie der Schauplatz für die Reiter-
schlachten der Russen, Polen, Türken und Tataren; erst durch das Reich
Peters des Großen sind die Völker dieser größten europäischen Landes-
masse zu einem festen Ganzen vereinigt und zu einer andern Weltrolle be-
rufen worden. An diese einförmige Landesmasse schließt sich südlich vom
Jster die gebirgige Halbinsel des Hämus an, deren Geschichte von jener
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Extrahierte Personennamen: Darius Darius Darius
Extrahierte Ortsnamen: Europa Asien Borysthenes Mittelasien Europa Polen
Tiberius und Kajus Gracchus.
273
besiegen, indem sie dieselben cm Entsagung, Gehorsam, Ausdauer und
Aufopferung übertrafen, diese Kriege waren demnach eine wahre Schule
römischer Tugenden. Die Siege wurden theuer erkauft, die Kriegsbeute
war selten beträchtlich, weil das Land in dem hartnäckigen Kampfe viel-
mal verwüstet wurde, die meisten Städte aber, wenn sie alle Wider-
standsmittel erschöpft hatten, durch Vertrag übergingen und nicht ausge-
raubt werden durften. Der Friede selbst ließ den Unterworfenen noch
manche Ehre; die meisten erhielten italisches, latinisches oder Muni-
cipal-Recht, bekamen keine gebietenden Statthalter, und dienten im
Felde in eigenen Legionen. Anders gestaltete sich dies in den großen aus-
wärtigen Kriegen. Die Römer bekamen es in Großgriechenland, noch
mehr im eigentlichen Griechenland und Asien, zum Theil auch in Afrika
mit ausgearteten, luxuriösen Völkern zu thun, die sie leicht niederwarfen,
bei denen sie nun aber vieles lernten, wovon sie früher gar nichts
wußten. So war der Wein ein Genuß, der dem Plebejer nicht oft
zu theil wurde (erschlug doch ein Senator sein Weib, weil es in seiner
Abwesenheit hinter den Wein gerathen war), in Griechenland und Asien
aber gab es für die Soldaten eine Uebersülle der köstlichsten Weine, und
sie lernten dieselben trinken und schätzen. Die plebejische Speise war ein
Mehlbrei (pul8, daher die italienische Polenta) und der Besieger der
Samniter und des Pyrrhus, Kurius Dentatus, wurde von einer Ge-
sandtschaft getroffen, als er mit eigener Hand Rüben für seine Küche
reinigte; im Auslande aber erfuhren die Römer die Wunder der Kochkunst
und ein sicilisches, griechisches oder gar asiatisches Mahl schmeckte anders
als der nationale Mehlbrei! Die Völker Italiens lebten keusch, bei den
Griechen und Asiaten war Ausschweifung jeder Art im Schwünge und
entehrte nicht. Der Römer badete viel, wie alle kräftigen Völker des
Alterthums zu thun gewohnt waren, wollüstige Bäder mit ihren raffi-
nierten Reizen sah und benutzte er zuerst im Morgenlande. Und mußte
nicht auch die römische Religiosität einen Stoß erleiden, als sie in ihrer
Einfalt mit dem frivolen, geistreichen Unglauben der hochgebildeten Grie-
chen zusammentraf? Sonst baute der Plebejer sein kleines Gut mit eigener
Hand, der Patricier aber belehnte seinen Klienten; die Sklaven waren
nicht zahlreich, nun aber waren deren eine Menge durch den griechischen
und asiatischen Feldzug in die Hände der Römer gekommen, und zum
Theil waren dies Köche, Schreiber, Toilettenkünstler, in der Bereitung
der verschiedensten Genüsie ausgelernte Wichte, deren Künste von den
vornehmen Römern nicht brach gelaffen werden konnten. Wie einfach
war sonst die römische Wohnung! An der vorderen Seite des Hauses
befand sich eine Art Vorhaus (vestibulum) ; aus diesem trat man in
den Hauptraum, einen Sal (atrium, penetralia), den Versammlungs-
ort der Familie, dessen Mittelpunkt der heilige Herd einnahm, wo die
Dumüller, Gesch. d. Alterth. 18
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Extrahierte Personennamen: Tiberius Kajus_Gracchus Alterth
Extrahierte Ortsnamen: Großgriechenland Griechenland Asien Afrika Griechenland Asien Italiens Morgenlande
Konstantin der Große Alleinherrscher.
371
den Sieg und in dem Tiber das Leben. Während Konstantin die
Franken besiegte und ihre gefangenen Anführer in Trier den wilden
Thieren vorwarf, fand Marimin gegen Licinius seinen Untergang. Nun
herrschte Konstantin über den Westen, Licinius über den Osten; aber
schon 314 kam es zum ersten Kriege, in welchem Licinius viele Pro-
vinzen verlor, und sieben Jahre später zum zweiten Kriege; in diesem
siegte Konstantin bei Adrianopel und Chalkedon; Licinius gerieth in
Gefangenschaft und wurde hingerichtet.
Achtes Kapitel.
Konstantin der Große Alleinherrscher.
Unter Konstantin erlitt das römische Reich eine neue und voll-
ständige Umgestaltung.
Unter seine wichtigsten Handlungen, noch ehe er Alleinherrscher war,
gehört das Edikt vom Jahre 311, wodurch allgemeine Religionsfreiheit
dekretiert wurde, und das 313 zu Mailand erlassene Edikt, wodurch jenes
ergänzt und vollendet wurde. Dem Edikt von Mailand gemäß durfte
jeder den christlichen Glauben (dem heidnischen wurde dasselbe zugestan-
den) frei bekennen und offen zu demselben übertreten; jeder Christ war
zu allen Ehrenstellen befähigt; die Christen durften Kirchen erbauen,
der Kirche in ihren Vermächtnissen gedenken, die eingezogenen Kirchen-
güter aber wurden zurückgegeben. So hatte also das Christenthum die
Freiheit seines Glaubens errungen, nicht durch Empörung, sondern durch
sein unaufhaltsames, durch alle Verfolgungen nur befördertes und von
Gott offenbar in besondern Schutz genommenes Wachsthum. Ein Wü-
therich, wie Galerius, konnte gegen Millionen seiner Unterthanen mit
Feuer und Schwert wüthen und Millionen für ehrlos erklären; was
sollte aber aus dem Reiche werden, wenn solch Verfahren fortgesetzt
wurde? Konstantin erfüllte daher nur einen Akt der gewöhnlichen Staats-
klugheit, indem er den Christen endlich das römische Bürgerrecht gab.
Nun beginnt auch das ungestörte öffentliche Leben der Kirche; 325 n.
Ehr. wurde in Nckäa die erste allgemeine Kirchenversammlung gehalten,
bei welcher aus allen Gegenden der Erde 318 Bischöfe erschienen. Von
dieser Versammlung wurde die Irrlehre des Arius verworfen, welcher
die Gottheit Christi herabgewürdigt hatte. Die Kirche organisierte sich
nun auch hinsichtlich ihrer Verfassung und gestaltete auf der unverän-
derlichen Grundlage der Lehre ihre äußere Form.
24*
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Extrahierte Personennamen: Marimin Konstantin Konstantin Konstantin Konstantin Christi
Das longobardische Reich in Italien.
11
des merkte und sie mit gezücktem Schwerte zwang den Nest des Tranks
zu leeren; so schickten sich beide in die Ewigkeit.
Nach Alboin wählten die Longobarden den Kleph zum Könige,
welcher schon nach 18 Monaten von einem Sklaven ermordet wurde.
Hierauf blieben sie 10 Jahre ohne König, während ihre 35 Herzoge
(von Turin, Trient und Friaul bis Benevent) auf eigene Faust ihr
Gebiet auf Kosten der Byzantiner vergrößerten unv über Italien aber-
mals alle Gräuel der Verwüstung brachten. Die Longobarden nannten
sich arianische Christen, waren aber ganze oder halbe Heiden und an
Wildheit fast den Vandalen gleich. Sie nahmen von Grund und Boden
so viel sie für zureichend hielten und verlangten dazu noch ein Drittheil
der Feldfrüchte, welche die Römer bauten; es war für diese ein Glück,
daß die Sachsen wieder heimzogen, als die Longobarden sie nicht nach
sächsischem Rechte, sondern nach longobardischem leben lassen wollten.
Als sich die Longobarden in Folge der unter ihnen herrschenden
Anarchie von den Franken und den Griechen (Oströmern, Byzantinern)
bedroht sahen, erinnerten sie sich des Schicksales der Oftgothen und
wählten Klephs Sohn Authari zum Könige, der von 584—590 herrschte.
Dieser stellte Ruhe und Ordnung wieder her und drang siegreich bis an
die Meerenge von Messina vor. Er vermählte sich mit der bayerischen
Herzogstochter Theodolinde, einer hochsinnigen Frau, die auf Authari,
sowie auf dessen Nachfolger Agñulf, ihren zweiten Gemahl, und Adel-
wald, ihren und Autharis Sohn, großen und wohlthätigen Einfluß aus-
übte. Durch sie gewann der katholische Glaube wenn auch nicht den
vollständigen Sieg über den Arianismus, doch Eingang bei dem longo-
bardischen Volke, so daß dasselbe allmälig zur Kirche zurückkehrte, ob-
wohl noch mehr als ein arianischer König herrschte.
Ein solcher war auch Rothari (in der Heldensage König Rother
(636—652), welcher zuerst die Gesetze der Longobarden sammelte und
aufschreiben ließ; dieses Gesetzbuch ist unter den alten germanischen das
vollständigste und mildeste, ein Beweis, daß sich die Sitten der Longo-
barden sehr gebessert hatten. Dazu trug ihre Bekehrung zum katho-
lischen Glauben unstreitig sehr viel bei, indem sie dadurch in eine innigere
Beziehung mit der römischen Bevölkerung traten und von der Kultur
derselben immer mehr annahmen. Die römische Bevölkerung war aber
in Italien trotz aller Verwüstungen die weit überwiegende, wie schon
die vielen und großen Städte beweisen, welche den Fall des römischen
Reiches überdauerten. In ihnen erhielt sich die römische Gemeindever-
fassung, viele derselben waren Bischofssitze und dadurch Herde des
kirchlichen Lebens und der römisch-christlichen Bildung; sie waren die
Marktorte und Handelsplätze, in denen die alte gewerbliche Kunstfertig-
keit nie erlosch und in ruhigen Zeiten stets neu auflebte. Diese Städte
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338
Das Reich der Cäsaren.
zweifelnd rief dieser mehrmals: Quintilius Varus, gib mir meine Legionen
wieder! Er machte seinen Göttern große Gelübde und hob selbst in
Rom Mannschaft aus, mit der er das Rheinheer verstärkte, dessen Ober-
befehl er dem Tiberius übergab, damit derselbe Gallien vertheidige. Die
Deutschen aber zerstörten die römischen Lager und Kastelle ln ihrem
Lande und gingen nicht über den Rhein. Tiberius hingegen überschritt
den Strom, gewann auch wirklich einige Vortheile, führte die Legionen
aber doch wieder in ihre Standquartiere am linken Rheinufer und be-
gnügte sich die deutsche Zwietracht zu unterhalten. Erft als Tiberius
Kaiser war, zog der Sohn des Drusus, der von seinem Vater den
Ehrennamen Germanikus ererbt hatte, mehrmals mit gewaltigen Heeren
über den Rhein, richtete jedoch im ganzen gegen den Armin nichts aus
(14—16 n. Ehr.). Von da an beschränkten sich die Römer auf die
Vertheidigung des Rheines und freuten sich, wenn die Deutschen ein-
ander ernstlich befehdeten. Armin stand noch manches Jahr an der
Spitze der Cherusker und ihrer Bundesgenossen und besiegte als Bundes-
feldherr den gewaltigen Marbod in einer großen Schlacht. Dieser wurde
von einem Gothen Chatualda gestürzt und flüchtete zu den Römern,
welche er vergebens um Hilfe angegangen hatte; er starb nach achtzehn
Jahren in Ravenna.
Auch von Armin wurden die Römer durch die Deutschen befreit;
er war ihren Fürsten und Adeligen zu groß geworden und einer der-
selben, Adgandester, bat den Tiberius um Gift, damit er den Römer-
feind aus dem Wege räumen könnte; doch Tiberius antwortete: „die
Römer rächen sich nicht durch Meuchelmord, sondern durch offenen Krieg."
In seinem siebenunddreißigsten Jahre wurde Armin von seinen eigenen
Verwandten ermordet, „weil er nach der Herrschaft strebe"; so verstand
man schon damals die „deutsche Freiheit". In den Heldenliedern des
Volkes lebte er fort und auch in dem Gedächtnisse der Römer.
Römische Kunde von den Germanen.
Die Römer beobachteten die Bewegungen in Deutschland unver-
rückten Blickes; Armin hatte ihnen solche Achtung eingeflößt, daß sie
das germanische Volk als ebenbürtigen Gegner erkannten, und sie fanden
manches bei demselben, was sie gerne dem römischen Wesen eingeimpft
hätten, wenn es nur angegangen wäre. Von ihnen (vor allem von
dem großen Geschichtschreiber Tacitus) rührt auch beinahe alles her,
was wir von unserer Vorzeit wissen.
Die Germanen theilten sich selbst in drei große Stämme: 1) die
rheinländischen Jstävonen, 2) die Jngävonen, vom Ausflusse des Rheins
in den Nordseeländern hausend, und 3j die Hermionen, welche aus dem
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Extrahierte Personennamen: Quintilius_Varus Varus Tiberius Tiberius Tiberius Drusus Germanikus Armin Chatualda Armin Tiberius Tiberius Armin Armin
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rheinheer Gallien Rhein Rhein Ravenna Deutschland Rheins
Römische Kunde von den Germanen.
339
skandinavischen Norden einwanderten; zu ihnen gehören die suevischen
und gothischen Völker, welche bald eine sehr wichtige Rolle zu spielen
berufen wurden. Die Germanen verehrten den Thuisko und dessen
eingebornen Sohn „Mann" als Stammväter der Nation. Sie hatten
verschiedene Götter und Göttinen; die Verschiedenheit ihrer Religion
scheint in der Verschiedenheit ihrer Stämme und deren Wanderungen
gewurzelt zu haben. Den meisten gemein war jedoch die Verehrung des
Wodan (ihr Zeus; im angelsächsischen Wedensday und im Wodansheer,
wildes Heer, des Volksglaubens hat sich eine Spur erhalten), des Thor
(Donnergott, der Fruchtbarkeit gibt) und des Kriegsgottes Thyr, Ziu oder
Erk (daher Zinstag oder Erktag). Einige Stämme bauten Tempel,
andere verehrten ihre Götter in heiligen Wäldern; sie opferten auch
Menschen, besonders Kriegsgefangene. Den Willen der Götter erkann-
ten sie aus verschiedenen Anzeichen, hierin waren sie den alten Völkern
überhaupt gleich. Die Seele hielten sie für unsterblich; die Tupfern
gelangten nach ihrem Glauben zu den Göttern Ln Walhalla (Wohnung
der Starken), wo sie schmausten und sich an Kampfspielen ergötzten;
Kampf und Schmaus galten auch als das höchste Glück in diesem Leben.
Die Römer erschöpfen sich in der Beschreibung des gewaltigen Glieder-
baues ihrer Gegner; sie gestanden ihnen eine eigenthümliche nordische
Schönheit zu, behaupteten aber sie seien keiner großen Ausdauer fähig
und erlägen der Sonnenhitze Italiens sehr leicht. Der germanische
kühne, fast wilde Muth war den römischen Heeren schon furchtbar, als
die Germanen noch sehr schlecht bewaffnet waren und von der römischen
Kriegskunst noch nichts erlernt hatten. Ihrer Reiterei war die römische
nie gewachsen, den Keil des Fußvolkes zersprengten die Legionen nur
durch ihre Manövrierkunft, und was die Römer nie gestehen, manchmal
durch ihre Ueberlegenheit an Mannschaft. Als Nationallaster tadeln die
Römer die Trunksucht der Germanen und den Hang zum Würfelspiele,
dagegen rühmen sie ihre Keuschheit und ihre Treue im Worthalten.
Bei allen germanischen Stämmen waren fürstliche Geschlechter, aus
denen sie ihre Könige wählten, ein erblicher Adel, freie Leute und Leib-
eigene. Die Freiheit war eins mit dem Waffenrechte; wenn der Jüng-
ling wehrbar gemacht wurde, trat er auch in den Genuß aller Rechte
eines Freien ein und wurde zählendes Mitglied seiner Sippe, die aus
den verwandten Familien bestand, gemeinsame Opfermahle hatte, im
Kriege neben einander focht und Ehre, Leben, Eigenthum jedes einzelnen
Mitgliedes gegen jedermann beschützte.
Die Sippe übte die Blutrache gegen jeden, der einen aus ihr er-
schlug oder beleidigte; jedoch stand es bei dem Gerichte, ob der Friedens-
bruch durch Blut oder durch Gut gesühnt werden sollte. An dem Ge-
richte hatte aber jeder freie Mann Antheil; wer sich dem Spruche nicht
22*
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern]]
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340
Das Reich der Cäsaren.
unterwarf, wurde in dem Kreise des Gerichtes rechtlos und konnte un-
gestraft erschlagen werden. Versammlungsort des ganzen Stammes war
das gemeinsame Heiligthum, gewöhnlich ein Wald, wo jährliche Opfer
dargebracht wurden; während der Feftzeit herrschte allgemeiner Still-
stand der Waffen und der Gerichte.
Ein Krieg war entweder ein gemeinschaftlicher, d. h. der ganze
Stamm beschloß ihn und übertrug dessen Führung einem Herzoge, der aus
dem Adel zu diesem Amte erwählt wurde, oder er wurde von einem Herrn
auf eigene Faust unternommen und von ihm durch Freiwillige geführt.
Diese waren das Geleite (eowitatus); je reicher einer war, ein desto
größeres Geleite konnte er unterhalten, und je glücklicher seine Unterneh-
mungen ausschlugen, um so mehr eilten ihm freie Leute zu. Um die Gunst
solcher Geleitsherren bewarben sich daher benachbarte Fürsten und Völker
und ehrten sie durch Geschenke. Eroberte ein Geleitsherr einen Land-
strich, so verlieh er den Männern seines Gefolges einzelne Stücke von
demselben, wodurch diese aber zu seinem beständigen Geleite, d. h. seinem
Waffendienste verpflichtet wurden (Lehen).
Wahrscheinlich gab es schon bei den alten Germanen Abstufungen
der Freiheit und Leibeigenschaft. Die Leibeigenen der Germanen hatten
zwar kein Recht, doch lebten sie unter dem Schutze ihres Herrn er-
träglicher als die Sklaven der Griechen und Römer; sie hatten eigene
Wohnung und eigenes Hauswesen, wofür sie dem Herrn Abgaben von
Feldfrüchten, Vieh, sowie von den Erzeugnissen ihres rohen Gewerbs-
fleißes lieferten. Ob diese Leibeigenen wohl deutschen Stammes waren?
Theilweise scheint dies stattgefunden zu haben, denn die Römer erzählen
uns, daß einzelne Deutsche ihre Freiheit (und damit die ihrer unmün-
digen Familie) durch das Würfelspiel verloren, und daß ganze Stämme
von einander unterjocht wurden, in welchem Falle alles, was nicht er-
schlagen wurde, der Leibeigenschaft verfiel. Jedoch reichte dieser Erwerb
von Leibeigenen keineswegs hin, und wir müssen annehmen, daß die
meisten Leibeigenen nicht von germanischer Nationalität waren. Dies
Loos scheint vorzüglich die gallischen oder keltischen Stämme getroffen
zu haben, welche vor den Germanen (und zwar noch in der historischen
Zeit) den größten Theil Deutschlands besetzt hatten. Dafür sprechen
die verschiedenen Benennungen der Leibeigenen, welche nachweisbar aus
der gallischen Sprache genommen sind, z. B. bei den Baiern „aldiones*»
Auch läßt es sich nur durch eine starke fremde Beimischung erklären,
weßhalb die Bevölkerung verschiedener deutscher Landstriche, in die niemals
eine fremde Einwanderung stattfand, so wenig von den physischen Merk-
malen an sich trägt, welche als eigenthümlich deutsche bezeichnet werden»
Wie uns die Römer die Lebensweise der Deutschen beschreiben, so
war diese eine barbarische und darum auch sehr einfache. „Die freien
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316
Das Reich der Cäsaren.
Augustus verlangte beides, allein die Abgaben und die Verwaltung waren
geregelter, der Kriegsdienst ehrenvoller. Denn nun trat der Provin-
ziale in die Legion ein, wodurch er dem gebornen Römer gleichgestellt
wurde und mit diesem nicht nur die Beschwerden, sondern auch die Vor-
theile des Soldatenlebens theilte. In kurzer Zeit wurden die Legionen
fast ausschließlich aus den Provinzen geworben und da auf den Legio-
nen die Macht des Reiches beruhte, so wurden die Söhne der Pro-
vinzen die rechte Hand des Kaisers, die eigentlichen Römer. Aus den
ausgedienten Legionen gingen aber auch rechtlich die neuen römischen
Bürger hervor, indem die Kaiser (namentlich Augustus) durch sie neue
Kolonieen gründeten oder alte Kolonieen auffrischten; der Kolonist war
aber, wie wir wissen, römischer Bürger.
Die Provinzialbevölkerung hatte ihre oppida (urbs hieß eigen-
tümlich nur Rom) municipia, coloniae, praefecturae, fora, vici,
conciliabula, castella. Die drei ersten waren nicht auf eine einzelne Stadt
begränzt, sondern umfaßten einen ganzen Bezirk, dessen Einwohner in
allen wichtigern Angelegenheiten dorthin als den Sitz ihrer Municipal-
regierung angewiesen waren. Die conciliabula, vici, Ibra scheinen Orte
gewesen zu sein, wo an bestimmten Tagen von den Duumvirn oder dem
Präfekten der Bezirksstadt Gericht gehalten wurde; sie hatten wahrschein-
lich keine höheren Magistrate und nur Dekurionen (Gemeinderäthe,
zugleich Steuereinzieher). Die Munieipien hatten, wie früher gesagt
worden ist, ihre Komitien, ihren Senat (decuriones), dessen Präsiden-
ten die duumviri oder quinquennales, in den Präfekturen die prae-
fecti waren; diese übten auch die Gerichtsbarkeit; die niederen Magistrate
waren die aediles und quaestores. (Alle diese Titel finden sich häufig,
wo Reste ehemaliger römischer Niederlassungen ausgegraben werden.)
Ausbreitung der römischen Kultur; Vernichtung der Nationalitäten.
Unter Augustus und dessen nächsten Nachfolgern wurden die Pro-
vinzen des Westen und die nördliche Küste von Afrika (Aegypten und
Kyrene ausgenommen) eigentlich römisch; sie gehorchten nicht bloß den
von Rom ausgehenden Geboten des Eäsars, sondern ihr ganzes Wesen
wurde in das römische aufgelöst: Religion, Sitte, Sprache, Lebens-
weise, alles Nationale hörte auf. Die Völker in den helvetischen,
rhätischen und norischen Alpenthälern, die Gallier, Hispanier, Britan-
nen, Numidier und Punier widerstanden dem Andrange des römischen
Wesens so wenig, als sie der römischen Waffenmacht sich hatten erweh-
ren können. Auch in dieser Beziehung hat es kein Volk dem römischen
gleich gethan; keines entwickelte aber auch die furchtbare Energie der
Römer und nahm hinwieder gewisse fremde Elemente so in sich auf, als
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T20: [Rom Jahr Cäsar Senat Kaiser Pompejus Antonius Tod Krieg Sohn], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm]]
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Augustus
P. Aelius Hadrianus.
357
In seiner Politik wich er von dem trajanischen Gange beträchtlich ab.
Trajan hatte dem Senate wieder einige Rechte eingeräumt, so daß der
Schriftsteller Tacitus sagen konnte, dieser Kaiser habe sonst unverträgliche
Dinge, nämlich Herrschaft und Freiheit, mit einander geeiniget; Hadrian
aber nahm dem Senate und den Prätoren ihren bisherigen Antheil an der
Gesetzgebung, dem Gerichtswesen und der Verwaltung und schuf dafür eigene
Aemter, deren Inhaber der Kaiser unmittelbar ernannte und dirigierte.
Die Edikte der alten Prätoren ließ er sammeln, damit Lie Richter nach
einer bestimmten Norm sprechen konnten; sein edictum perpetuum ist
demnach das erste eigentliche Gesetzbuch der Römer, und von dieser
Zeit an nimmt die Rechtsgelehrsamkeit einen merkwürdigen Aufschwung.
Obgleich in der Kriegskunst nicht unerfahren, zog er den Frieden
dem Kriege vor. Er gab den Parthern die trajanischen Eroberungen
zurück und machte den Euphrat und die arabische Wüste zur Gränze des
Reiches. In Britannien zog er den Piktenwall (von Tyne bis New-
castle) gegen die kriegerischen Kaledonier, und im südwestlichen Deutsch-
land verstärkte er die Gränzfesten durch zusammenhängende Werke (val-
lum Hadriani). Er verwies die Römer also wieder auf den Verthei-
digungskrieg, von welchem Trajan abgegangen war, und lieferte damit
zugleich ein Zeugniß, daß es mit dem Römerthum zu Ende gehe. Unter
ihm machten die Juden Ln Palästina noch einmal einen blutigen Auf-
stand; Hadrian beschränkte sie nämlich in der öffentlichen Ausübung
ihres Kultus und baute 126 n. Ehr. an die Stätte Jerusalems eine
römische Kolonie und auf den Moriah einen Tempel des Jupiter Ka-
pitolinus; dem Kaiser und dem Gotte zu Ehren hieß die neue Kolonie
Aelia Kapitolina. Darüber geriethen die Juden in neue Wuth und unter
einem falschen Propheten, der sich Bar Kochab, Sohn des Sterns nannte,
versuchten sie noch einmal Gott und das Glück der Waffen (135 nach
Ehr.). Die Römer metzelten über eine halbe Million nieder, zerstörten
über 1000 Städte und Flecken und machten Judäa zur Einöde. Bei Todes-
strafe durfte fortan kein Jude sich in Jerusalem sehen lassen; nur einmal
im Jahre war es ihm gegen Erlegung einer Abgabe erlaubt, auf den
Trümmern seiner Stadt zu weinen und die alten Klagelieder zu fingen.
Hadrians Leben war nicht fleckenlos und er gab den durch Trajan
verwöhnten Römern manchmal Anlaß zur Unzufriedenheit. Er war ihnen
auch zu gelehrt und ging zu viel mit Gelehrten um, ließ sich zu viel
von den Griechen schmeicheln und verweilte zu gerne in Athen und
Alexandrien, wo ihm sein Liebling Antinous im Nil ertrank und darauf
unter die Götter und die Gestirne versetzt wurde. Gegen das Ende
seines Lebens wurde er gemüthskrank und argwöhnisch; vier Senatoren
ließ er in dieser Stimmung willkürlich hinrichten. Indessen wurde er
doch nach seinem 138 erfolgten Tode unter die Götter erhoben.
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Das Reich der Cäsaren.
einigung der germanischen Stämme zu einem Angriffe auf das römische
Reich, in einem Zeitpunkte, wo dasselbe von keinem Trajan regiert
wurde, sondern sich unter Gegenkaiseru zerfleischte. Bei den Germanen
sah er alles, wodurch ein Volk groß zu werden vermag: starke Leiber,
durch Ueppigkeit und Ausschweifungen nicht entnervt, kriegerischen Muth,
Treu und Glauben unter einander, rasches Anwachsen der Volksmenge,
einen mächtigen, wenn auch dunkeln Drang zu großen Unternehmungen.
Darum hielt er den Römern in seiner Germania einen Spiegel vor,
in welchem sie das Gegenstück ihres verkommenen geistigen und leib-
lichen Lebens anschauen sollten. Tacitus ist dadurch zum eigentlichen
Propheten der großen germanischen Zukunft geworden, aber bei den
Römern bewirkte dieser heidnische Jeremias keine Umkehr zum Besseren,
und niemand wollte es ihm glauben, daß die Germanen zu der Erb-
schaft des römischen Reiches berufen seien. Man schrieb seine Unheil
verkündenden Mahnungen, seine düstere Schilderung der römischen Zu-
stände seiner Unzufriedenheit mit der monarchischen Staatsform des
Reiches zu; allerdings war Tacitus (wie jeder ächte Römer) Re-
publikaner insofern, als er die Zeiten der Republik für bessere hielt als
die des Kaiserthums, aber er war von der Unmöglichkeit der Republik
vollkommen überzeugt, begleitete unter den Flaviern Staatsämter und
wußte unter Domitian zu schweigen und doch seine Pflicht zu thun.
Aber die Entwürdigung der Römer durch die Despotie empfand er
tief und wenn er an die von keinem Hoffnungsftrahle erhellte Zukunft
dachte, verzweifelte er an der römischen Welt und ihren Göttern.
Das Chriftenthum berührte diesen römischen Propheten nicht; er weiß,
daß die Juden nur Einen Gott anbeten, findet aber diese auffallende
Erscheinung merkwürdigerweise keiner besondern Aufmerksamkeit würdig,
und eben so wenig hält er es der Mühe werth, sich um den Glauben
der Christen zu bekümmern; er verachtet sie und beschuldigt sie wie der
Pöbel des Hasses gegen das menschliche Geschlecht. Die Weissagung,
daß aus Judäa der Herr der Erde hervorgehen werde, deutet er auf
Vespasian, der, während er in diesem Lande zu Felde lag, zum Kaiser
ausgerufen wurde. Denn römischer Kaiser werden hieß ja Herr der
Erde werden, und zudem war Tacitus auch seinem religiösen Glauben
nach altrömisch, insofern er denselben als die Wurzel des Glückes
und der Größe Roms erkannt hatte; trauernd gesteht er aber, daß die
Götter nur mehr dafür sorgen, daß die römischen Frevel nicht ungerächt
bleiben; ein verhängnißvolles Götterwalten, wenn die einen Römer
durch den Frevel, die andern durch die Bestrafung des Frevels zu
Grunde gehen mußten!
Neben Tacitus müssen wir den Geschichtschreiber Suetonius und
den Satiriker Juvenalis nennen. Suetonius hat die Lebensgeschichte
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