152 Das heilige römische Reich deutscher Nation.
aber oft verfolgt und ausgeplündert wurden, behaupteten die Lombarden
das Uebergewicht. Der lombardische Adel wohnte in den Städten, frei-
willig oder gezwungen, und begleitete in der Regel die wichtigsten Aem-
ter. Besonders hatten die Lombarden die Gelegenheit benutzt, welche
ihnen strittige Bischofswahlen darboten; mancher Bischof schenkte ihnen
von seinen Hoheitsrechten, damit sie ihn anerkannten, andere verkauften
ihnen dieselben, so daß die Städte in der That Republiken waren. Un-
ter ihnen waren Genua, Venedig und Pisa stark als Seemächte und reich
durch Handel, der sich besonders durch die Kreuzzüge rasch zu großer
Ausdehnung entfaltete. Unter den Städten des Binnenlandes war Mai-
land die mächtigste; aber auch Pavia, Tortona, Kremona, Krema, Bo-
logna, Verona, Vicenza, Komo, Lodi, Treviso, Brescia, Bergamo,
Padua und andere waren reich und von einer zahlreichen und streit-
baren Bürgerschaft bewohnt. Waren diese Städte einig gewesen, so
hätten sie in jener Zeit, wo starke Mauern fast unüberwindlich mach-
ten, der ganzen Welt Trotz bieten können; allein sie haderten unaufhör-
lich mit einander. Pavia, als die alte longobardischc Königsstadt, wett-
eiferte mit dem stärkeren und reicheren Mailaud um den Vorrang, und
dieses behandelte die kleineren Städte, welche sich nicht unterordnen woll-
ten, mit grausamem Uebermuthe. Die Bürger von Lodi baten den Kai-
ser um Schutz gegen Mailand, und dieser schickte den Mailändern ein
Schreiben, in welchem er zu ihnen als Kaiser und Herr sprach. Sie
aber verspotteten das kaiserliche Siegel, beschimpften die Boten und zer-
störten das wehrlose Lodi. Auf seinem Römerzuge konnte der Rothbart
nicht Rache nehmen, weil sein Heer zu klein war, doch verheerte er ihr
Gebiet bis vor die Thore der Stadt, erstürmte einige Kastelle und
strafte die Lombarden für die Tücke, mit der sie ihm überall Nachstel-
lungen bereiteten.
Nach seiner Rückkehr von dem Römerzuge ehelichte Friedrich Bea-
trix, die Erbtochter des Grafen Naynald von Burgund, und vermehrte
dadurch seine Hausmacht beträchtlich (1156). 1157 zwang er den Her-
zog Boleslaw von Polen zur Huldigung und erhob darauf den böhmi-
schen Herzog Wladislaw Ii. für dessen treue Dienste zum König. Im
Jahre 1158 endlich zog er gegen Mailand mit einem gewaltigen Heere
und umlagerte die Stadt so lange, bis sie sich auf Gnade und Ungnade
ergab. Hierauf wurde auf den ronkalischen Feldern bei Piacenza im
November großer Reichstag gehalten, damit festgesetzt werde, was dem
Kaiser in Italien zustehe. Gelehrte Juristen beriethen nun das römische
Recht, und darin fanden sie begreiflich für den Kaiser als den Nach-
folger der Cäsaren sehr vieles: alle Belehnungen sotten dem Kaiser ge-
hören, die Städte sind ihm Heeresfolge schuldig und zu Naturallieferun-
gen an die kaiserlichen Heere verpflichtet; dem Kaiser gehören als Ne-
TM Hauptwörter (50): [T42: [Papst Kaiser König Rom Heinrich Italien Karl Kirche Bischof Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T56: [Papst Kaiser Rom Heinrich König Kirche Gregor Bischof Italien Papste], T33: [Stadt Meer Italien Neapel Hauptstadt Rom Insel Genua Spanien Land], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T197: [Italien Mailand Stadt Rom Venedig Neapel Republik Kaiser Genua Sardinie], T80: [Kaiser Stadt Fürst Recht Reich König Reichstag Macht Adel Fürsten], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Bea- Friedrich Boleslaw_von_Polen Boleslaw
Ausbreitung der römischen Kultur; Vernichtung der Nationalitäten. 317
die cäsarischen Römer. Durch ihre schonungslose Kriegsführung vertilg-
ten sie jedenfalls die kräftigste Mannschaft eines Volkes, vielmal gaben
ihre Feldherren selbst das wehrlose Volk, Weiber und Kinder, der Wuth
der Soldaten preis oder verkauften es wenigstens in die Sklaverei.
So wurde jede Nation geschwächt, oder ihr Land öde, alsdann aber
drängte sich römische oder italienische Bevölkerung maffenhaft und einzeln
in den freigewordenen Raum. Römische Besatzungen wurden in die
bedeutendsten Orte gelegt, deren Einwohner gerne oder ungerne sich der
römischen Weise anbequemen mußten; denn der Statthalter brachte ein
zahlreiches Gefolge mit, welches sich Platz und Geltung zu verschaffen wußte.
Römische Kolonieen ergänzten die Bevölkerung herabgekommener Orte oder
wurden an militärisch wichtigen Punkten angelegt, welche der Scharfblick
der Römer bald herausfand. Außerdem wanderten Italiener anderen
Schlages ein, solche, welche in dem neuen Lande ihr „Glück" zu machen
gedachten. Der Publikane pachtete Abgaben, Zölle und Zehnten und spe-
kulierte nebenher als Güterhändler; denn reiche Römer legten ihre Ka-
pitalien immer gerne auf Grundbesitz an und kauften sich Landgüter in
den Provinzen, wenn keine italienischen zu erstehen waren. Außerdem
strömten Kaufleute, Krämer, Handwerker, Garköche, Marketender, Schau-
spieler und Gaukler und dergleichen Volk in jede neue Provinz und
kamen schon in großer Menge dem ersten Heereszuge nach; denn zuerst
machten sie ihre Geschäfte mit den Soldaten (man denke besonders an die
Verwerthung der Kriegsbeute und der Gefangenen), und später mit den
Soldaten und den Einwohnern. Es gab keine so arme und rauhe Pro-
vinz, welche nicht etwas erzeugte, was zur Ausfuhr sich eignete, und
keine so unkultivirte Einwohnerschaft, die nicht Geschmack an den Pro-
dukten des italienischen Kunstfleißes gefunden und nicht bald die Unent-
behrlichkeit des einen oder andern „Artikels" erkannt hätte. Die Lager
und Militärstationen, die Städte und Kastelle wurden eben so viele Han-
delsplätze und Faktoreien (ganz in derselben Weise, wie wir cs bei dem
Vordringen der Russen und Engländer in Asien sehen), die Militärstraßen
Wege für den Verkehr und Handel. In dem Straßenbau bewiesen die
Römer ihre Meisterschaft so gut als bei der Auswahl und Anlage von
Städten und Festungen. Jede Provinz wurde mit einem Straßennetze
überspannt, durch welches alle Orte von Bedeutung in die möglichst nahe
Verbindung kamen. Die Straßen waren schnurgerade, aufgedämmt, in
der Regel gepflastert und mit Meilenzeigern versehen, welche die Ent-
fernung von der Hauptstadt angaben. Freilich war die Anlage einer
solchen Straße eine der schwersten Lasten, welche eine Provinz nur treffen
konnte, denn die Bewohner derselben mußten frohnweise arbeiten; was
kümmerte dies aber die Römer? und war die Straße einmal hergestellt,
so war ein Weg geschaffen, auf welchem sich der Verkehr der Römer und
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T22: [Volk Bewohner Sprache Land Bevölkerung Einwohner deutsche Religion Million Stamm], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Das byzantinische Reich. Die bilderstürmenden Kaiser. 103
an den Thoren Europas und Asiens. Der griechische Kaiser gebot aber auch
über die ganze Kraft seines Reichs und war dabei nicht von dem guten
Willen der großen Lehenträger abhängig, wie die meisten abendländischen
Herrscher; das Reich besaß eine geregelte Finanzverwaltung, einen Staats-
schatz, daher verfügte der Kaiser über regelmäßige Reichseinkünfte und
konnte Heere und Flotten ausrüsten und unterhalten. Die Mannschaft
wurde zum größten Theil aus Barbaren geworben, -namentlich aus Sla-
ven, welche sich im Reiche niedergelassen hatten; die Befehlshaber wa-
ren dagegen meistens Griechen, welche oft genug bewiesen, daß die er-
erbte römische Kriegskunst noch von keinem andern Volke erreicht war.
Die Vertheidigung des Reiches und Konstantinopels wurde besonders
durch die Lage am Meere erleichtert, und tüchtige Kaiser richteten deß-
wegen auch ihr Hauptaugenmerk auf die Seemacht, indem sie mit Recht
glaubten, Konstantinopel könne nicht fallen, so lange es das Meer frei
habe. Diese Hauptfestung war damals zugleich der erste Handelsplatz der
Welt; sie vermittelte den Verkehr zwischen Europa und Asien, und stand
mit dem russischen Novgorod so gut in Verbindung als mit Italien,
Frankreich und Deutschland. Auch der alte Gewerbfleiß hatte sich in
den Städten erhalten und selbst die Barbaren fanden bald die griechi-
schen Fabrikate so unentbehrlich, als heut zu Tage die vielnamigen In-
dianer in Amerika und Neger in Afrika die englischen. Handel und
Industrie waren deßwegen die Quellen, welche dem Staatsschätze die
besten Zuflüsse gaben.
Dem Kaiser Heraklius folgten einige unbedeutende Kaiser, bis 717
Leo Iii. der Jsaurier, ein tüchtiger Feldherr, sich des Thrones be-
mächtigte. Dieser schlug die Araber zurück, die Konstantinopel ein
ganzes Jahr belagerten und dabei 100,000 Mann verloren haben sol-
len, stürzte aber das Reich durch sein Verbot der Bilderverehrung in
Verwirrung. Dazu sollen den Kaiser politische Rücksichten bewogen
haben; der Koran verbietet jede bildliche Darstellung nicht nur Gottes
und höherer Wesen, sondern überhaupt alles Lebendigen, daher die Mos-
lemin überall gegen die Bilder, namentlich religiöse, wütheten. Zu
Leo's Zeit ließ der Chalife Iezid (723) alle Bilder in den Kirchen der
eroberten Provinzen zerstören, was den griechischen Kaiser auf den Ge-
danken brachte, den mohammedanischen Fanatismus als den gefährlichsten
Feind dadurch zu entwaffnen, daß in dem griechischen Reiche selbst alle
heiligen Bilder weggeschafft würden. Dem ersten Befehle (726) folgte
bald (730) ein noch viel strengerer, der Todesstrafe auf die Beibehal-
tung von heiligen Bildern in Kirchen, auf öffentlichen Plätzen und selbst
in Privathäusern setzte. Dagegen erhob sich Widerstand von Seite des
Volks und der Geistlichen, die Päpste Gregor Ii. und Iii. verwiesen dem
Kaiser seine Gewaltthätigkeit sehr strenge, indem sie ihm die katholische
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Extrahierte Personennamen: Leo_Iii Leo Gregor_Ii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Europas Asiens Konstantinopels Konstantinopel Europa Asien Italien Frankreich Deutschland Amerika Afrika Konstantinopel Gottes
168
Das heilige römische Reich deutscher Nation.
Krieg gegen die lombardischen Städte (1155).
Weit schwerer als die republikanisierenden Römer waren die freien
Städte der Lombardei zu bezwingen, über die Friedrich als Nachfolger
Karls des Großen die Oberherrschaft ansprach. Diese waren seit Hein-
rich Iii. gewohnt sich selbst zu regieren, weil keiner der nachfolgenden
Kaiser im Stande gewesen war, eine feste Herrschaft über sie geltend
zu machen, und um die kaiserlichen Titel kümmerten sich die Städte
wenig. Sie waren reich durch Gewerbe und Handel, namentlich machten
die Lombarden fast alle Geldgeschäfte; hierin hatten sie nur die Juden
zu Nebenbuhlern; da diese aber oft verfolgt und ausgeplündert wurden,
behaupteten die Lombarden das Uebergewicht.
Der lombardische Adel wohnte in den Städten, freiwillig oder ge-
zwungen, und begleitete in der Regel die wichtigsten Aemter. Besonders
hatten die Lombarden die Gelegenheit benutzt, welche ihnen strittige Bi-
schofswahlen darboten; mancher Bischof schenkte ihnen von seinen Ho-
heitsrechten, damit sie ihn anerkannten, andere verkauften ihnen dieselben,
so daß die Städte in der That Republiken waren. Unter ihnen waren
Genua, Venedig und Pisa stark als Seemächte und reich durch Handel,
der sich besonders durch die Kreuzzüge rasch zu großer Ausdehnung ent-
faltete. Unter den Städten des Binnenlandes war Mailand die mäch-
tigste; aber auch Pavia, Tortona, Kremona, Krema, Bologna, Verona,
Vicenza, Komo, Lodi, Treviso, Brescia, Bergamo, Padua und andere
waren reich und von einer zahlreichen und streitbaren Bürgerschaft be-
wohnt. Wären diese Städte einig gewesen, so hätten sie in jener Zeit,
wo starke Mauern fast unüberwindlich machten, der ganzen Welt Trotz
bieten können; allein sie haderten unaufhörlich mit einander. Pavia,
als die alte longobardische Königsstadt, wetteiferte mit dem stärkeren und
reicheren Mailand um den Vorrang, und dieses behandelte die kleineren
Städte, welche sich nicht unterordnen wollten, mit grausamem Ueber-
muthe. Die Bürger von Lodi baten den Kaiser um Schutz gegen Mai-
land, und dieser schickte den Mailändern ein Schreiben, in welchem er
zu ihnen als Kaiser und Herr sprach. Sie aber verspotteten das kai-
serliche Siegel, beschimpften die Boten und zerstörten das wehrlose Lodi.
Auf seinem Römerzuge konnte der Rothbart nicht Rache nehmen, weil
sein Heer zu klein war, doch verheerte er Mailands Gebiet bis vor die
Thore der Stadt, erstürmte einige Kastelle und strafte die Lombarden
für ihre Tücke, mit der sie ihm überall Nachstellungen bereiteten.
Friedrich erwirbt Burgund (1156). Er züchtigt Polen (1157).
Nach seiner Rückkehr von dem Römerzuge ehelichte Friedrich Bea-
trix, die Erbtochter des Grafen Naynald von Burgund, und vermehrte
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Extrahierte Personennamen: Friedrich Friedrich Karls Friedrich Friedrich Friedrich_Bea- Friedrich
Rußland.
441
der Menschenverlust wurde um so mehr empfunden, als die Bevölkerung
des Reichs ohnehin eine dünne ist, und die finanziellen Kräfte waren so
abgespannt, daß sie allein schon den Frieden als das einzige Heilmittel
rathsam machten. Unter Alerander ruhten daher von 1815 bis 1825
die russischen Waffen und die seit Peter I. traditionelle russische Politik
zeigte sich während dieses Decenniums nur dadurch, daß 1824 die Nord-
westküste von Amerika zum großen Aergeruisse der Briten und Nord-
amerikaner förmlich in Besitz genommen wurde; wie das Augenmerk der
russischen Herrscher unverrückt gegen Centralasien schaut, bewies die Ge-
schicklichkeit, mit der im gleichen Jahre 7 kirgisische und kalmückische Hor-
den sich dem chinesischen Reiche entziehen und zu russischen Schützlingen
machen ließen. Für den Ackerbau sorgte der Kaiser, insoweit dies über-
haupt ein Fürst thun kann, in dessen Lande die Mehrzahl der Bauern
Leibeigene sind. Den Ausfuhrhandel mit den Erzeugnissen des Acker-
baues, der Viehzucht, der Jagd, des Fischfangs, des Bergbaues (Hanf,
Lein, Talg, Häute, Pelzwerk, Hausenblase, Kaviar, Holz, Theer, Kupfer),
beförderte er durch weise Gesetze; die Industrie, die den Bedürfnissen
Rußlands bei weitem nicht genügte, versuchte er bereits durch die un-
mittelbare Betheiligung des Staats zu heben, indem er z. B. Wollen-
tuchfabriken auf Regierungskosten anlegte. Erst 1823 jedoch wurde durch
den Finanzminister Kankrin (einen Deutschen aus Hanau) das System
der russischen Handelspolitik in seinen Grundzügen aufgestellt, das jetzt
vollendet dasteht: Ausschließung jedes fremden Fabrikats, dessen Erzeu-
gung in Rußland nur irgendwie möglich ist; Herstellung einer einheimi-
schen Industrie nicht allein durch diese Sperre gegen das Ausland, son-
dern nöthigenfalls dadurch, daß aus den Leibeigenen Arbeiter für die
Fabriken wie Rekruten ausgehoben, gedrillt und eingetheilt werden; Ver-
schließung des alten Handelswegs nach Centralasien über Kolchis und
das kaspische Meer für alle nichtrussischen Maaren. Dadurch strebte Ruß-
land sein ungeheueres Gebiet der Abhängigkeit von fremder Industrie
zu entziehen, wie es auch andererseits als eine eigene Welt dastehen und
dem, was man in dem andern Europa den Zeitgeist zu nennen pflegt,
keine Opfergaben oder Tribute darbringen wollte. Anfangs gehörte Ale-
rander selbst der liberalen Richtung an (das beweisen die finnländische
und polnische Verfassung, die Manifeste im Kriege von 1812—15 re.),
er entzog ihr jedoch bald seine Gunst. Er gründete allerdings 5 Uni-
versitäten, 50 Gymnasien, 100 Kreis- und mehrere tausend Volksschulen,
aber er ließ den öffentlichen Unterricht streng überwachen und führte
eine scharfe Censur ein, Maßregeln, die unter seinem Nachfolger bis zur
äußersten Konsequenz ausgebildet wurden, so daß der Umfang des Wis-
sens jedem Russen der unteren Stände genau zugemessen ist. Religiö-
sen Bewegungen und Differenzen wurde er schon 1816 sehr abhold; in
TM Hauptwörter (50): [T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T41: [Staat Recht Volk Adel König Land Verfassung Gesetz Stand Verwaltung], T61: [Mill Staat Deutschland Reich Europa deutsch Million Land England Einwohner], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T79: [Wein Zucker Baumwolle Kaffee Getreide Tabak Fleisch Holz Wolle Handel]]
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Extrahierte Ortsnamen: Amerika Hanau Kolchis Europa
England. Verfassungsreformen.
511
wäre, die nicht durch Stand, Kenntnisse oder Reichthum einen hohen
Rang in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen. Dies verhindert am
wenigsten der für England ziemlich niedrige Census und der Umstand,
daß ein Unterhausmitglied keine Taggelder und nur Briefportofreiheit
ansprechen kann, als vielmehr die Summe, die ein Kandidat bei der
Wahl zu bestreiten hat, der also selbst ein großes Vermögen besitzen,
oder aus der Börse der reichsten Leute einer Grafschaft oder Stadt un-
terstützt werden muß; sodann der englische Volksgeist, der sich einen
Stellvertreter der Nation nur als Gentleman, d. h. als einen gebildeten,
unabhängigen und hochgeachteten Mann denken kann. Begreiflich wird
eine solche Parlamentsreform die Demokraten niemals befriedigen, deß-
wegen hat sich auch eine radikale Partei gebildet, die allgemeines Stimm-
recht, dreijährige Parlamentsdauer, Ballot re. verlangt; dieselbe hat aber
auch in den Jahren 1848 und 49 nichts durchsetzen können, während
gleichzeitig ein Aufruhr in Irland unter Mitchel und Smith
O'brien kräftig und schnell unterdrückt wurde.
Seit der Parlamentsreform bestehen die alten Parteien der Wighs
und Torys nur mehr dem Namen nach, indem die einen das Wahlge-
setz von 1832 nicht anfechten, die andern die Bestrebungen der Radika-
len und Chartisten nicht unterstützen können, beide also für die Aufrecht-
haltung der Verfassung eintreten müssen. Dies zeigte sich in der Auf-
hebung der Kornbill (vergl. S. 445), die 1846 durch den ehemaligen
Tory Robert Peel nach mehreren vorbereitenden Schritten durchgesetzt
wurde; die zollfreie Zulassung des fremden Getreides beeinträchtigte un-
streitig das Einkommen der großen Grundbesitzer, sie wurde aber noth-
wendig aus national-ökonomischen Rücksichten. Englands Reichthum und
Macht beruht wesentlich auf seiner Industrie, die auf dem Weltmärkte
mit der Konkurrenz anderer Jndustrieen zu kämpfen hat, und dies nur
mit Erfolg thun kann, wenn sie ihre Maaren wenigstens gleich wohlseil
liefert. Deßwegen darf der englische Fabrikant nicht mit größeren Ko-
sten arbeiten als sein ausländischer Konkurrent, also auch nicht unver-
hältnißmäßig höhern Lohn an seine Arbeiter bezahlen; diese können aber
nur dann mit dem gleichen Lohn wie z. B. die schweizerischen vorlieb
nehmen, wenn sie Brot und andere Nahrungsmittel wenigstens nicht
theurer bezahlen müssen. Aus diesen Rücksichten wurde nicht bloß die
freie Einfuhr fremden Getreides erlaubt, sondern es wurden auch die
Zölle auf die Einfuhr von Vieh, Fleisch, Butter, Eier n. s. w. aufge-
hoben und die auf Thee, Kaffee, Zucker u. dgl. Nahrungsmittel bedeu-
tend ermäßigt. Dasselbe geschah mit allen andern Gegenständen, welche
der englischen Industrie und Schifffahrt dienen, daher die Engländer
gerne behaupten, bei ihnen gelte seit Robert Peel das Freihandelsystem,
was aber nicht wahr ist, denn auf allen Fabrikaten, welche von der
TM Hauptwörter (50): [T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer]]
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Extrahierte Personennamen: Smith Robert_Peel Robert_Peel
Extrahierte Ortsnamen: England England Irland Englands
698
Die Zeit von 1815 bis 1857.
keu, die Jahrcsausgabe auf 141,374,5322/5 Franken; der Steuerdruck
mußte also in die Länge unerträglich werden, daher setzte Sardinien alles
auf die letzte Karte: eine neue Revolution in Italien, welche als Mor-
gengabe die Lombardei sammt den Pofürstenthümern einbringen sott. Die
Aussichten gestalteten sich aber anfänglich nicht besonders günstig; Kaiser
Franz Joseph wurde, als er im Januar und Februar 1857 sein italie-
nisches Königreich besuchte, von dem ganzen Volke freudig begrüßt, und
die vollkommene Begnadigung, welche er allen politischen Verbrechern
in wahrhaft kaiserlicher Großmuth ertheilte, sowie die gänzliche Aufhe-
bung aller Maßregeln des Kriegszustandes, war doch wohl der stärkste
Beweis, daß Oesterreich keinen revolutionären Ausbruch erwartete und
noch viel weniger einen fürchtete. Ebenso wenig waren die Kundgebun-
gen der Bevölkerung des Kirchenstaats, als Pius Ix. (Juni bis Sep-
tember) die Städte der Romagna besuchte, geeignet, die Hoffnungen der
Revolutionäre aufzufrischen.
Ein Gegenbild zu Sardinien bot in vieler Beziehung das König-
reich Neapel (Königreich beider Sicilien). König Ferdinand Ii. be-
zwang (1848) die Revolution in seiner Hauptstadt und unterdrückte den
Aufstand auf Sicilien, den England zu schüren fortfuhr; er beseitigte
die von ihm selbst verliehene konstitutionelle Verfassung, weil sie von der
revolutionären Partei als Waffe gegen das Königthum gebraucht wurde,
und regierte sein Land so selbstständig als Napoleon Iii. Frankreich.
Die Steuern waren in Neapel geringer als in Frankreich und England,
der Kredit des Staates so fest, daß die Staatspapiere gar nicht auf
auswärtige Börsen kamen, weil sie im Lande selbst untergebracht wurden;
das Heer war verhältnißmäßig zahlreich, wohlausgerüstet und geübt, die
Flotte stärker als die sardinische, die Handelsmarine in steter Zunahme
begriffen, Ackerbau und Gewerbe hoben sich; es wurden auf der Insel
und auf dem Festlande viele Straßen gebaut, Eisenbahnen vollendet oder-
kräftig in Angriff genommen — dennoch wurde der König nach dem
Abschlüsse des Pariser Friedens von England und Frankreich auf
eine beispiellose Weise (wenn wir die Behandlung Griechenlands aus-
nehmen) angegangen. Eine Note sagte ihm, daß seine Weise zu regie-
ren einen Aufstand voraussehen lasse, daher die beiden Mächte ihm (Sept.)
wohlmeinend rathen, einen andern Gang einzuschlagen, worauf der Kö-
nig die gebührende unumwundene Antwort gab. Die Gesandten der
beiden Rathgeber reisten Ende Oktobers ab, dafür erschienen aber meh-
rere ihrer Kriegsschiffe in den Häfen und Gewässern des Königreichs,
angeblich um die französischen und englischen Unterthanen zu beschützen,
wenn es nöthig werden sollte. Trotz dieser westmächtlichen Demonstra-
tionen erfolgte keine Empörung; am 22. November wagte allerdings ein
Baron Bentivenga zu Cefalu auf Sicilien einen Versuch, der aber
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T35: [Preußen Königreich Bayern Sachsen Staat Hannover Baden König Provinz Land]]
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Extrahierte Personennamen: Franz_Joseph Franz Romagna Ferdinand_Ii Ferdinand Napoleon Rathgeber Bentivenga
Extrahierte Ortsnamen: Sardinien Italien Oesterreich Sardinien Neapel Sicilien Sicilien England Frankreich Neapel Frankreich England England Frankreich Griechenlands
Spanien seit Philipp Ii.
179
zum Frieden geneigt, weil er seine Feinde auf diese Weise am leichtesten
zu trennen vermochte. In den Friedensunterhandlungen von Ryswik,
zwischen Haag und Delft, zeigte sich Ludwig nachgibiger als sonst. Er
begnügte sich mit dem Raube Straßburgs und den Reunionen im Elsaß,
gab Lothringen und die Pfalz zurück und räumte seine Eroberungen in
Spanien und den Niederlanden; die Rheinpfalz kam an Philipp von
Pfalz-Neuburg. Im Frieden bedungen die Franzosen noch aus, daß in
den protestantischen Orten, die sie vorübergehend besessen hatten, der
katholische Gottesdienst wieder geduldet werde! Dieser Friede hieß im
Volksmunde der Friede „reißweg" (1697).
Siebentes Kapitel.
Der spanische Erbfolgekrieg (1701 — 1714).
Spanien seit Philipp U. (1598—1700).
Ludwig hatte mit dem Frieden von Ryswik geeilt, weil er bereits
einen andern Plan betrieb, nämlich Spanien einen Bourbon zum Könige
zu geben und dasselbe der französischen Politik zu unterwerfen. Spa-
nien war noch eine herrliche Monarchie, obwohl es seit Philipp Ii. ein
großes Ländergebiet verloren hatte, und auch seine Finanzen durch eine
beispiellos schlechte Verwaltung zu Grunde gerichtet waren. Auf Phi-
lipp Ii. war Philipp Iii. gefolgt (1598—1621), der die Kriege
seines Vaters erbte und auch an dem dreißigjährigen Kriege Theil neh-
men mußte. Die spanischen Feldherren (Spinola, Kordova ic.) bewiesen
sich noch immer als würdige Schüler der großen Feldherren Karls V.
und die spanischen Soldaten zeichneten sich vor allen andern durch ihre
Unermüdlichkeit, Genügsamkeit sowie durch die Hartnäckigkeit aus, mit der
sie feste Stellungen vertheidigten; der altspanische kriegerische Charakter,
der sich in dem Heere Hannibals und in den mehrhundertjährigen Käm-
pfen gegen die Mauren bewährt hatte, wurzelte noch in den Neuspaniern
und scheint nach den neuesten Erfahrungen unvertilgbar zu sein. Aber
es fehlte immer an Geld, denn trotz der Gold- und Silberbergwerke in
Amerika war in der Staatskasse beständige Ebbe; daran war der Auf-
wand des Hofes Ursache, sodann die Untreue der Beamten, die starke
Auswanderung nach Amerika, welche Vernachlässigung des Ackerbaues,
der Industrie und des Bergbaues im Mutterlande zur Folge hatte; so
gerieth der spanische Handel trotz der ausschließenden spanischen Schiff-
fahrtsgesetze in die Hände der Holländer und bereicherte diese Feinde
Spaniens. Ein großer Nachtheil für diese Monarchie war die Zerftreut-
12*
TM Hauptwörter (50): [T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp]]
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Extrahierte Personennamen: Philipp_Ii Philipp Ludwig Ludwig Philipp_von
Pfalz-Neuburg Philipp Philipp_U Philipp Ludwig Ludwig Philipp_Ii Philipp Philipp_Iii Philipp Karls_V. Hannibals
Extrahierte Ortsnamen: Delft Elsaß Lothringen Spanien Rheinpfalz Spanien Spanien Kordova Karls Hannibals Amerika Amerika Spaniens
Rußland von der Mongolenherrschaft bis auf Peter den Großen. 193
aus dem Hause Romanow, mütterlicherseits von Rurik stammend,
bewilligen müssen; überdieß mußte er den Polen Smolensk, Severien
und Tschernigow überlassen. Dessen Sohn Al er ei I. (1646—1676)
eroberte in dem polnischen Kriege 1667 Smolensk und Severien wieder
und zwang die Kosaken in der Ukraine zur Anerkennung der russischen
Oberherrlichkeit. Sein Sohn Feodor Iii. (1676—1682) vernichtete
die Geschlechtsregister, aus welchen die Bojaren ihre Ansprüche auf
Dienstrang herleiteten, und unterwarf sie der kaiserlichen Allgewalt. Ihm
folgte (1682) sein blödsinniger Bruder Iwan und als Mitregent der
designierte Thronerbe Peter, ein Sohn aus Alereis I. zweiter Ehe;
aber durch die Strelitzen, welche in Rußland die Rolle der Prätorianer
und Janitscharen spielten, bemächtigte sich Peters ältere Halbschwester-
Sophia der Gewalt. Allein schon in seinem siebenzehnten Jahre (1689)
wagte es Peter, das ihm entrissene Recht wieder mit Gewalt sich anzu-
eignen; cs gelang ihm und er sperrte seine Schwester in ein Kloster;
Iwan führte jedoch bis zu seinem Tode (1696) den Titel Zar. Durch
den Genfer Le Fort hatte Zar Peter als Prinz von der Kultur Eu-
ropas erfahren; in seinem Herzen wurde eine brennende Sehnsucht rege,
diese Kultur mit eigenen Augen zu schauen und sie nach Rußland zu
verpflanzen. So wenig es seinen Russen gefiel, beförderte er doch die
Einwanderung fremder, besonders deutscher Handwerker, um den Ge-
werbsfleiß in Rußland einheimisch zu machen, berief auch viele Seeleute
und Offiziere, die er zur Bildung einer geregelten Militärmacht zu be-
nutzen gedachte. Dann ging er auf Reisen, indem er sich einer Ge-
sandtschaft anschloß, die er an mehrere Höfe abgeschickt hatte (1697).
Aber er war erst bis Wien gekommen, als ein neuer Aufstand der Stre-
litzen, den die mit Peters Neuerungen unzufriedenen Großen erregt hat-
ten, ihn heimrief. Die Empörung wurde mit leichter Mühe unterdrückt
und die vornehmen und geringen Schuldigen gepfählt, gerädert, gehenkt,
geköpft, zu Tode geknutet oder verstümmelt, wobei der Zar an 84 per-
sönlich den Henkerdienst übte. Hierauf errichtete er statt der Strelitzen
eine reguläre Garde, einige Reiterregimenter, und ging dann wieder in
das Ausland. Er besuchte Deutschland, Holland, England und Frank-
reich; da sah er Fabriken, Ackerbau, Seehäfen und Kriegshecre. In
Holland arbeitete er als Zimmermann, erlernte den Schiffsbau und
zimmerte selbst ein kleines Haus in Saardam, das man den Reisenden
noch heute zeigt. Von seinen Erfahrungen machte er für Rußland den
besten Gebrauch. Er baute auf dem Don eine Kriegsflotte, errichtete ein
Heer nach europäischem Muster, das größtcntheils von deutschen Offi-
zieren kommandiert wurde, und fuhr fort Fremde nach Rußland zu zie-
hen, die seinen Landsleuten als Muster in den Künsten des Friedens
und Krieges dienen sollten. Durch strenge Gesetze wollte er den Russen
Bumüller, Neue Zeit.
TM Hauptwörter (50): [T31: [König Ludwig Karl Sohn Maria Frankreich Kaiser Tod England Philipp], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Personennamen: Peter Feodor_Iii Peter Peters Peter Peter Peters Zimmermann
Extrahierte Ortsnamen: Tschernigow Smolensk Wien Deutschland Holland England Holland Saardam
Josephs Veränderungen in dem Staate.
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Tage förderte, wurde durch die Eile, mit welcher der Kaiser sie betrei-
den ließ, unendlich erschwert, so daß am Ende niemand zufrieden war,
selbst die Bauern nicht, zu deren Gunsten er diesen Schritt gethan hatte.
Unter den siebenbürgischen Wlachen dagegen erregte ein gewisser Horja
einen Vernichtungskrieg gegen den Adel, indem er sich für einen Ge-
sandten des Kaisers ausgab; über 100 Edelleute wurden ermordet, mehr
als 200 Schlösser verbrannt, und die Bauern konnten nur durch mili-
tärisches Einschreiten und den Henker zur Ruhe gebracht werden.
In seinem humanen Eifer schaffte Joseph auch die Todesstrafe ab,
führte aber statt derselben Gesängnißstrafen ein mit Verschärfungen durch
Schläge, Hunger, Ketten, Kugeln u. s. w., so daß es eine Frage ist,
ob die Abschaffung des Richtschwertes und Strickes wirklich ein Gewinn
für die Menschlichkeit war. Zudem wurde er durch die Zunahme der
schweren Verbrechen in seinen Ansichten umgestimmt und führte die Todes-
strafe wieder ein. In seinen Strafen ließ er keinen Unterschied des
Standes der Verurtheilten gelten; man sah Beamte die Gaffe kehren,
die Schiffe ziehen, einen Grafen am Pranger stehen u. s. w., wobei er
nicht bedachte, daß dieselbe Strafe für zwei Verbrecher durchaus nicht
immer gleich hart ist; so macht sich z. B. mancher nicht viel daraus,
wenn er die heiligen Fünfundzwanzig bekommt, sobald es nur vorbei ist,
während ein anderer durch die gleiche Strafe entehrt und zur Verzweif-
lung gebracht wird.
Auch in der Nationalökonomie folgte Kaiser Joseph Ii. den neu
aufgekommenen Grundsätzen; die frühere Zeit kannte Ausfuhrverbote und
hohe Ausfuhrzölle, weil man dadurch die Vertheurung der nothwendig-
sten Dinge im eigenen Lande verhindern wollte; die gewöhnlichen Aus-
fuhr- und Einfuhrzölle wurden aber als eine indirekte Steuer erhoben,
um dem Staatsschätze zu Hilfe zu kommen, und nur in dieser Absicht
gesteigert; jetzt hingegen betrachtete man die fremde Einfuhr als einen
Tribut, der an das Ausland bezahlt werde, als einen Abfluß des ein-
heimischen Schatzes. Joseph verbot daher 1784 die Einfuhr aller frem-
den Kunstwaaren und auch der Naturprodukte, welche der Kaiserstaat
selbst erzeugte oder erzeugen konnte. Die vorräthigen fremden Maaren
der Kaufleute mußten in ein Vorrathshaus gebracht und allmählig ver-
kauft werden; nur gegen eine Abgabe von 60 Prozent wurden einzelne
Ausnahmen für solche Personen gestattet, die des fremden Gegenstandes
nicht entbehren konnten. Dieses System war natürlich eine mächtige
Ermunterung für den Schleichhandel, gegen den der Kaiser unerbittlich
scharf verfuhr, indem er geschmuggelte Taschenuhren öffentlich zerschlagen,
andere Maaren verbrennen ließ u. s. w., ganz in der Meise, wie Na-
poleon I. zur Zeit der Kontinentalsperre gegen die englischen Maaren
einschritt. Dagegen suchte er aber den österreichischen Erzeugnissen Ab-
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund]]
TM Hauptwörter (200): [T177: [Volk Recht Gesetz Freiheit Land Strafe Mensch Gewalt Leben Staat], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T131: [Licht Erde Sonne Körper Auge Himmel Bild Gegenstand Luft Wolke], T75: [Strom Elektrizität Ende Eisen Magnet Elektricität Körper Draht Funke Leiter]]