— 3 —
Das Festmahl und der Schwerttanz.
Am Morgen stieg der Häuptling mit den Männern, Frauen und Kindern des Dorfes hinauf zum Gipfel des Berges, wo der heilige Hain mit der Eiche des Gottes Wotan stand. Da lag unter dem Baume der Opferstein; an den Ästen hingen die Feldzeichen für den Krieg und auf dem grünen Anger grasten die Schimmel, die am Feste den Wagen mit dem Götterbilde ziehen mußten. Rings um den Platz ging ein Wall aus Erde und Steinen; hieher flohen die Leute aus dem Dorfe, wenn ein Feind nahte. Ein Pferd wurde herangeführt und mit Blumen bekränzt; das Volk schritt im Zuge singend und betend um den Götterbaum. Jetzt durchschnitt der Priester mit dem scharfen Opfermesser die Kehle des Tieres; das Pferd zuckte und stürzte zusammen. Das Oplerfleifch kochten sie im Kessel, dann aßen sie und tranken aus Hörnern den Göttern zu.
Nach dem Opfermahle trat ein junges Paar mit den Verwandten unter den heiligen Baum. Die Braut überreichte dem Manne Schwert, Spieß und Helm. Da fragte der Vater der Braut den Bräutigam: „Und was schenkst du der Braut als Mitgift?" Der Knecht führte ein Roß heran; die Eltern der Braut prüften das Geschenk und übergaben ihre Tochter dem Manne.
Hieraus stiegen alle wieder hinab ins Dorf, wo schon auf dem Anger die jungen Männer beisammen standen. Sie liefen und sprangen um die Wette und warfen den schweren Stein. Ingo stand' dabei und sah ihnen zu. Da trat der Häuptling zu ihm, stellte ihn den Männern vor und sprach: „Nun zeige auch du, was du kannst!" Da holte Theodulf, ein junger Mann, die Rosse. Erst stellte er ein paar neben-einander, Kopf an Kopf und Schweif an Schweif. Nun nahm er einen Anlauf und sprang hinüber. Die anderen sprangen ihm nach. Bei drei Rossen gelang es nur wenigen und über vier sprang Theodulf allein. Da winkte er dem Fremden, es ihm nachzutun. Ingo neigte den Kopf ein wenig, nahm einen Anlauf und tat den Sprung. Jetzt führte
Theodulf das fünfte Roß heran; nur stellte er die Pferde ein wenig anders, so daß der Schimmel an fünfter Stelle stand. Dann tat er den Sprung, bloß daß er mit dem Rücken ein wenig an den Schimmel streifte. Ingo sprang mit leichter Mühe drein und alle gaben ihm Bei-fall. Da trat Theodulf gekränkt zur Seite. Ein alter Mann
ging auf Ingo zu und sprach: „Wenn ich mich nicht täusche, so kannst
du auch den Sprung über sechs Rosse, den wir den Königssprung
nennen. Führt das sechste Roß herbei!" — Ingo trat zurück, nahm den Anlauf und vollbrachte den Sprung.
l*
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— 162 —
Herzogtum Sachsen dem Grafen Bernhard von Anhalt und machte sie zu Herzogen. Heinrich sprach: „Ich bin ungerecht verurteilt worden; denn ich bin in Schwaben geboren und kann nur in Schwaben gerichtet und zur Acht verurteilt werden."
Der Kaiser aber zog mit einem Heere nach Sachsen gegen den Geächteten. Da übergaben viele sächsische Edle dem Kaiser ihre Burgen und traten zu ihm über. Viele Dienstleute des Herzogs, die von Kindesbeinen auf an seinem Hofe gelebt und ihm treu gedient hatten, verließen ihn. Jetzt bat der Herzog den Kaiser um Erlaubnis, unter kaiserlichem Geleite zu ihm ins Lager kommen zu dürfen; er hoffte bei Friedrich Erbarmen zu finden. Als er mit dem Geleite unterwegs war, kam ihm eine Ritterschar aus dem kaiserlichen Lager entgegen und begrüßte ihn. Nachdem er sie wieder gegrüßt hatte, sagte er traurig: „Sonst gab ich andern das Geleite durch mein Land. Jetzt muß ich selber in meinem eigenen Lande das Geleite von anderen bekommen." So kam er zum Kaiser und wollte ihn durch Unterhändler auf alle Weise besänftigen; aber er richtete nichts aus. Endlich setzte ihm der Kaiser einen neuen Hoftag fest. Der Herzog kam nun am Gerichtstage, fiel dem Kaiser zu Füßen und bat ihn nm Gnade. Friedrich hob ihn vom Boden auf, küßte ihn und beklagte mit Tränen in den Augen, daß ihre Uneinigkeit so lange gewährt habe und Heinrich selbst an seinem Sturze schuld sei. Aber sein Land gab er ihm nicht mehr. Nur seine Erblande Braunschweig und Lüneburg durfte er behalten. Auch wurde er auf drei Jahre aus seinem Lande verbannt und mußte eidlich versprechen, daß er es innerhalb dieser Zeit nicht mehr betreten wolle. Da reiste Heinrich zu seinem Schwiegervater, dem König von England, begleitet von seiner Gemahlin und seinen Kindern.
Zn Pfingsten hielt Kaiser Friedrich in Mainz einen großen Hoftag; denn er wollte seine Söhne, den König Heinrich und den Herzog Friedrich von Schwaben, zu Rittern schlagen und ihnen das Schwert um die Hüften gürten. Es kamen dahin alle Fürsten, Erzbischöfe und Edlen des Reiches. In der Nähe von Mainz zwischen Rhein und Main befindet sich eine große Ebene. Dort hatte der Kaiser wegen der Enge der Stadt und der angenehmeren Lnft einen prächtigen Palast und eine sehr geräumige Kirche aus Holz bauen lassen samt unzähligen anderen Gebäuden, um dort das große Freudenfest herrlich zu feiern. In weitem Umkreise um den kaiserlichen Polast ließen die Fürsten für sich und das Gefolge
Das Fest zu Mainz. (1184.)
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Extrahierte Personennamen: Bernhard_von_Anhalt Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Friedrich Friedrich Heinrich Heinrich Friedrich_von_Schwaben Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Herzogtum_Sachsen Schwaben Schwaben Sachsen Lüneburg England Mainz Mainz Rhein Main Mainz
Bei dem Palais der Prinzessin Amalie angekommen, war die Menge noch dichter; denn sie erwarteten ihn da. Der Vorhof war gedrängt voll, doch in der Mitte ohne Anwesenheit irgend einer Polizei geräumiger Platz für ihn und seine Begleiter. Er lenkte in den Hof hinein. Die Flügeltüren gingen auf und die alte, lahme Prinzessin Amalie, auf zwei Damen gestützt, die Oberhofmeisterin hinter ihr her, wankte die flachen Stiegen hinab ihm entgegen. Sowie er sie gewahr wurde, setzte er sich in Galopp, hielt, sprang rasch vom Pferde, zog den Hut, den er nun aber mit herabhängendem Arm ganz unten hielt, umarmte sie, bot ihr den Arm und führte sie die Treppe wieder hinauf. Die Flügeltüren gingen zu; alles war verschwunden und noch stand die Menge entblößten Hauptes, schweigend, alle Augen auf den Fleck gerichtet, wo er verschwunden war. Und es dauerte eine Weile, bis ein jeder sich sammelte und ruhig seines Weges ging.
Und doch war nichts geschehen! Keine Pracht, kein Feuerwerk, keine Kanonenschüsse, keine Trommeln und Pfeifen, keine Musik, kein vorangegangenes Ereignis! Nein, nur ein dreinndsiebzigjähriger Mann, schlecht gekleidet, staubbedeckt, kehrte von seinem mühsamen Tagewerk zurück. Aber jedermann wußte, daß dieser Alte auch für ihn arbeite, daß er fein ganzes Leben an diese Arbeit gesetzt und sie seit 45 Jahren noch nicht einen einzigen Tag versäumt hatte. Jedermann sah auch die Früchte seiner Arbeiten, nah und fern, rund um sich her, und wenn man auf ihn blickte, so regte sich Ehrfurcht, Bewunderung, Stolz, Vertrauen, kurz alle edleren Gefühle des Menschen.
Der König und der General Zielen.
Am Sonnabend den 25. Dezember 1784 ging Zieten trotz seiner 86 Jahre am Ende der Parade aus das Schloß, um feinem Monarchen das letzte Opfer seiner Ehrfurcht zu bringen und ihn nach einer Zwischenzeit von sechs Monaten wieder zu sehen. Die Parole war schon ausgegeben, den Generalen ihre Befehle erteilt und der König wandte sich eben zu den anwesenden Prinzen, als er den betagten Zieten bemerkte, der am andern Ende des Saales stand, zwischen seinem Sohn und seinen beiden Adjutanten. Der König ward von seiner Gegenwart angenehm überrascht und eilte sogleich mit dem Ausruf auf ihn zu: „Wie, mein guter alter Zieten, Er hier! Wie bedaure ich, daß Er die vielen Treppen hat steigen müssen! Ich wäre gerne selbst zu Ihm gekommen. Wie befindet Er sich?" — „Sire," antwortete Zieten, „meine Gesundheit ist
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— 199 —
Wien, andere in Ungarn gesehen haben. Einige behaupteten, er sei noch
in Tirol verborgen. Da war er auch. Von Ende November bis Ende
Januar verbarg er sich hoch obeu in der Schneewelt in einer einsamen Alpenhütte, vier starke Stunden oberhalb seines Wirtshauses. Seine Frau und seine Kinder schickte er nach dem Schneeberg und nahm nur seinen Schreiber mit sich. In der Hütte fanden sie 12 Stutzea, darunter 5 geladene; sie dachten nicht daran sie wegzuräumen. Ein Schweinetrog war ihr Eß- und Schreibtisch. Wenn sie Plötzlich überrascht wurden, war eine Flucht unmöglich wegen der Masse Schnee im steilen Hoch-gebirg. Drei Vertraute besuchten ihn abwechselnd zur Nachtzeit und brachten ihm Speisevorrat und Briefe, ohne ihren Gang viel zu verheimlichen. Der Kommandant in Meran hatte 1500 Gulden auf seinen Kopf gesetzt. Die Freunde warnten ihn wiederholt. Bis in seine
armselige Hütte drangen geheime Boten aus Wien; einen hatte sogar
Kaiser Franz gesendet, der um ihu bekümmert war. Aber Hofer wollte keinem folgen. Bald wollte er Frau und Kind nicht verlassen. Man
versprach ihm, man würde sie ihm nachsenden. Nur könnten sie wegen des Aussehens nicht mitsammen gehen. Aber ihre Reise nach Österreich würden die Franzosen selber nicht erschweren. Bald wollte er sich den Bart nicht abnehmen lassen. Bald scheute er die Unbequemlichkeiten und die Gefahren der Flucht. Er hatte keine Freude mehr am Leben. Alles Blut war umsonst vergossen.
Da kam Plötzlich Hofers Frau nach St. Martin. Dort vertrante sie ihre Töchter einem guten Freunde an; dann stieg sie mit ihrem
Sohn Johann zu ihrem Manne hinauf in die Alpenhütte, um bei ihm zu bleiben. Der Rauch, der nun jeden Tag aus der Hütte aufstieg, wurde immer öfter bemerkt und das Gerede über Hofer wurde immer mehr. Selbst seine Vertrauten rieten ihm, er solle als Viehhändler verkleidet und ohne Bart nach Österreich flüchten. Aber er wollte nicht. Nur ein Schreiben über seinen kläglichen Zustand schickte er an den
Kaiser Franz. Da kam eines Tages wie durch Zufall ein Passeierer
namens Joseph Raffel hinauf in die hochgelegene Alpenhütte. Hofer wurde sogleich besorgt und suchte seine Verschwiegenheit durch Geld zu erkaufen, das große Macht über den verkommenen Gesellen hatte. Raffel schlug es aus, versprach aber ihn nicht zu verraten und ging fort. Hofer wurde nun dringend gebeten, den Ort zu verlassen; aber er blieb gegen alles taub. Er konnte nicht glauben, daß Österreich nicht die Macht habe ihn zu befreien, und sandte einen Freund mit zwei Schreiben nach Wien. Raffel aber hatte keinen andern Gedanken mehr, als wie er das Sündengeld für Hofers Verrat verdienen könne. Er ging nach
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Martin Johann Johann Franz Franz Joseph_Raffel Raffel Raffel Hofers
Extrahierte Ortsnamen: Wien Ungarn Meran Wien Wien
10 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
Helden sprechen: „Kein unglücklicheres Geschöpf, das da athmet und
kreucht auf der Erde, als der Mensch!" Das ist ein Seufzer nach Er-
lösung aus der kalten Finsterniß des Lebens, das nicht von Gott, der
Sonne der Geister, erhellt und erwärmt wird.
Wir wissen nicht geschichtlich, wie lange die Menschen brauchten, um
zu Völkern heranzuwachsen, wie viele Versuche st'e machten, bis sic eine
bürgerliche Gemeinschaft ausgebildet hatten; wir wissen auch nicht, wie
st'e ihre verschiedenen Religionen gedichtet haben, denn wie das Licht der
Geschichte aufgeht, sehen wir ausgebildete Nationen dastehen. Ihr Schau-
platz ist das hintere Asten; allmalig rückt die Geschichte gegen Westen,
gleich dem Gange der Sonne.
Zweites Kapitel.
Indien.
Wann das Land, welches durch das Himalayagebirge (Emodus)
von Mittelasien, durch den Hindukusch (Paropamisus) von dem Hoch-
lande Iran (Aria), das bis zum Tigris in Vorderasten reicht, geschieden
wird, von den Stammvätern der Indier oder Hindu bevölkert wurde,
kann nicht geschichtlich bestimmt werden. Nach den eigenen uralten
Sagen des Volkes sind sie aus dem Geschlechte Iaphets (den Noah
nennen die Indier Men», seine Söhne Chama, Scherma, Japeti) und
wohnten im Hochlande jenseits der Indus- und Gangesquellen am
Göttergebirge Meru. Von da zogen sie in die große Halbinsel, welche
von dem Indus, dem Ganges und Bramaputra bewässert wird, und
breiteten sich von den Quellen des Indus und Ganges bis zu deren
Mündungen aus, und über die Hochflächen und Thäler des Dekhan, an
den Küsten von Malabar und Koromandel bis auf die Insel Sinhala
(Ceylon, Taprobane bei den Griechen). Diese arischen Einwanderer sind
aber nicht die Urbewohner der Halbinsel; sie trafen dort bereits andere
Stämme von chamitischer Abkunft, welche sie in die Gebirge zersprengten
oder unterjochten, indem sie sich selbst als ein edleres Volk betrachteten,
wie denn auch in ihrer Sprache Arier die „Ausgezeichneten" bedeutet.
Doch haben sie cs selbst nie dahin gebracht, daß sich ihre Stämme zu
einer Nation vereinigten und die ganze Halbinsel ein indisches Reich
bildete. Eine eigentliche Geschichte haben sie nicht; denn die meisten
Stämme besitzen keine schriftlichen Aufzeichnungen, sondern nur dunkle
und vielfach verwirrte Sagen, und die Bücher der Brammen, der Priester
jener Stämme des indischen Volkes, das die eigenthümlichste Entwicklung
erreichte, sind größtentheils ein Gewebe von Mythen; die beglaubigte
Geschichte scheint nicht über 800 Jahre vor Christus hinaufzureichen. —
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Aegypten.
33
gegen Ende Oktobers kehrt er wieder in sein Bett zurück und zwar in
kürzerer Zeit, als er angeschwotten ist und hinterläßt die Felder getränkt
und zollhoch mit einem fetten Schlamme überzogen. Nun wird gesäet
und gepflanzt; Getreide und Hülsenfrüchte aller Art, Sesam, Melonen,
Baumwolle u. s. w. wachsen bei der großen Sonnenwärme in dem
feuchten und fetten Boden schnell heran und reifen frühe, so daß der
Aegypter zweimal ärnten kann, ohne auch nur die Hälfte der Arbeiten ver-
richten zu müssen, welche bei uns dem Landmanne so manchen Schweiß-
tropfen auspressen. Diesen wohlthätigen Nil verehrten die alten Aegypter
göttlich und glaubten, er entspringe in den Wohnungen der Sonne; sein
Anschwellen und Zurücktreten wurde mit Festen gefeiert, bei welchen
der sonst düstere Aegypter sich dem Ausbruche seiner Lust zügellos
hingab. Regelmäßig tritt der Nil aus und wieder zurück; regelmäßig
folgen Saat und Aernte; die Sonne wird fast nie mit Wolken umhüllt,
sondern strahlt immer mit blendendem Glanze; Gewitter sind außer-
ordentlich selten, nur Unterägypten kennt Landregen. So wenig als
die Jahreszeiten sieht der Aegypter Berg und Thal, Wald und Feld,
Anger und Wiese mit einander abwechseln; zwischen nackten Felsrücken,
hinter denen der Wüstensand in der Sonnenhitze glüht und durch die
Verdünnung der Luft wirbelnde Stürme erzeugt, ist sein viele hundert
Stunden langes Thal eingeschnitten, welches jährlich einmal von dem
Flusse unter Wasser gesetzt, nachher aber zum Saat- und Aernte-
feld wird. So waren auch die alten Aegypter ein wunderbares Volk,
einzig in seiner Art, wie sein Land. Noch waltet über ihre älteste
Geschichte ein tiefes Dunkel, das vielleicht durch die Erforschung der
Denkmale anfgehellt wird, deren sie mehr als jedes andere Volk der
Erde hinterlassen haben. Aus den einbalsamirten Leichen, die in unzäh-
ligen Felsengräbern millionenweise aufbewahrt liegen, ergibt sich, daß
die Bevölkerung des alten Aegypten aus drei Menschenschlägen bestand,
die aber in einander übergingen, wozu wir in den amerikanischen Mestizzen
und Mulatten und deren Unterabtheilungen ein Seitenstück sehen. Ein
Theil der Aegypter war von Heller Farbe und gehörte offenbar dem soge-
nannten kaukasischen Stamme an; ein anderer war dunkler, aber schlicht-
haarig und bildete den Uebergang zu einem negerähnlichen Schlage, der
aber doch das wollige Haar des Negers nicht hatte und ebenso wenig
dessen ganze Schädelbildung und aufgeworfene Lippen. Dies ist ein
deutlicher Beweis, daß Aegypten einst von dunkelfarbigen Volksstämmen
bewohnt wurde, unter denen sich ein hellerer niederließ, der sich die Herr-
schaft des Landes aneignete, während er den alten Einwohnern von
seiner Bildung mittheilte. Woher aber diese Einwanderer gekommen,
ist noch immer nicht sicher erforscht. Eine Meinung läßt sie über die
Landenge von Suez hinziehen, nach einer andern sind sie den Nil herunter
Bumüller, Gesch. d. Alterth. 3
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312
Das Reich der Cäsaren.
mit dem Unterschiede freilich, daß ein so geschultes Kollegium gegen den
vielköpfigen Souverän mehr versuchen und durchsetzen konnte, als gegen
den Imperator. Früher waren die p1ebi8eita für den Senat bindend
gewesen, jetzt sanktionierte er zum voraus die Edikte des Imperators,
so daß der Senat zu einem Kollegium wurde, welches rathen konnte,
wenn es angefragt wurde, und das der Imperator dekretieren ließ,
wenn er etwas befehlen oder verweigern und doch nicht als der eigent-
liche Urheber erscheinen wollte. Das souveräne Volk hatte besonders in
den letzten Zeiten der Republik (trotz der sullanischen Reformen) dem
Senate sein Recht, Provinzen und Befehlshaberstellen zu ertheilen, viel-
mal entrissen; Augustus ließ ihm bestimmte Provinzen, die er besetzen
durfte. Die „praesides“ der senatorischen Provinzen waren sogar
besser bezahlt als die der cäsarischen; nach der Besoldung (in Sestertien
berechnet) zerfielen sse in die drei Klassen ducenarii, centenarii und
sexagenarii, mit 200,000, 100,000 und 60,000 Sestertien (1 Mill.
Sest. — 50,000 Thlr.). Alles Recht, über die Kriegsmacht zu verfügen,
war auf den Imperator übergegangen, ebenso wurden der Ü8ou8 und das
aerarium militare dem Senate unnahbar, und von seiner früheren Ober-
finanzgewalt (das Volk hatte sie ebenfalls angegriffen, man denke an
die attalische Erbschaft!) war ihm nur die Mitaufficht über das aerarium,
die Staatskasse, verblieben. Seine gerichtliche Macht wurde durch Au-
gustus nicht beeinträchtigt, wenigstens nicht geradezu, und der Senat
kam sogar in den ganz unerwünschten Fall, über Glieder der herrschen-
den Familie richten zu müssen. Das Kollegium der Senatoren war
übrigens auch darum noch von großer Bedeutung, weil aus demselben
in der Regel die höheren Aemter besetzt wurden, und unter dem zweiten
Kaiser wurde es zugleich Wahlkollegium. Augustus setzte den Census
für einen Senatoren auf 1,200,000 Sestertien, den eines Ritters auf
400,000 Sestertien.
Das Volk und die Stadt Rom.
Unter Augustus hatte das Volk noch Komitien, aber nur für die
Wahlen der senatorischen Aemter; schon unter Tiberius verlor es auch
diesen letzten Schimmer seiner ehemaligen Souveränität. Dafür wurde
die plebs urbana (die gemeinen Stadtbürger) auf vielfache Weise ent-
schädigt; die öffentlichen Prozesse, Leichen, Leichenreden, Schauspiele,
Thierhatzen, Gladiatorenkämpfe, Feste u. s. w. gaben viel zu sehen, zu
hören und zu raisonnieren und die Spenden, welche Augustus austheilte,
waren mehr werth, als diejenigen, um welche das souveräne Volk in den
letzten Zeiten der Republik seine Stimme verkauft hatte. Daß es keine
Steuer bezahlte, versteht sich wohl von selbst; was in der republikanischen
Zeit nur ausnahmsweise geschehen war, Getreidevertheilungen zu sehr
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Extrahierte Personennamen: Augustus Augustus Augustus Tiberius Augustus
T
18 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
befruchtenden Einfluß auf die Erde offenbart. Erdbeben, Wasserfluchen,
Mißwachs, Seuchen u. s. w. beweisen, daß die Ordnung des Himmels
gestört ist, und diese Störung hat ihre Ursache darin, daß die Ordnung
im Reiche gelitten hat und der Kaiser von ihr abgewichen ist, was nun
sein Volk und er mit ihm büßen muß, bis die wohlthätige Ordnung
des Himmels die Ordnung auf der chinesischen Erde wieder herstellt.
Von dem Kaiser, dem Vater des ganzen Volkes, kommt diesem also
alles Heil und Glück wie der einzelnen Familie durch den Familienvater,
und eben deßwegen ist der unbedingteste Gehorsam gegen den Kaiser
auch die erste Pflicht des ganzen Volkes.
Unter dieser Verfassung mögen die Chinesen ihre glücklichen Perio-
den gehabt haben (wie sie auch-wirklich viel von den langen und segens-
reichen Negierungen ihrer alten Kaiser zu erzählen wissen), denn offen-
bar mußte sie die Liebe zu Ackerbau und friedlichem Gewerbe außer-
ordentlich pflegen; doch „die Himmelssöhne" störten die Ordnung oft
genug und „die Kinder" zeigten sich alsdann nicht minder ausgeartet.
Da sich aber die Wirkung chinesischer Revolutionen in den Jahrhunder-
ten vor Christus auf China selbst beschrankt, so zählen wir die Reihen
ihrer Dynastieen nicht auf, und nennen nur die der Tschin von 249—206
vor Christus, welche dem Reiche seinen heutigen Namen gegeben hat.
Unter dieser Dynastie wurde die große Mauer gebaut, welche die Nord-
gränzc gegen die Einfälle der Barbaren schützen sollte, die in zahllosen
Schwärmen das Hochland Mittelasiens bewohnten und als Hiongnu ein
mächtiges Reich gründeten. Die große Mauer, eines der größten Werke
der menschlichen Hand (sie erstreckt sich 300 Meilen weit vom Meer-
busen Rhu Hai bis an das Gebirge Kueulun und den Gebirgssee Si
Hai oder Westmeer, aus welchen Gegenden die Chinesen herstammen),
verhinderte aber den Einbruch der Barbaren nicht, der Hiongnu so
wenig als später der Mongolenhorden, doch ermannten sich die Chine-
sen immer wieder, vertrieben oder unterwarfen die Eindringlinge und
verfolgten sie weit in das mittelasiatische Hochland. Die letzte einhei-
mische Dynastie, die der Ming, unter welcher China seine größte Aus-
dehnung erreicht hatte, unterlag 1644 den unausgesetzten Angriffen der
Mandschu, denen die Dynastie der Tsching angehört, welche bis aus die
neueste Zeit in China herrscht. Dieser tungusische Mamm ist. aber in
den Chinesen aufgegangen, indem die Eroberer von ver ihnen weit über-
legenen Kultur der Besiegten mehr und mehr annahmen. Der Man-
dschu auf dem Throne in Peking nennt sich Himmelssohn wie seine
Vorgänger aus den chinesischen Dynastieen, führt dieselbe väterliche
Sprache und übt denselben unbeschränkten Despotismus. Ein zahlreicher
Beamtenftand, in neun Rangstufen gesondert, durch Knöpfe und Federn
ausgezeichnet, wacht über den Vollzug der unzähligen Gesetze und Ver-
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Extrahierte Personennamen: Christus
Extrahierte Ortsnamen: China Hochland_Mittelasiens Westmeer China China Peking
Tiberkus.
343
Livia (wurde allgemein geglaubt), welche den alternden Augustus be-
herrschte und für ihren Sohn wirkte. Tiberius wußte wohl selbst am
besten, wie er Cäsar geworden und gerade weil er die Geheimnisse des
Palastes und der vornehmen Häuser kannte, beschlich seine Seele ein
finsteres Mißtrauen gegen die eigenen Blutsverwandten und alle vor-
nehmen Römer. Wie unsicher selbst die militärische Unterlage seines
Thrones sei, zeigte ihm der Aufstand der Legionen in Pannonien und
des großen Heeres am Rheine, das sein Neffe Germanikus befehligte.
Beide verlangten höheren Sold und kürzeren Dienst, und die rheinischen
Legionen erklärten sich bereit, den Germanikus auf den Thron zu erheben.
Dieser wies das Anerbieten zwar mit Abscheu von sich, aber wer
bürgte dem Tiberius, daß er immer widerstehen werde, um so mehr, da
er und besonders seine Gemahlin Agrippina auf ungewöhnliche Weise sich
offenbar um die Gunst der Soldaten bewarben? Dem Scharfblicke des
Tiberius entging es gewiß nicht, daß diese Soldatenaufstände (diesmal
wurden sie glücklich beschwichtigt, aber kürzere Dienstzeit und höheren
Sold hatte Tiberius doch zugestehen müssen) nur das Vorspiel ähnlicher
Ereignisse und zwar folgenreicherer waren? Auf wen sollte er sich stützen,
wenn die Heere rebellirten? Auf den Senat? Nach diesem fragten die
Heere schon in Sullas Zeiten nichts, und wenn er wirklich einige Macht
besaß, war wohl zu erwarten, daß er ernstlich für den Kaiser in die
Schranken treten werde? Gewiß nicht, denn die Senatoren waren ent-
weder republikanisch gesinnt und haßten die Kaisergewalt, oder sie waren
Feiglinge, auf welche nicht zu rechnen war; endlich mangelte es auch nicht
an Ehrgeizigen unter ihnen, welche selbst die Cäsarengewalt zu übernehmen
bereit waren, wenn die Gunst des Glückes dieselbe ihnen nahe brachte.
Noch weniger durfte sich Tiberius auf die Plebs verlassen; diese gehörte
jedem, der sich der Gewalt bemeifterte, vertheidigte aber keinen, dazu war
sie zu feige und zu undankbar. Tiberius haßte und verachtete den Senat
und die vornehmen Familien überhaupt, weil er sie genau kannte, und
da er nicht wie Augustus zur Herrschaft gelangt war, durfte er auch auf
Volk und Senat nicht diejenigen Rücksichten nehmen, die Augustus beob-
achtete. Volk und Senat hatten letzteren gegen den Antonius noch in
ihrer Weise durch Dekrete und Beschlüsse unterstützt, die Republik half
ihm wenigstens scheinbar zur Herrschaft, darum mußte er auch noch
einen republikanischen Schein sehen lassen; Tiberius dagegen verdankte
der Republik nichts, sondern erbte die Macht, darum vernichtete er die
republikanischen Einrichtungen, die unter Umständen gefährlich werden
konnten. Er nahm den Komitien das Recht, die Staatsämter zu be-
setzen und übertrug dasselbe dem Senate; Augustus soll ihm diesen Rath
testamentarisch gegeben haben, denn der Kaiser, konnte nicht einer Volks-
versammlung eines der wichtigsten Hoheitsrechte überlassen, wenn er es
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Extrahierte Personennamen: Livia_( Augustus Tiberius Cäsar Germanikus Tiberius Agrippina Tiberius Tiberius Sullas Tiberius Tiberius Augustus Augustus Antonius Tiberius Augustus
Die Provinzen.
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durch habsüchtige Statthalter oft unerträglich und gab vielfachen Anlaß
zu Klagen, welche selten etwas fruchteten. Nom oder der Staat zog die
porteria im ganzen Reiche an sich; diese begriffen alle möglichen Zölle,
Brücken-, Weg- und andere Gelder, welche gleichfalls an die Publikanen
verpachtet wurden. Die einträglichsten Zölle waren die von Alexandrien
und Syrakus; zu Verres Zeit betrug der Zoll 5% sonst 272% (die
quadragesima); auf Luxusartikeln ruhte eine höhere Abgabe. Aus allem
Grubengewerke, aus Bergwerken und Steinbrüchen wurde ein Zehntel des
Reinertrags erhoben. Die Finanzverwaltung in den Provinzen hatten
früher die Quäftores, Augustus führte für die kaiserlichen Provinzen
die procuratores ein; in kleineren Provinzen (z. B. Judäa) waren
solche Prokuratoren angestellt, welche nicht nur die Finanzverwaltung,
sondern auch die Gesammtverwaltung besorgen mußten.
Es ist schon angegeben worden, daß Augustus mit den neuen
Steuern das aerarium militare errichtete und erhielt; in das Staats-
ärar stoffen indessen durchaus nicht alle anderen Steuern, sondern die
aus den Provinzen des Cäsars gehörten zu dem fiscus Caesaris; zu
dessen Einnahmen kam später das aurum coronarium, eine Abgabe,
die aus dem Gebrauche entstand, daß die Provinzen dem Cäsar goldene
Kränze schenkten. Den Fiskus mehrten ferner Legate und Erbschaften,
Geschenke von Königen u. s. w.
Die Provinzen.
Obgleich die Staatsabgaben, wie man sieht, für die Provinzen keine
geringen waren, so blieben diese dennoch mit Augustus und seiner Regie-
rung sehr wohl zufrieden und priesen sich glücklich, daß die republikanische
Verwaltung ein Ende genommen; denn die Provinzen hatten von der Re-
publik nichts genossen; keines der Staatsämter, welche den römischen
nobiles Ruhm und Ansehen und jedenfalls Geld brachten, war ihnen
zugänglich, noch konnten sie wie das Volk jene Aemter verleihen, was
wenigstens ein stolzes Selbstgefühl gab und erlaubte oder auch unerlaubte
Spenden eintrug. Auch ein glücklicher Krieg schuf ihnen wenig Ehre und
Gewinn, obschon sie ihre Kohorten stellen mußten, denn von Ehre und
Gewinn behielten die Römer den besten Theil stets für sich. Als vollends
die Bürgerkriege ausbrachen, wurden die Provinzen furchtbar mitge-
nommen; das baare Geld verschlangen die Kontributionen, die brauch-
bare Mannschaft wurde zum Dienste gepreßt; erklärte doch Antonius,
als eine Seuche unter den Ruderknechten seiner Flotte wüthete, das
Holz der Schiffe und Ruder werde nicht krank, und für frische Ruder-
knechte könne man in Epirus und Griechenland schon sorgen. Abgaben
und Kriegsdienste hatte die Republik von den Provinzen gefordert; auch
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Extrahierte Personennamen: Augustus Judäa Augustus Cäsars Cäsar Augustus Antonius