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Kaum hatten sie sich mit Tagesanbruch aus den Weg gemacht, als heftiger Regen und starker Wind hereinbrach, der ihnen weder vorzurücken noch festen Fuß zu sasseu verstattete, ja sogar den Gebrauch der Waffen benahm. Denn weder Bogen noch Pseile noch die Wurfspeere noch die Schilde — die ja vom Regen durchnäßt waren — konnten sie ordentlich gebrauchen. Die Feinde, die der Mehrzahl nach leicht bewaffnet waren und ohne Bedenken angreifen oder sich zurückziehen konnten, wie sie wollten, wurden von dergleichen Unfällen natürlich weniger getroffen. Überdiek waren sie weit stärker an Zahl, da auch von denen, welche anfangs noch unschlüssig waren, viele schon um der Beute willen zu ihnen stießen; deshalb konnten sie die Römer um so leichter umzingeln und niederhauen. Darum vollbrachten Varns und die anderen angesehensten Männer, aus Furcht, entweder gefangen zu werden oder unter den Händen erbitterter Feinde zu sterben (verwundet waren sie schon), eine surchtbare, aber notwendige Tat: sie töteten sich selbst.
Als dies bekannt ward, wehrte sich auch von den andern keiner mehr, wenn es ihm auch nicht an Kraft gefehlt hätte. Die einen folgten dem Beispiele des Anführers, die andern warfen die Waffen fort und
ließen sich von dem ersten besten umbringen; fliehen konnte keiner, hätte er es auch noch so gerne gewollt. So ward denn alles ohne Scheu niedergehauen, Männer und Rosse.x)
87. Gerrnarrikus auf der Stätte der Varusschlacht, 15 n. Chr.
Tazilus' Annalen, B. 1, Kap. 61; nach W. Bötticher.
Cornelius Tazitus, geb. ca. 54 n. Chr. vielleicht zu Jnteramna in Umbrien, war 79 Quästor, 88 Prätor. 97 Konsul; gest. um 120. Er ist der beste römische Geschichtsschreiber (vgl. Thucydides), vou unbedingter Wahrheitsliebe und echtem Patriotismus. Von seinen Historien haben wir noch den die Jahre 69 und 70 n. Chr. behandelnden Teil. Die Annalen, von denen B. 7—10 fehlen, umfassen die Jahre 14—66 n. Chr. In der Germania zeichnet Tazitus ein treues Bild unserer Vorfahren, im Agricola ein solches seines Schwiegervaters und im Dialog über die Redner beschäftigt er sich mit dem Verfalle der Beredsamkeit in der Kaiserzeit.
Als alles zwischen Ems und Lippe verwüstet worden, nicht fern vom Teutoburger Walde, wo, wie man sagte, noch unbestattet des Varus
und der Legionen Ueberreste bleichten, da ergriff den Caesar das Ver-
langen, nun den Kriegern und ihrem Führer die letzte Schuld abzutragen. Und tief bewegt zum Mitleid, ob der Unfälle des Krieges und des Loses frei; Menschen, war das ganze Heer. Rach Voraussendung Cäcinas, um
J) Ein Denkstein eines in der Varusschlacht gefallenen vornehmen Römers^ gesunden 1633 bei Xanten, befindet sich jetzt im Museum vaterl. Altertümer in Bonn. Die Jnichrist lautet:
„Dem Manius Caelius, Sohn des Titus, aus der Lemouischen Tribus — von Bononia [Bologna] gebürtig, Legat der 18. Legion, ös1/* Jahre alt. Gefallen im Varuskriege.
Man dars Gebeine hier beisetzen [weil leeres Grab]. Publius Caelius, des Titus Sohn, aus der Lemouischen Tribus, hat es als Bruder errichten lassen."
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des Waldgebirges verborgene Schluchten zu durchspähen und Brücken und Dämme über Sumpfgewässer und trügerische Felder aufzuführen, betreten sie den Schauplatz der Trauer, dem Blick wie der Erinnerung grauenvoll. Das erste Lager des Varus deutete durch weiten Umfang und durch die Ausdehnung des Feldherrnplatzes dreier Legionen Stärke unverkennbar an; weiterhin erkannte man am halbzerstörten Wall, am flachen Graben, daß der hier schon zusammengeschmolzene Nest sich festgesetzt; auf dem Felde in der Mitte bleiche Gebeine, wie sie geflohen waren, wie sie Widerstand geleistet, bald zerstreut, bald angehäuft. Dabei lagen Trümmer von Geschossen und Pserdegerippe; zugleich sah man vorn an Baumstämmen befestigte Schädel, in den benachbarten Hainen die Altäre der Barbaren, an welchen sie die Tribunen und die Centurionen der ersten Reihen geschlachtet hatten. Dazu erzählten die, welche, jene Niederlage überlebend, der Schlacht oder den Banden entronnen waren, hier seien die Legaten gefallen, dort die Adler genommen; wo die erste Wunde Varus empfangen, wo er durch unselige Hand, durch selbstgeführten Streich den Tod gefunden; auf welcher Erhöhung Arminius gesprochen, wieviel Galgen für die Gefangenen, welche Grüfte, und wie er der Fahnen und Adler im Übermut gespottet habe.
So bestattete denn das anwesende Römerheer im sechsten Jahre nach der Niederlage die Gebeine der drei Legionen, ohne daß jemand unterscheiden konnte, ob er fremde Reste oder die der Seinigen mit Erde decke: alle als Blutssreunde und Verwandte, mit gesteigerter Erbitterung gegen den Feind, voll Betrübnis zugleich und Grimm. Den ersten Rasen zur Errichtung des Grabhügels aber legte der Caesar, indem er den größten Liebesdienst den Verstorbenen erwies und teilnahm an der Lebenden Schmerz.
88. Arria, ein Frauencharakter der Kaiserzeit, c. 40 n. Chr.
Briefe des jüngeren Plinius, Iii, 16: Brief an Nepos. Ubers, von
(S. Klusemann.
Plinius d. I., „der liebenswürdigste Mensch des klassischen Altertums", geb. 62 u. Chr. in Como, unter Trajan Prätor, dann Konsul und zuletzt Prokonsul in Bithymen, gest. 110, gibt in seinen Briefen einen tiefen Blick in das politische und soziale Leben seiner Zeit und orientiert über deren künstlerische und literarische Bestrebungen. —
Der hier hervortretende Charakter der durch ihr Schicksal berühmt gewordenen Römerin ist ein echt antiker; ihr außerordentlicher Starkmut als Mutter und ihr nach römischen Begriffen heroischer Tod als Gattin verdienen unsere volle Teilnahme.
Gestern hatte ich eine Unterredung mit Fannia, der Enkelin jener Arria, die ihrem Gatten zugleich Trost und Vorbild im Sterben war. Sie erzählte mir viele Züge von ihrer Großmutter, die du, wie ich denke, mit nicht geringerer Bewunderung lesen wirst, als ich sie angehört habe.
Ihr Gatte Caecina Paetus x) und ihr Sohn lagen krank, und zwar
*) Ein gewesener Konsul (Konsulat).
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Extrahierte Personennamen: Varus Varus Grimm Nepos Klusemann Caecina_Paetus
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nicht, denn sie sind der Meinung, daß man dadurch seine körperliche Widerstandsfähigkeit gänzlich verliere.
Die öffentliche Meinung erachtet es als höchst rühmlich, daß um die Grenzen herum möglichst weite Landstreifen wüst liegen; daran erkenne man, daß eine große Zahl von Stämmen ihnen nicht standzuhalten vermöge. Daher liegen, sagt man, an einer Seite um die Grenzen der
Sueben gegen 600 000 Schritt Landes wüst. —
2. Nach Beendigung des Germanenkrieges x) glaubte Caesar aus mancherlei Gründen über den Rhein gehen zu müssen. Ter triftigste Grund war, daß die Germanen, welche, wie er sah, so leicht zu bewegen waren nach Gallien zu kommen, für sich selbst fürchten lernen sollten, wenn sie merkten, daß ein Heer des römischen Volkes mutig über den Rhein ziehe. Aber aus Schiffen überzusetzen hielt er weder für hinlänglich sicher, noch feiner und des römischen Volkes Würde angemessen.
So meinte er denn, obwohl ihm vor Augen stand, wie höchst schwierig es war, eine Brücke zu schlagen — wegen der Breite, Gewalt
und Tiefe des Stromes — den Übergang entweder so durchsetzen oder
aber ganz unterlassen zu müssen. —
Als binnen zehn Tagen, nachdem man angefangen hatte das Bauholz heranzuschaffen, die Brücke fertig gestellt war, wird das Heer hinübergeführt. Caesar läßt an beiden Seiten derselben eine starke Besatzung zurück und rückt in das Gebiet der Sigambrer. Unterdessen kommen von mehreren Gemeinden Gesandte zu ihm, auf deren Bitte um Frieden und Freundschaft er huldreich antwortet und Geiseln zu stellen heißt. Doch die Sigambrer, die sich seit der Zeit, da der Brückenbau begonnen worden, zur Flucht gerichtet, hatten aus Anraten der Tenkterer und Usipeter, die sich bei ihnen aufhielten, ihr Gebiet verlassen, alles Ihrige fortgeschafft und sich in einsamen Wäldern in Sicherheit gebracht.
Nachdem Caesar wenige Tage in ihrem Lande verweilt, alle Dörfer und Gehöfte angesteckt und das Getreide niedergehauen hatte, zog er sich in das Gebiet der Ubier zurück. Er versprach ihnen seinen Beistand, wenn sie von den Sueven bedrängt würden, und erfuhr nun von ihnen folgendes: die Sueven hätten, nachdem sie durch Kundschafter vernommen, daß die Brücke geschlagen werde, nach ihrer Sitte einen Rat gehalten und nach allen Seiten Boten entsandt: man solle die Ortschaften verlassen, Weiber und Kinder sowie alle Habe in den Wäldern bergen; alle, die Waffen tragen könnten, sollten an einem bezeichneten Punkte zusammenkommen, und zwar wäre dazu etwa die Mitte des Landstrichs, den die Sueven inne hätten, bestimmt worden; dort hätten sie der Römer Anrücken abzuwarten, dort den entscheidenden Kamps zu liefern beschlossen.
Als Caesar dies erfuhr, glaubte er, da er alles das ausgerichtet, um deswegen er das Heer hatte hinüber führen wollen (um nämlich den Germanen Schrecken einzujagen, die Sigambrer zu strafen und die Ubier von ihrer Bedrängnis zu befreien), und nachdem er überhaupt 18 ^age
j) Gegen über den Rhein nach Gallien herübergezogene Germanenhaufen.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Inhalt Raum/Thema: Weltgeschichte
Inhalt: Zeit: Mittelalter
1. Leben und Sitten der Germanen?)
Aus der „Germania" des Tazitus, ca. 100 n. Chr. (vgl. Band I, Nr. 87).
Sehr oft übersetzt; hier nach M. Oberbreyer.
Daß die germanischen Völker keine Städte bewohnen, sie nicht einmal zusammenhängende Wohnsitze lieben, ist allbekannt. Einsam und abgesondert siedeln sie sich an, wo gerade ein Quell, eine Aue, ein Gehölz sie einladet. Ihre Dörfer bestehen nicht wie die unseren aus verbundenen, zusammenhängenden Häuserreihen; jeder umgibt sein Haus rings mit einem freien Platz, entweder zum Schutz gegen Feuersgefahr, oder vielleicht weil sie es überhaupt nicht besser verstehen. Sogar Mauersteine und Ziegel sind ihnen unbekannt; alles wird rohes Gebälk, ohne Bedacht auf Schönheit und Anmut. Nur einzelne Stellen des Baues werden sorgsamer mit einer reinen, glänzenden Erdart übertüncht, so daß es wie Malerei und Farbenzeichnung aussieht. Auch unterirdische Höhlen graben sie aus, die sie oben mit einer starken Dungschicht beschweren, als sichere Wohnung im Winter und zum Bergungsort für Feldfrüchte. Ein solches Gelaß mildert die Kälte des Winters und falls einmal der Feind ins Land bricht, fo plündert er doch nur, was offen da liegt, während jene verborgenen und vergrabenen Schätze ihm unbemerkt bleiben oder gerade deshalb entgehen, weil er sie vorher suchen müßte.
Die allgemeine Tracht ist ein Mantel, der mit einer Spange oder in deren Ermangelung mit einem Dorn zusammengehalten ist. So bringen sie den ganzen Tag am Herdfeuer zu. Nur die Wohlhabendsten tragen ein besonderes Gewand, das nicht wallend, wie das sarmatische und persische, sondern enganliegend ist und jeden Körperteil hervortreten läßt. Auch Tierfelle tragen sie; die in der Nähe des Rheins ohne weitere Auswahl, die weiter im Innern mehr auserlesene, da kein Handelsverkehr ihnen andern Schmuck liefert. Sie suchen daher die verschiedenen Tier-
*) Der Name der Germanen (keltisch, = Nachbarn?) wird geschichtlich zuerst erwähnt zum Jahre 222 v. Chr. von der nachstehenden Inschrift in den 154^ zu Rom entdeckten Resten der kapitolinischen Fasten (Abbildung bei L. Stacke, Deutsche Geschichte, 3. Aust. Bielefeld 1882, Bd. I, S. 4.):
,,M. Claudius, Sohn des Marcus, Enkel des Marcus Marcellus, hat im Jahre 53 [feit der Gründung Roms, = 222 v. Chr.], als Konsul am 1. März triumphiert über die insnbrischen Gallier und die Germanen.
Er hat dabei eine Hauptbeute heimgebracht, da der Anführer der Feinde, Virdumar, von ihm getötet worden." —
Quellenstücke über das Auftreten der Germanen im römischen Altertum vgl. im übrigen in Bd. I, Nr. 72: Cimbern und Teutonen, 77: Caesars Rheinübergang, 86: Varusschlacht, 87: Germanikns auf der Stätte der Varusschlacht.
Zurbonsen, Quellenbuch. H. 1
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Extrahierte Personennamen: L._Stacke Aust Claudius Marcus Marcus_Marcellus Caesars_Rheinübergang Germanikns
Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
1. Cäsars i Bericht über die Germanen.
Cäsars Gallischer Krieg. Aus: Die Römerkriege. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit.
2. Aufl. von Wattenbach. Leipzig, Duncker. 1. Bd. S. 104.
Die Germanen haben weder Druiden, um dem Gottesdienste vorzustehen, noch kümmern sie sich viel um Opfer. Zur Zahl der Götter rechnen sie nur diejenigen, welche sie sehen, und durch deren Segnungen sie offenbar gefördert werden: Sol, Vulcanns und Luna; von den übrigen haben sie nicht einmal durch Hörensagen vernommen. Ihr ganzes Leben dreht sich um Jagden und Übungen zum Kriege; von klein auf gehen sie auf Arbeit und Abhärtung aus. Um Ackerbau kümmern sie sich nicht; der größte Teil ihrer Nahrung besteht in Milch, Käse und Fleisch. Auch hat keiner ein bestimmtes Maß Ackerland oder eigenen Grundbesitz; sondern die Obrigkeit und die Fürsten weisen immer auf ein Jahr den Stämmen und den Sippschaften, die unter sich zusammengetreten sind, Ackerland an, soviel und wo es ihnen gut dünkt, und zwingen sie, das Jahr danach anderswohin überzusiedeln. Dafür bringen sie viele Gründe bei: damit sie nicht, durch stete Gewohnheit verlockt, den Kriegseifer gegen Ackerban vertauschen; damit sie nicht weiten Grundbesitz zu erwerben trachten und die Mächtigeren die Niederen aus ihren Besitzungen verdrängen; damit sie nicht mit zu großer Sorglichkeit zum Schutz gegen Kälte und Hitze bauen; damit nicht etwa Geldgier aufkomme, woraus Parteiung und Zwietracht entstehe; damit sie das niedere Bolk in guter Stimmung erhalten, wenn jeder sieht, daß sein Besitz mit dem der Mächtigsten gleich stehe.
Der Gemeinden größter Ruhm ist es, in möglichst weitem Umkreise das Land verheert und Einöden rings um sich zu haben. Das halten sie für ein Kennzeichen der Tapferkeit, daß die Grenznachbarn, ans ihren Ländereien vertrieben, zurückweichen und niemand in der Nähe Fuß zu fassen vermag; sie meinen zugleich, daß sie dadurch gesicherter sein würden, und daß die Furcht vor einem plötzlichen Einfalle schwände. Wenn eine Gemeinde Krieg, den man mit ihr angefangen hat, abwehrt oder selbst Krieg anfängt, so wird zur Leitung des Krieges eine Obrigkeit gewählt, mit der Befugnis, Recht zu haben über Leben und Tod. Im Frieden gibt es keine gemeinsame
1 Julius Cäsar, der 55 und 53 v. Chr. den Rhein überschritt und in das Gebiet der Germanen eindrang, berichtet über sie in seinen „Kommentarien" (Denkwürdigkeiten, Tagebüchern) in klarer und sachlicher Darstellung nach seiner eigenen Anschauuna und den Mitteilungen der Gallier und reisenden Kaufleute.
Ahler, Quellenbuch. 1
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Dio Cassius: Die Schlacht im Teutoburger Walde.
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es empfangen und wiederum auf die Enkel übertragen. So leben sie denn in unantastbarer Keuschheit, durch keine Lockung des Schauspiels, keine Reizung des Gastmahls verführt. Sehr selten kommt bei dem so zahlreichen Volke der Ehebruch vor, dessen sofortige Bestrafung den Ehemännern anheim-
gestellt ist.
3. Die Schlacht im Teutoburger Walde.
Aus der römischen Geschichte des Dio Cassius?
Die Römerkrieqe. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit. 2. Aufl. von Wattenbach.
Leipzig, Duncker. 1. Bd. S. 164.
Die Römer hatten in Germanien einige Punkte nicht auf einmal,
sondern wie es sich gerade traf, in ihre Gewalt gebracht, weshalb auch keine geschichtliche Aufzeichnung darüber vorhanden ist. Römische Soldaten lagen dort im Winterquartier, Städte wurden gegründet und die Barbaren durch römische Sitte wie umgewandelt; Märkte wurden eröffnet und friedlicher Verkehr mit ihnen unterhalten. Doch nicht hatten sie die mitten ihrer Vater, ihre angeborene Art, ihr freies Leben und die Macht, welche ihnen die Waffen gaben, vergessen. Solange sie daher allmählich und mit methodischer Behutsamkeit umgebildet wurden, empfanden sie die Veränderung ihrer Lebensart nicht drückend und merkten es selbst nicht, wie sie andere wurden. Als aber Varus Quiutilius, der. nachdem er Syrien verwaltet hatte, zum Oberbefehlshaber in Germanien ernannt war und die dortigen Verhältnisse als höchste Behörde ordnete, sie mit größerer Schnelligkeit und Nachdruck umwandeln wollte, ihnen Befehle wie Sklaven erteilte und wie von Untergebenen Geldzahlungen forderte, ertrugen sie es nicht, Fürsten rote Volk: jene, weil sie nach ihrer früheren Macht Begehr trugen, dieses, weil es die gewohnte Ordnung der Dinge fremder Zwingherrschaft vorzog. Einen offenen Aufstand wagten sie nicht, weil sie sahen, daß die Römer zahlreich am Rhein, zahlreich auch in ihrem eigenen Lande standen; sondern indem sie Varus bereitwillig aufnahmen, als würden sie alles tun, was ihnen befohlen würde, lockten sie ihn weit ab vom Rhein in das Land der Cherusker und an die Weser. Da sie auch dort in Frieden und Freundschaft mit ihm lebten, brachten sie ihn zu dem Glauben, sie könnten Sklaven sein, auch ohne Soldaten.
So hielt denn Varus seine Heeresmacht nicht, wie es in Feindesland
sich gehörte, beisammen, sondern überließ die Soldaten scharenweise hilfsbedürftigen Leuten, die darum baten, bald um irgend einen festen Platz zu
i Dio Cassius oder Cassius Dio war ein Grieche aus Nicäa, wo er um
150 it. Cbr. geboren wurde und nach 229 starb. Er stieg in Rom zum Prätor empor
und war zweimal Konsul. Nach 229 zog er sich in seine Vaterstadt zurück und schrieb
eine römische Geschichte in 80 Büchern. Wir besitzen nur den Teil des Werkes, der die Zeit von 68 v. Chr. bis 47 it. Chr. (aber auch nicht lückenlos) behandelt.
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Tacitus: Germania.
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ab, oder hauen sie nur an, so daß sie im ganzen das Aussehen behalten, als ständen sie fest. Wenn die Alken sich dann ihrer Gewohnheit gemäß anlehnen, so werfen sie durch ihr Gewicht die schwachen Bäume um und stürzen mit ihnen zugleich selbst nieder.
Die dritte Gattung bilden die sogenannten Auerochsen. Sie stehen an Größe etwas unter dem Elefanten; dem Ansehen, der Farbe, der Gestalt nach sind .sie Stiere. Groß ist ihre Kraft und groß ihre Schnelligkeit; weder einen Menschen noch ein Tier, das sie erblickt haben, verschonen sie. Diese töten die Germanen mit besonderem Eifer, indem sie sie in Gruben fangen. Durch diese Arbeit stählen sich Männer und Jünglinge, in dieser Art Jagd üben sie sich; die, welche die meisten von ihnen getötet haben, finden, wenn sie die Horner zum Beweise in die Versammlung bringen, großes Lob. Doch an die Menschen gewöhnt und gezähmt sönnen die Auerochsen nicht werden, nicht einmal, wenn man sie noch ganz klein auffängt. Die Große der Hörner, ihre Gestalt und ihr Aussehen weicht sehr von den Hörnern unserer Stiere ab. Diese suchen die Germanen eifrig zusammen, fassen sie am Rande mit Silber ein und gebrauchen sie bei den stattlichsten Gelagen als Becher.
2. Aus der Germania des Tacitus?
Die Römerkriege. 2. Abteilung. Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit.
Leipzig, Duncker. 2. Bd. S. 175.
Das Land, obwohl es ziemliche Abwechslung darbietet, ist im ganzen doch von rauhen Wäldern oder schmutzigen Sümpfen bedeckt; der Nässe ist es mehr nach Gallien, den Winden mehr nach Noricum und Pannonien hin ausgesetzt. Für Getreidesaat ist es ergiebig, doch Obstbaume trägt es nicht. Vieh bringt es viel hervor, doch ist dieses meistens unansehnlich. Nicht einmal das Rindvieh behauptet seine stattliche Gestalt und den Schmuck der Stirne; nur die Zahl freut die Germanen, das ist ihr einziger, liebster Schatz. Ob Huld oder Zorn der Götter ihnen Silber und Gold versagt hat, weiß ich nicht. Doch möchte ich nicht behaupten, daß keine Gebirgsader Germaniens Silber oder Gold hervorbrächte; denn wer hat danach gesucht? Besitz und Gebrauch wirkt auf die Germanen nicht wie sonst. Man kann bei ihnen silberne Gesäße, die ihre Gesandten und Fürsten als Geschenke erhielten, neben irdenem
1 Publius Cornelius Tacitus, der hervorragendste Geschichtschreiber der römischen Kaiserzeit, lebte von 54—120 n. Chr. Unter Domitian war er Prätor, unter Trajan Konsul. Sein Schwiegervater war Agricola, der in Britannien die Römerherrschaft befestigte (78—84), aber von dem argwöhnischen Domitian zurückgerufen wurde. Tacitus schilderte auf Grund sorgfältiger Beobachtungen die Germanen und ihr Land und hinterließ uns in seiner „Germania" die wertvollste Quelle für die Kenntnis der alten Deutschen. Der sittenstrenge Verfasser hielt diese Schilderung den entarteten Römern gleichsam als Spiegel vor, doch verschwieg er auch die Fehler der Deutschen nicht. — Seine „Annalen" behandeln die Jahre 14—69; seine „Historien" schildern die Geschichte seiner Zeit.
1*
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Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
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Dio Cassius: Die Schlacht im Teutoburger Walde.
bewachen, bald um Räuber einzufangen, bald um Getreidetransporte zu begleiten. Die hauptsächlichsten Verschworenen, welche bei dem Anschlage, wie nachher im Kriege anführten, waren neben anderen Arminius und Segimerus; beide waren stets um Vams und oft an feiner Tafel. Er war daher guten Mutes, erwartete nichts Arges und schenkte allen denen, welche argwöhnten, was geschah, und ihm zur Vorsicht rieten, nicht allein feinen Glauben, sondern schalt sie, als ob sie sich vergebens ängstigten und jene mit Unrecht verleumdeten. Da empörten sich zuerst einige von denen, welche weiter ab wohnten, der Verabredung gemäß, damit Varus, wenn er gegen sie zöge, auf dem Marsche, zumal er in Freundesland zu fein glaubte, leichter beizukommen wäre, und er nicht etwa, wenn alle zugleich plötzlich den Krieg erklärten, sich durch Vorsicht sicherte. So geschah es. Als er aufbrach, ließen sie ihn vorausgehen und blieben zurück, angeblich um Bundesgenossen zu werben und sodann binnen kurzem zu ihm zu stoßen. Nachdem sie die Hilfsmacht, welche schon an einem bestimmten Platze bereit stand, herangezogen und die bei ihnen befindlichen Soldaten, welche sie sich in früherer Zeit erbaten, getötet hatten, rückten sie auf ihn an, als er schon mitten in den Waldungen steckte, wo kaum ein Ausweg zu finden ist. Mit einem Schlage zeigten sie da, daß sie Feinde sein wollten, nicht Untergebene, und vollbrachten viel furchtbare Taten.
Denn die Berge waren schluchtenreich und zerklüftet, die Waldungen dicht und voll riesiger Stämme, so daß die Römer, bevor noch die Feinde sich auf sie stürzten, Not genug hatten, sie zu fällen, Wege zu bahnen und, wo es nottat, Brücken zu schlagen. Auch viele Wagen und Lasttiere führten sie mit sich — es war ja Friede; überdies begleiteten sie nicht wenige Kinder und Weiber und ein zahlreicher Troß, so daß sie auch deshalb schon ohne Ordnung und zerstreut marschierten. Dazu kamen, um sie noch mehr auseinanderzubringen, Regen und starker Wind. Der Boden selbst verstattete ihnen nur unsicheren Tritt, indem man leicht über Wurzeln und Baumstümpfe siel; auch die Äste, welche abbrachen und herunterstürzten, brachten sie in Unordnung. Während die Römer sich so in hilfloser Lage befanden, umzingelten plötzlich die Barbaren sie von allen Seiten, durch das dichteste Gestrüpp dringend, da sie ja der Fußpfade kundig waren. Anfangs schleuderten sie von weitem Geschosse, danach aber, als sich keiner wehrte und viele verwundet wurden, rückten sie dicht heran. Denn da die Truppen nicht in geordnetem Zuge, sondern in buntem Gemisch zwischen Wagen und Un-bewaffneten marschierten, konnten sie sich nicht leicht auf einem Punkte sammeln und waren im einzelnen immer schwächer an Zahl als die angreifenden Barbaren; daher litten sie viel, ohne es vergelten zu können.
Sie schlugen, als sie — soweit es in einem dichtbewaldeten Gebirge überhaupt möglich war — einen passenden Platz gefunden hatten, ein Lager
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unterbrochen war, konnten sich nicht sammeln und litten daher großen Verlust, ohne den Feinden etwas anhaben zu können. Als sie einen geeigneten Platz fanden, schlugen sie ein Lager auf, verbrannten die Mehrzahl ihrer Wagen und was sie vom Gepäcke entbehren konnten, oder sie ließen es zurück.
5. Der zweite und dritte Schlachttag. Am Tage darauf brachen die Römer in einem etwas besser geordneten Zuge auf und rückten auf eine baumlose Ebene vor, doch nicht ohne schwere Verluste zu erleiden. Von dort aus gelangten sie wieder in den Wald. Machten die Römer den Versuch, sich gegen die heranstürmenden Feinde zu verteidigen, dann schlug auch dies zu ihrem Verderben aus. Denn da das Heer auf einem kleinen Raume zusammengedrängt war, damit zugleich Fußvolk und Reiterei in dichter Kolonne den Feind abwehren könnten, so fügten sie einander selbst vielen Schaden zu. Auch aus den Wipfeln der Bäume wurden Geschosse auf sie geschleudert. Als sie mit Tagesanbruch sich wieder auf den Weg machten, strömten Regengüsse hernieder, und ein furchtbarer Sturm erhob sich. Weder vorwärts konnten sie dringen, noch sich sammeln und Halt machen. Auch konnten sie keinen Gebrauch von ihren Waffen machen. Bogen und Pfeil, Wurfspeer und Schild trieften vor Nässe. Weniger trafen diese Nachteile die Feinde. Leichtbewaffnet waren die meisten, und gedeckt vermochten sie anzugreifen und sich zurückzuziehen. Dazu kam, daß jetzt auch die Zahl der Germanen anwuchs; denn viele, die vorher geschwankt hatten, eilten ihnen, schon um der Beute willen, zu Hilfe. Leichter vermochten sie nun die Römer, welche schon in den früheren Treffen viele der Ihrigen verloren hatten, zu umzingeln und niederzuhauen. In solcher Lage fürchteten Varus und andere angesehene Männer, welche schon verwundet waren, daß sie lebendig in die Hand des Feindes geraten oder von dem erbitterten Gegner grausam getötet werden könnten, und stürzten sich in ihr Schwert.
6. Folgen der Schlacht. Als sich die Kunde davon verbreitete, dachte niemand mehr an Verteidigung. Die einen folgten dem Beispiele des Führers, die andern warfen die Waffen weg und boten sich freiwillig dem Tode dar; denn zu entfliehen, hätte keiner vermocht. So konnte alles furchtlos niedergemetzelt werden, Männer und Rosse. Alle festen Plätze fielen in die Hand der Germanen, Alifo an der Lippe ausgenommen. Als Augustus die Nachricht von der Niederlage des Varus erhielt, zerriß er, wie einige erzählen, sein Gewand und brach in laute Klage aus um die Gefallenen, indem er rief: „Varus, gieb mir die Legionen wieder!" Den Tag der Niederlage beging er alljährlich als einen Tag der Trauer. In seiner Furcht erblickte er barbarische Horden schon auf dem Marsche nach Italien und Rom. Dazu war die junge Mannschaft der Römer an Zahl gering, die Truppen der Bundesgenossen aber, die nur irgend zu gebrauchen
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