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die Kämpfe zwischen Welsen und Staufen wieder, bis 1235 auf dem
Reichstage zu Mainz eine Einigung zu stände kam. Mit großer Pracht
erschien hier der Welfe vor Friedrich Ii., beugte feine Knie vor dem
Kaiser und übergab diefem feine sämtlichen Erblande. Der Kaiser
überreichte ihm eine Reichsfahne und überwies ihm feierlichst die Eigen-
besitznngen als Reichslehen und neues Herzogtum. In diesem Herzog-
tum „ Braun schweig-Lüneburg ", welches das Land zwischen
Deister und Leine, Göttingen, - Grnbenhagen, den Harz, Braunschweig,
Celle und Lüneburg umfaßte, liegt der Kern der heutigen Provinz
Hannover und des Herzogtums Brauufchweig eingeschlossen.
Noch unter Otto wuchs das Herzogtum und begann aufzublühen.
Aber man folgte dem Brauche vieler Fürsteu damaliger Zeit; man
teilte das Land und machte es durch Zersplitterung ohnmächtig.
Schon die beiden Söhne Ottos begannen 1269 diese Teilungen. Albrecht
erhielt den südlichen Teil unter dem Namen eines Herzogs von Brmm-
schweig; Johann nahm den nördlichen Teil unter dem Titel eiues
Herzogs von Lüneburg. Noch zwölsmal ist dieser Landbesitz geteilt
worden, und eine Reihe von Ländchen bildete sich, in denen einmal
sogar gleichzeitig 7 Herzöge regierten. Doch das Schicksal führte
diese Herzogsländchen, in deffen Bewohnern wie Fürsten das Gefühl
der Zusammengehörigkeit zum Glück erhalten blieb, immer wieder
zusammen. Durch die Teilung von 1635 wurde dann der Grnnd gelegt
zu den beiden Ländern Hannover und Braun schweig.
Wir beschränken uns nun darauf, das Wachstum des Landes
Hannover zu verfolgen. Diesem Hause Lüneburg (Hannover) gehörten
die Herzogtümer Lüneburg, Celle, Calenberg, Göttingen, Grnbenhagen
und die Grafschaften Hoya (1582), Diepholz (1585) und Stücke von
Schaumburg und Lauenburg. Durch Teilung entstanden 1641 die beiden
Linien Lüueburg-Celle und Lüneburg-Hannover, die 1705 wieder vereinigt
wurden. Inzwischen hatte der Hannoversche Zweig unter Ernst August
(1679—98) im Jahre 1692 die Kurwürde erhalten. Als Kurfür st eu-
tum Hannover war es unteilbar und darum iu Zukunft vor Zer-
fplitternng geschützt. Georg, der Sohn Ernst Augusts, der durch Heirat
mit der Erbtochter vou Lüneburg - Celle (Prinzessin von Ahlden) auch
diese Läuder erhielt, vergrößerte im Jahre 1715 das Land durch Ankauf
der Herzogtümer Bremen und Verden von den Schweden, und fein
Sohn Georg Ii. erwarb 1731 das Land Hadeln.
Kurfürst Georg wurde dann im Jahre 1714 als nächster Ver-
wandter der Königin Anna König von England; Hannover wurde
Nebenland und hat bis zum Jahre 1837 (bis zu diesem Jahre war es
mit England verbunden) von dieser Verbindung manchen Nachteil _ er-
fahren. Nicht nur haben während des 7 jährigen Krieges Frankreichs
Heere es im Kampfe gegen England ausgeplündert und haben hunderte
von braven Hannoveranern für England in Amerika bluten müssen,
auch Napoleon I. hat seinen Haß gegen England an dem Nebenlande
Hannover ausgelassen und hat in der Zeit von 1863—1805 aus dem
TM Hauptwörter (50): [T13: [Stadt Elbe Hamburg Berlin Provinz Bremen Land Lübeck Hannover Weser], T47: [Friedrich Wilhelm Kaiser König Iii Kurfürst Jahr Preußen Brandenburg Johann], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich Otto Ottos Albrecht Johann Ernst August Georg Ernst_Augusts Ernst Augusts Georg_Ii Georg Anna_König Napoleon_I.
Extrahierte Ortsnamen: Staufen Mainz Göttingen Braunschweig Celle Lüneburg Ottos Lüneburg Hannover Celle Calenberg Diepholz Schaumburg Lauenburg Lüneburg Bremen Schweden England England Frankreichs England England Amerika England Hannover
300
Iii. Geschichtsbilder.
Oesterreicher ziehen wollte, verweigerte
d'olfort nicht nur den Einlaß, sondern
er ließ Kanonen gegen seine eigenen
Landsleute aufführen; dagegen öffnete
er den Oesterreichern von der andern
Seite die Stadt. So gingen alle Fe-
stungen und Städte wieder an die Oester-
reicher verloren. Einzelne Haufen lei-
steten da und dort noch hartnäckigen
Widerstand; doch sie wurden überwältigt,
zerstreut, gefangen, entwaffnet. Auch
Meindl, der sich bei Wasserburg noch
verschanzt hielt, verließ, nachdem er
Alles verloren sah, seine Schaaren. Der
edle Plinganser zerbrach verzweifelnd sein
Schwert und floh aus dem unglücklichen
Vaterlande.
So endete diese Erhebung, welche
den glorreichen Aufständen der Tiroler
an die Seite gestellt werden darf, zwar
nicht im Glücke der Waffen, wohl aber
in edler Begeisterung, Vaterlandsliebe
und treuer Anhänglichkeit an den
Fürsten!
138. Karl Albrecht und Maximilian Joseph Ul in Bayern.
1. Der Tod des Kaisers Karl Vi.,
des letzten männlichen Sprossen aus dem
habsburgischen Hause, rief in Deutsch-
land wieder ernste Verwicklungen her-
vor. Auf Grund eines von Karl Vi.
unter Zustimmung der Stände und der
meisten deutschen und auswärtigen Re-
genten erlassenen Hausgesetzes, der prag-
matischen Sanktion, trat Karls Vi.
einzige Tochter Maria Theresia die
Regierung in sämmtlichen österreichischen
Kronländern an. Kurfürst Karl Al-
brecht von Bayern aber war nicht ge-
neigt, seine durch Kaiserferdinands l. Te-
stament verbrieften Ansprüche auf Oester-
reich und Böhmen so leichthin bei Seite
schieben, zu lassen. Frankreich und
das junge, mächtig aufstrebende König-
reich Preußen suchten den Erbschafts-
streit zu ihrem Vortheil auszubeuten
und ermunterten den bayerischen Kur-
fürsten in seinem Widersprüche gegen die
pragmatische Sanktion, wenn gleich beide
Staaten dieser früher ihre Zustimmung
gegeben hatten. Da nun Oesterreich
Bundesgenossen an England und Holland,
später sogar an Rußland fand, so stund
bald beinahe ganz Europa abermals wi-
der einander in Waffen. Wie im spa-
nischen Erbfolgekriege mußte Bayern die
bittere Erfahrung machen, daß Frank-
reich nur aus eigenem Interesse Karl
Albrechts Parthei ergriffen hatte, und
daß es diesen in der Roth ebenso seinem
Schicksale überließ, wie früher den Kur-
fürsten Max Emannel.
Preußen war in diesen Krieg ohne-
hin aus keiner andern Absicht einge-
treten, als sich auf Kosten Oesterreichs
zu vergrößern; es kümmerte sich um
Karl Albrecht nicht weiter, sobald es
dieses Ziel erreicht hatte. So besaß
dieser bloß Bundesgenossen, denen sein
gutes Recht nur zu einem Deckmantel
diente, unter dem sie ihre selbstsüchtigen
Zwecke verfolgten.
Ueber Karl Albrecht und seine treuen
Bayern brachte dieser Krieg vielen Jam-
mer. Wohl drang der Kurfürst An-
fangs siegreich in Oesterreich ein und
ließ sich in Linz als Erzherzog huldigen;
statt aber geraden Weges auf Wien zu
gehen, zog er nach Prag, um dort die
böhmische Krone zu empfangen, zu welcher
er bald darauf in Frankfurt noch die
deutsche Kaiserkrone erhielt. Rur zu
bald wendete sich das trügerische Kriegs-
glück. Die Oesterreicher eroberten Bayern
und nachdem der bayerische General
Seckendorf es seinem Herrn ans kurze
Zeit wieder gewonnen, siel es aber-
mals in österreichische Hände und wurde
nun wie zu Max Emanuels Zeiten als
ein erobertes Land behandelt und sogar
gezwungen, Maria Theresia, der Königin
von Ungarn und Böhmen, zu huldigen.
Karl Albrecht aber ward von Frank-
reich wie von Preußen im Stiche ge-
lassen. In Frankfurt saß er, ein Fürst
ohne Land, ein Kaiser ohne Macht.
Vom Mißgeschick gebeugt, rief er aus:
„Mich wird das Unglück nicht verlassen,
bis ich es verlasse!" Noch ein Licht-
strahl siel in sein düsteres Loos:
der greise Seckendorf hatte ihm
Bayern zum zweitenmale erobert und
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TM Hauptwörter (200): [T55: [Friedrich Kaiser Kurfürst Herzog Sachsen Johann Karl Land Bayern Wilhelm], T150: [Maria König Theresia Kaiser Franz Karl Friedrich Joseph Frankreich Sohn], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Meindl Karl_Albrecht Karl Albrecht Maximilian_Joseph_Ul Maximilian Karl_Vi Karl Karl_Vi Karl Karls Maria_Theresia Maria Theresia Karl_Al- Karl Karl
Albrechts Karl Albrechts Max_Emannel Max Karl_Albrecht Karl Albrecht Karl_Albrecht Karl Albrecht Max_Emanuels Max Maria_Theresia Maria Theresia Karl_Albrecht Karl Albrecht
Extrahierte Ortsnamen: Oester- Wasserburg Bayern Deutsch- Karls Frankreich Oesterreich England Holland Europa Frank- Roth Oesterreich Linz Wien Prag Frankfurt Ungarn Frankfurt
286
in. Geschichtsbilder.
der Rednitz postirt war, ein heftiger
Kampf entzündet, wo mit abwechselndem
Glück der Feind bald Besiegter, bald
Sieger bleibt, und auf beiden Seiten
gleich viel Blut fließt, gleich tapfere
Thaten geschehen. Dem Herzog von
Friedland und dem Prinzen Bernhard
von Weimar werden die Pferde unter
dem Leibe erschossen, dem König selbst
reißt eine Stückkugel die Sohle von dem
Stiefel. Mit ununterbrochener Wuth
erneuern sich Angriff und Widerstand,
bis endlich die eintretende Nacht das
Schlachtfeld verfinstert und die erbitter-
terten Kämpfer zur Ruhe zwingt. Jetzt
aber sind die Schweden schon zu weit
vorgedrungen, um den Rückzug ohne
Gefahr unternehmen zu können. Indem
der König einen Offizier zu entdecken
sucht, den Regimentern durch ihn den
Befehl zu übersenden, stellt sich ihm der
Obrist Hebron, ein tapferer Schottländer,
dar, den bloß sein natürlicher Muth aus
dem Lager getrieben hatte, die Gefahr
dieses Tages zu theilen. Ueber den
König erzürnt, der ihm unlängst bei
einer gefahrvollen Aktion einen jüngern
Obristen vorgezogen, hatte er das rasche
Gelübde gethan, seinen Degen nie wieder
für den König zu ziehen. An ihn wen-
det sich Gustav Adolf, und, seinen Hel-
denmuth lobend, ersucht er ihn, die Re-
gimenter zum Rückzug zu kommandiren.
„Sire," erwidert der tapfere Soldat, „das
ist der einzige Dienst, den ich Ew. Ma-
jestät nicht verweigern kann, denn es ist
etwas dabei zu wagen;" und sogleich
sprengt er davon, den erhaltenen Auf-
trag in's Werk zu richten. Zwar hatte
sich Bernhard von Weimar in der Hitze
des Gefechtes einer Anhöhe über der
alten Feste bemächtigt, von wo aus man
den Berg und das ganze Lager bestrei-
chen konnte. Aber ein heftiger Platz-
regen, der in derselben Nacht einfiel,
machte den Abhang so schlüpfrig, daß
es unmöglich war, die Kanonen hinauf-
zubringen, und so mußte man von freien
Stücken diesen mit Strömen Bluts er-
rungenen Posten verloren geben. Miß-
trauisch gegen das Glück, das ihn an
diesem entscheidenden Tage verlassen hatte,
getraute der König sich nicht, mit er-
schöpften Truppen am folgenden Tage
den Sturm fortzusetzen, und zum ersten
male überwunden, weil er nicht Ueber-
winder war, führte er seine Truppen
über die Rednitz zurück. Zweitausend
Todte, die er auf dem Wahlplatz zurück-
ließ, bezeugten seinen Verlust, und un-
überwunden stand der Herzog von Fried-
land in seinen Linien.
Noch ganze vierzehn Tage nach die-
ser Aktion blieben die Armeen einander
gegenüber gelagert, jede in der Erwar-
tung, die andere zum Ausbruch zu nöthi-
gen. Je mehr mit jedem Tage der
kleine Vorrath an Lebensmitteln schmolz,
desto schrecklicher wurden die Drangsale
des Hungers, desto mehr verwilderte der
Soldat, und das Landvolk umher ward
das Opfer seiner thierischen Raubsucht.
Nürnberg hatte sich über Vermögen
angestrengt, die ungeheure Menschen-
menge, welche in seinem Gebiete zusam-
mengepreßt war, elf Wochen lang zu
ernähren; endlich aber versiegten die
Mittel, und der König mußte sich zuerst
zum Abzug entschließen. Mehr als zehn-
tausend seiner Einwohner hatte Nürn-
berg begraben, und Gustav Adolf gegen
zwanzigtausend seiner Soldaten durch
Krieg und Seuchen eingebüßt. Zertreten
lagen alle umliegenden Felder, die Dör-
fer in Asche, das beraubte Landvolk
verschmachtete auf den Straßen, Moder-
gerüche verpesteten die Lust, verheerende
Seuchen, durch die kümmerliche Nahrung,
durch den Qualm eines so bevölkerten
Lagers und so vieler verwesender Leich-
name, durch die Glut der Hundstage
ausgebrütet, wütheten unter Menschen
und Thieren, und noch lange nach dem
Abzug der Armeen drückten Mangel und
Elend das Land. Gerührt von dem
allgemeinen Jammer, und ohne Hoff-
nung, die Beharrlichkeit des Herzogs
von Friedland zu besiegen, hob der Kö-
nig am 8. September sein Lager aus
und verließ Nürnberg, nachdem er es
zur Fürsorge mit einer hinlänglichen
Besatzung versehen hatte. In völliger
Schlachtordnung zog er an dem Feinde
vorüber, der unbeweglich blieb und nicht
das Geringste unternahm, seinen Abzug
zu stören.
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Extrahierte Personennamen: Bernhard
von_Weimar Muth Gustav_Adolf Gustav Adolf Bernhard_von_Weimar Gustav_Adolf Gustav Adolf
412
Ii. Epische Dichtungen.
5. Verruchter Söhne Frevel, geschworner Treue Bruch,
Hat längst auf uns geladen des Himmels Rachespruch:
Vernimm die grause Kunde — du stehst an selber Statt,
Wo Ludewig den Frommen sein Heer verrathen hat.
6. Wir schlossen dichte Reihen bis an die Berge fern,
Gerüstet, ihn zu schirmen, den kaiserlichen Herrn;
Da zog in blanken Waffen der Söhne Schaar heran.
Von dumpfen Rasseln dröhnte der weite Rasenplan.
7. So stürmten sie herrüber, die freveln Brüder vorn,
In ihren Fäusten Schwerter, in ihren Blicken Zorn!
Durch unser Lager schlüpfte der tückische Lothar
Und bot uns blanke Münzen und glatte Worte dar.
8. Der heil'ge Vater selber hat uns den Sinn bethört:
Es gelte keine Treue, die man dem Sünder schwört!
So schlich er durch die Reihen und streute schlimme Saat —
Bis alle wir verblendet uns fügten dem Verrath.
9. Drauf schlugen die Verruchten des alten Vaters Hand —
Er bot sie schon zum Frieden — in schweres Eisenband,
Sie rissen ihm die Krone vom Haupte, silberweiß,
Und führten ihn von hinnen, den weltverlass'nen Greis.
10. Und Ludewig der Fromme das Aug' gen Himmel schlug:
„Ist denn geschworne Treue und Kindesliebe Trug?
Weh', falsche Söldnerschaaren, so feil und so verrucht!
Weh' dir, du Lügenstätte — ihr seid fortan verflucht!"
11. Der Himmel hat vollzogen des Greises Rachewort,
Die Bäche sind vertrocknet, der Anger liegt verdorrt,
Und keine Saaten sprießen, es schallt kein Vogellied,
Rur Farrenkräuter schießen hervor aus schwarzem Ried.
12. „Und in den Höhlen drunten, in weitverschlung'nem Gang,
Da schlafen unsre Schaaren vielhundert Jahre lang;
Da schlafen auch die Brüder, die freveln Söhne drei;
Verrostet sind die Schwerter, verstummt das Sieggeschrei.
13. Fleuch', Wandersmann, von hinnen und sag' es aller Welt,
Weß Fluch in diesen Gauen uns tief in Schlummer hält!" —
Der Wandersmann sich kreuzet und thut zur selben Stund'
Im Thanner Münster drüben die Märe beichtend kund.
56. Herzog Luitpolds Tod in der Schlacht an der Ensburg.
Von Friedrich Beck.
1. Die Völker des Ostens, sie dringen heran,
Sie zeichnen mit Flammen und Blut die Bahn,
Sie brausen einher wie Sturmeswind,
Weh’Deutschland dir, dich leitet ein Kind !
2. Und Ludwig hebt: „Wer schützt mir die
Mark ?
Auf! Bayerns Herzog so kühn und stark!“
Der spricht: „Ich wahre dir treuen Sinn,
Und willst du mein Leben, ich geb’ es dir hin!“
3. Sie rüsten die Waffen, die spiegelnde
Wehr,
An der Ensburg schaart sich der Deutschen
Heer;
Wo die Donau strömet vorbei mit Macht,
Da lagern im Feld’ sie bei dunkler Nacht.
4. Ermattet vom Zuge, wie schlafen sie tief!
Doch warnend die Stimme des Wächters rief:
„Die Feinde stürmen!“ Er rief es in Eil’,
Schon stürzt er getroffen vom Todespfeil.
5. Und im Flusse so schaurig, da rauscht es
und schäumt;
„Erwacht ihr Getreuen! Nicht länger gesäumt,
Dort schwimmt es und klimmt es am Uferrand;
Schnell greifet zum Schwerte, zum Eisen-
gewand.“ *
6. Unholden vergleichbar im nächtlichen
Traum
Umschwammen die Heiden des Lagers Raum,
Mit funkelndem Blick in die Christenschaar
Stürzt gierig des Mordes der Magyar.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Personennamen: Lothar Thanner Friedrich_Beck Friedrich Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Ried Ensburg Bayerns Donau Schwerte
6
I. Erzählungen.
heit und dem sonderbaren Begehren des
Fremdlings; der Meister erhob bei ihrer
Rede erstaunt und unwillig sein Haupt,
denn das Roß, das geschlachtet werden
sollte, war wegen seiner Schönheit und
Schnelligkeit allgemein bekannt, und wie
ein Wunderthier durch viele Sagen be-
rühmt, wie es seinen Meister oft aus
den größten Gefahren gerettet habe.
Nach einigem Sinnen aber sprach der
Großmeister mit milder Stimme: „Ein
Mensch ist mehr werth als tausend Rosse;
bringt es dem Kranken und thut damit,
was er verlangt, auf daß er genese."
Und die Diener führten das edle Thier
in den großen Saal, wo die Kranken
lagen, vor das Bett des Armen. Einer
trug einen großen Block, ein Anderer
hatte ein scharfes Beil, ein Dritter einen
schweren Hammer; und als sie sich näher-
ten, erhob der Kranke sein Haupt, und
seine Augen leuchteten vor Freude. Der
Block wurde zurecht gestellt. „Welchen
Fuß verlangst du?" — „Den rechten
Vorderfuß." — Und der Fuß des Thieres
wurde auf den Block ausgestreckt, das
scharfe Beil darauf gelegt, und schon er-
hob der Tritte den schweren Hammer,
da rief der Kranke plötzlich: „Halt! Ich
habe nun ein anderes Verlangen. Gebt
2. Der Wagnermi
Ein kaiserlicher Feldoberst, der zu
Anfang des sechzehnten Jahrhunderts mit
spanischen Völkern im Württembergischen
lag, erhielt den Befehl, sich der Stadt
Constanz zu bemächtigen, so gut es gehen
wolle. Dieser fing sein Unternehmen mit
List an. Zwei Lanzenknechte, die unter
den Spaniern der deutschen Sprache
mächtig waren, schlichen sich einzeln in
Constanz ein. Auf der Gasse treffen sie
sich, wie zufällig. Der eine packt den
andem wegen einer alten Schuldsumme
an, der widerspricht, und durch das Volk,
welches zusammenläuft, werden beide vor
den Richter gebracht. Hier aber wissen die
schlauen Kameraden ihren Streit so einzu-
fädeln, daß der Richter seinen Spruch bis
zu der Herbeibringung der Beweise vertagt.
Unterdeffen nahmen die Kundschafter die
Gelegenheit wahr, die Lage und Stärke
mir Hammelfleisch zu essen, denn ich habe
großen Hunger." Man führte das Roß
zum Meister zurück und brachte dem
Kranken, was er begehrte; der aß mit
großer Begier, und nach zwei Tagen
dankte er den Brüdern für die ihm be-
wiesene Liebe und verließ das Hospital
genesen, wie es schien, von seinem Wahne
und seiner Schwäche.
Kurze Zeit darauf brachte ein Bote
folgendes Schreiben:
„Im Namen Gottes, des Allbarm-
herzigen, Allgütigen.
Saladin an die Ritter des Hospitals!
Wisset, ich war bei Euch, um Euch
zu versuchen, und ich habe Euch als wahr
erprobt, als Söhne dessen, der da Alles
geschaffen hat und erhält; Ihr übt Barm-
herzigkeit und Liebe nach dem Beispiele
und der Lehre Eures Meisters, den auch
ich ehre. Darum bestimme ich, daß fort-
an, so lange ich weile unter den Leben-
den, an Euer Spital alljährlich tausend
Goldstücke bezahlt werden, damit Ihr die
Armen und Kranken beherberget, kleidet
und tränket und gesund machet. Diese
Summe soll Euch stets am Feste Jo-
hannes des Täufers, Eures Schutzherrn,
zukommen und der Krieg soll daran nichts
ändern. Allah sei gelobt!"
ster von Constanz.
der Stadtmauer und was sonst zur Be-
festigung gehörte, genugsam auszuspüren.
Besonders richteten sie ihr Augenmerk
auf die Rheinbrücke. Durch diese war
nämlich die Stadt mit ihrem Vorstädt-
lein Petershausen auf dem rechten Strom-
ufer verbunden und sie schien ihnen der
beste Weg, wo man eindringen mußte.
Das schwere Fallgatter aber in dem
Thurm, welcher den Eingang von der
Brücke in die Stadt deckt, hatten die
zwei unbeachteten Strolche unbrauchbar
zu machen gewußt. Auf einmal waren
sie verschwunden, aber Niemand kümmerte
sich darum.
Da geschah es bald darauf eines
Montags früh, als gerade die Bürger
ein besonderes Fest feierten und die meisten
Leute in der Kirche waren, daß die Spa-
nier unbemerkt an die jenseitige Vorstadt
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7. Die Schwcdenglocke in Landsberg.
11
eines dem andern nach zwischen die
Pferde, so daß diese scheu zu werden
anfingen.
„Hundsfott!" schrie der Markgraf, roth
vor Zorn, „weich' aus, oder ich schieß'
dich nieder!" — Vergebens! der Schäfer
starrte ihn erschreckt an und vermochte
nicht zu willfahren. „Reizenstein! geb'
Er mir seine Pistolen!" — „Sie sind
nicht geladen, Hoheit!" antwortete jener
trocken. Mittlerweile war es Herbei-
eilenden gelungen, den Weg frei zu machen.
— Als man aber unfern der Schloßthore
in Gunzenhausen angekonunen war, ließ
der Reiseoberstallmeister plötzlich rechts
und links seine beiden Pistolen krachend
losgehen.
Der erschrockene Markgraf fragte hef-
tig: „Was ist's, was ist's?" — „Gnä-
digster Herr!" antwortete Reizenstein,
„ich meine nur, daß Sie heute Nacht
viel süßer schlafen werden, nachdem Sie
meine Pistolen jetzt erst haben krachen
hören, statt eine Stunde früher."
7. Die Schwedenglocke in Landsberg.
Die freundliche und gewerbthütige
Stadt Landsberg am Lech ist einer
der anmuthigsten Punkte, welche dieser
Grenzfluß in seinem Laufe bespült. Auf
der Höhe des Hügels, an welchen die
Stadt malerisch gebaut ist, genießt man
einen prächtigen Anblick über die ewig
denkwürdigen Gefilde des Lechfeldes, auf
welchem die räuberischen Hunnen einst
ihren Vernichtungskampf fochten. Gräuel,
wie sie seit den barbarischen Tagen der
Hunnen nicht mehr in unserm Vater-
lande verübt wurden, hat die Stadt
Landsberg nochmal erlitten im Beginne
der zweiten Hälfte des dreißigjährigen
Krieges. Gustav Adolf starb nach der
siegreichen Schlacht bei Lützen, ohne daß
dadurch seinen Gegnern, unter denen
der Kurfürst Maximilian von Bayern in
erster Reihe stand, ein wesentlicher Vor-
theil erwachsen wäre. Im Gegentheile
suchten die schwedischen Völker, durch
Franzosen und Deutsche verstärkt und
durch den Tod ihres Führers von den
Banden strenger Mannszucht befreit, ihren
Rachedurst durch Sengen und Brennen,
durch Plündern und Morden zu stilleu.
Schrecken und Entsetzen gingen vor ihnen
her, Zerstörung und Verwüstung beglei-
teten sie, Hunger und Elend folgten ihnen
auf dem Fuße.
Wilhelm von Weimar war mit einer
starken Heeressäule um Nürnberg, der
Pfalzgraf Christian von Birkenfeld mit
einer noch ftärkern am Lech zurückgeblie-
den. Der Haß des kaiserlichen Generalis-
simus Wallenstein gegen seinen alten
Feind, den Kurfiirsten Maximilian, schien
des Jammerns aus Bayern und der
Befehle aus Wien nur zu spotten. Jetzt
drang auch noch der Herzog Bernhard
von Weimar, nachdem er die schwedischen
Generale Horn und Torstenson an sich
gezogen, wie ein verheerender Strom in
Bayern ein, das ohnehin schon mehr
einem großen Leichenfelde, als der blü-
henden Provinz glich, die es früher ge-
wesen. München fiel zwar nicht wieder
in Schwedenhand, aber desto schlimmer
sah es auf dem flachen Lande aus, das
nachgerade einer Wildniß zu gleichen an-
fing. Am härtesten und grausamsten war
die Gegend zwischen der Isar und dem
Lech bedrängt. Die Dörfer waren zer-
stört und menschenleer, die Felder unan-
gebaut und statt mit dem reichen Segen
der Früchte, mit dem Nachwuchs dichter
Wälder übersäet.
Doch das schrecklichste Schicksal hatte
Landsberg zu erdulden, das früher
schon von den Schweden erobert, aber
von dem Kurfürsten im Vereine mit
den Truppen des kaiserlichen Generals
Altringer wieder entsetzt worden war.
Während Bernhard auf Ingolstadt los-
ging, und Horn Niederbayern und die
Oberpfalz verwüstete, zog sich Torstenson
am Lech hinauf und stand, ehe man sich
dessen versah, vor Landsberg. Die Stadt
hatte schon bei ihrer frühern Erstürmung
wegen ihrer Anhänglichkeit und Treue
gegen den Kurfiirsten den ganzen Zorn
des Feindes erfahren und bei der Ent-
setzung gelobt, die größte Glocke der
Stadt solle fortan die Schwedenglocke
heißen und für ewige Zeiten keinem an-
TM Hauptwörter (50): [T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Reizenstein Gustav_Adolf Gustav Adolf Maximilian_von_Bayern Maximilian Wilhelm Christian_von_Birkenfeld Maximilian Maximilian Bernhard
von_Weimar Bernhard
40. Scheyern und Wittelsbach.
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Vermählung mit Luitpold's Söhnen Ar-
nulf und Berchtold die Taufe, und Kaiser
Heinrich's Ii. Schwester, Gisela, feierte auf
dieser Burg ihre Hochzeit mit König Stephan
dem Heiligen von Ungarn, nachdem auch
dieser erst vorher in der Burgkapelle ge-
tauft worden war.
Inzwischen hatten zwei fromme Männer
aus hochadeligem Geschlecht am Fuße des
Wendelsteingebirgs sich Zellen gebaut, um
da in der Abgeschiedenheit von der Welt
ein beschauliches Leben zu führen. Aus
dieser Siedlung entstand nach und nach ein
förmliches Kloster, das aber, weil diese rauhe
Gegend damals für Zufuhr von Lebens-
mitteln zu unwegsam war, von da — dem
heutigen Flecken Bayerisch-Zell nahe an
der Tiroler-Grenze — weg einige Stunden
nordwärts nach Fischbachau, östlich vom
Schliersee gelegen, verpflanzt wurde. Hier
gründeten die dem Benediktinerorden auge-
hörigen Mönche eine Schule, welche von
den Söhnen der Adeligen viel besucht wurde.
Für eine solche Anstalt war auch Fisch-
bachau nicht ganz entsprechend, und so ent-
schlossen sich die Mönche, ganz in die
Ebene zu wandern, in das neu gestiftete
St. Peterskloster bei Eisenhosen an der
Glon. Doch auch hier fanden sich wieder
Mißstände, namentlich fühlbar machte sich
der Mangel guten Trinkwassers. Nun brachte
es der Abt Bruno dahin, daß der Graf
Otto Iv. von Scheyern mit Zustim-
mung der erbberechtigten Familienglieder
1113 seine Stammburg in ein Kloster um-
wandelte und den Benediktinern von St.
Peter überließ, während er seinen Sitz in
die bei Aichach, unweit der Paar, neu er-
baute Burg Wittelsbach verlegte. Das
Kloster und dessen Schule gelangten bald
zu großem Ansehen. Hohe Adelige, dar-
unter mehrere Sprossen des Schyrengeschlech-
tes, traten in dasselbe und es wurde in
den Rang einer Grafschaft erhoben. Künste
und Wissenschaften gediehen in Scheyern
zu solcher Blüthe, daß man es nur die
„Schule der Gelehrten" hieß. Doch als
in den großen Stürmen zu Anfang unseres
Jahrhunderts die geistlichen Herrschaften
der Säkularisation verfielen, entging auch
Scheyern diesem Loose nicht. Im Jahre
1803 wurde die Abtei aufgelöst, nachdem
sie seit mehr als siebenhundertjährigem Be-
stehen — von der Gründung zu Bayerisch-
Zell an gerechnet — fünfzig Aebte gezählt.
Die Bewohner zerstreuten sich nach allen
Seiten; nur der letzte Abt, Martin, wollte
die ihm liebgewordene Stätte nicht ver-
lassen; er beschloß seine Tage in einer
kleinen Wohnung, welche er bei einem Bäcker
des Dorfes gemiethet hatte. Die Gebäude
mit den nächsten Umgebungen wurden ver-
äußert und zum Theile niedergerissen. Sie
wanderten von einer Hand in die andere,
bis König Ludwig I. sie im Jahre 1837
erwarb, um dieselben ihrer frühern Bestim-
mung wieder zurück zu geben. Am 1. Okt.
1838 zogen abermals die Benediktiner in
Scheyern ein und verbanden mit dem Klo-
ster ein Knabenseminar, das seine Zöglinge
für das Gymnasium vorbereitet. Der Abt
des Klosters trägt, wie der zu Metten,
Insul und Stab, die Zeichen der bischöf-
lichen Würde. In Scheyern ruhen die Ge-
beine mancher Edlen des Wittelsbacher Ge-
schlechtes, so Otto's I., Ludwig's I-, des
Kelheimers, und Otto's Ii., des Erlauchten.
König Ludwig hat in der Stistungsurkunde
sich vorbehalten, auf dem nordwestlich vom
Kloster gelegenen Hügel eine königliche Be-
gräbnißstätte erbauen zu können, deren
Unterhalt und Aufsicht daun dem Kloster
obzuliegen hätte.
Ii.
Mit der Verlegung ihres Wohnsitzes
hatten die Scheyern auch ihren Namen
umgetauscht; „Wittelsbacher" nennen sie
sich nun bis auf den heutigen Tag. Auf
einer beträchtlichen Anhöhe — sie gilt bei
den Bewohnern des Flachlandes schon als
Berg — prangte die zweite Stammburg
unseres Herrschergeschlechts. Doch nur noch
dürftige Reste derselben sind als Zeugen
der alten Zeit übrig geblieben. Eine dunkle
That hat sie nach kaum hundertjährigem
Bestände gewaltsamer Zerstörung überant-
wortet. Zu Ansang des 13. Jahrhunderts
besaß Pfalzgraf Otto Viii. die Stamm-
burg; dieser, ein feuriger unerschrockener
Held, aber heftigen, jähzornigen Gemüths,
glaubte sich vom Kaiser Philipp von
Schwaben schwer gekränkt. Rache im Her-
zen eilt er nach Bamberg, wo der Kaiser
eben — am 21. Juni 1208 — die Hoch-
zeitfeier einer Nichte begangen hatte, trifft
Philipp mit nur wenigen Getreuen in
einem stillen Zimmer seiner Pfalz, stößt
ihm den tödtlichen Stahl in die Brust und
entweicht aus schon bereit gehaltenen Rossen.
Aber der Kaisermörder wird geächtet und
für vogelfrei erklärt. Des Kaisers Mar-
schall, Heinrich Calatin der Pappenheimer,
trifft ihn in der Gegend von Abbach und
tobtet ihn nach hartnäckiger Gegenwehr mit
vielen Wunden. Des Gemordeten Güter
erbte der bayerische Herzog Ludwig der
Kelheimer. So sehr verabscheute dieser
Otto's Rachethat, daß er, um die Erin-
nerung an dieselbe wo möglich zu verwi-
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Extrahierte Personennamen: Berchtold Gisela Stephan Bruno Otto Peter_überließ Burg Wittelsbach Martin Ludwig_I. Otto's_I. Ludwig Ludwig Otto Philipp_von
Schwaben Philipp Philipp Philipp Heinrich_Calatin Heinrich Ludwig Ludwig
218
Iii. Geschichtsbilder.
Verlauf der Zeit hatten, begünstigt
durch die Zerwürfnisse inr fränkischen
Regentenhause, die Bayernherzoge sich
völlig frei und selbstständig zu machen
gewußt. Aber Erbstreitigkeiten unter
den Agilolfingern boten den kräftigen
fränkischen Hausmeiern willkommenen
Anlaß, sich wieder in die inneren An-
gelegenheiten Bayerns zu mischen und
das Lehensband fester als je zu knüpfen.
Als Herzog Theodobert, welcher
über das Gebirgsland geherrscht und
seinen Sitz in Botzen gehabt hatte, im
Jahre 724 gestorben war, nahm dessen
Bruder Grimoald das ganze Erbe
in Anspruch, ohne des Verstorbenen
Sohn, Hugibert, bedenken zu wollen.
Letzterer suchte Hülfe bei Karl Martell,
der denn alsbald mit einem Heere in
Bayern eindrang und, nachdem Grimoald
auf der Flucht meuchlings getödtet wor-
den war, den jungen Hugibert als
Herzog in Bayern einsetzte, jedoch unter
fränkischer Oberhoheit. Zu Hugiberts
Sohn, Odilo, flüchtete sich C h i l t r u d e,
die Schwester der fränkischen Hausmeier
Karlmann und Pipin, weil diese sie
mit Einsperrung in ein Kloster bedroht
hatten. Da überdies Odilo diese Chil-
trude zur Gemahlin nahm, so gerieth
er in Krieg mit den Franken. Nach
einer für die Bayern höchst unglück-
lichen Schlacht am Lech, drangen die
Franken in das Bayerland ein und
plünderten und verheerten dasselbe
52 Tage lang. Odilo wurde gefangen
fortgeführt und erst auf Bitten seines
Weibes wieder frei gelassen und nach
ausdrücklicher Anerkennung der fränki-
schen Oberhoheit in sein Herzogthum
eingesetzt.
Vom Schicksal gebeugt starb der
Herzog vier Jahre nachher und hinter-
ließ einen sechsjährigen Sohn, welcher
mit Pipins Söhnen, Karlmann und
Karl, am fränkischen Hofe erzogen
wurde. Auf Pipins Befehl mußte
Thassilo im 15. Lebensjahre zu
Compiegne einen feierlichen Eid ablegen,
daß er und seine Nachkommen Bayern
nur als Lehen des fränkischen Reiches
besitzen wollten. Zum Manne gereift
vermochte Thassilo den Gedanken be-
engender Abhängigkeit nicht zu ertragen.
Als er im Gefolge seines Oheims Pipin
763 gegen die Aquitanier zu Felde
ziehen mußte, verließ er heimlich das
Lager, eilte in sein Vaterland, erklärte
auf dem Landtage zu Aschheim (bei
München) den Eid seiner Kindheit für
abgedrungen und deßhalb für ungültig,
und trat, von den Großen und dem
Volke anerkannt, die Regierung Bayerns
an. Inmitten seines Volksstammes
suchte er segensreich zu wirken. Er
waltete getreulich, daß das Recht ge-
handhabt würde, — die Bayern besaßen
ein uraltes, merkwürdiges Gesetzbuch, —
stiftete öffentliche Schulen, — die erste
in Frauenchiemsee, welcher Dobda, Weih-
bischof von Salzburg vorstand, — und
gewann durch Freigiebigkeit an Klöster
und Stiftungen die Geistlichkeit für sich.
Tapfer focht er in den Alpenthälern
gegen die Slaven und brachte Kärnthen
an Bayern. Eine weitere Vermehrung
seines Gebietes brachte ihm die Ver-
mählung mit Luitberga, der Tochter
des Longobardenkönigs Desiderius, welch
letzterer mehrere von Bayern abgerissene
Besitzungen, Botzen, Brixen u. a. wie-
der zurück gab. In der Hoffnung aber,
daß diese Ehe, durch welche Thassilo
sich mit Karl dem Großen verschwägerte,
ein Band des Friedens zwischen den
frühern Jugendgespielen werden möchte,
sah sich der Bayernherzog bitter getäuscht;
im Gegentheile, gerade diese verwandt-
schaftliche Verbindung zog Thassilo un-
vermeidlich in den Sturz des longo-
bardischen Königshauses mit hinein.
Schlimmes befürchtend, nahm Thassilo
nach Desiderius Entthronung seinen
Sohn Theodo als Mitregenten an.
Weil aber hiezu die Genehmigung Karls
nicht eingeholt worden war, so wurde
dieser von Mißtrauen erfüllt und ver-
langte von Thassilo nicht nur Heeres-
folge im Zuge gegen die Araber, son-
dern auch ausdrückliche Anerkennung
des Vasallenverhältnisses auf dem Reichs-
tage zu Worms 787. Zu machtlos,
um Widerstand leisten zu können, be-
quemte sich Thassilo zur Heeresfolge
und zum Eid der Treue. Doch noch-
mal suchte er sich die Unabhängigkeit
zu erringen. Er sammelte ein Heer
und beschloß, sein Schicksal auf die
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Extrahierte Personennamen: Grimoald Grimoald Karl_Martell Karl Grimoald Odilo Karlmann Karlmann Odilo Odilo Karlmann Karlmann Karl Karl Thassilo Thassilo Longobardenkönigs_Desiderius Thassilo Karl Karl Thassilo Thassilo Thassilo Karls Thassilo Thassilo
102. Karl der Große.
219
Entscheidung des Kampfes zu stellen.
Am Lech hatte er sich gelagert. Als
aber drei Frankenheere sich nahten, eines
von Italien her über die Alpen, ein
zweites von Pförring gegen die Donau
und ein drittes dem Lechfelde selbst,
da suchte er sein Heil in abermaliger
Unterwerfung. Zum dritten male leistete
er den Lehenseid und stellte zum Unter-
pfand 12 Geißeln, unter welchen sein
eigener Sohn Theodo. Aber Thassilo's
Unabhängigkeitssinn war immer noch
nicht gebrochen. Verzweiflungsvoll raffte
er sich zum dritten male auf, die ver-
haßten Fesseln zu brechen; verzweif-
lungsvoll erfaßte er das äußerste Mittel,
welches ihn zum Ziele führen sollte, ein
Bündniß mit den heidnischen Avaren,
seinen östlichen Grenznachbarn. Allein
gerade dieses Bündniß führte ihn in's
unabwendbare Verderben. Es entfrem-
dete ihm die Geistlichkeit und selbst
einen großen Theil des Volkes, und
aus der Mitte seiner, ihm seither so
treu anhänglichen Landsleute standen
Ankläger wider ihn auf. Der Vorla-
dung Karls auf die Reichsversammlung
zu Ingelheim 788 leistete Tassilo Folge,
wohl nicht ahnend, welch hartes Loos
ihm bevorstünde. Die Versammlung
sprach ihn wegen Landesverraths des
Todes schuldig. Karl milderte das
Todesurtheil in lebenslängliche Kloster-
haft. Auch Thassilo's ältesten Sohn
Theodo und seine beiden Töchter traf
gleiches Schicksal. Was aus seinem
Weibe und aus seinen übrigen Söhnen
geworden, — es werden deren fünf
genannt, — berichtet uns die Geschichte
nicht. Noch einmal, 794, erschien Thas-
silo im Mönchsgewande vor der Kirchen-
versammlung zu Frankfurt, um gebro-
chenen Herzens auf all das öffentlich
und feierlich zu verzichten, was ihm
schon seit Jahren genommen war. Das
Geschlecht der Agilolfinger aber, welches
über Bayern 234 Jahre lang regiert
hatte, ist von nun an verschollen. Bayern
ward eine Provinz des großen Franken-
reiches und theilt fortan dessen Geschicke.
102. Karl der Große.
1. Unter allen Herrschern des Mittel- I
alters ragt Karl der Große hervor durch
seine Wirksamkeit und seine Schöpfungen
sowohl, wie durch den Ruhm, mit dem
Geschichte und Sage ihn verherrlicht
haben. Wenn auch Vieles von dem,
was er geschaffen, wieder zusammen-
brach, als sein Auge sich schloß, so hat
er doch den Stempel seines Geistes
allen folgenden Jahrhunderten ausge-
drückt. Was uns Deutsche betrifft, so
hat er das unsterbliche Verdienst, die
verschiedenen Stämme unter einem Scep-
ter vereinigt und so das Gefühl der
Zusammengehörigkeit in ihnen erweckt
zu haben. Er hat das vorhandene
Gute nicht verkannt und scheinbar un-
bedeutende Keime mit Ausdauer zur
Blüthe gebracht. Aehnlich wie sein
Vater unter Karl Martell hatte auch
er Zeit, ein Vierteljahrhundert eine
tüchtige kriegerische und politische Schule
durchzumachen und zu lernen, was seiner
Zeit und seinem Volke nöthig und nützlich
war.
Karl, der älteste unter den Söhnen
Pipin des Kurzen, ward bald nach dem
Regierungsantritte seines Vaters ge-
boren. Ueber seine Jugendzeit weiß
man wenig Genaues; ja es kann nicht
einmal Zeit und Ort seiner Geburt
mit Bestimmtheit angegeben werden.
Doch wissen wir, daß er sich frühzeitig
in ritterlichen Uebungen gefiel, wie
solche damals allenthalben bei den Edel-
geborenen gebräuchlich waren.
Nachdem Pipin im Jahre 768 die
Augen geschloffen hatte, wurde die Herr-
schaft über das Frankenreich zwischen
den beiden Söhnen des verstorbenen
Königs, Karl und Karlmann, also ge-
theilt, daß ersterer die Provinzen im
Nordwesten, letzterer die Gebiete im Süd-
osten des Reiches als Erbe eichielt.
Nachdem aber Karlmann im Jahre 771
eines raschen Todes gestorben war, er-
faßte er die so zum Wohle des Reiches
dargebotene Hand des Glückes und ver-
einigte die Länder Karlmanns mit den
seinigen, zwang aber auch zugleich die
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Extrahierte Ortsnamen: Italien Donau Karls Frankfurt Franken-
220
Iii. Geschichtsbilder.
Wittwe seines Bruders und dessen junge
Söhne zur Flucht aus dem Reiche.
Hiedurch gerieth er in Streit mit
den Langobarden, deren König De-
siderius, der Schwiegervater Karlmanns,
die Ansprüche seiner Enkel geltend machen
wollte. Karl zog mit zwei mächtigen
Heeren über die Alpen nach Italien, das
eine unter seiner eigenen Leitung über
den Mont Cenis, das andere unter
seinem Oheim Bernhard über den St.
Bernhard. Ohne Widerstand überließ
ihm Desiderius die Pässe und schloß sich
in seiner Hauptstadt Ticinus oder Pa-
via ein, das Karl nach einer harten
siebenmonatlichen Belagerung endlich er-
oberte und so Desiderius besiegte. Karl
herrschte nun selbst über das longobar-
dische Reich. Aus allen Theilen des
Landes kamen die Langobarden, um sich
zu unterwerfen und Geschenke zum Be-
weise ihrer Unterordnung darzubringen.
Doch blieb das Königreich dem Namen
nach selbstständig; es wurde nicht mit
der fränkischen Monarchie verschmolzen
und behielt sogar seine eigenen Gesetze
und Einrichtungen. Karl führte den
Titel „König der Longobarden", zählte
die Regierungsjahre darnach und setzte
im Jahre 780 seinen Sohn Pipin zum
König dieses Landes ein.
2. Weit hartnäckiger und blutiger
waren Karls Kriege gegen die im nörd-
lichen Deutschland wohnenden Sachsen.
Hier stand die zähe Ausdauer eines
unentnervten, kriegerischen Volkes, das
für seine Freiheit, seine Sitten und
seinen Glauben kämpfte, eine Ausdauer,
die überhaupt den freiheitsliebenden
Volksstämmen und Volksfürsten jener
Zeit eigen war, der eisernen Willens-
kraft eines Helden gegenüber, der unter
seinem Vater eine treffliche Kriegsschule
durchgemacht und vor Allem in den
Kriegen gelernt hatte, einen einmal ge-
faßten Entschluß nicht wieder aufzu-
geben, und der endlich selbst für seinen
großen Gedanken begeistert war. Das
war der Grund, warum der Kampf
sich über 32 Jahre hinzog und auf der
einen Seite die verzweifelte Empörung
immer wieder wach rief, auf der andern
stete Feldzüge herbeiführte.
Die kriegerische Jugend dieses Volkes
war dem benachbarten Frankenreiche
schon lange durch ihre verheerenden
Streifzüge lästig geworden, so daß schon
Karl Martell und Pipin die Unter-
werfung der wilden Nachbarn versucht
hatten. Karl dem Großen war es vor-
behalten, dies schwere Werk zu vollen-
den. — Die Sachsen wohnten zu der
Zeit, von der wir reden, vom Rhein
bis zur Elbe, von der Eider bis zur
Werra und Fulda. Sie zerfielen in
drei Hauptstämme; aber roh in ihrem
Glauben, wild in ihrer Vertheidigung,
barbarisch in ihrem Recht, zäh in ihrer
Freiheit, waren sie für eine gesunde
Fortentwicklung ihres Staatslebens nicht
recht geschaffen. Festes Zusammenhalten
der Stämme war ihnen fremd; sie zer-
fielen in freie Gemeinschaften, die nur
stammweise im Kriege zusammentraten
und sich einen Führer wählten; außerdem
hatten sie einen gemeinsamen Führer nicht.
Im Jahre 772 unternahm Karl
den ersten Heereszug in das feindliche
Sachsenland und errang einige Erfolge.
Wo er hinkam, Zerstörte er die heidnischen
Tempel und zwang die Sachsen zur
Annahme des Christenthumes. Die
Sachsen aber fielen nach Karls Abzug
in's fränkische Reich mit Mord und
Brand, ihrerseits durch Zerstörung der
christlichen Kirche Rache nehmend. Dies
war der wesentliche Charakter fast aller
folgenden Feldzüge dieses Krieges. Wenn
Karl persönlich gegen die Sachsen aus-
zog, zwang er sie zum Rückzug, eroberte
ihre Burgen und suchte die Unterwor-
fenen zur Annahme seines Glaubens
zu zwingen; war er dagegen aus fernen
Kriegszügen abwesend, so fielen die
Sachsen in sein Reich ein, und nahmen
für die erlittene Schmach blutige Rache.
Aber Karl brachte es endlich durch seine
Kriegsgewandtheit dahin, daß er in den
Jahren 775 und 776 die drei Stämme
mit ihren Vornehmsten an der Spitze
zum Eid der Treue bewog und zum
ersten male im Feindeslande eine Reichs-
versammlung in Paderborn abhalten
konnte, wo sich die Sachsen demüthigten,
Geißeln in größerer Zahl gaben und
im Falle der Abtrünnigkeit Freiheit und
Vaterland verlieren zu wollen erklärten.
Nur einer ihrer Führer, Widukind,
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