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3. Deutschlands Höhenlage und Gebirge/)
(Karte 6/7 und 9.)
a) Um uns die Oberflächen-Bewegung Deutschlands recht lebhaft vor
Augen zu führen, denken wir uns, der Ocean finge an zu steigen und setzte
Deutschland nach und nach unter Wasser. Wir lassen das Wasser zunächst
33 m steigen, also über das dunkelste Grün hinüber.2) Wir sehen, dcifs dann
im Westen mehr Land unter Wasser gerät cds im Osten. (Das westliche
Deutschland liegt niedriger als das östliche. Deshalb ßiefsen die
deutschen Flüsse auch nicht nach Norden, sondern nach Norclnordwesten.) Be-
sonders weit dringt das Wasser an den Flüssen hinauf. Es entsteht ein
Rheinbusen, ein Weser-, ein Elbe-Havelbusen, ein Oder- und ein Weichsel-
busen.3) (Die großen Ströme fliefsen in breiten Senkungen.) Die
zwischen dem Weser- und Elbebusen sich hinaufschiebende Halbinsel ist die
Lüneburger Heide.
b) Das Wasser steige bis auf 200 m. Es bespült den weifsen Rand
am Grünen. Ganz Ostdeutschland steht unter Wasser, an der Elbe dringt
es sogar bis ins Böhmische hinein. Ganz im Norden, da ivo Danzig unter
den Fluten begraben liegt, schauen jedoch noch niedrige Inseln heraus. Es
ist der Turmberg (330 rn) mit seiner Umgebung. — Das mittlere Deutsch-
land schiebt sich noch weit ins Wasser hinaus. Aber von Osten wie von
Westen her greift schon das Meer tief hinein. Im Osten ist es die Tief-
landsbuclit von Leipzig und Halle, im Westen das Münsterland und
die Niederrheinische (oder Kölner) Bucht. Die Münsterland-Bucht
wird im Nordosten von einer schmalen Landzunge abgegrenzt. Es ist der
Teutoburger Wald, rühmlichst bekannt aus der vaterländischen Geschichte.
Die ihm im Norden parallel vorgelagerte Insel ist das Wiehengebirge. —
Die Kölner Bucht schiebt sich wie ein mächtiger Keil zwischen die hoch-
gelegenen Flächen, die den Rhein beiderseits begrenzen, — das Nieder-
rheinische Schiefergebirge, nach seinem grauen Schief er gestern so genannt.
Aber die Bucht ist im Süden nicht abgeschlossen; eine sehr enge Wasser-
straf se, — sie füllt die Rheinspalte, des Rheinlaufs schönste Strecke, — ver-
bindet sie mit einem langgestreckten Meerbusen, der fast bis an Deutschlands
Südgrenze reicht, — Oberrheinische Tiefebene. Eine Reihe grofser Städte
*) Die Karte zeigt durch 9 (bezw. 10) verschiedene Farben die verschiedene Höhe der
einzelnen Gebiete an. Diejenigen Flächen, die bei einem Steigen des Oceans von Ö—33 m
(Vergleich mit Haus, Turm k.) unter Wasser geraten würden, sind dunkelgrün an-
gelegt. Stiege das Wasser von 33—100 m, so würde auch alles hellgrün gezeichnete
Land überflutet werden (bis an das dritte, hellste Grün). Die weißen Flächen fangen
bei 200 m Wasserstand an, unter Wasser zu geraten. Es sind also die grünen
Flächen die Gebiete unter 200 m (0—33, 33—100, 100—200),
die weiße Schicht ist die 200 m = Schicht (nach der Anfangsstufe benannt)
„ hellgraue „ „ „ 300 „
„ dunkelgraue „ „ „ 400
„ hellbraune „ „ „ 5 0 0 " "
„ dunkelbraune „ „ „ 7 00 „
„ weiße Schicht (im Dunkeln) ist die 1000 Schicht.
2) Vergleiche in der Heimat!
3) Der Elb-Havelbuseu reicht genau bis Berlin, welches 33 m hoch liegt. (Höhen-
ziffern siehe Atlas S 4.) w /
2*
TM Hauptwörter (50): [T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Deutschlands Deutschland Deutschland Weser- Heide Ostdeutschland Danzig Leipzig Rhein Rheinspalte Rheinlaufs Deutschlands Oberrheinische_Tiefebene Berlin
— 62 —
Alpen im Laufe der Jahrtausende sich höher und höher hinaushoben, nagten an
ihm schon mit Macht die zermürbenden und abtragenden Kräfte'), die unendlich
langsam zwar, aber stetig an der Zerstörung der Gebirge arbeiten. Dem Böhmer-
Wald fehlen deshalb mehr oder weniger die Merkmale eines jugendlichen Alters,
wie sie die Alpen noch in reichster Fülle bieten: hochragende Zinnen, steilwandige
Gehänge, große Höhenunterschiede zwischen Berg und Thal^), tosende Gebirgs-
bäche und schäumende Wasserfälle. Wer von einem hochgelegenen Punkte das
Gebirge überblickt, dem erscheint es mehr wie ein welliges, stark bewaldetes
Bergland, denn als ein scharf ausgeprägtes, kraftvolles Gebirge. Zwar sind
auch die Alpen bereits eine Ruine, aber hier stehen doch noch die hochragenden
Mauern, während vom Böhmerwald nicht viel mehr als der Sockel übrig ist.
(2. Wälder.) Je mehr die Oberfläche nivelliert wurde und je mäch-
tiger überall die Verwitterungsschicht sich gestaltete, desto großartiger
konnten sich ungeheure Waldungen entwickeln. Kein anderes deutsches Ge-
birge verdient mehr den Namen eines Waldgebirges als der Böhmerwald.
Er allein auch trägt auf seinen flachen Rücken und Plateaus uoch wirkliche Ur-
wälder, Wälder, in welche die menschliche Hand, sei es zur Pflege oder zur
Abholzung, noch nicht eingriff. Mitte der fünfziger Jahre berechnete man das
Gesamtgebiet der Urwälder noch auf ca. 17 000 ha (Vergleich!), doch haben auch
sie seitdem unter der fortschreitenden Entwaldung sehr gelitten.3) Einzigartig
und überwältigend ist der Eindruck, den diese uralten Waldungen auf den
Menschen machen. Gewaltige Baumriesen ragen gen Himmel, unter ihnen
Weißtannen von 60 m Höhe und mit einem Durchmesser von 2 m, graubärtig
behangen mit ellenlangen Flechten. Gestürzte Genossen liegen einzeln oder in
Gruppen zu ihren Füßen, eben erst zusammengebrochen, oder halb vermorsch!
schon und vielfach mit üppigen Moospolsterungen bedeckt. Mühsam nur über-
steigt der Wanderer diese sich immer wiederholenden Hindernisse. Häufig sind
aus den Riesenleibern der gestürzten Stämme junge Bäume wieder aufgeschossen,
die, vom Marke der Alten genährt, sich kräftig entwickelten und die Lücken mit
Erfolg wieder ausfüllten.
(3, Moore.) In der geologischen und Oberflächenbeschasfenheit des
Böhmerwaldes ist neben dem Waldreichtum noch eine andere Eigentümlichkeit
begründet, die zahlreichen ausgedehnten Moore. Infolge der geringen Höhen-
unterschiede und des plateauartigen Charakters, wie auch des undurchlässigen
granitenen Untergrundes, ist der Abfluß der Gewässer weniger rasch als in
anderen Gebirgen. Es kam zu ausgedehnten, flachen Wasseransammlungen,
die im Laufe der Zeit versumpften und sich zu Mooren umgestalteten. Sie
verstärken den unwirtlichen Charakter des Gebirges außerordentlich und er-
schweren dem Wanderer mehr noch als die Urwälder das Vordringen, ja bringen
mit ihrer oft trügerischen Decke wohl gar sein Leben in Gefahr. Für das Ge-
birge und seine Nachbarschaft sind sie jedoch von großem Nutzen, indem sie den
Wasserstand der Flüsse regulieren. Zur Zeit der Schneeschmelze und
starker Niederschläge verhindern sie ein allzuschnelles, verderbliches Anschwellen
*) Erosion = Auswaschung, Denudation = Abtragung.
2) Man hat berechnet, daß die relative Höhen-Differenz im Böhmerwald im Durch-
schnitt 156 rn nicht übersteigt.
3) Um dem Böhmerwald auf jeden Fall ein Stück Urwald zu erhalten, befahl Fürst
von Schwarzenberg, der allein 25 000 ha Forsten besitzt, seinen Forstbeamten, einen
1800 ha großen Urwald unangetastet zu lassen skntzen).
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TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T14: [Gebirge Wald Teil Höhe Berg Harz Thüringer Bergland Gebirg Weser], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle]]
— 80 —
die Zerstörungen bei dem Erdbeben auf der Insel Jschia im Golf von Neapel
1883 beruhten wesentlich auf einem einzigen Stoß. In anderen Fällen verteilte
sich dagegen die verheerende Wirkung auf eine ganze Reihe gleich kräftiger Stöße.)
— e) Nächst den Küstenrändern sind in erster Linie die hohen Falten- oder
Kettengebirge die Herde der Erdbeben, da auch sie wichtige Bruchlinien der
Erde bedeuten. Von den auf der nördlichen Halbkugel bemerkten Erdbeben
kommt ungefähr ein viertel auf die Alpenkette.
ä) Die Erderschütterungen äußern sich in der Hauptsache in zwei ver-
schiedenen Weisen, entweder als Stöße in senkrechter oder als wellen-
förmige Bewegung in wagerechter Richtung. Bei den Erdbeben ersterer Art
ist es vorgekommen, daß Häuser aus ihren Grundsesten, Pfähle aus dem Boden
herausgeworfen, Menschen zu Hunderten in die Luft geschleudert wurden und
Felsblöcke auf- und niedertanzten. Bei dem Erdbeben in Calabrien 1783 hüpften
die Berggipfel auf und nieder, und breite Bergrücken wurden zu schmaleu
Kämmen umgebildet. Bei demselben Erdbeben konnte man aber auch außer-
ordentlich lebhafte wellenförmige Bewegungen wahrnehmen. Bäume neigten
sich mit den Wipfeln zur Erde und au langen Baumreihen sah man von weitem
deutlich das Fortschreiten der Welle. (Im Staate Missouri schwankten 1811
die Wälder wie Kornfelder im Sturmwind.) — e) Erdbeben sind viel häufiger
als man gemeinhin glaubt. A. v. Humboldt hat als wahrscheinlich hingestellt,
daß die Erde immer an irgend einer Stelle erbebe. Für die Zeit von 1850—57
zählt ein Forscher jährlich 500—600 Erdbeben. — Die Größe des von einem
Erdbeben betroffenen Gebietes kann fehr verschieden sein. Das Erdbeben von
Lissabon wurde auch in Schottland und Böhmen gespürt, während andere Erd-
beben auf eiuem kleinen Raum beschränkt blieben.
f) Hin und wieder entstehen bei einem Erdbeben Riffe und Spalten im
Erdboden. So zeigte sich bei dem erwähnten calabrifchen Erdbeben auf einige
Zeit ein breiter Spalt von einer Meile Länge. —- Bei anderen Erdbeben
wurde Sand, Schlamm und Grundwasser ausgeworfen. Gelegentlich des Erd-
bebens in Calabrien entstand fogar ein See von beträchtlicher Ausdehnung. —
In Indien wurde 1819 bei einem Erdbeben eine Fläche von 50 000 qkm durch
Senkung in eine Lagune verwandelt. Gleichzeitig versanken ein indisches Dorf
und ein englisches Fort, ohne umgestürzt zu werden.
Nachtrag:
Bevor wir uns den Randgebirgen der Oberrheinischen Tiefebene zuwenden,
betrachten wir noch erst als Nachtrag zu dem vorstehenden Abschnitt die Rhein-
strecke von der Quelle bis Basel.
Id.
Der Rhein von der Quelle bis Basel.
(Beschreibe die Rheinstrecke von der Quelle bis zum Bodensee nach
der Alpenharte, S. 14.) — Da, ivo der Rhein die deutsche Grenze erreicht,
liegt der Bodensee (s. unten). Von ihm aus fliefst der Rhein bis Basel
in der Hauptsache in ivestlicher Richtung. Jsur einmal wendet er sich, das
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— 81 —
einzige Mal in seinem langen Laufe, nach Süden. Da, ico er in diese Rich-
tung einbiegt, liegt das schweizerische Städtchen Schallhausen, und hier —
genauer eine Stunde weiter, flußabwärts — ist es, ivo der Rhein clen berühmten
Rheinfall («. unten) bildet. ' In seinem weiteren Verlauf empfängt er aus
der Schweiz die Aar, die ihn bedeutend verstärkt.
a) Der Bodensee.
a) Der Bodensee ist Deutschlands gröfster See (500 qkm). Man hat
berechnet, dafs der Rhein 2 Jahre und 20 Tage gebrauchen müfste, um das
entleerte Becken ivieder zu füllen. — b) Seine Gestalt pflegt man sich wohl
als diejenige eines Stiefelknechtes zu merken. Er teilt sich nämlich im Westen
in zwei Zipfel, von denen der südliche [der Untersee) fast vollständig vom
Becken abgeschnürt ist.1) An der flufsartigen Einschnürung liegt eine zu
Baden gehörige (Kleinstadt) Stadt von Q Konstanz — bekannt durch die
große Kirchenversammlung von 1414—18, auf der Hufs zum Tode verurteilt
Und Burggraf Friedrich Vi. vom Kaiser Sigismund mit der Mark Branden-
burg belehnt wurde. — c) An den Bodensee stoßen fünf Staaten hinan:
Schweiz, Österreich, Bayern {Hafen Lindau), Württemberg (.Hafen Friedrichs-
hafen) und Baden. — d) Der Bodensee bildet das Läuterungsbecken des
Rheins. Trübe und schlammig tritt er in ihn ein, noch weit hinaus hebt sich
sein graues Wasser von den klaren Fluten des Sees ab. Allmählich senken sich
die Geröll- und Sandmassen zu Boden ^Beobachtung beim Gewitterregen an
einer Wasferriune, die in eine Pfütze oder einen Graben mündet), und wenn
der Rhein den See wieder verläßt, hat er sich wie in einem Bade gereinigt
und erfreut das Auge durch seine schöne grüne Farbe. (Parallele dazu: Rhone-
Genfer See.) Dem See erweist er freilich einen schlechten Dienst damit; der-
selbe versandet immer mehr, besonders im Einmündungsgebiet, und war früher
erheblich größer. Doch wird noch manches Jahrtausend verfließen, bevor die
Ablagerungen für sein Dasein bedenklich werden, da er von außerordentlicher
Tiefe ist. Die tiefste gemessene Stelle beträgt 252 m (vierfache Turmhohe).
Infolge der ungewöhnlichen Tiefe friert er fetten zu. Das geschah im Laufe
der letzten vier Jahrhunderte nur fünfmal. — e) Für die Umwohner ist der
See von großer Bedeutung, da er in außerordentlichem Maße dem Verkehr
dient. Zahlreiche kleine und große Dampfer, schwer beladene Segler und viele
kleine Fischerkähne beleben seinen schönen, meist blaßgrünen Spiegel. — Auch
durch seinen Fischreichtum (Seeforellen, Muränen ?c.) wird er den Anwohnern
wertvoll. — Sein nördliches Ufer bietet schöne Blicke auf die Alpen (Thür-
Alpen, dahinter Glarner Alpen).
b) Der Rheinfall.
(!♦ Bei Schaphausen wird der Rheinlauf von einem
Gebirgswall gequert. Es tritt von Norden her das südliche Ende des Schwä-
bischen Jura an ihn hinan, das auf dem jenseitigen Ufer durch ein niederes
Kalksteingebirge fortgesetzt wird. Einst mochte dieser Wall den Fluß fast
gänzlich absperren, fo daß sein Wasser nur in schmaler Rinne die niederen Ge-
biete jenseits des Walles erreichte. Der Bodensee mochte dabei zu zwei-, drei-
*) Der nördliche Zipfel heißt Überlinger See; in ihm liegt die liebliche Insel
Mainau, die Perle des Bodensees.
Harms, Vaterländische Erdkunde. 6
TM Hauptwörter (50): [T44: [Alpen See Stadt Schweiz Italien Meer Berg Insel Fuß Inn], T18: [Gebirge Berg Teil Rhein Höhe Wald Fluß Alpen Seite Donau], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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TM Hauptwörter (200): [T90: [Alpen See Schweiz Inn Rhein Bodensee Gotthard Paß Rhone Italien], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T68: [Schweiz Zürich Kanton Bern See Stadt Genf Basel Schweizer Schwyz], T89: [Wasser Fluß Quelle Bach See Erde Boden Brunnen Land Ufer], T139: [Donau Rhein Main Tiefebene Teil Jura Alpen Tiefland Gebiet Fluß]]
Extrahierte Personennamen: Friedrich_Vi Friedrich Sigismund Harms
— 95 —
forschen. Alljährlich wird vom Staate eine bestimmte Summe für diesen Zweck
ausgeworsen. — Die Römer erlagen dann später den Alemannen, die ihrerseits
schließlich von den Franken unterworfen wurden. Noch später entwickelte sich
hier das Herzogtum Schwaben, das nach manchen Wandlungen sich zum König-
reich Württemberg herausgestaltete.
Zusammenstellung der charakteristischen Merkmale: Hügelige
Mulde; mildes, sonniges Klima; freundliche Landschaften; reicher
Getreide-, Obst- und Weinbau auf fruchtbarem Lößboden; zahl-
reiche gewerbthätige Mittelstädte; große Salzlager.
Zusammenstellung und Eintragung der betreffenden Namen ins Namenheft
(s. hinter „Schwäbischer Iura").
Der Lös;.
Wiederholt tritt uns in Deutschland als Träger hoher Fruchtbarkeit der Löß ent-
gegen. Man darf ihn als eine Art sandigen Lehm bezeichnen. Doch unterscheidet er sich
auch wieder wesentlich von diesem. Er klebt nicht, sondern ist locker, feinpulverig und
mehlig abfärbend. Seine Farbe schwankt zwischen ockergelb und braun. — In ungeheuren
Mengen findet er sich in Nordchina, wo er gleichfalls die außerordentliche Fruchtbarkeit
des Landes bedingt. Er ist meist von feinen Röhrchen durchzogen, liegt nicht wie die
Formationen fchichtenweise und enthält viele Gehäuse von Landschnecken. Dagegen fehlen
ihm die Reste von Meertieren, wie wir sie in den bekannten Formationen finden. Aus
diesen und anderen Thatsachen ist man zu dem Schluß gekommen, daß der Löß, —
wenigstens was die Lößflächen Asiens betrifft, — nicht eine Wasser- (Schichten-)bildnng,
sondern ein Produkt des Windes sei. Bekannt ist, wie der Wind den Sand zu mäch-
tigen Düueu zusammenweht und diese über die Küstengebiete wandern läßt. Noch
weit mehr Macht hat er über den allerseinsten Erdstaub. Ihn trägt er, ihn immer
wieder aufnehmend, über die weitesten Erdräume. An geeigneten Stellen wird derselbe
dann von der Grasnarbe festgehalten. Diese wird nach und nach von ihm überdeckt, strebt
jedoch, sich wieder über ihn emporzuarbeiten. Kaum ist ihr das gelungen, so haben sich
auch schon wieder neue Staubmassen zwischengelagert, worauf die Vegetation sich aufs
neue hebt n. s. f. So „wächst" der Boden gleichsam immer höher. Die jeweilige ältere,
vom Staube bedeckte Grasnarbe stirbt ab und hinterläßt im erhärtenden Boden das eigen-
tümliche Röhrensystem. In China, in der Mongolei und anderen Teilen Asiens haben
diese vom Winde aufgebauten Erbmassen teilweise eine Mächtigkeit von 700 in gewonnen!
Flüsse schneiden in einem solchen Boden stets tief und steilwandig ein und nehmen in
dem leicht abfärbenden Erdreich eine gelbe Farbe an. Diesem Umstand verdanken der
Hoang-Ho (hoang —gelb, ho — Fluß) und das Gelbe Meer (chinesisch Hoang-hai) ihren
Namen. Sogar der Titel des chinesischen Kaisers, Hoang-ti (ti = Herr) ist daraus
hergeleitet.
Ob nuu auch die deutsche Lößerde die für den asiatischen Löß (vom Freiherrn
von Richthofen) nachgewiesene Entstehungsgeschichte hat, steht für alle Gebiete noch nicht
fest. Manche Gelehrte halten an der älteren Ansicht fest, daß die deutschen Lößablagernngen
ein Schlämmprodukt der eiszeitlicheu Gletscherwasser seien.
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TM Hauptwörter (100): [T70: [Boden Teil Land Wald Gebirge Ebene Gebiet See Klima Tiefland], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite]]
TM Hauptwörter (200): [T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T133: [Boden Land Ackerbau Klima Wald Viehzucht Teil Wiese Anbau Fruchtbarkeit], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T134: [Land Meer Hochland Persien Tigris China Euphrat Iran Asien Armenien]]
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Nordchina Asiens China Mongolei
222 —
steinisch —) Inseln. Sie erzählen uns wie Überlebende aus einem ungeheuren
Schiffbruch eine ergreifende Leidensgeschichte, die Geschichte eines gewaltigen
Kampfes, den die ländergierige Nordsee gegen ihren friedlichen Nachbar, das
Festland, führte. Einst dehnte sich nämlich das letztere viel weiter ins Meer
hinaus, bis zu deu äußersten Rändern der Inseln. Es mochte eine fette,
auf losem, torfigem Untergrunde (Darg) ruhende Landschaft sein, die
dort draußen an das Meer anstieß. Wohl hatte die Nordsee selbst mit
einer gewissen Fürsorglichkeit schützende Dünen an ihrer Küste zusammen-
getrieben, aber in Stunden rasender Leidenschaftlichkeit (Sturmfluten) durchbrach
sie ihr eigenes, in Gemeinschaft mit den Winden aufgerichtetes Werk, wusch sich
in den wenig widerstandsfähigen Boden ein und riß große Stücke desselben
weg, bis schließlich nur die genannten Inseln als spärliche Reste übrig blieben.
Die Chronisten der Friesen berichten von namenlosen Leiden, die dieser tapfere
Volksstamm im Kampfe mit den Fluten über sich ergehen lassen mußte. Von
den ältesten Sturmstuten wissen wir natürlich nichts, aber etwa vom Jahre 1000
an werden uns von den Chronisten die einzelnen schreckensvollen Ereignisse in
beredten Worten geschildert. Etwa von 1180 bis 1280 wurde nach und nach
die Zuider (Süder-) See in Holland eingerissen, im 13. Jahrhundert entstand
durch verschiedene Fluten der Dollart (auf der Grenze zwischen Holland und
Hannover), 1511 erhielt der Jadebusen (in Oldenburg) seine jetzige Gestalt,
und jedesmal versanken zahlreiche Dörfer in den Fluten, und Taufende von
Menschen fanden mit ihrer Habe in den Wogen ihr Grab. Die Weihnachtsslnt
von 1277 z. B., die den ersten Riß zum heutigen Dollart machte, nahm
30 Dörfer mit ihren Feldmarken weg, und ebenso viele Ortschaften wurden
1362 durch die ostsriesische „Manndränke" (Männertränke) hinweggerissen.
„Alle Fluten wurden aber an furchtbarer Großartigkeit von der Allerheiligen-
flnt übertroffen, die 1570 urplötzlich in dunkler, stürmischer Nacht hereinbrach.
Von Holland bis Jütland wurde in wenigen Stunden alles eine
einzige wilde Wasserwüste; mehr als 100000 Menschen fanden in
den Wogen ihr Grab" (Kutzeu).*) Aber der zähe Friesenstamm gab den
Kamps gegen das wilde Element nicht auf. Immer größer und sicherer baute
er seine schützenden Erdwälle, Deiche genannt, und als 1845 wieder eine ge-
waltige Flut losbrach, prallte sie überall machtlos an den starken Bollwerken
ab. Ebenso erging es auch allen späteren gierigen Anläufen der „Mordsee".
Der Mensch hatte endlich den Riesenfeind bezwingen gelernt, hoffentlich für
immer.
2. Die Friesischen Inseln.
Wir sind in vorstehendem mit der Entstehungsgeschichte der
Fnesischen Inseln bekannt geworden. Jetzt wollen wir einzelne derselben, ins-
besondere die kleinen Halligen, näher ins Auge fassen. Die größte unter
den beiden deutschen Gruppen der Friesischen Inseln — Ost- und Nord-
friesischen — ist Sylt an der Westküste Schlesioigs, bekannt als besuchtes
Seebad. Gleichfalls bekannter Badeort ist das ostfriesische Norderney. Die
größeren der Friesischen Inseln sind durch Dünen oder auch durch Deiche gegen
i) Am 1. Oktober 1634 wurde die große Insel Nordstrand — (heute existiert nur
noch eine kleine Insel dieses Namens) — völlig zertrümmert. 10000 Menschen und
50000 Stück Vieh verloren ihr Leben.
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T62: [Insel Stadt Hafen England Hauptstadt Einw. See London Handel Schottland]]
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Extrahierte Ortsnamen: Nordsee Holland Holland Hannover Oldenburg Holland Westküste_Schlesioigs Norderney Nordstrand
Fig. 62. Hallig Oland.
fluten wird aber auch diese von den Fluten bedeckt, und das Wasser dringt in
die unteren Wohnräume. Eiligst flüchtet der Bewohner auf den Boden des
Hauses und lauscht dort angstvoll dem Toben des Elementes unter ihm, das
Thüren und Fenster einreißt und Stühle und Tische hinausspült. Ob die Flut
bald abziehen wird? Ob das Hans bis dahin wird widerstehen können? Oder
ob er mit den Seinen in die schauerliche Tiefe wird hinabsinken müssen?
Traurig bauge Fragen! Und nicht immer bleibt ihm das Gräßliche erspart!
Wie einen Federball heben die Wogen den oberen Teil des Hauses ab und
tragen ihn tanzend in die Wasserwüste hinaus, bis er sich in Bretter und Balken
auflöst. An sie klammert der Mensch sich noch eine Zeitlang an, um schließlich,
wenn nicht ein rettender Kahn ihm naht, hinabzugleiten in die gierig nach ihm
ausgreifenden Wogen. — Dennoch liebt der Halligbewohner seine Heimat über
— 223 —
die Fluten gesichert, nur die kleinsten liegen schuhlos da. Es find das die südlich
von Sylt (und Föhr) gelegenen.
a) Die Halligen.
Dieselben bestehen aus Marschboden und erheben sich nur 1 in über
die Flut. Obgleich sie bei Sturmfluten oft unter Wasser geraten, sind sie doch
bewohnt, oft freilich wegen ihrer geringen Größe nur von ein paar Familien.
Seine Wohnung baut der Halligbewohner sich auf einer zusammengekarrten
Erhöhung, Warft (von aufwerfen) genannt. Bei besonders heftigen Sturm-
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T28: [Schiff Meer Wasser Land Küste Ufer Insel See Flut Welle], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke]]
TM Hauptwörter (200): [T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T43: [Haus Frau Kind Mann Arbeit Wohnung Familie Zeit Zimmer Kleidung], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht]]
— 225 —
letzten 50 Jahren verlor sie ringsum 2 m! Eben unter dem Wasser liegt
der weitgedehnte Sockel, bis auf den der verloren gegangenen Teil der Insel
abgetragen wurde. Aus ihm ruht die heutige Insel „wie eine Cigarrenkiste
aus einem großen Tisch".*)
(l(uto)trtm und (Dkrltrtm.) Im Südosten hat sich eine Partie Dünen-
sand dem Felsen vorgelagert. Dieselbe trägt die Unterstadt, während die
Oberstadt oben auf dem Felsen liegt. Eine Treppe von anwähernd
200 Stufen und ein Aufzug (beide im Bilde kenntlich) vermitteln den Ver-
kehr zwischen beiden. Aus Dünensand besteht auch die neben Helgoland
gelegene kleine Badeinsel, kurz „die Düne" genannt. Aus dieser, nicht ans
Helgoland selbst, nehmen die zahlreichen Badegäste Helgolands (jährlich ca. 9000)
die erfrischenden Seebäder. Die tüchtigen Schwimmer suchen die Windseite und
kämpfen hier mit der donnernden Brandung; die übrigen baden in dem rnhigen
Wasser der Schutzseite.
Wichtigkeit der Insel.) Obgleich uur klein, ist die Insel doch von
großer Wichtigkeit. Gleichmäßig genau vor der Ausmündung von vier wichtigen
Wasserstraßen gelegen (Weser, Elbe mit Nordostseekanal, Eider), ist sie zunächst
ein sicheres, von der Natur gesetztes Seezeichen. Ihr Leuchtturm macht die
von draußen ankommenden Schiffe rechtzeitig auf die Gefahren des nahen Watten-
meeres (S. 226) aufmerksam. In Kriegszeiten aber ist sie ein wichtiger Stütz-
pnnkt und Kohlenplatz für die Kriegsflotte. Von hier aus kann dieselbe
wirksam den Zugang zu den deutschen Küsten decken. Unterstützt wird sie dabei
kräftigst von mächtigen Mörsern, die wohlverwahrt in das Gestein der Insel
eingelassen sind und 600 Pfund schwere Geschosse in weitem Bogen ans die See
hinauszuschleudern vermögen. — Bis vor kurzem gehörte diese interessante und
wichtige Insel, die buchstäblich vor uusern Thüren liegt, noch den Engländern^),
so daß sie 1870 von den Franzosen als Stützpunkt benutzt werden konnte.
Kaiser Wilhelm Ii. fand aber bald nach feinem Regierungsantritt einen Weg
(Eintausch gegen afrikanisches Gebiet), diese deutsche Insel wieder in deutschen
Besitz zu bringen (1890).
(Grwerbs)weige.) Der Ackerbau lohnt sich auf der Insel nicht. Die
hübsche grüne Fläche, die unser Bild uns zeigt, enthält neben einigen Kartoffel-
beeten nur eine kurzuarbige Schafweide. Einen Haupterwerbszweig bildet die
Fischerei, und Fische vertreten hier fast die Stelle des Brotes. Ein nicht ge-
ringer Teil der Helgoländer lebt vom Lotsenberuf, dem fast 400 Mann ob-
liegen. (Belehrung über Lotsendienst.) Endlich aber bringen die 10000 Fremden
viel Geld aus die Insel; ohne sie würden die 2000 Helgoländer wohl nicht
existieren können. Die ganze Unterstadt besteht fast nur aus Hotels.
In Übereinstimmung mit den Farben seiner Insel führt -der Helgoländer eine
grün-rot-weiße Flagge. Sie wird uns gedeutet durch den bekannten Wahlspruch:
„Grön is bat Land, (die Oberfläche)
rood is de Kant, (die Steilküste)
will is de Sand, (die Düne)
____ dal is de Flagg vnn't hillige Land." (Helgoland — Heiligland)
x) Ich zitiere damit den treffenden Ausdruck eines Helgoländer Kollegen, der vor
Jahren die Freundlichkeit hatte, mich über die Verhältnisse der Insel aufzuklären.
_2) Die Engländer haben es überall verstanden, sich an den Küsten anderer Völker
einzunisten. An Frankreichs Küste gehören ihnen die Normannischen oder Kanal-Jnseln, an
Spaniens Küste das wichtige Gibraltar und von italienischem Grund und Boden das
schwefelreiche Malta.
Harms, Vaterländische Erdkunde. 15
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Harms
Extrahierte Ortsnamen: Helgoland Helgoland Helgolands Helgoland Frankreichs Spaniens Malta
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3. Das Wattenmeer.
Die Nordsee hat ihre Räuberarbeit nicht gründlich gemacht, sie hat nur
das oberflächliche Land in der Stärke von einigen Metern abgeschürft,
den ungeheueren Sockel des geraubten Landes aber fast in seiner ganzen Aus-
dehnnng besteheu lassen. Er liegt bei mittleren Wasserstand nur eben unter
der Oberfläche, so daß man an vielen Stellen waten kann. Deshalb nennt
man diesen flachen Meeresboden die Watten, den ganzen zwischen dem Fest-
land und den Inseln befindlichen Meeressaum das Watteumeer. Bei ein-
tretender Ebbe wird fast das ganze Gebiet vom Wasser entblößt. Dann dehnt
sich zwischen Festland und Inseln eine weite, graue Schlickebene ans, und für
wenige Stunden scheint es, als habe die Nordsee wie mit einem Zauberschlage
ein großes ueues Land geschaffen, das sie dem überraschten Menschen an Stelle
des geraubten anbiete. Schnell entfaltet sich ein eigenartiges Leben auf dem
jungfräulichen Boden. Fischerfrauen und -knaben sammeln die ans dem Schlick
zurückgebliebenen Fische und Krabben, die ihnen von zahlreichen hungrigen See-
vögeln streitig gemacht werden; hin und wieder eilt ein Fußgänger eilig von
einer Insel zur andern, ja vereinzelt fährt sogar ein Wagen über die graue
Ebene dahin. (So kann man z. B. zur Ebbezeit mit dem Postwagen nach
Norderney gelangen.) Die Watten sind nämlich außerordentlich sest gelagert,
einerlei ob sie aus Saud oder Thou bestehen, so daß die Wagenräder kaum
merklich einschneiden. Vielfach wird der Verkehr allerdings durch tief ein-
geschnittene, oft sehr breite Rinnsale behindert. Sie bilden teilweise die Fort-
setzung der Festlandgewässer (der Weser, Elbe, Eider und zahlreicher Küsten-
flüßchen) und sind die Flüsse der Wattenlandschaft; man nennt sie deshalb kurzweg
Watt ströme, auch wohl Prielen oder Tiefen. An den Abhängen der Watt-
ströme finden sich im schleswigschen Wattengebiet zahlreiche Austerubänke, die
aber so tief liegen, daß sie auch zur Ebbezeit noch 11/2 m vom Wasser bedeckt
sind. — Wenige Stunden nur dauert das Festlandleben der Watten, dann tritt
die Nordsee wieder ihre Herrschaft an. Allmählich, aber sicher rückt die Flut
heran, mit ihr meist ein dichter Nebel. Wehe dem Wanderer, der dann noch
auf den Watten umherirrt! Schnell verbergen die Nebelwände ihm hüben und
drüben die Küste, und bald rennt er plan- und ziellos umher. Schon um-
spült das Wasser seine Füße, die Angst verwirrt ihm die Sinne, und wenn nicht
die Vorsehung ihn: irgendwie Rettung bietet, so nehmen die schnell steigenden
Fluten ihn dahin.
So interessant das Wattenmeer auch sein mag, für unser Vaterland be-
deutet es keinen Segen, indem es für die Schiffahrt höchst ungünstig und
gefahrvoll ist. Wenn nicht gerade Hochflut über den Watten steht, müssen die
Schiffe sich vorsichtig in den Prielen oder Wattströmen ihren Weg suchen. Um
ihnen das zu erleichtern, sind die Hauptfahrrinnen durch Seezeichen aller Art —
Tonnen, Stangen, Besen — bezeichnet. Entzieht der Nebel diese einmal den
Blicken des Steuermauues, so muß das Schiff still liegen, um nicht „aufzulaufen".
Mehr als einer Vergnüguugsgesellschast ist es schon passiert, daß sie die ganze
Nacht über in irgend einem Wattstrom liegen mußte. Hungernd und sröstelud
begrüßt man dann den endlich anbrechenden Morgen. Doch das sind Ungemäch-
lichkeiten, die sich ertragen lassen. Wehe aber dem Schiff, das bei rasendem
Weststurm aus der offenen Nordsee auf das Wattenmeer verschlagen wird. Wie
in grimmem Zorn schleudern die Winde das Fahrzeug krachend ans die Watten-
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der Eindeichung, aber mitunter fegte eine Hochflut in der Nacht weg, was der
Mensch mühsam an Heu zusammengetragen hatte. Das neugewonnene, vom
alten und neuen Deich eingeschlossene Stück Land nennt man in Schleswig-
Holstein Koog Mehrzahl Köge), in Ostfriesland und Holland Polder. Die
Größe der Köge schwankt von etwa 200—1000 ha.
(2. Ursprung des Schlammes.) Wir überlegen noch, woher die Nordsee
die großen Mengen Schlamm haben mag. Zu einem Teil lagert er als der
Niederschlag des einst geraubten Landes auf ihrem Grunde, wo er bei heftigen
Stürmen aufgewühlt wird. Sodaun entreißt sie den Halligen ein gut Teil
fetter Erde, und endlich drittens führen die Flüsse ihr eine Menge Schlamm zu,
den sie auseinanderspült und auf die Küsten verteilt. Was sie schenkt, ist also teils
früherer, teils neuerlicher Raub, leils die Gabe der Flüsse. Am fruchtbarsten
ist der vor den Flußmündungen niedersinkende Schlamm. Hier, wo Süß-
und Seewasser sich zu Brackwasser (gebrochenes Wasser) mischen, sterben
Milliarden und aber Milliarden kieselschaliger Infusorien, die einen, weil sie
nur im Salz-, die andern, weil sie nur im Süßwasser leben können. Ihre
Leiberchen und Panzerchen bilden nun einen vorzüglichen Dung für den ohnehin
fruchtbaren Schlamm. Im allgemeinen machen sie wohl 1jz0 des Volumens
des Schlickes aus, stellenweise jedoch, wie z. B. im Emdener Hafen, sollen
Schichten beobachtet worden sein, die zur Hälfte aus Infusorien bestanden.
(3. Charakter der Marsch.) Die Marsch ist vollständig eben. Weithin
schweift das Auge über die tafelförmige Fläche, denn auch Wälder behindern
den Blick nicht; nur die Gehöfte sind zum Schutze gegen die Winde meist mit
kleinen Baumgruppen umstanden. Wegen der niedrigen und feuchten Lage muß
die Marsch durch ein Netz von Gräben entwässert werden. Dieselben grenzen
zugleich die einzelnen Felder ab und bieten dem Vieh das nötige Trinkwasser.
Auch der Mensch ist zum Teil auf das Grabenwaffer angewiesen, denn Quellen
hat dieser jüngere Schwemmland- (Alluvium-)bodeu nicht. Als Trinkwasser be-
nutzt man auch das Regeuwasser. — Durch den sumpfigen Boden, die feuchte
Luft und das mangelhafte Trinkwaffer entstehen oft Fieberkrankheiten. Die
Wege der Marsch sind im Sommer steinhart und borstig zerrissen, im Herbst
und Frühling grundlos (Ursache). Der Chausseebau ist sehr kostspielig, da der
Marsch die Findlinge fehlen (Grund). Man benutzt statt dessen harte Ziegel-
steine (Klinker-Chausseen).
(4. Dodenbenutzung.) Der außerordentlich fruchtbare Boden bringt da,
wo er überhaupt dem Ackerbau dient, Korn in reicher Fülle hervor (Rapfaat,
Bohnen, Weizen, Gerste, Hafer). Überwiegend wird jedoch die einträglichere
und bequemere Fettgräfuug auf ihm betrieben. Der Marschbauer jagt all-
jährlich eine Anzahl junger Ochsen auf die äußerst kräftigen Weiden, läßt sie
sich hier fett gräfen und verkauft sie dann für schweres Geld. Sie werden
nicht bloß ins deutsche Vaterland, sondern schiffladungsweise auch nach England
verschickt. Der Marschbauer ist ein reicher Mann, der oft mit Geringschätzung
auf die benachbarte unfruchtbare Geest blickt. Er vergleicht treffend seinen Marsch-
saum mit der schmalen kostbaren Samtverbrämung eines großen Tuchmantels.
Charakteristische Merkmale des Nordsee-Küstengebietes: Strit-
tiges Kampfgebiet zwischen Meer und Land; amphibische (beidlebige)
Küste; zahlreiche Jnselbrocken; fruchtbarer Saum angeschwemmten
Schlam mbodens.
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Extrahierte Ortsnamen: Schleswig-
Holstein Ostfriesland Holland England