Die nordischen Reiche.
435
ihrer Gegner in Bann, und versagten ihnen noch auf
dem Sterbebette das h. Abendmahl. Die merkwürdigste
Streitigkeit dieser Art ist die von dem fanatischen Mör-
lin gegen den aus Oitirnberg berufnen Osiander ge-
führte , welcher in der besten Meinung, nur nicht eben
sehr klar, den Satz vertheidigte, daß die Rechtfertigung
stets in ihrem Zusammenhänge mit der Heiligung aufgc-
faßt werden müsse. Neben Zänkereien der Geistlichen ka-
men politische Partheien in Schwang. Edelleute und Reste
des Deutschordens hemmten die monarchische Gewalt;
verdrießlich umgab sich Albrecht mit Ausländern, die ihn
zu Kabalen mißbrauchten; auf Klage des Adels erschien
4 566 eine polnische Kommission, welche den Herzog ge-
wissermaßen unter Vormundschaft stellte, und alle Civil-
und Militärstellen dem Adel zusprach; in Sachen der
Kirche spielten der Bischoff von Samland und der von
Pomcsanieu eine wahrhaft päbstliche Rolle. Als Albrecht
nach vielen Kränkungen, gedrückt von eignem Kummer
und Landesnvth, 1568 starb, folgte ihm der 15jährige
Albrecht Friedrich, Sohn seiner zweiten Gemahlin,
einer braunschweigischen Prinzessin. Vier Edelleute hat-
ten als Oberräthe die Vormundschaft. Kaum mündig
geworden, fühlte der junge Herzog sich unwohl: der Hof-
prediger und der Bischoff von Samland riethen zu einer
Arznei, die ihn geistig zu Grunde richtete: Drohungen
und körperliche Mißhandlungen, welche die Räthe sich er-
laubten, machten diesen Zustand der Blödigkeit noch är-
ger. Doch vermählten sie den Herzog mit Maria Eleo-
nora von Cleve, die ihm mehrere Töchter gebar, später
Gemahlinnen Johann Friedrichs und Johann Sigismunds
von Brandenburg. 1577 endlich übertrug der polnische
König dem nächsten Lehensvetter, Markgrafen Georg
Friedrich von Anspach, die Regentschaft. Dieser
fand sich dem unbotmäßigen Adel nicht gewachsen, und
kehrte daher, des Streites überdrüssig, nach Anspach zu-
rück, von wo er 17 Jahre lang, so gut es gehen wollte,
Preussen regierte. Ucbrigens wurden in dieser Zeit die Bi-
28 *
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Extrahierte Personennamen: Albrecht Albrecht Pomcsanieu Albrecht Albrecht Albrecht_Friedrich Albrecht Friedrich Maria_Eleo-
nora_von_Cleve Maria Johann_Friedrichs Johann Friedrichs Johann_Sigismunds Johann Georg
Friedrich_von_Anspach Friedrich
422
Zwanzigstes Hauptstück.
duldsam, daß, wie aus dem früher Gesagten hervvrgcbt,
unter ihm Faustus die Unitarier zur socinianiseben Ge-
meinde sammeln konnte. Damit die Rechtspflege besser
und schneller gehandhabt werde, ordnete er 5 höchste Ge-
richte an, eines für Litthauen in Wilna, eines für Groß-
polen ln Petrikau, eines für Kleinpvlcn in Lublin, kämpfte
tapfer gegen Rußland und verwendete die Kvsacken zweck-
mäßig gegen Granzeinfälle der Tataren. Es war in der
That ein Verlust für Polen, daß er schon den 15. Dez.
1586 starb. Bei dem hitzigen Streite über die Wieder-
besetzung des Throns, auf welchen die Parthei der Fa-
milie Zboroy Kaiser Rudolfs Ii. Bruder, den Erzherzog
Maximilian, berufen wollte, erhielt die Gegenparthci, die
des Hauses Zamvisky, durch den kräftigen Reichskanzler
Jamoisky das Uebergewicht, und den 19. Aug. 1567
wurde der schwedische Thronerbe als Sigismund Iii.
erwählt, den 27. Dez. zu Krakau gekrönt. Um die Ge-
schichte seiner Regierung zu verstehen, müssen wir vor-
her auf Schweden zurückkommen.
Der den 29. September 1560 verstorbne Gustav I.
Wasa war dreimal vermählt gewesen, vom 24. Dez. 31
bis zum 23. Sept. 35 mit Katharina, Tochter Her-
zog Magnus I. von Sachsen - Lauenburg , vom 10. Okt.
56 bis zum 26. Rüg. 51 mit Margaretha, Tochter
des schwedischen Reichsmarschalls Erich Abrahamssvn Le-
jvnhufwud, und vom 22. Aug. 52 an mit Katharina,
Tochter des Schweden Gustav Olofsson Stenbvck. Aus
erster Ehe stammte der den 13. Dez. 53 gebvrne Erich;
aus zweiter Cchc stammten, neben 5 Töchtern und 2 früh
verstorbnen Söhnen, der den 21. Dez. 57 gebvrne Jo-
hann, der den 27. Juli 42 gebvrne Magnus und der
den 4. Okt. 50 gebvrne Karl. Nach Gustavs letztem
Willen sollten Johann Finnland, Magnus Ostgvthland,
Karl Südcrmannland als Herzoge verwalten, theils, da
mit sic sich nicht unzufrieden an den gedemüthigten Adel
wendeten, theils weil der Erstgeborne lind Tbrvnfolger
nicht fähig genug schien. Denn Erich Xiv., zwar ein schö-
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Extrahierte Personennamen: Rudolfs Maximilian Maximilian Jamoisky Sigismund_Iii Gustav_I. Katharina Magnus_I._von_Sachsen Magnus_I. Margaretha Erich_Abrahamssvn Katharina Gustav_Olofsson_Stenbvck Gustav Erich Magnus Magnus Gustavs Johann_Finnland Johann Magnus_Ostgvthland Magnus Karl_Südcrmannland Karl Erich_Xiv.
Kardinal Richelieu.
489
französische Gesandte, Baron Charnace im schwedi-
schen Lager, um seine Vermittlung anzubieten; denn Ri-
chelieu wünschte, vast Gustav freien Spielraum zum
Kampfe gegen Oestrcich bekomme. Bei der Schwierigkeit,
die streitenden Ansprüche der Schweden und Polen aus-
zugleichen, erzielte Charnace nur einen 6jährigen, den
16. November 29 zu Altmark Unterzeichneten Waffenstill-
stand: „Lievland bleibt schwedisch; in Kurland gibt Gu-
stav das eroberte Mietau zurück; in Preuffen behält er
Braunsbcrg, Tvlkemit, Elbing, das ffschauische Werder,
den werdcrschen Damm bis Jankcndvrf, Pillau und die
danziger Nehrung von Stegen bis Pillau; Marienburg,
Stumm, den Rest des großen Werders und das danziger
Höft gibt er dem brandenburger Churfürsten in Versatz,
der es, wofern kein bleibender Friede nachfolgt, an Schwe-
den ausliefern wird, und als Pfand hicfür im brauden-
burgischcn Preuffen Fischhauscn und Lochstädt, einen Theil
des schakenschen Gebiets, die kurische Nehrung und Me-
mel an Gustav abtritt," In einem Vertrage vom 28.
Februar 30 gelobte noch insbeiondre der Stadtrath von
Danzig, weder auf eigne Rechnung Secrüstungen gegen
Schweden zu machen, noch fremde Rüstungen iu seinem
Hafen zu dulden. Den 30. April 32 starb Sigismund,
nach 45jähriger rühmloser Regierung, unbetraucrt von
seinen Unterthanen. Gustav Adolf aber wendete sich jetzt
mit reifer Kraft einem Unternehmen zu, das seine Brust
zu den kühnsten Hoffnungen schwellte. Längst war er den
deutschen Angelegenheiten aufmerksam gefolgt. Er begriff,
daß die Spannung zwischen Liga und Kaiser aufs höchste
gestiegen sey, und daß Ferdinand, damit nur die Ligisten
eine blutige Lehre erhielten, im Herzen fein Bundcsge-
nvffe seyn werde. Der protestantischen Kirche war er
mir Ueberzeugnng zugethan: cs hatte etwas Begeisterndes
für ihn, ein Schutzengel seiner bedrängten Glaubensge-
noffen jenseits der Ostsee zu werden. Noch mehr reitzte
ihn der Entwurf, im Kampfe mit dem Katholizismus
ein protestantisches Kaiserthum zu gründen, und der ihn
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Extrahierte Personennamen: Richelieu Gustav Gustav Gustav Gustav Sigismund Gustav_Adolf Gustav Adolf Ferdinand
Karl Gustav, Friedrich Ih. und Friedrich Wilhelm. 103
Prinzen Heinrich Julius von Enghien abgesehen.
Die Folge war, daß er alle Liebe und alles Zutrauen
verlor; 1664 erhob d er Krön mar sch all Lubo-
mirski sogar die Waffen gegen ihn, und den 13. Juli
66 mußte er in einem förmlichen Frieden versprechen, je-
nes Projekt ruhen zu laffen. Am 13. Jan. 67 machte
er zu Andruffow auf 13 Jahre Waffenstillstand mit Ale-
pis: der Zaar bekam ausser Smolensk, Severien und
Tschcrnigow auch noch die Ukräne jenseits des Dnjeprs,
und auf 2 Jahre Kiew. Also dienten nunmehr die sa-
poroger und ukranschen Kvsacken unter russischer Fahne:
ein großer Gewinn für den Krieg! denn im Uebrigen
band den Zaar eine Kapitulation, weder ihre militärische
und gerichtliche Verfassung zu ändern, noch sie mit neuen
Abgaben zu beschweren, noch ihre Hettmannswahl zu
beschränken. Als den 10. Mai 67 Johann Kasimirs
Gemahlin starb, entlcidete dem kinderlosen Fürsten (ein
Mädchen und ein Knabe waren bald nach der Geburt
gestorben) die undankbare Krone: den 16. Sept. 68 legte
er sie nieder, gieng mit einem Jahrgelde von 150,000
Gulden nach Frankreich, und starb zu Revers, den 16.
Dez. 72. Das Meiste hatte bei dem nordischen Kriege
der thätige, schlaue Friedrich Wilhelm gewonnen: kraft
des welauer Vergleichs vom 19, Sept. 1657 trug
er nur noch die pommerschen Distrikte Laucnburg und
Bütow von der polnischen Krone zu Lehen: Preussen
sollte ihm und seinen männlichen Erben als souveränes
Herzogthum gehören, und erst wenn nach Abgang des
Mannsstammcs die fränkischen Markgrafen erbten, sollte
der polnische Lehensverband erneuert werden. Nicht ge.
wöhnliche Klugheit und Kraft war erforderlich, um den
Vertrag im Lande selbst handzuhaben: es herrschte allge-
meine Unzufriedenheit darüber, daß Residenz und Cen-
tralregierung in Brandenburg bleibe, und doch wollte
die Lage des Ganzen dieß nicht anders gestatten; wegen
der Größe des Heers fürchtete man neue Steuern und
Eingriffe in das Privilegienwesen, und doch bedurfte
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Extrahierte Personennamen: Karl_Gustav Karl Gustav Friedrich_Ih Friedrich Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Heinrich_Julius_von_Enghien Heinrich Johann_Kasimirs Johann Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Smolensk Kiew Frankreich Laucnburg Brandenburg
r
374 Vierzehntes Hauptstück.
30,000 Mann zu: insgeheim verabredete man zu Wien
die Thronerhebuug Jakobs Iii. und die Verdrängung der
Engländer aus Gibraltar und Minorca. Freilich hatten
es die wiener Minister blos auf Geld abgesehen; wie
sie denn auch nachher noch 2 Millionen Piaster bezogen,
angeblich, um das Heer zu verstärken; allein der franzö-
sische Gesandte Richelieu bemerkte nicht die mindesten
Anstalten hiezu. Dieß hinderte jedoch den Baron Rip-
perda keineswegs, triumphirend nach Madrid zurückzu-
kehren, und im Dez. 1725 als spanischer Herzog an die
Spitze des Ministeriums zu treten. Frühzeitig hatte
Sct. Sephorin, brittischcr Gesandter in Wien, das,
was Ripperda betrieb, durchschaut; am 3. Sept. 25 kam
daher, während die Verhandlungen in Cambrai aufhör-
ten, in Herrenhausen die sogenannte hannoversche Al-
lianz zwischen England, Frankreich und Preusien zu
Stande, indem sich diese 3 Mächte ihre Länder wechsel-
seitig verbürgten, und auf den Fall eines Angriffs Hülse
zusagtcn; am 9. Aug. 26 schloß sich Holland, am 25.
März 27 Schweden, am 16. Apr. auch Dänemark dem
Herrenhäuser Bündnisse an. Dagegen war der preussische
König den 12. Okt. 26 kraft des Traktats von Wuster-
hausen zum Kaiser übergegangen, aus zwei Gründen:
einmal übte der östreichische Gesandte Graf von Secken.
d orf als Mitglied der Tabagie persönlichen Einfluß auf
Friedrich Wilhelm; dann gab Kaiser Karl, sobald nur
die pragmatische Sanktion anerkannt wurde, das be-
stimmte Versprechen, beim Aussterben des Hauses Neu-
burg solle Jülich und Berg an Preussen fallen. Noch
einen bedeutcndern, wiewohl naturwidrigen Zuwachs hatte
die wiener Allianz mit Hülfe des feilen Mcnschikow
durch den Beitritt Rußlands erhalten, der am 26. April
26 erfolgt war. Den 31. Mai 27 erneuerten auch die 5
vorder» Kreise des deutschen Reichs ihre Association mit
dem Kaiser. Ein europäischer Krieg schien dem Ausbruch
nahe: 3 englische Flotten stachen 1726 in See, nach Ame-
rika, nach den Küsten von Rußland und Spanien; an-
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Extrahierte Personennamen: Richelieu Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Karl Karl
Extrahierte Ortsnamen: Wien Madrid Wien Ripperda Cambrai Herrenhausen England Frankreich Holland Schweden Wuster- Preussen Spanien
Oeftreichtscher Erbfolgekrieg.
599
Am 31. Mai 1740 starb Friedrich Wilhelm I. von
Preussen, am 20. Okt. Kaiser Karl Vi. Ruhig folgte
Maria Theresia unter dem Titel einer Königin von Un-
garn und Böhmen in dem Besitz der Erblande ihrem
Vater nach; denn daß der bayrische Gesandte, Graf
von Perusa, Widerspruch einlegte, kam nicht uner-
wartet, schien auch damals nicht viel auf sich zu haben.
Desto mehr staunte Maria Theresia über die Ansprüche,
welche ein andrer Fürst, erhob. Die Sache verhielt sich
so. Unerachtet Friedrich Wilhelm die pragmatische Sank-
tion nur auf die Bedingung hin unterzeichnet hatte, daß
das jülichsche Erbe ihm zuerkannt werde, hatte später
doch Karl Vi. dem Hause Sulzbach die Anwartschaft so-
wohl auf Churpfalz, als auf Jülich, Eleve und Berg
ertheilt. Noch aber war der Tod des letzten Sprößlings
vom Hause Neuburg nicht erfolgt, und König Friedrich Ii.,
konnte somit sein Recht immer noch geltend machen. Al-
lein er wollte es nicht; denn wenn er die preussische
Macht am Rheine auszudehnen suchte, so verdarb ers
zugleich mit dem pariser Kabinette; auch schwebte ihm
eine andre Acguisition vor, wodurch sein Staat an Ein-
heit und Zusammenhang bedeutend gewinnen mußte. 1557
hatte nämlich Churfürst Joachim Ii. von Brandenburg
mit Herzog Friedrich Ii. von Licgnitz, Brieg und Wohlau
eine Erbverbrüderung geschlossen, welche allerdings durch
die böhmischen Stände gerichtlich angegriffen, durch Kö-
nig Ferdinand I. 1546 kassirt, übrigens damit verthci-
digt wurde, daß die schlesischen Fürsten , als sie der Krone
Böhmen ihre Länder zu Lehen auftrugen, freie Verfü-
gung darüber sich Vorbehalten haben. 1675 starb der
lieguitzische Maunsstamm aus, der Kaiser zog das eröff-
nete Erbe ein, und gab auch das im 50jährigen Krieg
den Brandenburgern abgenommne Fürstenthum Jägcrn-
dorf nicht wieder heraus. Nach langem Streite trat
Oestreich an den großen Churfürsten, zum Ersatz für alle
Forderungen, den schwiebusser Kreis ab, bewog übrigens
den Churprinzcn, die Räumung des Ländchens insgeheim
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Extrahierte Personennamen: Oeftreichtscher Friedrich_Wilhelm_I._von
Preussen Friedrich Wilhelm_I. Karl_Vi Karl Maria_Theresia Maria Theresia Graf
von_Perusa Maria_Theresia Maria Theresia Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Karl_Vi Karl Friedrich_Ii Friedrich Joachim_Ii Friedrich_Ii Friedrich Ferdinand_I. Oestreich
Theilung Polens.
585
nit ohne meinen größten Gram, ihren Weg gehen."
Mühsam überredet, unterschrieb sie endlich den Entwurf
des Theilungsprojektes, aber mit den Worten: "Placet,
weil so viele große und gelehrte Männer es wollen; wenn
ich aber schon längst todt bin, wird man erfahren, was
aus dieser. Verletzung von allem, was bisher heilig und
gerecht war, hcrvorgehen wird." An diesem wahrhaft
kaiserlichen Urtheile mag genügen; wir erzählen nun
vollends ganz trocken den Verlauf der Sache. Am 4.
März 72 trat Ocstreich bei, aber mit so hohen Forderun-
gen , daß die Unterhandelnden erst am 5. August defini-
tiv zum Schluffe kamen: Nußland sollte haben polnisch
Lievland, den größten Thcil der Woiwodschaft Witepsk,
den Hauptthcil der Woiwodschaft Polock, die ganze
Woiwodschaft Mcislaw, und die beiden Enden der
Woiwodschaft Minsk, zusammen die nachmaligen Gou-
vernements Polock und Mohilew oder 3500 Qnadratmei-
lcn Flächenraum; Ocstreich die zipser, wieder mit Ungarn
zu verbindende Gespannschaft, die Hälfte der Woiwod-
schaft Krakau, einen Thcil der Woiwodschaft Scndomir,
die Woiwodschaft Nothrußland, den größten Thcil der
Woiwodschaft Bclz, Pokucie lind ein Stück von Pvdolien,
kurz 2500 Quadratmcilcn, die man zu einem Königreiche
Galizien und Lodomirien erhob; Preuffen polnisch Preuffen
auffer Danzig und Thvrn, und einen Thcil von Groß-
pulen bis zur Netze, zusammen nur etwa 624 Q,nadrat-
meilcn mit 500,000 Einwohnern, aber von höchster
Wichtigkeit, weil sie Pommern und Penmark mit Alt-
preuffen verband, und den König durch den Besitz der
Weichsclmündung zum Herrn des polnischen Handels
machten. Stanislaus August hatte seit 1768 ganz leidend
auf dem Thron gesessen: jetzt schämte er sich so schmäh-
licher Theilung und eiferte dawider; doch berief er auf
Verlangen der auswärtigen Minister einen Reichstag.
Am 19. April 1773 wurde derselbe eröffnet: Thaddäus
Reytcn stand an der Spitze der Patrioten, und verlor
über dem Unglück seines Vaterlandes den Verstand;
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Extrahierte Personennamen: August Mcislaw Stanislaus_August August Thaddäus
Reytcn
98
Fünftes Hauptstück.
rich Wilhelm hatte schon vorher Karl X. unterhandelt,
um von ihm die preussischen Häfen, gegen ansehnliche
Entschädigung auf Kosten Polens, zu erhalten: der Chur-
fürst gestattete blos, was er nicht hindern konnte, näm-
lich den Durchzug, machte Hoffnung auf ein Bündniß,
blieb aber vor der Hand partheilos. Da indes; Karl
immer weiter vordrang, knüpfte Friedrich Wilhelm mit
ihm an, in Hoffnung, durch schwedische Hülfe souverän
zu werden; nun aber wollte Karl nicht. Plötzlich stand
Friedrich Wilhelm an der Spitze seiner Truppen, rückte
mit 20,000 Mann nach Marienburg, und bewog die
dort versammelten Stände von polnisch Preussen, bei der
gemeinschaftlichen Vertheidigung des Landes ihm die
oberste Leitung zu übertragen. Erfreut über den ersten
Strahl von Hoffnung, bestätigte Johann Kasimir sogleich
den marienburger Vertrag. Allein Karl hatte schon die
Waffen nordwärts gekehrt, besetzte sowohl das könig-
liche als das herzogliche Preussen, und zwang den Chur-
fürsten, in Königsberg, den 17. Jan. 56, zu einem
Traktate, kraft dessen er ein Vasall Schwedens wie früher
Polens zu seyn und 1500 Mann Hülfstruppen zu stellen
versprach. Dennoch bereitete sich jetzt eine für Polen
wieder günstigere Wendung vor: mit derselben anarchi-
schen Kraft, welche den Sieg der Schweden erleichtert
hatte, standen überall die Edelleute auf, um die Be-
satzungen des Siegers zu verjagen; Johann Kasimir
kehrte von der Flucht zurück; Fürst Ragoczy hatte we-
nig ausgerichtet; mit den Nüssen verständigte man sich:
der Waffenstillstand von 56 ließ sie im Besitze der 1634
an Polen abgetretnen Provinzen Smolensk, Tschernigow
und Scvericn, und dein Zaar spiegelte man Aussichten
vor, falls Kasimir stürbe, auf den polnischen Thron be-
rufen zu werden. Sofort erhob Alexis Fehde gegen
Schweden, und Karl mußte, obgleich Magnus de la
Gardie Riga behauptete, und Fritz von Löwen am
9. Juli 57 bei Walke die Russen schlug, doch immerhin
seine Streitkräfte theilen. Inzwischen hatte Friedrich
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Karl_X Karl Karl Karl Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Karl Karl Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Johann_Kasimir Johann Karl Karl Johann_Kasimir Johann Fürst_Ragoczy Kasimir Alexis Karl Karl Magnus_de_la
Gardie_Riga Magnus Fritz_von_Löwen Walke
102
Fünftes Hauptstück.
mit 5000 polnischen Reitern säuberten Holstein, Schles-
wig und Jütland vom Feinde; einen Theil der Derbün-
beten setzten die Holländer, während der Chursürst auf
schwedisch Pommern loszog, nach Fünen über, von wo
die Schweden gleichfalls verjagt wurden; nach Seeland
aber verweigerten sie standhaft die Ucbcrfarth: sie fühl-
ten sich stark genug, und wollten die Hauptsache selber
entscheiden. Umsonst schloß Karl Kopenhagen noch das
ganze Jahr 59 ein; umsonst rüstete er sich zur Ervbe«
rung Norwegens: den 23. Febr. 60 raffte ihn zu Go«
thenburg, im 37. Lebensjahre, ein hitziges Fieber weg:
sein letzter Wunsch war, daß seine 1654 ihm angetraute
Gemahlin Hedwig Elcvnvra (geboren den 23. Okt.
1636, Tochter Herzog Friedrichs Iii. von Holstein-
Gottorp) , ungesäumt Frieden schließe. Schon längst
hatten hierauf die gegen Karl verbündeten Mächte ge-
drungen, Oestrcich, Frankreich, England, allein Däne-
mark wollte den günstigen Augenblick benützen. Auch
dießmal entschieden die Holländer: kaum war ihre Flotte
heimgcsegelt, so siegte der friedliche Rath des Hannibat
Sehcstcd: der kopenhagner Friede vom 27. Mai 60 be-
stätigte den roeskildcr, mit der einzigen Ausnahme, daß
Drontheim und Bornholm bei Dänemark blieb.
Mit Polen hatte Karls Wittwe, die nach der Vor-
schrift von 1634 sammt den 5 höchsten Rcichsbeamten
die Regierung führte, bereits den 3. Mai 60 zu Oliva
abgeschlossen: Esthland blieb ganz, Lievland bis auf den
Theil schwedisch, welchen die Republik noch 1655, vor
Ausbruch des Kriegs, besessen hatte. Der Friede mit
Iaar Alexis erfolgte den 21. Juni 61 zu Kardis, ganz
dem von Stolbowa gemäß, so daß Rußland Nvwgvrvo,
Schweden Kexholm, Kareleu und Jngermannland behielt.
Jetzt hätte Johann Kasimir den russischen Krieg mit
größrem Nachdrucke führen können; doch hierin störte
ihn das Bemühen, noch bei seinen Lebzeiten die Wahl
des Nachfolgers durchzusetzen, und zwar hatte ers auf
den Sohn des großen Cond6, auf den 1643- gebornen
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Extrahierte Personennamen: Karl_Kopenhagen Karl Hedwig_Elcvnvra Friedrichs Holstein-
Gottorp Karl Karl Karls_Wittwe Karls Alexis Stolbowa Johann_Kasimir Johann
Extrahierte Ortsnamen: Holstein Schweden Seeland Norwegens Friedrichs Frankreich England Drontheim Bornholm Dänemark Lievland Schweden_Kexholm Kareleu
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quenz, und vergaß darüber, daß auf einem Throne,
woran noch ganz frisch das Blut Pauls und Peters kleb-
te, nichts unsichrer ist als die Person des Herrschers.
Preussen erlangte erst am 9. Juli einen Frieden, welcher
es aus der Zahl der Großmächte strich, und in ein Trüm-
merdenkmal italiänischer Rachsucht verwandelte: es ver-
lor die Fürstenthümer Bayreuth, Halberstadt, Hildes-
heim , Eichsfeld, Erfurt, Ostfriesland, Minden, Pader-
born, Münster, Lingen und Tecklenburg, das Herzogthum
Magdeburg, die Grafschaft Mark, die Abteien Essen, El-
ten, Werden, dm Kreis Altmark, den priegnitzer und kot-
busser Kreis, vom Netzdistrikte und Ost^reussen 262,000,
von Neuostpreussen 904,000, von Südpreussen ¿'282,000
Einwohner, zusammen 4'256,305 Einwohner und dritt-
halbtausend Qnadratmeilen; es war folglich auf eine Be-
völkerung von 5'043,504 Seelen zuräckgebracht, und die-
ser Rest mußte sich augenblicklich der ganzen Strenge des
Continentalsystems unterziehen. Die eroberte Länder,
masse ward in folgender Weise ausgetheilt. König Fried-
rich August von Sachsen erhielt den kotbusser Kreis,
freien Gebrauch einer nach Polen führenden Militärstraße,
und das Hcrzogthum Warschau, oder die seit dem
1. Jan. 1772 preussisch gewordnen, jetzt wieder abgetret-
nen Provinzen Polens, nur mit Ausnahme von Biaty-
stock und Danzig; denn Stadt Danzig nebst 2 franzö-
sischen Meilen Gebiet sollte unter dem Schutze Preussens
und Sachsens unabhängig, wiewohl von einer franzö-
sischen Garnison bewacht, sollte seewärts gegen England
abgesperrt, in der Weichselschiffarth aber von keiner Seite
gehindert seyn. Gutakowsky, Stanislaus P o-
tocky, Dzialynsky, Wybicky, Bielinsky und
Sobolewsky bildeten mit dem Präsidenten Stanis-
laus Malachowsky und dem Sekretär Luszczews-
ky einen Ausschuß, welcher die sofort von Napoleon geneh-
migte Verfassung des warschauer Herzogthums entwor-
fen hat: ,, der Reichstag besteht aus Senat und Land-
botenkammer, dev Senat aus 6 Erzbischvffen, 6 Woy-
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