Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
Vorwort.
Das vorliegende Buch will in erster Linie dem bürgerkundlichen Unter-
richte im ersten Jahrgang unserer Fortbildungsschulen dienen. Die engere
Heimat stellt es in den Mittelpunkt. Als eine geschlossene wirtschaftliche und
staatliche, von einem einheitlichen Willen durchflutete Lebensgemeinschaft soll
sie erfaßt werden.
Die Liebe zur Heimat, der Stolz auf Stammesart und Stammesleistung
sind aufzurufen. Als frohgemute Lebensäußerung des Volksgeistes, als Ausfluß
der Kraft und Tüchtigkeit des Stammes muß vor allem die heimische Wirtschaft
dargestellt werden. Zugleich wird eine historische Betrachtung, die das Gegen-
wärtige als Ergebnis des Vergangenen, als Endpunkt einer längeren Ent-
wickelungsreihe sieht und sehen lehrt und damit den Einzelnen mitten hineinstellt
in die Gemeinschaft der Gewesenen und Kommenden, der Heimatliebe und
dem Stammesstolz neue Nahrung und Vertiefung geben.
Ein Idealbild des Stammes also, das aus der Betrachtung der Ver-
gangenheit geschöpft und durch die Darstellung des Wirtschaftslebens der Gegen-
wart vervollständigt wird, soll dem jungen Menschen höhere, lichtere Ziele
geben und den Willen zu tätiger Mitarbeit an der besseren Gestaltung heimischer
Verhältnisse entwickeln.
Stammesvolk, Stammesarbeit und Staat verschmelzen so zur Einheit.
Ein Strom überindividueller Interessen wird bloß gelegt. Er muß, wenn
die Darstellung den richtigen Ton zu finden weiß, die jungen Seelen in
seine Gewalt ziehen und sie zu jener Höhe der Betrachtung führen, auf der
man wenigstens einmal gestanden haben muß, wenn man staatlichen Dingen
das richtige Verständnis entgegenbringen will. Ob es diesem Buche gelungen
ist, jenen Ton zu finden, bleibt der Beurteilung derer überlassen, die sich
aus Neigung oder von Berufswegen mit der Erziehung unserer schulentlassenen
Jugend befassen.
Doch können naturgemäß nur Einzelbilder aus Wirtschafts- und Staats-
leben der Heimat gegeben werden, und selbst diese dürfen keinerlei Anspruch
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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auf Vollständigkeit machen. Wenn der einheitliche Grundton durchklingen
soll, müssen die störenden Ober- und Untertöne sorgfältig ferngehalten werden.
Staatsbürgerliche Erziehung hängt ja zum Glück nicht von der Masse der
Kenntnisse ab. Die Betrachtung einer einzigen Angelegenheit reicht oft hin,
das tiefste Wesen des Staates erkennen zu lassen. Die Darstellung der
Entstehungsgeschichte einer einzigen gesetzgeberischen Maßnahme genügt oft,
die Schwierigkeiten aufzudecken, die sich der Befriedigung aller Wünsche ent-
gegenstellen.
Doch sollen die einzelnen Darlegungen den Staat in seiner Größe
und Kraft zeigen, den überragenden Wert seiner Aufgaben und Ziele jedem
noch so sehr berechtigten Einzelinteresse gegenüber erkennen lassen. Was man
nicht zu lieben und zu bewundern vermag, für das kann man auch nicht
opferwillig und freudig arbeiten.
Bei aller liebevollen Versenkung in die Verhältnisse der Heimat aber
müssen die Einzelbilder den Blick stets über die rot-weißen Grenzpfähle hinaus-
lenken. Heimatland und Heimatstaat sollen nur den Stoff des ersten Fort-
bildungsschuljahres bilden. Das zweite hat in ähnlicher Weise, von einer
erhöhten Warte aus, Volk und Reich als größere Lebensgemeinschaft darzustellen
und lebendig zu machen. Die Verbindungsfäden zwischen den beiden Kreisen
sind von Anfang an zu knüpfen. Für ein Land ferner, das in so weitgehendem
Maße wirtschaftlich abhängig ist vom großen Vaterlande, das politisch, staats-
rechtlich so eng mit den Einrichtungen des Reiches verwachsen ist, dürfte der
durchgehende Nachweis der Beziehungen zwischen Heimat und Vaterland eine
besondere Notwendigkeit sein. Über dem allem aber steht noch das große
Ziel aller staatskundlichen Belehrung: Die Entwickelung nationalen Fühlens,
jener nationalen Lebensenergie, die nicht nur eine der wichtigsten Bedingungen
für den Bestand des Reiches, sondern auch für den Einzelnen das hervor-
ragendste Mittel zur Auswirkung einer vollen Persönlichkeit bildet. Empfangend
und gebend, anregend und selber mannigfache Förderung erhaltend, treibend
durch die Kraft stammesbestimmter Eigenart und getrieben und getragen vom
Strome des Volksgeistes, so ist die heimatliche Lebensgemeinschaft zu sehen,
so erst erhält das Bild der Heimat und seiner Bewohner die richtige Um-
rahmung und Abtönung.
In dieser Zwecksetzung wendet sich das Buch nicht an die Fortbildungs-
schule allein. Es dürfte auch der Heimatkunde in Volks- und Mittelschule
manche wertvolle Anregung geben und wenigstens einen Weg zeigen, wie
dieses Stoffgebiet mit reicherem Leben zu durchdringen sei. Die Fortbildungs-
schule könnte wesentlich entlastet und ihre Zeit für weiterliegende Aufgaben
frei werden, wenn die sieben- und achtklassige Volksschule wenigstens versuchen
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Herren, dann zahlreiche Grafen, Ritter und Herren, bald sehr reich an Land
und Leuten, bald nur Gebieter weniger Dörfer. Außerhalb dieser zahlreichen
Herrschaften aber war eine Reihe von Reichsstädten hochgekommen, die sich
reichsfrei, „kaiserlich" nannten, die niemanden als Herrn über sich erkannten
als den Kaiser selber, deren Häupter schalteten und walteten wie Fürsten
des Reiches. Jakob Sturm, dem Bürgermeister der freien Stadt Straßburg,
sind wir ja schon begegnet.
Anfangs war wohl die Macht all dieser Herren klein. Während aber
die deutschen Kaiser in Italien erfolglos um eine fremde Krone kämpften,
errangen sich die vielen kleinen Fürsten daheim ein Recht nach dem andern.
So erstarkte und wuchs ihre Macht in gleichem Maße, wie die des Kaisers
geringer und immer geringer wurde.
Dann kam das entscheidungsvolle Jahr 1648. Das setzte den Schluß-
punkt hinter die bisherige Geschichte der kleinen deutschen Länder und Herr-
schaften. Bis dahin hatten sie ihre Herrschaftsrechte ausgeübt, weil kein
Kaiser stark genug war, sie ihnen zu nehmen. Jetzt wurden sie ihnen gesetz-
mäßig zugesprochen. Das neue Gesetz hat sie als selbständige Herren an-
erkannt. Untereinander oder mit fremden Staaten durften sie Bündnisse
schließen, als wären sie gar nicht Teile des Reiches. Nur nicht gegen den
Kaiser sollten die Bündnisse gehen. Das war die einzige Bestimmung,
die daran erinnerte, daß sie noch zum Reiche gehörten, daß sie wenigstens
dem Namen nach dem Kaiser untertan waren, daß das Reich sich noch nicht
ganz aufgelöst hatte. Mit 1648 sind sie also wirkliche Staaten geworden.
Die zahlreichen Herrschaften unseres Landes aber haben diesen Schritt
nicht alle mitgemacht. Jenes Reichsgesetz von 1648 galt nicht mehr für
unser ganzes Land. Im gleichen Jahre sind ja große Teile von Elsaß und
von Lothringen vom Reiche getrennt und mit Frankreich vereinigt worden.
Derselbe Federstrich also, der die Länder und Herrschaften jenseits des Rheins
zu Staaten machte, hat es dem größten Teil unseres Landes unmöglich
gemacht, jemals auch selbständig zu werden. Denn in Frankreich war für
solche Selbständigkeit kein Raum. Dieses Land bildete damals schon einen
Einheitsstaat. Einzig und allein die Macht des französischen Königs
gebot über alle Gebiete, die sich französisch nannten. Es gab keine Fürsten
außer diesem König, und es wurden keine geduldet.
Wohl wehrten sich die 1648 abgetretenen Teile unseres Landes gegen
die französische Herrschaft. Wohl haben die freien Städte im Ober- und
Unterelsaß mehr als einmal dem französischen „Landvogt", der ihr Herr
sein wollte, ihre Tore vor der Nase zugeschlagen, haben nach wie vor ihre
Abgesandten zu den deutschen Reichstagen geschickt. Und doch galt das Gesetz,
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T34: [Krieg Frankreich England Deutschland Preußen Frieden Rußland Napoleon Kaiser Jahr], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
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Extrahierte Personennamen: Jakob_Sturm
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wählten den Obersten der Versammlung, sie bestimmten, was geschehen sollte.
Kein Fürst und kein König hat anfänglich dieses Recht beschnitten. Später
allerdings sind die ehemals freien Männer unfrei, Diener eines Mächtigeren
geworden, und mit ihrer Freiheit schwand auch die Gemeindefreiheit. Wohl
tausend Jahre hat es gedauert, bis sie wieder eine Stätte fand in deutschen
Landen. Dafür aber steht sie heute auch sicherer als damals. Keine Regierung
wird sie mehr antasten oder antasten lassen. Sie schadet ja sonst den Inter-
essen des Staates selber.
Frankreich ist auch hierin einen anderen Weg gegangen. Es hat sich
das freieste Wahlrecht erkämpft, jenes Wahlrecht, das heute auch bei uns
für die Wahlen zum Reichstag und zum Landtag gilt. Es hat seiner Kammer
die weitgehendsten Rechte gegeben, wie sie nur wenige Volksvertretungen in
Europa besitzen. Aber es hielt anscheinend nicht viel von der Gemeinde-
freiheit. In den einzelnen Kreisen und Bezirken gebot und gebietet heute
noch der Staatsbeamte in den meisten Angelegenheiten, während die Selbst-
verwaltungsrechte der Bürger nur gering sind. Wie unsere eigene Gemeinde-
verwaltung die einstige Zugehörigkeit Elsaß-Lothringens zu Frankreich noch
erkennen läßt, wird uns noch beschäftigen.
Zunächst müssen wir das Maß von Geimeindefreiheit umschreiben,
das Elsaß-Lothringen heute genießt. Es ist kein kleines.
Die Gemeinde umspinnt und umhegt jeden im Staat auf die mannig-
faltigste Weise mit ihrer Fürsorge. Wir benutzen täglich hundert Dinge,
genießen zahlreiche Vorteile, ohne daran zu denken, daß wir sie entbehren,
müßten, wenn nicht die vergangenen Geschlechter auch für uns gearbeitet,
wenn nicht die Sorge der Gemeinde uns allenthalben umgäbe. Daß wir
auf fester, gebahnter Straße stehen, wenn wir vor unsere Türe treten, daß
wir vor jeder Belästigung sicher unseres Weges gehen dürfen, daß von
unseren Wohnungen alles ferngehalten wird, was unsere Gesundheit gefährden
könnte, daß uns endlich das Köstlichste wird, Erziehung und Unterricht in
den Schulen, eine Vorbereitung fürs Leben, eine Veredelung unserer Seele,
diese und noch manche andere Wohltat danken wir unserer Zugehörigkeit
zur Gemeinde. Soviel leistet selbst das ärmste Dorf. Und nun denke
man erst an die mannigfachen weiteren Aufgaben, die die großen Gemeinden,
die Städte, sich gefetzt: Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung und
Straßenbesprengung, Sorge für Licht und Luft, für gesunde Wohnungen,
Spielplätze, Gas- und Elektrizitätswerk, Feuerwehr, Spital, Armenverwaltung,
Arbeitsnachweis usw. Man braucht diese Einrichtungen nur alle zu nennen,
und vor uns entsteht das Bild einer weitverzweigten Fürsorge der Gemeinde
für ihre Bürger. In alle Lebensgebiete dringt sie ein; sie macht das Leben
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übermäßige Schuldenlast auflädt oder das Gemeindevermögen unvorsichtig
verschleudert. Muß sie zur Ausführung einer Arbeit, sagen wir zur An-
lage einer Wasserleitung, eines Gas- oder Elektrizitätswerkes, eine Anleihe
aufnehmen, so daß ihre Schulden wachsen, ohne daß sie in kurzer Zeit zurück-
gezahlt werden können, so hat die Gemeinde zuerst die Erlaubnis des Staates
dazu einzuholen. Der Staat denkt dabei wieder an die Zukunft. Er will
verhüten, daß die künftigen Gemeindeglieder aus der Zeit ihrer Vorgänger
soviel Schulden vorfinden, daß die Schuldzinsen wohl gar größer werden
als die Gemeindeeinnahmen. Er hat auch die Pflicht, dafür zu sorgen, daß
das der Gemeinde von ihren Bürgern oder von Fremden geliehene Geld
nicht verloren geht. Will ferner eine Gemeinde zur Verstärkung ihrer Ein-
nahmen Verbrauchsabgaben (Oktroi) erheben oder die vorhandenen Sätze er-
höhen, so muß sie vorher die Genehmigung des Staates nachsuchen. Auch
vom Gemeindegute, Wald, Feld usw. darf nichts verkauft oder auf lange
Zeit hinaus verpachtet werden ohne Zustimmung des Staates. Ferner sind
zu genehmigen: Neu- oder Umbauten, die mehr als 10 000 Mk. Kosten
verursachen, die Anlage und Veränderung von Ortsstraßen und öffentlichen
Plätzen. Dabei macht der Staat einen Unterschied zwischen großen und
kleinen Gemeinden. Zu den großen rechnen alle die mit 25 000 und mehr
Einwohnern (der Staat kann aber auch kleineren Gemeinden das Recht der
großen Städte verleihen), zu den kleinen alle andern. Einige der verschiedenen
Rechte in großen und kleinen Gemeinden sowie weitere Rechte des Staates
werden wir noch kennen lernen.
Aus alledem ist zu ersehen: die Gemeindeangelegenheiten sind vom
Staate den Gemeinden überlassen; eigentliche Staatsaufgaben wurden den
Gemeinden übertragen. Der Bürger soll die Freude haben, an der Schaffung
seines eigenen Wohls mitzuwirken, er soll sich dabei nicht nur als freier,
selbständiger Mann fühlen, sondern auch diejenigen Kenntnisse und Er-
fahrungen erwerben, die nötig sind, das größere Leben des Staates besser
zu verstehen, besser darin mitarbeiten zu können.
Der Staat hat es nicht zu bereuen gehabt, daß er seinen Gemeinden
soviel Freiheit gab. Viele von den Aufgaben, die heute den Gemeinden
überlassen sind, konnte er früher nicht in dem nötigen Maße erfüllen. Für
unsere Gesundheit, für die Bildung der Jugend, für die Armen und Not-
leidenden, für das Wohlergehen jedes Berufes ist viel besser gesorgt, seit
auch die Gemeinden dafür sorgen dürfen. Ein edler Wetteifer hat sich
zwischen den einzelnen Gemeinden, hauptsächlich zwischen den Städten ent-
wickelt. Eine möchte es der andern zuvortun. Jede möchte die besten Ein-
richtungen, die wohlhabendsten und gebildetsten Bürger haben. In der Frei-
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unangenehme Gefühle. So mancher kann keine rechte Freude finden am
Staat, weil dieser nicht nur ein Helfer und Schützer, sondern auch ein
Förderer ist. Sobald man Geld verlangen muß, „hört eben die Ge-
mütlichkeit auf". Gar mancher sieht überhaupt nur das, was der Staat
an Opfern, an Geldopfern im besondern verlangt. Am liebsten möchte er
nachrechnen, was er alles zahlen muß, und was er dagegen erhält. Wer
so rechnet, der versteht Wesen und Zweck des Staates schlecht. Was wir
vom Staate erhalten, können wir gar nicht gut nachrechnen, weil wir noch
nicht außerhalb eines Staates gelebt haben. Denken wir nur an die vielen
Dinge, deren wir täglich bedürfen, und die wir uns aus eigener Kraft und
eigenem Vermögen gar nicht verschaffen könnten: Straßen, Eisenbahnen,
Post, Telegraph, Schulen. Leib und Leben sind gesichert vor fremdem
bösem Willen, ohne daß wir in Waffen gehen oder stets zur Verteidigung
gerüstet sein müssen. Der Lohn unserer Arbeit muß uns werden. Wir
sind sicher vor Übervorteilung, das Recht und der Richter stehen hinter
uns und wachen über der Erfüllung unserer berechtigten Ansprüche. Wir
nehmen täglich hundertfältig allerlei Vorteile hin, als verstände sich das
von selbst, und als hätten wir selber sie durch unsere Leistungen verdient.
Und doch stecken in Einrichtungen wie Straßen, Eisenbahnen, Schulhäusern
usw. auch die Opfer und die Früchte der Sorgen und Mühen gewesener
Geschlechter. Wir haben das Erbteil, das sie uns überliefert, nur zu er-
halten und zu unterhalten. Unsere Staatsforsten werfen einen ganz be-
trächtlichen Teil der Staatseinnahmen ab. Sie werden für uns verwendet,
und doch steckt in ihnen aufgesammeltes, zusammengespartes Kapital ent-
schwundener Zeiten und Menschen.
Nehmen wir nun noch dazu, was wir bereits wissen: Unter Kämpfen
und Mühen, durch höchste Anspannung des Geistes und des Willens
früherer Generationen sind die Staatseinrichtungen geschaffen worden, die
zum Wohle aller da sind. Denken wir endlich noch an die geschichtlichen
Erinnerungen, die uns mit allen denen verbinden, die mit uns gemeinsamer
Abstammung, gemeinsamer Sprache und Sitte sind. So entsteht vor uns
das Bild einer unendlichen Reihe von Menschen und Geschlechtern, in der
jeder von uns nur ein kleines, unbedeutendes Glied, nur ein Ringlein in
einer langen, langen, schier unübersehbaren Kette ist. Und nicht nur in
die Vergangenheit reicht diese Kette. Vor uns sehen wir sie verlängert in
die Zukunft hinein. Kommende Menschen und Geschlechter tauchen vor uns
auf. Sie alle wollen einmal die gleichen Vorteile, den Segen der gleichen
Einrichtungen genießen wie wir. Ja, sie sollen es noch besser haben als
wir, wie wir uns manches Vorteils erfreuen, den unsere Väter entbehren
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
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Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
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Man sagt gewöhnlich: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.
Ein eifrig und zielbewußt an seinem eigenen Wohle arbeitendes Volk findet
immer größere und schönere Aufgaben vor sich und nötigt auch seine Re-
gierung, sich immer weitere und höhere Ziele zu stecken. So erst fließt der
Wille der vielen Einzelnen zum Gesamtwillen zusammen. Fürst und Volk,
Regierung und Volk nichts Getrenntes, jeder am gleichen Werke arbeitend,
alle nur von einem Willen, von einem Streben beseelt, dem nach dem
allgemeinen Besten. So ist es in einem wohleingerichteten Staate. Dann
erst erhalten alle die mannigfaltigen staatlichen Einrichtungen und Selbst-
verwaltungsrechte ihren richtigen Sinn und ihren wahren Wert.
Doch es gilt nicht nur zu lernen. Jeder muß auch streng gegen
sich selber sein. Ein Staat leidet immer dann am meisten Schaden, wenn
jeder Stand und jeder Beruf nur an sich selber denkt, wenn
jeder nur seine Arbeit, ohne Rücksicht auf die andern, gefördert sehen will.
Wohl darf und soll jeder seine eigenen Wünsche zur Geltung bringen. Es
ist aber nicht zu vergessen, daß andere Wünsche mit gleichem Rechte
Erfüllung verlangen. Kann dann einmal ein Beruf oder ein Einzelner
nicht ganz befriedigt werden, so darf er nicht mißmutig zur Seite treten.
Was das Gesetz als Gesamtwille des Stammes festgestellt hat, verlangt
Achtung von jedem.
So gesellen sich den Volksrechten ernste Volkspflichten zu.
Wer sich in die Aufgaben der Gegenwart vertieft, dem erscheint die
Vergangenheit leicht glücklicher als die Jetztzeit; er möchte das bekannte
Lied von der „guten, alten Zeit" mitsingen. Doch er täusche sich nicht.
Vom Vergangenen bleibt immer nur das Schöne, das Große in Er-
innerung. Das haben auch wir in der Geschichte unseres Volkes aus-
schließlich gesucht und gefunden. Und doch lernt jedes Geschlecht auch die
kleine, die harte, zerreibende Not des Tages kennen. Wer sich darum in
dieser Not den frohen Mut erhalten will, dessen Auge suche den Weg der
Zukunft, der Zukunft des elsaß-lothringischen Stammes und Staates. Wen
die tägliche Arbeit drückt, wem sie gering erscheint gegenüber der Leistung
des ganzen Stammes, der lerne sie begreifen als ein notwendiges,
nicht zu ersetzendes Teilchen der Gesamtarbeit eines ganzen
großen, des deutschen Volkes. Völker aber haben immer große
Ziele, an denen man sich das Herz erwärmen kann, das im kleinen Kampfe
ums eigene Dasein mutlos werden will. Das Leben des Einzelnen rauscht
dahin. Das Volk bleibt. Die kurze Spanne eines Menschendaseins be-
deutet im Volksleben nur einen Augenblick. Und doch hängt die Zukunft
eines Volkes davon ab, daß jedes Geschlecht rastlos sich müht, als müßte
10*
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
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Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
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zu bringen, was wir wünschen: der Bundesrat und der Reichstag. Im
französischen Staate stand uns nur ein Weg offen, der durch den franzö-
sischen Reichstag, „die Kammer".
Weit zurück schweift nochmals unser Blick, zurück in die alte Zeit, da
Elsaß-Lothringens Söhne sich um die deutschen Angelegenheiten kümmerten, als
ob es die ihren wären. Damals wußte man nichts von einem Gegensatz
zwischen „deutsch" und „elsässisch". Deutsche Sorgen waren auch elsässische
Sorgen, deutscher Stolz wurde in unserem Lande als der eigene empfunden.
Die Bahn zu diesem alten Verhältnis ist wieder frei. An uns
liegt es nun zu zeigen, daß alamannische und fränkische Kraft, daß der
alte Tatendrang auch in unsern Herzen wohnt. Nur in der Mitarbeit an
den Werken eines ganzen großen Volkes kann dieser Tatendrang Befriedigung
finden. Wenn wir am Glück, an der Festigung des Reiches mitarbeiten,
dienen wir auch dem Wohle unseres Heimatlandes.
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst]]
TM Hauptwörter (100): [T43: [Zeit Volk Jahrhundert Geschichte Reich Staat Leben Kultur Deutschland Mittelalter], T60: [Preußen Reich Staat Bund Kaiser deutsch Reichstag König Deutschland Regierung], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende]]
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Langsam kam gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine neue Zeit herauf.
Die Völker wurden gebildeter. Wer aber gebildet war, wollte nicht mehr
wie ein Unmündiger, ein Willenloser regiert werden. Er verlangte, mit-
sprechen zu dürfen, wenn über die Angelegenheiten des Staates verhandelt
wurde. Das Volk wollte teilhaben an der Regierung. Nicht mehr allein
für das Volk, auch durch das Volk sollte regiert werden. Konnte auch
nicht jeder im Volke nach der Landeshauptstadt ziehen, um mit der Regierung
das Wohl des Landes zu beraten, so konnten doch einzelne Männer gesandt
werden, Männer, denen alle andern trauen durften wie sich selbst. Die
„Volksvertretung" sollte mitbestimmen, was im Staate geschehen muß. Es
hat lang gedauert, bis das Volk dieses Recht erhielt. Und harte Kümpfe
sind darum geführt worden. — Heute möchten wir diese Einrichtung nicht
mehr entbehren.
Auch Elsaß-Lothringen besitzt sie. Auch das elsaß-lothringische Volk
wählt Männer seines Vertrauens und sendet sie nach Straßburg, an den Sitz
der Regierung, damit sie mit dieser Regierung das Wohl des Landes beraten.
Hat auch das elsaß-lothringische Volk Kämpfe um diese Einrichtung
geführt? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir in den französischen
Teil unserer Geschichte zurückblicken. In Frankreich ist der Kampf um die
Volksvertretung, um die Volksrechte, heiß und heftig gewesen. Mit viel
edler Begeisterung hat er in der Revolution von 1789 begonnen. Unter
Greueln und Blutvergießen ist er fortgesetzt worden. Die Einsicht, daß das
Volk teilhaben müsse an der Regierung des Landes, ist eine der ersten
Errungenschaften der Revolution gewesen. Doch ist der Kampf mit dem
Jahre 1789 und mit der Revolution noch lange nicht beendet gewesen.
Wer ist das Volk, das teilhaben soll? Das war zunächst die große Frage.
Alle erwachsenen Männer, so allein konnte die Antwort heißen, und so hieß
sie auch. „Gleichheit" war ja eines der großen Ziele, für die man sich
begeisterte; also vor allem auch Gleichheit im Wahlrecht. Einer soll soviel
Rechte besitzen bei der Wahl wie der andere. Allein diese Gleichheit kam
nicht so schnell und flinkfüßig, wie die Tage des Umsturzes sie angekündigt
hatten; in Wahrheit schlich sie auf Krücken und kam nur langsam, sehr
langsam. Ein Gesetz des Jahres 1791 bestimmte, daß alle die Männer
das gleiche Wahlrecht haben sollten, die eine Steuer im Betrage des drei-
fachen Tagelohns entrichteten. Schon zwei Jahre später wurde dieses Gesetz
abgeändert. Auch wer keine Steuer entrichtete, durfte wählen. Eine neue
Änderung kam 1795. Nun war Wähler jeder volljährige Mann, der über-
haupt irgend eine Steuer zahlte, einerlei ob sie hoch oder gering war. Einen
auffallenden Rückschritt in der Frage des Wahlrechts brachte das Jahr 1815
(Wiederaufrichtung des französischen Königtums). Wählen durfte, wer 30 Jahre
TM Hauptwörter (50): [T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung], T9: [Krieg Deutschland Reich Frankreich Preußen Macht Zeit Kaiser Jahr Frieden], T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T45: [Kind Lehrer Wort Schüler Buch Unterricht Schule Frage Buchstabe Zeit]]
TM Hauptwörter (200): [T182: [Krieg Jahr Zeit Land Deutschland Regierung Frankreich Volk Folge Revolution], T7: [Staat Gesetz Verfassung Recht Reichstag Reich König Regierung Volk Verwaltung], T5: [Jahr Recht Person Gemeinde Staat Steuer Familie Kind Lebensjahr Vermögen], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T54: [Staat Zeit Volk Deutschland Leben Reich Jahrhundert Macht Entwicklung Gebiet]]
Extrahierte Ortsnamen: Elsaß-Lothringen Straßburg Frankreich
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Treue seinem Fürsten (und seinem Kaiser). Hundert andere Dinge erinnern
ihn an seine Zugehörigkeit zum Heimatstaate Baden: Seine Landesfahne,
die Aufschriften an der Schreibstubentüre seiner Staatsbeamten. Seine Steuern
zahlt er seinem Großherzogtum. Die Angelegenheiten seines Landes werden
beraten im badischen „Landtag". Wenn er seine Heimat bereist, benutzt er
badische Eisenbahnen. Fort und fort erinnern ihn all diese Dinge daran:
Ich bin Badener. Ähnlich ist es bei Bayern, Württemberg, Sachsen, Preußen.
Von all den Einrichtungen fehlt aber unserm Elsaß-Lothringen mancher-
lei. Wir haben kein angestammtes einheimisches Fürstenhaus, das durch
Jahrhunderte hindurch mit der Geschichte unseres Staates verknüpft wäre.
Es fehlt uns auch ein „eigenes" Heer. Wohl gibt es „unterelsässische",
„oberelsässische" und „lothringische" Regimenter. Aber sie heißen nur so.
Unserm Lande zu Ehren hat ihnen der Kaiser diese Namen verliehen. In
Wirklichkeit sind sie preußische Regimenter. Der junge Elsaß-Lothringer
schwört also den Fahneneid nur seinem Kaiser, nicht auch noch einem
Landesfürsten.
Badens Staatseinrichtungen sind ferner schon ziemlich alt. Jedenfalls
ist niemand im Deutschen Reiche, der zum Badener sagen könnte: Ich habe
euch eure Staatseinrichtungen gegeben. Die Badener haben sie sich im Laufe
der Zeit selber gezimmert. Wir aber haben die unsern vor gar nicht langer
Zeit vom Reiche empfangen. Man weiß noch ganz genau, wie das geschehen
ist, und unter welchen Bedingungen sie geändert werden dürfen. Das Reich
kann sie jederzeit wieder ändern, kann uns den Statthalter, den „Landtag",
von dem wir noch genaueres erfahren wollen, und noch vieles andere wieder
nehmen. Alle andern deutschen Staaten sind eben in gewissem Sinne noch
Besitzer unseres Landes. Gemeinsam haben sie es im großen Kriege erobert.
Es gehört dem Reiche und heißt darum „Reichsland". Wenn wir die Ge-
schichte befragen, wird uns klar werden, warum es so ist.
In der alten deutschen Zeit sah es bei uns genau so aus wie in allen
andern deutschen Landen. Wie in Baden oder Württemberg und im Reiche
überhaupt gab es im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit bei uns ein
wahres Heer von kleinen und großen Herrschaften. Da saßen Bischöfe, wie
die von Straßburg und Metz, als weltliche Fürsten im Lande, besaßen Land
und Leute und zogen als des Reiches Fürsten zu den Reichstagen, den
großen Versammlungen von Deutschlands Herren, auf denen die deutschen
Angelegenheiten beraten und entschieden wurden. Ja, selbst Bischöfe, die gar
nicht im Elsaß selber wohnten, wie die von Speyer und von Basel, be-
herrschten einzelne Teile unseres Landes. Neben ihnen stand eine stattliche
Zahl von Äbten mit größeren oder kleineren Gütern, ebenfalls als Landes-
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