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1. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. V

1912 - Straßburg : Bull
Vorwort. Das vorliegende Buch will in erster Linie dem bürgerkundlichen Unter- richte im ersten Jahrgang unserer Fortbildungsschulen dienen. Die engere Heimat stellt es in den Mittelpunkt. Als eine geschlossene wirtschaftliche und staatliche, von einem einheitlichen Willen durchflutete Lebensgemeinschaft soll sie erfaßt werden. Die Liebe zur Heimat, der Stolz auf Stammesart und Stammesleistung sind aufzurufen. Als frohgemute Lebensäußerung des Volksgeistes, als Ausfluß der Kraft und Tüchtigkeit des Stammes muß vor allem die heimische Wirtschaft dargestellt werden. Zugleich wird eine historische Betrachtung, die das Gegen- wärtige als Ergebnis des Vergangenen, als Endpunkt einer längeren Ent- wickelungsreihe sieht und sehen lehrt und damit den Einzelnen mitten hineinstellt in die Gemeinschaft der Gewesenen und Kommenden, der Heimatliebe und dem Stammesstolz neue Nahrung und Vertiefung geben. Ein Idealbild des Stammes also, das aus der Betrachtung der Ver- gangenheit geschöpft und durch die Darstellung des Wirtschaftslebens der Gegen- wart vervollständigt wird, soll dem jungen Menschen höhere, lichtere Ziele geben und den Willen zu tätiger Mitarbeit an der besseren Gestaltung heimischer Verhältnisse entwickeln. Stammesvolk, Stammesarbeit und Staat verschmelzen so zur Einheit. Ein Strom überindividueller Interessen wird bloß gelegt. Er muß, wenn die Darstellung den richtigen Ton zu finden weiß, die jungen Seelen in seine Gewalt ziehen und sie zu jener Höhe der Betrachtung führen, auf der man wenigstens einmal gestanden haben muß, wenn man staatlichen Dingen das richtige Verständnis entgegenbringen will. Ob es diesem Buche gelungen ist, jenen Ton zu finden, bleibt der Beurteilung derer überlassen, die sich aus Neigung oder von Berufswegen mit der Erziehung unserer schulentlassenen Jugend befassen. Doch können naturgemäß nur Einzelbilder aus Wirtschafts- und Staats- leben der Heimat gegeben werden, und selbst diese dürfen keinerlei Anspruch

2. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. VI

1912 - Straßburg : Bull
Vi auf Vollständigkeit machen. Wenn der einheitliche Grundton durchklingen soll, müssen die störenden Ober- und Untertöne sorgfältig ferngehalten werden. Staatsbürgerliche Erziehung hängt ja zum Glück nicht von der Masse der Kenntnisse ab. Die Betrachtung einer einzigen Angelegenheit reicht oft hin, das tiefste Wesen des Staates erkennen zu lassen. Die Darstellung der Entstehungsgeschichte einer einzigen gesetzgeberischen Maßnahme genügt oft, die Schwierigkeiten aufzudecken, die sich der Befriedigung aller Wünsche ent- gegenstellen. Doch sollen die einzelnen Darlegungen den Staat in seiner Größe und Kraft zeigen, den überragenden Wert seiner Aufgaben und Ziele jedem noch so sehr berechtigten Einzelinteresse gegenüber erkennen lassen. Was man nicht zu lieben und zu bewundern vermag, für das kann man auch nicht opferwillig und freudig arbeiten. Bei aller liebevollen Versenkung in die Verhältnisse der Heimat aber müssen die Einzelbilder den Blick stets über die rot-weißen Grenzpfähle hinaus- lenken. Heimatland und Heimatstaat sollen nur den Stoff des ersten Fort- bildungsschuljahres bilden. Das zweite hat in ähnlicher Weise, von einer erhöhten Warte aus, Volk und Reich als größere Lebensgemeinschaft darzustellen und lebendig zu machen. Die Verbindungsfäden zwischen den beiden Kreisen sind von Anfang an zu knüpfen. Für ein Land ferner, das in so weitgehendem Maße wirtschaftlich abhängig ist vom großen Vaterlande, das politisch, staats- rechtlich so eng mit den Einrichtungen des Reiches verwachsen ist, dürfte der durchgehende Nachweis der Beziehungen zwischen Heimat und Vaterland eine besondere Notwendigkeit sein. Über dem allem aber steht noch das große Ziel aller staatskundlichen Belehrung: Die Entwickelung nationalen Fühlens, jener nationalen Lebensenergie, die nicht nur eine der wichtigsten Bedingungen für den Bestand des Reiches, sondern auch für den Einzelnen das hervor- ragendste Mittel zur Auswirkung einer vollen Persönlichkeit bildet. Empfangend und gebend, anregend und selber mannigfache Förderung erhaltend, treibend durch die Kraft stammesbestimmter Eigenart und getrieben und getragen vom Strome des Volksgeistes, so ist die heimatliche Lebensgemeinschaft zu sehen, so erst erhält das Bild der Heimat und seiner Bewohner die richtige Um- rahmung und Abtönung. In dieser Zwecksetzung wendet sich das Buch nicht an die Fortbildungs- schule allein. Es dürfte auch der Heimatkunde in Volks- und Mittelschule manche wertvolle Anregung geben und wenigstens einen Weg zeigen, wie dieses Stoffgebiet mit reicherem Leben zu durchdringen sei. Die Fortbildungs- schule könnte wesentlich entlastet und ihre Zeit für weiterliegende Aufgaben frei werden, wenn die sieben- und achtklassige Volksschule wenigstens versuchen

3. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 85

1912 - Straßburg : Bull
85 Herren, dann zahlreiche Grafen, Ritter und Herren, bald sehr reich an Land und Leuten, bald nur Gebieter weniger Dörfer. Außerhalb dieser zahlreichen Herrschaften aber war eine Reihe von Reichsstädten hochgekommen, die sich reichsfrei, „kaiserlich" nannten, die niemanden als Herrn über sich erkannten als den Kaiser selber, deren Häupter schalteten und walteten wie Fürsten des Reiches. Jakob Sturm, dem Bürgermeister der freien Stadt Straßburg, sind wir ja schon begegnet. Anfangs war wohl die Macht all dieser Herren klein. Während aber die deutschen Kaiser in Italien erfolglos um eine fremde Krone kämpften, errangen sich die vielen kleinen Fürsten daheim ein Recht nach dem andern. So erstarkte und wuchs ihre Macht in gleichem Maße, wie die des Kaisers geringer und immer geringer wurde. Dann kam das entscheidungsvolle Jahr 1648. Das setzte den Schluß- punkt hinter die bisherige Geschichte der kleinen deutschen Länder und Herr- schaften. Bis dahin hatten sie ihre Herrschaftsrechte ausgeübt, weil kein Kaiser stark genug war, sie ihnen zu nehmen. Jetzt wurden sie ihnen gesetz- mäßig zugesprochen. Das neue Gesetz hat sie als selbständige Herren an- erkannt. Untereinander oder mit fremden Staaten durften sie Bündnisse schließen, als wären sie gar nicht Teile des Reiches. Nur nicht gegen den Kaiser sollten die Bündnisse gehen. Das war die einzige Bestimmung, die daran erinnerte, daß sie noch zum Reiche gehörten, daß sie wenigstens dem Namen nach dem Kaiser untertan waren, daß das Reich sich noch nicht ganz aufgelöst hatte. Mit 1648 sind sie also wirkliche Staaten geworden. Die zahlreichen Herrschaften unseres Landes aber haben diesen Schritt nicht alle mitgemacht. Jenes Reichsgesetz von 1648 galt nicht mehr für unser ganzes Land. Im gleichen Jahre sind ja große Teile von Elsaß und von Lothringen vom Reiche getrennt und mit Frankreich vereinigt worden. Derselbe Federstrich also, der die Länder und Herrschaften jenseits des Rheins zu Staaten machte, hat es dem größten Teil unseres Landes unmöglich gemacht, jemals auch selbständig zu werden. Denn in Frankreich war für solche Selbständigkeit kein Raum. Dieses Land bildete damals schon einen Einheitsstaat. Einzig und allein die Macht des französischen Königs gebot über alle Gebiete, die sich französisch nannten. Es gab keine Fürsten außer diesem König, und es wurden keine geduldet. Wohl wehrten sich die 1648 abgetretenen Teile unseres Landes gegen die französische Herrschaft. Wohl haben die freien Städte im Ober- und Unterelsaß mehr als einmal dem französischen „Landvogt", der ihr Herr sein wollte, ihre Tore vor der Nase zugeschlagen, haben nach wie vor ihre Abgesandten zu den deutschen Reichstagen geschickt. Und doch galt das Gesetz,

4. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 120

1912 - Straßburg : Bull
120 wählten den Obersten der Versammlung, sie bestimmten, was geschehen sollte. Kein Fürst und kein König hat anfänglich dieses Recht beschnitten. Später allerdings sind die ehemals freien Männer unfrei, Diener eines Mächtigeren geworden, und mit ihrer Freiheit schwand auch die Gemeindefreiheit. Wohl tausend Jahre hat es gedauert, bis sie wieder eine Stätte fand in deutschen Landen. Dafür aber steht sie heute auch sicherer als damals. Keine Regierung wird sie mehr antasten oder antasten lassen. Sie schadet ja sonst den Inter- essen des Staates selber. Frankreich ist auch hierin einen anderen Weg gegangen. Es hat sich das freieste Wahlrecht erkämpft, jenes Wahlrecht, das heute auch bei uns für die Wahlen zum Reichstag und zum Landtag gilt. Es hat seiner Kammer die weitgehendsten Rechte gegeben, wie sie nur wenige Volksvertretungen in Europa besitzen. Aber es hielt anscheinend nicht viel von der Gemeinde- freiheit. In den einzelnen Kreisen und Bezirken gebot und gebietet heute noch der Staatsbeamte in den meisten Angelegenheiten, während die Selbst- verwaltungsrechte der Bürger nur gering sind. Wie unsere eigene Gemeinde- verwaltung die einstige Zugehörigkeit Elsaß-Lothringens zu Frankreich noch erkennen läßt, wird uns noch beschäftigen. Zunächst müssen wir das Maß von Geimeindefreiheit umschreiben, das Elsaß-Lothringen heute genießt. Es ist kein kleines. Die Gemeinde umspinnt und umhegt jeden im Staat auf die mannig- faltigste Weise mit ihrer Fürsorge. Wir benutzen täglich hundert Dinge, genießen zahlreiche Vorteile, ohne daran zu denken, daß wir sie entbehren, müßten, wenn nicht die vergangenen Geschlechter auch für uns gearbeitet, wenn nicht die Sorge der Gemeinde uns allenthalben umgäbe. Daß wir auf fester, gebahnter Straße stehen, wenn wir vor unsere Türe treten, daß wir vor jeder Belästigung sicher unseres Weges gehen dürfen, daß von unseren Wohnungen alles ferngehalten wird, was unsere Gesundheit gefährden könnte, daß uns endlich das Köstlichste wird, Erziehung und Unterricht in den Schulen, eine Vorbereitung fürs Leben, eine Veredelung unserer Seele, diese und noch manche andere Wohltat danken wir unserer Zugehörigkeit zur Gemeinde. Soviel leistet selbst das ärmste Dorf. Und nun denke man erst an die mannigfachen weiteren Aufgaben, die die großen Gemeinden, die Städte, sich gefetzt: Wasserleitung, Kanalisation, Straßenreinigung und Straßenbesprengung, Sorge für Licht und Luft, für gesunde Wohnungen, Spielplätze, Gas- und Elektrizitätswerk, Feuerwehr, Spital, Armenverwaltung, Arbeitsnachweis usw. Man braucht diese Einrichtungen nur alle zu nennen, und vor uns entsteht das Bild einer weitverzweigten Fürsorge der Gemeinde für ihre Bürger. In alle Lebensgebiete dringt sie ein; sie macht das Leben

5. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 122

1912 - Straßburg : Bull
122 übermäßige Schuldenlast auflädt oder das Gemeindevermögen unvorsichtig verschleudert. Muß sie zur Ausführung einer Arbeit, sagen wir zur An- lage einer Wasserleitung, eines Gas- oder Elektrizitätswerkes, eine Anleihe aufnehmen, so daß ihre Schulden wachsen, ohne daß sie in kurzer Zeit zurück- gezahlt werden können, so hat die Gemeinde zuerst die Erlaubnis des Staates dazu einzuholen. Der Staat denkt dabei wieder an die Zukunft. Er will verhüten, daß die künftigen Gemeindeglieder aus der Zeit ihrer Vorgänger soviel Schulden vorfinden, daß die Schuldzinsen wohl gar größer werden als die Gemeindeeinnahmen. Er hat auch die Pflicht, dafür zu sorgen, daß das der Gemeinde von ihren Bürgern oder von Fremden geliehene Geld nicht verloren geht. Will ferner eine Gemeinde zur Verstärkung ihrer Ein- nahmen Verbrauchsabgaben (Oktroi) erheben oder die vorhandenen Sätze er- höhen, so muß sie vorher die Genehmigung des Staates nachsuchen. Auch vom Gemeindegute, Wald, Feld usw. darf nichts verkauft oder auf lange Zeit hinaus verpachtet werden ohne Zustimmung des Staates. Ferner sind zu genehmigen: Neu- oder Umbauten, die mehr als 10 000 Mk. Kosten verursachen, die Anlage und Veränderung von Ortsstraßen und öffentlichen Plätzen. Dabei macht der Staat einen Unterschied zwischen großen und kleinen Gemeinden. Zu den großen rechnen alle die mit 25 000 und mehr Einwohnern (der Staat kann aber auch kleineren Gemeinden das Recht der großen Städte verleihen), zu den kleinen alle andern. Einige der verschiedenen Rechte in großen und kleinen Gemeinden sowie weitere Rechte des Staates werden wir noch kennen lernen. Aus alledem ist zu ersehen: die Gemeindeangelegenheiten sind vom Staate den Gemeinden überlassen; eigentliche Staatsaufgaben wurden den Gemeinden übertragen. Der Bürger soll die Freude haben, an der Schaffung seines eigenen Wohls mitzuwirken, er soll sich dabei nicht nur als freier, selbständiger Mann fühlen, sondern auch diejenigen Kenntnisse und Er- fahrungen erwerben, die nötig sind, das größere Leben des Staates besser zu verstehen, besser darin mitarbeiten zu können. Der Staat hat es nicht zu bereuen gehabt, daß er seinen Gemeinden soviel Freiheit gab. Viele von den Aufgaben, die heute den Gemeinden überlassen sind, konnte er früher nicht in dem nötigen Maße erfüllen. Für unsere Gesundheit, für die Bildung der Jugend, für die Armen und Not- leidenden, für das Wohlergehen jedes Berufes ist viel besser gesorgt, seit auch die Gemeinden dafür sorgen dürfen. Ein edler Wetteifer hat sich zwischen den einzelnen Gemeinden, hauptsächlich zwischen den Städten ent- wickelt. Eine möchte es der andern zuvortun. Jede möchte die besten Ein- richtungen, die wohlhabendsten und gebildetsten Bürger haben. In der Frei-

6. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 135

1912 - Straßburg : Bull
135 unangenehme Gefühle. So mancher kann keine rechte Freude finden am Staat, weil dieser nicht nur ein Helfer und Schützer, sondern auch ein Förderer ist. Sobald man Geld verlangen muß, „hört eben die Ge- mütlichkeit auf". Gar mancher sieht überhaupt nur das, was der Staat an Opfern, an Geldopfern im besondern verlangt. Am liebsten möchte er nachrechnen, was er alles zahlen muß, und was er dagegen erhält. Wer so rechnet, der versteht Wesen und Zweck des Staates schlecht. Was wir vom Staate erhalten, können wir gar nicht gut nachrechnen, weil wir noch nicht außerhalb eines Staates gelebt haben. Denken wir nur an die vielen Dinge, deren wir täglich bedürfen, und die wir uns aus eigener Kraft und eigenem Vermögen gar nicht verschaffen könnten: Straßen, Eisenbahnen, Post, Telegraph, Schulen. Leib und Leben sind gesichert vor fremdem bösem Willen, ohne daß wir in Waffen gehen oder stets zur Verteidigung gerüstet sein müssen. Der Lohn unserer Arbeit muß uns werden. Wir sind sicher vor Übervorteilung, das Recht und der Richter stehen hinter uns und wachen über der Erfüllung unserer berechtigten Ansprüche. Wir nehmen täglich hundertfältig allerlei Vorteile hin, als verstände sich das von selbst, und als hätten wir selber sie durch unsere Leistungen verdient. Und doch stecken in Einrichtungen wie Straßen, Eisenbahnen, Schulhäusern usw. auch die Opfer und die Früchte der Sorgen und Mühen gewesener Geschlechter. Wir haben das Erbteil, das sie uns überliefert, nur zu er- halten und zu unterhalten. Unsere Staatsforsten werfen einen ganz be- trächtlichen Teil der Staatseinnahmen ab. Sie werden für uns verwendet, und doch steckt in ihnen aufgesammeltes, zusammengespartes Kapital ent- schwundener Zeiten und Menschen. Nehmen wir nun noch dazu, was wir bereits wissen: Unter Kämpfen und Mühen, durch höchste Anspannung des Geistes und des Willens früherer Generationen sind die Staatseinrichtungen geschaffen worden, die zum Wohle aller da sind. Denken wir endlich noch an die geschichtlichen Erinnerungen, die uns mit allen denen verbinden, die mit uns gemeinsamer Abstammung, gemeinsamer Sprache und Sitte sind. So entsteht vor uns das Bild einer unendlichen Reihe von Menschen und Geschlechtern, in der jeder von uns nur ein kleines, unbedeutendes Glied, nur ein Ringlein in einer langen, langen, schier unübersehbaren Kette ist. Und nicht nur in die Vergangenheit reicht diese Kette. Vor uns sehen wir sie verlängert in die Zukunft hinein. Kommende Menschen und Geschlechter tauchen vor uns auf. Sie alle wollen einmal die gleichen Vorteile, den Segen der gleichen Einrichtungen genießen wie wir. Ja, sie sollen es noch besser haben als wir, wie wir uns manches Vorteils erfreuen, den unsere Väter entbehren

7. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 147

1912 - Straßburg : Bull
147 Man sagt gewöhnlich: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient. Ein eifrig und zielbewußt an seinem eigenen Wohle arbeitendes Volk findet immer größere und schönere Aufgaben vor sich und nötigt auch seine Re- gierung, sich immer weitere und höhere Ziele zu stecken. So erst fließt der Wille der vielen Einzelnen zum Gesamtwillen zusammen. Fürst und Volk, Regierung und Volk nichts Getrenntes, jeder am gleichen Werke arbeitend, alle nur von einem Willen, von einem Streben beseelt, dem nach dem allgemeinen Besten. So ist es in einem wohleingerichteten Staate. Dann erst erhalten alle die mannigfaltigen staatlichen Einrichtungen und Selbst- verwaltungsrechte ihren richtigen Sinn und ihren wahren Wert. Doch es gilt nicht nur zu lernen. Jeder muß auch streng gegen sich selber sein. Ein Staat leidet immer dann am meisten Schaden, wenn jeder Stand und jeder Beruf nur an sich selber denkt, wenn jeder nur seine Arbeit, ohne Rücksicht auf die andern, gefördert sehen will. Wohl darf und soll jeder seine eigenen Wünsche zur Geltung bringen. Es ist aber nicht zu vergessen, daß andere Wünsche mit gleichem Rechte Erfüllung verlangen. Kann dann einmal ein Beruf oder ein Einzelner nicht ganz befriedigt werden, so darf er nicht mißmutig zur Seite treten. Was das Gesetz als Gesamtwille des Stammes festgestellt hat, verlangt Achtung von jedem. So gesellen sich den Volksrechten ernste Volkspflichten zu. Wer sich in die Aufgaben der Gegenwart vertieft, dem erscheint die Vergangenheit leicht glücklicher als die Jetztzeit; er möchte das bekannte Lied von der „guten, alten Zeit" mitsingen. Doch er täusche sich nicht. Vom Vergangenen bleibt immer nur das Schöne, das Große in Er- innerung. Das haben auch wir in der Geschichte unseres Volkes aus- schließlich gesucht und gefunden. Und doch lernt jedes Geschlecht auch die kleine, die harte, zerreibende Not des Tages kennen. Wer sich darum in dieser Not den frohen Mut erhalten will, dessen Auge suche den Weg der Zukunft, der Zukunft des elsaß-lothringischen Stammes und Staates. Wen die tägliche Arbeit drückt, wem sie gering erscheint gegenüber der Leistung des ganzen Stammes, der lerne sie begreifen als ein notwendiges, nicht zu ersetzendes Teilchen der Gesamtarbeit eines ganzen großen, des deutschen Volkes. Völker aber haben immer große Ziele, an denen man sich das Herz erwärmen kann, das im kleinen Kampfe ums eigene Dasein mutlos werden will. Das Leben des Einzelnen rauscht dahin. Das Volk bleibt. Die kurze Spanne eines Menschendaseins be- deutet im Volksleben nur einen Augenblick. Und doch hängt die Zukunft eines Volkes davon ab, daß jedes Geschlecht rastlos sich müht, als müßte 10*

8. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 93

1912 - Straßburg : Bull
93 zu bringen, was wir wünschen: der Bundesrat und der Reichstag. Im französischen Staate stand uns nur ein Weg offen, der durch den franzö- sischen Reichstag, „die Kammer". Weit zurück schweift nochmals unser Blick, zurück in die alte Zeit, da Elsaß-Lothringens Söhne sich um die deutschen Angelegenheiten kümmerten, als ob es die ihren wären. Damals wußte man nichts von einem Gegensatz zwischen „deutsch" und „elsässisch". Deutsche Sorgen waren auch elsässische Sorgen, deutscher Stolz wurde in unserem Lande als der eigene empfunden. Die Bahn zu diesem alten Verhältnis ist wieder frei. An uns liegt es nun zu zeigen, daß alamannische und fränkische Kraft, daß der alte Tatendrang auch in unsern Herzen wohnt. Nur in der Mitarbeit an den Werken eines ganzen großen Volkes kann dieser Tatendrang Befriedigung finden. Wenn wir am Glück, an der Festigung des Reiches mitarbeiten, dienen wir auch dem Wohle unseres Heimatlandes.

9. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 102

1912 - Straßburg : Bull
102 Langsam kam gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine neue Zeit herauf. Die Völker wurden gebildeter. Wer aber gebildet war, wollte nicht mehr wie ein Unmündiger, ein Willenloser regiert werden. Er verlangte, mit- sprechen zu dürfen, wenn über die Angelegenheiten des Staates verhandelt wurde. Das Volk wollte teilhaben an der Regierung. Nicht mehr allein für das Volk, auch durch das Volk sollte regiert werden. Konnte auch nicht jeder im Volke nach der Landeshauptstadt ziehen, um mit der Regierung das Wohl des Landes zu beraten, so konnten doch einzelne Männer gesandt werden, Männer, denen alle andern trauen durften wie sich selbst. Die „Volksvertretung" sollte mitbestimmen, was im Staate geschehen muß. Es hat lang gedauert, bis das Volk dieses Recht erhielt. Und harte Kümpfe sind darum geführt worden. — Heute möchten wir diese Einrichtung nicht mehr entbehren. Auch Elsaß-Lothringen besitzt sie. Auch das elsaß-lothringische Volk wählt Männer seines Vertrauens und sendet sie nach Straßburg, an den Sitz der Regierung, damit sie mit dieser Regierung das Wohl des Landes beraten. Hat auch das elsaß-lothringische Volk Kämpfe um diese Einrichtung geführt? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir in den französischen Teil unserer Geschichte zurückblicken. In Frankreich ist der Kampf um die Volksvertretung, um die Volksrechte, heiß und heftig gewesen. Mit viel edler Begeisterung hat er in der Revolution von 1789 begonnen. Unter Greueln und Blutvergießen ist er fortgesetzt worden. Die Einsicht, daß das Volk teilhaben müsse an der Regierung des Landes, ist eine der ersten Errungenschaften der Revolution gewesen. Doch ist der Kampf mit dem Jahre 1789 und mit der Revolution noch lange nicht beendet gewesen. Wer ist das Volk, das teilhaben soll? Das war zunächst die große Frage. Alle erwachsenen Männer, so allein konnte die Antwort heißen, und so hieß sie auch. „Gleichheit" war ja eines der großen Ziele, für die man sich begeisterte; also vor allem auch Gleichheit im Wahlrecht. Einer soll soviel Rechte besitzen bei der Wahl wie der andere. Allein diese Gleichheit kam nicht so schnell und flinkfüßig, wie die Tage des Umsturzes sie angekündigt hatten; in Wahrheit schlich sie auf Krücken und kam nur langsam, sehr langsam. Ein Gesetz des Jahres 1791 bestimmte, daß alle die Männer das gleiche Wahlrecht haben sollten, die eine Steuer im Betrage des drei- fachen Tagelohns entrichteten. Schon zwei Jahre später wurde dieses Gesetz abgeändert. Auch wer keine Steuer entrichtete, durfte wählen. Eine neue Änderung kam 1795. Nun war Wähler jeder volljährige Mann, der über- haupt irgend eine Steuer zahlte, einerlei ob sie hoch oder gering war. Einen auffallenden Rückschritt in der Frage des Wahlrechts brachte das Jahr 1815 (Wiederaufrichtung des französischen Königtums). Wählen durfte, wer 30 Jahre

10. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 84

1912 - Straßburg : Bull
84 Treue seinem Fürsten (und seinem Kaiser). Hundert andere Dinge erinnern ihn an seine Zugehörigkeit zum Heimatstaate Baden: Seine Landesfahne, die Aufschriften an der Schreibstubentüre seiner Staatsbeamten. Seine Steuern zahlt er seinem Großherzogtum. Die Angelegenheiten seines Landes werden beraten im badischen „Landtag". Wenn er seine Heimat bereist, benutzt er badische Eisenbahnen. Fort und fort erinnern ihn all diese Dinge daran: Ich bin Badener. Ähnlich ist es bei Bayern, Württemberg, Sachsen, Preußen. Von all den Einrichtungen fehlt aber unserm Elsaß-Lothringen mancher- lei. Wir haben kein angestammtes einheimisches Fürstenhaus, das durch Jahrhunderte hindurch mit der Geschichte unseres Staates verknüpft wäre. Es fehlt uns auch ein „eigenes" Heer. Wohl gibt es „unterelsässische", „oberelsässische" und „lothringische" Regimenter. Aber sie heißen nur so. Unserm Lande zu Ehren hat ihnen der Kaiser diese Namen verliehen. In Wirklichkeit sind sie preußische Regimenter. Der junge Elsaß-Lothringer schwört also den Fahneneid nur seinem Kaiser, nicht auch noch einem Landesfürsten. Badens Staatseinrichtungen sind ferner schon ziemlich alt. Jedenfalls ist niemand im Deutschen Reiche, der zum Badener sagen könnte: Ich habe euch eure Staatseinrichtungen gegeben. Die Badener haben sie sich im Laufe der Zeit selber gezimmert. Wir aber haben die unsern vor gar nicht langer Zeit vom Reiche empfangen. Man weiß noch ganz genau, wie das geschehen ist, und unter welchen Bedingungen sie geändert werden dürfen. Das Reich kann sie jederzeit wieder ändern, kann uns den Statthalter, den „Landtag", von dem wir noch genaueres erfahren wollen, und noch vieles andere wieder nehmen. Alle andern deutschen Staaten sind eben in gewissem Sinne noch Besitzer unseres Landes. Gemeinsam haben sie es im großen Kriege erobert. Es gehört dem Reiche und heißt darum „Reichsland". Wenn wir die Ge- schichte befragen, wird uns klar werden, warum es so ist. In der alten deutschen Zeit sah es bei uns genau so aus wie in allen andern deutschen Landen. Wie in Baden oder Württemberg und im Reiche überhaupt gab es im Mittelalter und zu Anfang der Neuzeit bei uns ein wahres Heer von kleinen und großen Herrschaften. Da saßen Bischöfe, wie die von Straßburg und Metz, als weltliche Fürsten im Lande, besaßen Land und Leute und zogen als des Reiches Fürsten zu den Reichstagen, den großen Versammlungen von Deutschlands Herren, auf denen die deutschen Angelegenheiten beraten und entschieden wurden. Ja, selbst Bischöfe, die gar nicht im Elsaß selber wohnten, wie die von Speyer und von Basel, be- herrschten einzelne Teile unseres Landes. Neben ihnen stand eine stattliche Zahl von Äbten mit größeren oder kleineren Gütern, ebenfalls als Landes-
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