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1. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 14

1854 - Münster : Aschendorff
14 sah ich noch nie. Es war viel größer, als ihr seid; aber sein Ansehen war sanft, so niedlich; an seinem glatten, schönen Kopfe hatte es kurze, spitzige Ohren; an seinem ganzen Kör- per bunte, wahrscheinlich weiche Haare; an seinen Pfoten sah ich keine Krallen; sie drückten sich gleichsam zusammen, indem es ging. O, wie gefiel es mir! — Auch mein Anblick schien ihm zu behagen; denn es legte sich und erwartete mich mit freundlichen Augen. Eben wollte ich zu ihm hüpfen und um seine Freundschaft mich bewerben; da kam ein Unthier, — ich zittere noch, wenn ich daran denke— mit großen, ausgespreiz- ten Flügeln, mit dünnen, aber scharfkralligen Füßen, mit glü- henden Augen, mit fürchterlichem Gesichte, das überdies noch ein feuerrother Lappen verunstaltete, und endlich mit einem Schnabel, so lang und so schrecklich! Es öffnete ihn von Wei- tem schon, und sein Geschrei klang so abscheulich, daß ich mich halb leblos hierher flüchtete." „O, wohl dir, daß du flohst!" versetzte die Alte; „denn wisse, das Thier, welches dir so gefiel, war der Todfeind un- seres Geschlechts, die Katze. Nur einen Schritt durftest du ihr näher kommen, und sie hätte dich gewürgt. Jenes Wesen hin- gegen, welches dich so erschreckte und doch eigentlich das Leben dir rettete, war ein für uns Mäuse unschädlicher Hahn." Jüngling, sei vorsichtig in der Wahl deiner Freunde und deines Umgangs! Der Unerfahrene kann oft den Todfeind als seinen Vertrauten und den wahren Freund als seinen Feind betrachten. 22. Warnung. Es trippelt voll Gier um die Falle die Maus Und holte so gar gern den Speck sich heraus; Doch schlüpfet hinein sie und frißt ihn — o hör'! So ist sie verloren und trippelt nie mehr! Es locket der Wurm an der Angel im Bach; Das Fischlein, es schwänzelt und lechzet danach: Es schnappet und schnappet, und hat's ihn — o hör'! So ist es gefangen und schwänzelt nie mehr! Im Busch lockt die Beer' unter Schlingen von fern; Das Vöglein, wie flattert's! Es hätt' sie so gern! Doch flieget es näher und hascht sie — o hör'! So ist es gefangen und flattert nie mehr!

2. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 52

1854 - Münster : Aschendorff
52 Die Sonne bildet sich ab in dem klaren Bächlein und Ver- schönert das Wasser. Also strahlet in dem reinen Gemüthe des Edlen das Bild Gottes wieder. Dieser glänzende Wieder- schein verklärt sein Antlitz, und gießt darüber aus eine unbe- schreibliche Milde und Anmuth. Der Vater schwieg. Die Söhne aber riefen: Wär' ich, o Bächlein, dir gleich! 61. Die Leidenschaften. Ein heil'ger Eremit erging sich einst Mit seinem Jünger im Cypressenhain. „Mein theurer Vater! wie beginn' ich es Am leichtesten und sichersten, um mich Stets zu bewahren rein und fleckenlos?" So hub der Jünger seine Rede an. Mit seinem Finger zeigt der Meister hin Auf vier Cypressen, und bedeutet ihm. Sie auszureißen all' der Reihe nach. Die erste, klein, ein Jährling kaum, entreißt Der Jüngling ihrem Boden ohne Müh', Nur einer Hand bedient er sich beim Zieh'n. Schon größer ist die zweite, doch auch sie Reißt er mit beiden Händen bald heraus. Die dritte, welche tief re Wurzeln hat. Erfordert schon mehr Zeit, Geschick und Müh: Er dreht und beugt und wendet hin und her. Er wiederholet seinen Angriff oft. Und reißt mitsammt dem Boden kräftiglich Auch los den dritten Baum und freut sich sehr. Da nah't er wohlgemuth dem vierten sich; Er greift den Baum von allen Seiten an. Doch beuget er den ausgewachs'nen nicht. Er zieht am Baum mit voller Jugendkrast, Von seiner Stirne rinnt der Helle Schweiß, Er ärgert sich und müh't sich ab und stöhnt. Der Baum scheint stolz auf ihn herabzuseh'n. Er wankt nicht, seine Wurzeln sind zu tief. Da sprach zum Jünglinge der Eremit: „Mein Sohn! — so ist es mit der Leidenschaft: Hat sie noch feste Wurzeln nicht gefaßt. Steht sie im Herzensgarten kurze Frist, So ziehst du sie noch leicht und schnell heraus; Wenn sie zum Baum' herangewachsen ist. Mit festem, dicken Stamm' und hoher Krön',

3. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 87

1854 - Münster : Aschendorff
87 klärung zum blauen Himmel empor, als spräche er ein Dankgebet. Zum Bruder aber sagte er: „Bringe die Weintraube meinem nächsten Nachbar, der dort am Fel- sen seine Zelle hat; sage ihm meinen Gruss im Herrn und bitte ihn, sich an der Frucht zu laben!“ Der Bru- der verneigte sich und ging. Makarius aber trank küh- lendes Wasser und pries den Herrn in einem Psalm. — Am folgenden Tage sass er um dieselbe Zeit vor seiner Hütte und schauete nach der untergehenden Sonne. Da erschien abermals ein Bruder vor ihm und überreichte eine Traube. Makarius betrachtete sie mit Staunen; denn er erkannte, dass es dieselbe Traube war, welche er Tages zuvor empfangen hatte. Darum machte er sich auf, um zu erfahren, wie die Traube wieder,an ihn zu- rückgekommen. Und siehe! er musste in die ganze Runde von Bruder zu Bruder wandern; ein Jeglicher hatte sie von seinem nächsten Nachbar zum Geschenke erhalten und sie wieder dem nächsten zugeschickt. Da freute sich Makarius und dankte dem Herrn, dass solche Liebe und Enthaltsamkeit unter ihnen wohne. 95. Sanct Elisabeth. (Legende.) Vom Schloß aufder Wartburg, dem hohen, Steigt nieder die mildeste Frau, Sie blicket bald betend zum Himmel, Sie blicket bald sehnend zur Au. Die Spenden sind reichlich und schwer; Die bringt sie den Kindern, den armen, Drum schreitet sie fröhlich einher. Eö schauet der Himmel so freundlich Herab auf die holdeste Frau, Es duften ihr Blumen entgegen Dort unten aus lieblicher Au. O Thüringens hehere Fürstin! Was mühst du dich. Zarte, so sehr? Die Bürde ja will dich erdrücken. Doch schreitest du fröhlich einher! Die Mutter des Landes trägt Spenden, Doch horche! da rauscht's im Gebüsche, Dicht hinter der felsigen Wand Da schreitet eilfertig ein Jäger, Ihm flattert ein Falk aufder Hand. Ludwicus, Elisabeth's Gatte, Er ist's, der urplötzlich erschien. „Was birgst du da, Schwester, im Mantel?" So fragt er mit freundlicher Mien'.

4. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 88

1854 - Münster : Aschendorff
- 88 — Er fasset die Falte des Mantels, Den drückt sie erschreckt an die Brust, Und sorgsam verhüllt sie die Spende, Als war' sie sich Arges bewußt. Hoch über dem Haupte der Gattin Erschien des Gekreuzigten Bild, Vom strahlenden Kranze um- geben. Da sprach er zur Gattin, so mild: Da schaut er die lieblichsten Rosen, Da haucht er den lieblichsten Duft, Es füllen auf Sarons Gefilden Nicht schön're balsamisch die Luft. Wie Purpur so roth und wie Märzschnee, Nie hat er so holde erblickt. Obwohl schon die Monde ge- schwunden. Wo Rosen im Garten man pflückt. „Zeug ruhig, o Schwester, im Frieden!" Stieg sinnend die Wartburg hinauf; Doch nahm er der Rosen sich eine. Die wahrt er als Heiligthum auf. Die Rose noch trug er ambusen, Als fern auf der See er verblich. Viel hat er geschenkt und ge- spendet. Nie trennt' von der Rose er sich. Da färbt sich, wie Rosen, die Wange Der lieben, holdseligen Frau; Beruhigen will er sie kosend. Da staunet und stutzt er, denn schau: Bei epheuumranketer Eiche, Dort, wo das Gesicht er ge- seh'n. Ließ Ludwig die Säule hinsetzen. Mit strahlendem Kreuze verseh'n. 98. Was ein Bild vermag. (Eine wirkliche Begebenheit.) Eines Tages wurde ich (so erzählte ein junger Geistlicher) zu einem Kranken gerufen. Ich trat in eine armselige Ein- lieger-Hütte, deren Inneres jedoch die sorgfältigste Reinlichkeit und Ordnungsliebe bekundete. Ein Mann in den fünfziger Jah- ren erwartete mich im Lehnstuhl sitzend. Sowohl sein Anzug als seine Gesichtsbildung verriethen, daß er früherhin besseren Verhältnissen angehört hatte, als worin ich ihn jetzt traf. Thrä- nen glänzten in seinen Augen, als er bei meinem Hereintreten in mir denjenigen erkannte, der den im heiligsten Sakramente verborgenen Heiland zu ihm trug. Sein blasses, abgemagertes Gesicht, der beengte Athem, verbunden mit einem hohlen, an- gestrengten Husten, deuteten unzweifelhaft an, daß der Kranke an der Schwindsucht leide; doch hatte diese noch nicht den höchsten Grad erreicht. Das ganze Benehmen des Mannes

5. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 91

1854 - Münster : Aschendorff
91 geschlafen hättest, wo wäre jetzt deine arme Seele!" erfüllte mich mit Entsetzen. In demselben Augenblicke drang von der Stadt her festliches Geläute in meine Ohren. Es war das Zeichen zum Frühgottesdienste am Feste Mariä Verkündigung. Keine Engelstimme hätte mein Herz lieb- licher ansprechen können, als dieses Geläute. Es war die Stimme der Gnade, die mich zurückrief, um in derselben Stadt, wo ich zuletzt Gott so gröblich beleidigt hatte, auch den Anfang meiner Bekehrung zu machen. Die eben hervorbrechende Mor- genröthe erinnerte mich an den himmlischen Friedensboten, der die tröstliche Botschaft des Heiles für mich armen Sünder der gebenedeiten Jungfrau Maria am heutigen Tage gebracht hatte. Tief gerührt rief ich aus: „Ja, dieses ist der Tag, den der Herr für mich gemacht hat." Ich stand auf und ging, mein sündhaftes Leben überdenkend, in die Stadt zurück. Sie können denken, wie mir zu Muthe war, als ich nach solchem Vor- gänge in die Kirche trat! — Nachdem die Menge der Andäch- tigen, welche mit dem Brode des Lebens gespeiset waren, die Kirche verlassen hatte, trat ich zitternd und weinend in den Beichtstuhl. Es war nach mehreren Jahren das erste Mal, daß ich mich in meiner Verunstaltung dem Priester zeigte. Ich deckte ihm alle meine Seelenwunden auf, und war so glücklich, den lange entbehrten Frieden in Jesu Christo wieder zu finden. Ich begrub für immer den alten Sündenmenschen, und habe mein Gelöbniß, nie einen Tropfen Branntwein wieder zu ver- kosten , mit Gottes Gnadenbeistand unverbrüchlich gehalten. Gott wolle mir, da ich nun bald vor ihm erscheinen muß, ein gnä- diger Richter sein, wie er mir ein rettender Heiland gewe- sen ist." So schloß der Kranke unter Thränen diese eben so merk- würdige als lehrreiche Mittheilung aus seinem Leben. Ich aber dachte: Wer kann leugnen, daß religiöse Bilder auch eindringliche, von Gott gesandte Prediger sind! 95 Das Kreuz am Wege. In des Waldes öder Schlucht, Im verlassenen Gehege, Vom Getümmel unbesucht. Steht das alte Kreuz am Wege. Kommt der Wand'rer ganz allein Auf dem rauhen, leeren Stege, Ladet ihn so freundlich ein Dort das alte Kreuz am Wege.

6. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 68

1854 - Münster : Aschendorff
68 Fürstin ließ ihn sogleich vor sich kommen und freute sich sehr, ihn wiederzusehen. Sie unterhielt sich einige Stunden mit ihm, und auch der König, der dazu kam, nahm Antheil an dem Gespräche. Die Königin fragte ihn endlich, ob er denn kein Anliegen habe, indem sie sich nicht vorstellen könne, daß er so ohne allen besonderen Zweck die weite Reise unternommen habe. Allein er versicherte, er brauche nichts, sondern habe sein gu- tes Auskommen, und der einzige Beweggrund seiner Reise sei gewesen, seine ehemalige Schülerin noch einmal wiederzusehen. Der König machte ihm hierauf den Vorschlag, daß er die Merkwürdigkeiten Berlins besehen und um ein Uhr sich wieder einfinden und zu Mittag mit ihm essen sollte. Der alte Mann wollte aber das Anerbieten nicht annehmen und entschuldigte sich. Allein der König wiederholte es ihm in vollem Ernste und sagte ihm noch, sie seien ganz allein, er solle nur kom- men. Der Lehrer fand sich auch wirklich zur bestimmten Zeit ein und aß mit an des Königs Tafel. Als sie aufstanden, übergab ihm die Königin ihr mit Edelsteinen eingefaßtes Bild- niß und sagte zu ihm: „Nehmen Sie, mein lieber, alter Leh- rer, diese Kleinigkeit zum Andenken von Ihrer ehemaligen Schülerin, die sich recht herzlich freut, ihrem Lehrer noch ein- mal danken zu können!" Der alte Mann im höchsten Grade überrascht und gerührt, konnte keine Silbe hervorbringen; einige Thränen, die ihm über die Wangen herabrollten,, zeigten zur Genüge seine dankbaren Gefühle. Der König sagte ihm hierauf noch, es sei dafür gesorgt, daß er, sobald es ihm beliebe, von Berlin nach Darmstadt mit Ertrapoft frei zurückreisen könne. 58. Unser Vaterland. Kennt ihr das Land, so wunderschön In seiner Eichen grünem Kranz, Das Land, wo auf den sanften Höh'n Die Traube reist im Sonnenglanz? Das schöne Land ist uns bekannt; Es ist das deutsche Vaterland. Kennt ihr das Land, vom Truge frei. Wo noch das Wort des Mannes gilt. Das gute Land, wo Lieb' und Treu' Den Schmerz des Erdenlebens stillt?

7. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 108

1854 - Münster : Aschendorff
108 loren hatte, erscholl am Morgen von ihrem Schmelze, ihren Klagen, ihren Seufzern. Und dennoch hatte ihr Gebet Erhörung gefunden, reichlicher nur, als sie geah- net; Grösseres war ihr gegeben, als ihr Herz in jener Nacht verlangte. „Du, o mein Gott," so ruft der Sohn selbst aus, „unerforschlich in deinem Rathe, erhörtest das tiefinnigste Verlangen ihres Herzens, und verwei- gertest das, worum sie in jenen Stunden bat, um das an mir zu vollbringen, was sie unablässig von dir erflehete.“ Gott liess nämlich den Sohn nach Rom gelangen , um ihn von dort nach Mailand zu füh- ren. Hier lebten der Erzbischof Ambrosius, der Hei- lige , und der fromme Priester Simplicianus. Sie wurden die Werkzeuge der göttlichen Gnade. In Mailand ent- sagte der Verirrte seiner Leidenschaft und seinem Irr- thum, und betrat mit Heldenmuth den Weg, auf dem er ein Licht der Kirche und ein Heiliger an Gottes Thron geworden ist. Augustinus war es, Hippos grosser Bischof. Monika — wer kennt nicht den Namen der Mutter? — die heilige Monika hatte gebetet; sie hatte nicht Erhö- rung gefunden in der Weise, wie sie es gewünscht, wohl aber in reicherem, überschwänglich reicherem Masse. Ho. Die Kirche Gottes auf Erden. Vom Himmel selbst bereitet Aus heil'gen Cedern, gleitet Ein Schiff durch's wilde Meer; Und wie auch Winde blasen. Und wie die Stürme rasen. Mit Ruhe geht's einher. Statt Mast und Segelftangen Sieht man ein Kreuz nur prangen. Des ew'gen Heils Symbol; Und unermüdlich walten Drei herrliche Gestalten Ob dieses Schiffes Wohl. Ein Ritter, ungeheuer An Starke, lenkt das Steuer, Er wankt und rastet nicht; Und Glaube heißt der Ritter, Dem auch im Ungewitter Das Ruder nimmer bricht. Und in des Meeres schwanker Bewegung hält den Anker Ein Weib, das Hoffnung heißt. Die, nach dem Land gerichtet, Wo es einst friedlich lichtet. Das Ziel dem Schiffe weift. Die Dritte spannt den Schleier, Hellleuchtend wie ein Feuer, Als weites Segel auf; Sie heißet Liebe, zügelt

8. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 109

1854 - Münster : Aschendorff
109 Die Stürme, und beflügelt Des Schiffes stillen Lauf. Heil Jedem, der entronnen Dem Meer, das Schiff gewonnen. Und nimmer es verläßt; Dort darf er nicht mehr zagen. Es wird ihn sicher tragen. Es schirmt ihn stark und fest! Die Arche, die den einen Von Gott erkornen Reinen Vor Zeiten schützend trug. Als jene Flut, verheerend. All' Lebendes zerstörend Sich um die Erde schlug; L>ie war ein schwaches Zei> chen. Und muß dem Schiffe weichen. Das unvergänglich lebt. Wenn Alles schon verklungen. Und eine Welt verschlungen. Noch ruhig oben schwebt. Doch in der Zeiten Fülle Steht dieses Schiff einst stille. Vollendet ist sein Lauf; Und Er, der es regierte. Nimmt Alle, die es führte. In seinen Himmel auf. 111. Triumph der Religion. Es war im Jahre 1812, als die Franzosen und ihre Ver- bündeten bei der grimmigsten Kälte und im höchsten Elende, unter immerwährenden Kämpfen sich aus Rußland zurückzogen. Ein deutscher Offizier, der den Feldzug mitgemacht hatte, stand in einem Gasthofe zu Warschau am Fenster und betrachtete von da aus die Menschen, welche auf der Straße sich rastlos und geschäftig hin und her bewegten. Obgleich er selbst wohlbehal- ten dem Elende entronnen war, so lag doch Mißmuth über sein ganzes Innere ausgebreitet. Es lastete auf seiner Seele schwer und schwarz, wie eine ausgebrannte Welt, denn erhalte ja das unsägliche Elend selbst mit angesehen, in welchem eine halbe Million Menschen zu Grunde gegangen war. Doch nicht die Schlachten, die geschlagen worden, nicht die Seuchen, nicht Hunger, Kälte, Elend und Tod waren es, die sein Herz so tief verwundet, sondern die gräßlichen Gestalten entarteter Men- schen, die ohne Theilnahme für das fremde Leiden den Mit- bruder hindarben, verschmachten sahen, und, nur auf eigene Rettung bedacht, gleich geschreckten Thieren, fort und fort flo- hen vor dem sie verfolgenden Feind. Das hatte den Glauben an die Menschlichkeit der Menschen aus seinem Herzen verbannt, und er sah in ihrem Thun und Treiben nichts als ein Haschen nach schnödem Vortheil, ein Ringen um eitlen Ruhm, nichts als Eigennutz und Hartherzigkeit. Damit hatte er zugleich den

9. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 149

1854 - Münster : Aschendorff
149 auf der Erde zerrinnen. „Das bin ich," sagte sein blutendes Herz, und die Schlangenzähne der Neue gruben darin in den Wunden weiter. Die lodernde Phantasie zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern, und die Windmühle hob dro- hend ihre Arme zum Zerschlagen auf, und eine im Todtenhause zurückgebliebene Larve nahm allmählig seine Züge an. Mitten in dem Kampfe floß plötzlich die Musik für das Neujahr vom Thurme hernieder, wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanf- ter bewegt. Er schaute um den Horizont herum und über die weite Erde, und er dachie an seine Jugendfreunde, die nun glück- licher und besser, als er, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und er sagte: „O, ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht mit trocknen Augen verschlummern, wenn ich gewollt hätte.' Ach, ich könnte glücklich sein, ihr theuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte! Im fieberhaften Erinnern an seine Jugendzeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Todtenhause auf; endlich wurde sie durch Aberglauben, der in der Neujahrsnacht Geister und Zukunft erblickt, zu einem lebendigen Jünglinge, der sich einen Dorn auszieht, und seine vorige blühende Gestalt wurde ihm bitter vorgegaukelt. Er konnte es nicht mehr sehen, er verhüllte das Auge, tausend heiße Thränen strömten versie- gend in den Schnee, er seufzte nur noch leise, trostlos und sinn- los: „Komm nur wieder, Jugend, komm wieder!" Und sie kam wieder, denn er hatte nur in der Neujahrsnacht so fürchterlich geträumt. Er war noch ein Jüngling. Nur seine Verirrun- gen waren kein Traum gewesen; aber er dankte Gott, daß er, noch jung, in den schmutzigen Gängen des Lasters umkehren und sich auf die Sonnenbahn zurückbegeben konnte, die in's reine Land der Ernten leitet. Kehre mit ihm , junger Leser, um, wenn du auf seinem Irrwege stehst! Dieser schreckliche Traum wird künftig dein Richter werden. Aber wenn du einst jammervoll rufen würdest: „Komm wieder, schöne Jugend!" — so würde sie nicht wieder kommen.

10. Lesebuch für Ober-Klassen in katholischen Elementar-Schulen - S. 118

1854 - Münster : Aschendorff
118 Und die Freiheit war ein Netz des Jünglings. Angelockt von süßen Schmeicheleien, Ward er müßig, kostete die Wollust, Dann den Reiz des fröhlichen Betruges, Dann der Herrschaft Reiz; er sammelt' um sich Seine Spielgesellen, und mit ihnen Zog er in den Wald, ein Haupt der Räuber. Als Johannes in die Gegend wieder Kam, die erste Frag' an ihren Bischof War: „Wo ist mein Sohn?" — „Er ist gestorben!" Sprach der Greis und schlug die Augen nieder. — „Wann und wie?" — „Er ist Gott abgestorben. Ist (mit Thränen sag' ich es) ein Räuber." „Dieses Jünglings Seele", sprach Johannes, „Fordr' ich einst von dir! Jedoch wo ist er?" — „Auf dem Berge dort!" — „Ich muß ihn sehen!" Und Johannes, kaum dem Walde nahend. Ward ergriffen (eben dieses wollt' er). „Führet", sprach er, „mich zu eurem Führer." Vor ihn trat er; und der schöne Jüngling Wandte sich; er konnte diesen Anblick Nicht ertragen. „Fliehe nicht, o Jüngling, Nicht, o Sohn, den waffenlosen Vater, Einen Greis! Ich habe dich gelobet , Meinem Herrn, und muß für dich antworten. Gerne geb' ich, willst du es, mein Leben Für dich hin; nur dich fortan verlassen Kann ich nicht! Ich habe dir vertrauet. Dich mit meiner Seele Gott verpfändet." Weinend schlang der Jüngling seine Arme Um den Greis, bedeckete sein Antlitz, Stumm und starr; dann stürzte statt der Antwort Aus den Augen ihm ein Strom von Thränen. Auf die Kniee sank Johannes nieder. Küßte seine Hand und seine Wange, Nahm ihn neu geschenket vom Gebirge, . Läuterte sein Herz mit süßer Flamme. Jahre lebten sie jetzt unzertrennet Miteinander; in den schönen Jüngling Goß sich ganz Johannes schöne Seele. * * *
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