1850 -
Leipzig
: Mayer
- Autor: Forbiger, Albert
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
2 Einleitung. §. 4.
Mittelpunkt dieser Erdscheibe bildet Hellas und zunächst der Berg Olympus
als Sitz der Götter. Ueber der Erdscheibe wölbt sich gleich einem Dome
der eherne Himmel, der im W. auf dem Atlas ruht, während unter ihr eine
ähnliche Wölbung nach ihr hinauf, eine Art Gegenhimmel, den Tartarus
enthält. Es giebt bei H. blos zwei Weltgegenden, die Tagseite (nyog r\co
t rjifoov xe) oder Morgen (u. Mittag), und die Nachtseite (ttqoq £oq>oi>)
oder Abend (u. Mitternacht). In der Tagseite ist der Sonnenteich (Xlyvy
’Hehoio), eine Erweiterung oder Bucht des Oceanus , aus welcher Helios
sich jeden Morgen erhebt, um nach Durchlaufung des Himmels sich Abends
in den westlichen Ozean zu tauchen und während der Nacht um die nörd-
liche Erdhälfte herum wieder zum Osten zurückzukehren. Von allen Län-
dern der Erde (die noch nicht nach 3 Welttheilen geschieden werden)
kennt H. blos Kleinasien und Griechenland genauer; von den übrigen er-
wähnt er im N. blos Thracien mit dem Lande der Hippemolgen und Abier
(über welches hinaus seine Kenntniss des Nordens nicht reicht), im 0.
Phönicien und nördlicher das Land der Erember, Aethiopen und Arimer,
im S. Aegypten und das Land der Lotophagen (an der Nordküste Africa’s)
und im W. (von welchem er nur ganz dunkle Vorstellungen hat) mehrere,
grösstentheils fabelhafte, Inseln, unter welchen Sicilien (als das von Sike-
lern, Cyklopen und Lästrygonen bewohnte Land) am deutlichsten hervor-
tritt, und noch jenseit des westlichen Ozeans die Cimmerier. Von den Mee-
ren der Erde kennt er nur das Mittelmeer (als ifaaacraa, tcovtoq, ntkayog
schlechthin, ohne besondern Namen weder im Allgemeinen, noch für seine
einzelnen Theile) ; doch nimmt er auch im N. der Erde noch ein grosses
Meer (wohl nur eine Verlängerung des Mittelmeers gegen N.) an , da er
die fabelhafte Insel Ogygia als Mittelpunkt des Meeres (oycpcdog &(x\u<nryg)
im hohen Nw. der Erde erwähnt. — Hesiudus (um 800 v. Chr.) folgt
im Ganzen noch denselben Ansichten ; doch hat sich bei ihm die Kenntniss
der Erde nach W. u. N0. hin schon merklich erweitert. Er kennt bereits
in Italien Tyrrhener und Latiner, auf Sicilien den Aetna, in Gallien die
Ligyer u. s. w., auch hat er schon von den Orangenhainen Hispaniens ge-
hört, da er die dem Atlas gegenüber liegenden Gärten der Hesperiden mit
ihren goldnen Aepfeln erwähnt. Im W. der Erde setzt er die fabelhafte
Insel Erythia und die Inseln der Seligen, im höchsten Nw. die glücklichen
Hyperboreer an, und eben dahin scheint auch der fabelhafte Bernsteinfluss
Eridänus zu gehören. Im N. kennt er schon den Fluss Istros (die Donau),
im 0. den Phasis, im S. den Nil (der bei Homer noch Aegyptos heisst).
Die Wohnsitze der Aethiopier scheint er bereits im S. anzusetzen, und den
Hippemolgen des Homer giebt er schon den Namen Scythen, zu welchen
auch die stets auf Wagen lebenden Galactophagen gehören. — An diese
beiden ältesten Dichter schliessen sich die Cykliker (im 8. ir. 7. Jahrh.),
Aescliijlus (525—456 v. Chr.) und Pindärus (522—442 v. Chr.) an,
bei welchen wir bereits 4 Himmelsgegenden und die Eintheilung der Erde
in 3 Welttheile, Asien, Libyen und Europa, finden, deren Grenzen der
Phasis und Cimmerische Bosporus, der Nil und die Strasse bei den Säulen
des Hercules bilden, auch die Kenntniss der Erde, namentlich nach W. u.
N0. hin, schon bedeutend erweitert sehen. Der Strom Oceanus ist bei ihnen
bereits zu einem grossen Weltmeere geworden.
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Ii. Physische Geographie. §. 44— 46.
39
Erdscheibe annahm, für zu heiss, als dass daselbst Schnee fallen oder we-
nigslens liegen bleiben könne; als man sich jedoch von der Kugelgestalt
der Erde überzeugt und dieselbe in Zonen getheilt hatte, glaubte man, dass
die beiden kalten Zonen im N. und S. der Erde stets mit Schnee und Eis
bedeckt und deshalb unbewohnbar wären. Auch in der gemässigten Zone
gab es wenigstens stets mit Schnee bedeckte Gebirge.
§. 45. Der nähere oder fernere Stand der Sonne von der Erde und
die davon abhängende Temperatur der Luft bewirkt auch die Jahres-
zeiten. Die mathematische Geographie bringt die 4 Jahreszeiten (die
schon Homer unterscheidet, während sich bei den spätem Griechen ein
siebenfacher Unterschied der Jahreszeiten findet)*) mit den 4 Quadranten
der Ekliptik in Verbindung, so dass der Frühling auf den westlichen, der
Sommer auf den östlichen Quadranten des obern Halbkreises derselben,
der Herbst aber auf den westlichen und der Winter auf den östlichen Qua-
dranten des untern Halbkreises fällt; allein da auch die oben angegebenen
Umstände alle auf die Temperatur einwirken , so stimmen die physischen
Jahreszeiten mit den astronomischen nicht überein. In Folge derselben
Umstände, sowie der nördlichem oder südlichem Lage der verschiedenen
Länder muss auch der Eintritt und das Ende der physischen Jahreszeiten
und ihr Charakter ia den einzelnen Ländern verschieden sein. In den süd-
lichsten und nördlichsten Strichen der Erde bemerkt man gar keinen
Wechsel der Jahreszeiten , sondern es herrscht nach der älteren Ansicht
in jenen beständig die unerträglichste Sommerhitze, in diesen stets die äus-
serste Winterkälte, nach der spätem Ansicht aber starrten beide, in dichte
Finsterniss gehüllt, in ewigem Schnee und Eise. Aber auch das Klima der
beiden zunächst liegenden Striche der gemässigten Zone wurde von den
Alten noch zu heiss und zu kalt angenommen. In manchen Gegenden, und
zwar schon in den südlichsten Ländern Europa’s, giebt es eigentlich nur
zwei Jahreszeiten, Sommer und Winter, und letzterer besteht nur in einer
Regenzeit. Die gesündeste Jahreszeit ist der Frühling, nächst ihm der
Winter; schon nachlheiliger wirkt der Sommer auf die Gesundheit ein,
und am gefährlichsten ist der Herbst. Was endlich den Wechsel der Tem-
peratur an den einzelnen Tagen betrifft, so urtheilten natürlich Alle, dass
es bei Sonnenaufgang am kühlsten , um Mittag aber am heissesten sei.
(Nur in Indien sollte schon Vormittags die grösste Hitze herrschen.)
§.46. Dass von Zeit zu Zeit grosse Veränderu ngen der Erd-
oberfläche stattgefunden haben und noch immer stattfinden, konnte
schon den Beobachtungen der Alten nicht entgehen. Man leitete sie theils
von der Kraft unterirdischen Feuers , theils von der Gewalt des Meeres,
theils endlich von den Händen der Menschen her. A. Zu den Wirkungen
unterirdischen Feuers gehört als einer der wichtigsten Gründe von der-
gleichen Veränderungen zuerst das Erdbeben, welches wenigstens später
Mehrere auf das im Innern der Erde verborgene Feuer zurückführten, wäh-
rend man freilich früher (wo die ionischen Philosophen überhaupt das
') Nämlich £«p, Frühling; uqozos oder gtcoqtjtos, Saatzeit; Ihqos, Frühsom-
mer; otto'iqu, Spätsommer; (po'tvono)Qov oder /ustotcojqov (/Lutono'jqa), Herbst;
v, Winter ; <pvtaiid, Spätwinter oder Vorfrühling.
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I. Mathematische Geographie. §. 24 — 26.
19
Die Erde nun hielten die ältesten Dichter (Homerus, Hesiodus u. s. w.),
Philosophen (Thales, Anaximander, Anaximenes u. s. w.) und Historiker
(Herodotus u. A.) für eine vom Ozean (unter welchem man sich zuerst
einen grossen Strom, später aber, besonders seit Herodotus, das Weltmeer
dachte) umflossene (entweder zirkel- oder eirunde) Scheibe oder doch für
eine Fläche, der man die Gestalt einer Trommel, eines Cylinders,
eines Würfels oder einer Pyramide gab. Diese Fläche liess man bald auf
dem Wasser schwimmen (so Thaies, nach welchem der Ozean der hervor-
tretende Rand jener Wasserunterlage w7ar), bald frei im Mittelpunkte des
Weltalls schweben (so Anaximander), bald auf der durch sie zusammen-
gepressten Luft ruhen (so Anaximenes und Anaxagoras), bald an Wurzeln
hängen, die sich in’s Unendliche erstreckten (so Xenophanes). Viele (Leu-
cippus, Anaxagoras, Archelaus, Democritus u. A.) dachten sich diese
Scheibe in der Mitte vertieft und glaubten , dass sich in dieser Vertiefung
das Meer gesammelt habe, (weil man nämlich damals nur noch das Mittel-
meer kannte, das mau daher auch das grosse Meer nannte). Erst die Py-
thagoreer waren es, welche die Kugelgestalt der Erde erkannten, und spä-
tere Philosophen , namentlich Aristoteles, die Stoiker und Mathematiker,
machten diese Ansicht zu der allgemein herrschenden. Dass aber die Erde
keine vollkommene Kugel ist, sondern sich in Folge der Centrifugalkraft
rotirender Körper nach den Polen zu ein wenig abplattet, wussten die Al-
ten selbst auf dem Hühenpunkle ihrer Kenntniss der mathem. Geographie
noch nicht, obgleich die Bewegung derselben um ihre eigene Achse schon
vom Aristarchus (280 v. Chr.) erkannt worden war. Diess blieb aber,
ebenso wie die von einigen Wenigen (angeblich schon von Archytas, Phi-
lolaus und Hicetas, vermuthlich aber erst von Aristarchus und gew'iss von
Seleucus urn’s J. 160 v. Chr.) wirklich schon gelehrte Bewegung der Erde
um die Sonne, nur die Ansicht einzelner Philosophen, während die Mehr-
zahl derselben (Thales, Anaximander, Anaximenes, Pythagoras, Empedo-
cles, Aristoteles u. s. w.) und selbst die Mathematiker und Geographen
(Euclides, Archimedes, Ptolemäus u. s. w.) die Erde unbeweglich im Mit-
telpunkte des Weltalls schweben liessen. In dieser schwebenden Stellung
wurde sie nach Anaximander, Plato, Parmenides u.a. durch ihr Gleichge-
wicht, nach Anaximenes, Anaxagoras und Democriti» aber durch den Druck
der Luft, auf der sie ruhe, erhalten, w obei Anaxagoras zugleich an den be-
ständigen schnellen Umschwung des ganzen Weltalls erinnerte. Denn dass
zugleich mit diesem auch die Erde einen solchen Umschwung erfahre, war
eine schon seit Thaies ziemlich allgemein angenommene Meinung, aus wel-
cher sich dann leicht jene bestimmtere entwickelte, dass sich die Erde mit
dem ganzen Himmel um eine und dieselbe Achse drehte.
§. 26. Leber die Grösse der Erde waren die Ansichten der Al-
ten sehr verschieden , indem man sie anfangs zu gering anschlug, dann
(seit Plato’s Zeilen) sehr überschätzte, zuletzt aber, nach beständiger Ver-
minderung , wieder viel zu gering annahm. Nach Herodot beträgt die
Länge der Erdscheibe 37—40,000 Stad.; denumfang der Erd-
kugel (von welchem erst seit dem 4. Jahrh. v. Chr. die Rede ist) bestimmte
Aristoteles zu 400,000, Archimedes zu 300,000, Eratosthenes (und mit
ihm Hipparchus) zu 252,000, Posidonius anfangs zu 240,000, später nur
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Ii. Physische Geographie. §. 37—39.
29
des Meeres von Felsenriffen, oder auch blos durch den der Fluth entgegen-
wehenden Wind, (was namentlich bei dem berühmten Strudel in der sicilia-
nischen Meerenge der Fall sein sollte). Was endlich die Höhe der Mee-
resfläche betrifft, so hatte zwar schon Archimedes gelehrt, die Oberfläche
jeder ruhig stehenden Flüssigkeit sei ein Stück einer Kugelfläche , deren
Mittelpunkt das Centrum der Erde bilde, weshalb das zusammenhängende
grosse Weltmeer überall ein gleiches ¡Niveau haben müsse, dennoch aber
behaupteten Eralosthenes u. A., dass die Höhe des Meeres nicht überall
gleich sei, indem sie von einzelnen Fällen bei kleinern, mehr eingeschlos-
senen Meereslheilen (z. ß. dem rothen Meere, das höher stehe als das
mittelländische) einen Schluss auf das Ganze machten. Dass das Meer,
namentlich das mittelländische , fortdauernd allmälig sinkt und sich weiter
und weiter vom Lande zurückzieht, konnte schon den Beobachtungen der
Alten nicht entgehen.
§. 38. C. Zu der Erde gehört auch die Atmosphäre, oder der
sie zunächst umgehende Dunstkreis. Schon Homer und alle spätem Philo-
sophen unterscheiden diese tiefere Luft (a//p), in der wir leben, von dem
reinen und höhern Aether (ai&rjq), den das Himmelsgewölbe umschliesst
und welchen Manche für Feuer oder doch für feuerartig ansahen; Andre
aber schoben zwischen der Atmosphäre und dem feurigen Aether noch
eine dritte, von letzterem entzündete Region ein, in welcher der Blitz und
alle feurigen Meteore entständen , während sich in der Atmosphäre alle
feuchten Lufterscheinungen, Regen, Schnee, flagel u. s. w., bildeten. Die
Grenzen zwischen der Atmosphäre und dem Aether wurden früher nicht
genauer bestimmt; erst Pythagoras nahm die Höhe der Luftregion bis zum
Aether willkürlich zu 126,000 Stad, an, während sie Andre bis zum Monde,
ja bis zur Sonne und den entferntesten Gestirnen reichen Hessen. Die
Luft, welche nach den Stoikern gleich dem Wasser eine ununterbrochene,
einzige Masse ist, nach Democritus und den Atomisten aber aus einzelnen
Atomen besteht, zwischen denen noch leerer Raum ist, war nach Einigen
selbst ein Urstoff (s. §. 23), nach der Ansicht des Thaies und der Meisten
aber entstand sie als blosser Wasserdunst aus dem Wasser, und durch-
drang mit dem Aether das ganze Weltall, in dem es überhaupt keinen lee-
ren Raum giebt. Sie ist dichter und schwerer, als der Aether, aber dünner
und leichter, als die Erde, und an sich dunkel und kalt, erhält aber ent-
weder von den Gestirnen oder von der in ihrer Nähe flammenden Aether-
region Licht und Wärme. Je näher der Erde, desto feuchter, dichter und
dunkler ist sie, weil sie noch die Ausdünstungen der Erde aufnimmt, aber
eben deshalb auch desto wärmer, besonders da sie noch durch die von der
Erde zurückgeworfenen Sonnenstrahlen erwärmt wird. Am wärmsten und
trockensten ist sie in den höchsten Regionen wegen der Nähe des feurigen
Aethers, am kältesten in den mittlern Regionen (in welche die höchsten
Bergspitzen hinauf ragen), weil durch sie ihrer Reinheit und Lauterkeit
wegen die Sonnenstrahlen sehr schnell hindurchgehen.
§. 39. Die Luft ist beweglicher, als die Erde und das Wasser, und
daher, besonders in ihrer untersten, der Erde nächsten Region, sehr vielen
Veränderungen unterworfen, die theils von dererde, theils von der Bewe-
gung der Gestirne herrühren. Aus den von der Erde aufsteigenden feuch-
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Ii. Physische Geographie. §. 41. 42.
35
ausgenommen, eine ganz andre Bedeutung erhielten, als früher, und nun
auch unsrer Windrose nicht mehr entsprechen. (Auf dieser spätem Wind-
rose bei Agathemer ist daher Nozog — S., Aißovorog — Ssw., Alip —
Wsw., Ztcßvqog — Vv., lünv's. ~ Wnw., &(juoxiug — Nnw.,
Anccfjuriag — N., Boqtag — Nno., Kcnxlag — Ono., Airy^iojtrjg —
0,,Bvqog =Oso. und Evfjövoxog — Sso. Vitruvius zählt gar 24 Winde
auf, jedoch ohne sie näher zu bestimmen). — Winde, die zu bestimmten
Jahreszeiten eintreten und dann immer aus derselben Gegend her zu wehen
fortfahren, nannten die Alten Etesiae (5 Exyalai), unter welchem Namen
man jedoch besonders die Nordwestwinde verstand, die vom Frühlingssol-
stitiurn bis zum Aufgange des Sirius zu wehen pflegten , und zwar (nach
Pythagoras) weil da die Sonne am weitesten nach N. hinaufsteige und dort
den Schnee und das Eis schmelze, worauf die sich dadurch entwickelnden
feuchten Dünste in grosser Menge nach den wärmern Gegenden hindräng-
ten, und so jene Winde erregten, die natürlich zu wehen aufhörten, wenn
keine dergleichen Dünste mehr zuströmten , und auch nur den Tag über
wehten, weil während der Nacht das Schmelzen des Schnees und Eises
aufhöre.
§. 42. Aus den trocknen Dünsten entstehen ferner alle feurigen Me-
teore, zuerst Blitz und Donner. Man unterschied zwei Arten des Ge-
witters, den wirklich treffenden und nach Gelegenheit auch zündenden Blitz
{xffjuvvog, nqyax7]Q, fulmen) und das blosse Wetterleuchten (nxtgon?],
aotifjonr], fulguratio), und nahm sehr verschiedene Ursachen desselben an.
Nach Anaximander und Anaximenes entsteht es, wenn die von einer dich-
ten Wolke eingeschlossene Luft wegen der Feinheit und Leichtigkeit ihrer
Theile aus ihr hervorbricht, wo dann das Durchbrechen der Wolke den
Donner verursache, auf der dunklen Wolke aber durch die mit Gewralt her-
vorbrechende Luft ein heller Schimmer, der Blitz, hervorgerufen werde;
sei aber der Durchbruch weniger gewaltsam , so entständen blosse Leuch-
tungen ohne Blitz. Metrodorus glaubte, wenn ein Luftstrom in eine dichte
Wolke eindringe , so entstehe durch das Zusammenpressen der Wolke der
Donner, durch die plötzliche Trennung derselben aber die Leuchtungen
und durch die Schnelligkeit der Bewegung, wozu noch die Einwirkung der
Sonnenhitze komme, der Blitz. Anaxagoras u. A. nahmen an, ein Gewitter
entstehe, wenn heisse Aetbertheile (oder nach Andern Feuer, das aus den
Sternen, besonders den 3 obersten Planeten, herabfalle) in die kältere Luft
herabgeriethen , wo denn der Blitz nichts Anderes sei, als der Schimmer
dieser feurigen Materie auf dem Hintergründe einer dunklen Wolke, der
Donner aber durch das Zischen des Aetherfeuers in der kalten und feuchten
Luft entstehe. Empedocles lehrte, das Gewitter bilde sich, wenn heisse
Sonnenstrahlen in eine Wolke fielen , und die ihnen widerstrebende Luft
daraus verdrängten, wobei das Aufleuchten der Sonnenstrahlen den Blitz,
das Verlöschen und Brechen derselben an der Wolke den Donner bewirke.
Nach Xenophanes entsteht der Blitz, wenn die Wolken durch schnelle Be-
wegung leuchtend werden; nach Democritus aber, wenn die in den Wolken
vorhandenen entzündbaren Theilchen sich an eine Stelle zusammendrän-
gen und vermischen, so die Wolke herabdrücken und durch Beibung in
Brand gerathen; und Leucippus meinte, das Feuer selbst sei in dichten
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36
Erster Theil.
Wolken eingeschlossen, und errege, wenn es daraus hervorbreche, ein
Gewitter. Milon behauptete, der Blitz entstehe dadurch, dass eine mit
feuchten Dünsten geschwängerte Regenwolke plötzlich zerreisse, wo dann
bei Tage die Sonne, bei Nacht aber die Sterne hindurchschienen, wobei
das Zerbersten der Wolke den Donner verursache. Clidemus erklärte selbst
den Blitz für gar nichts Wirkliches, sondern blos für eine optische Täu-
schung. Diese und andre (minder klare und fassliche) Ansichten aber wur-
den später verdrängt durch die Lehre des Aristoteles, dem auch die Stoiker
u. A. beistimmlen. Nach ihm entsteht ein Gewitter, wenn sich die in den
Wolken enthaltenen trocknen Dünste ausscheiden, und die nun allein zu-
rückbleibenden feuchten sich in Wasser auflösen. Wenn sich nämlich jene
trocknen Dünste sammeln und vom Winde mit Heftigkeit fortbewegt wer-
den, so entsteht beim Zusammenstosse mit dichten Wolken der Donner, die
aus den Wolken herausgepresste verdünnte und stark ausgedehnte Luft
aber entzündet sich häufig, und so entsteht, wenn sie keine grosse Masse
bildet, eine schwache Flamme (aar^antj) , wenn sie sich aber in Menge
ausscheidet, ein heller Blitzstrahl (xtfjaviog), der, wenn er fein ist, durch
einen Gegenstand, den er trifft, schnell hindurchfährt und nicht zündet,
wenn er aber weniger fein ist und sich langsamer bewegt, zündet, wo er
Widerstand findet. Der Blitz entsteht nach dem Donner, wir sehen ihn
aber eher, weil der Schein sich schneller fortpflanzt, als der Schall. Im
Ganzen damit übereinstimmend lehrten Arrianus , die Stoiker u. A., der
Donner entstehe durch ein vom Winde bewirktes Zusammenstossen der
Wolken, der Blitz aber durch eine Beibung derselben an einander. Seneca
machte wieder einen Rückschritt, indem er lehrte, der Blitz entstände,
wenn zwei heftig gegen einander fahrende Wolken die zwischen ihnen be-
findliche Luft zusammendrückten, herauspressten und fortschleuderten, die
nun durch die Bewegung verdünnt und (besonders wenn auch noch die
heissen Sonnenstrahlen einwirkten) entzündet würde, während die schnelle
Bewegung und das Aneinanderschlagen der Wolken den Donner verur-
sache. Wenn die Wolken nicht so gewaltig gegen einander führen und
das Feuer sich mehr in die Breite entwickeln könne, so entstehe ein blosses
Wetterleuchten; beim Blitze aber, der ein wirklicher Feuerklumpen sei,
der nur durch seine schnelle Bewegung bewirke, dass man die ganze Bahn
für feurig halte, finde ein wirk! ches Hervorschiessen von Feuer statt. Der
Blitz hat nach ihm stets eine schräge Richtung; nach Lucretius kann er
auch aufwärts fahren. Bei heiterm Himmel kann es nach Seneca nie blitzen,
wohl aber (durch ein blosses Zusammenfahren der Wolken) donnern, was
jedoch Aristoteles, Lucretius u. A. leugnen, indem sie behaupten, wenn es
donnere, müsse es auch blitzen, am Tage aber sehe man nur den Blitz vor
den Sonnenstrahlen nicht. (Der von den Allen so oft erwähnte Blitz hei
heiterm Himmel beruht wohl auf einer blossen Täuschung.) Arrianus, Pli-
nius u. A. lehren, im Sommer und Winter wären Gewitter seltener, weil
die sehr heissen und trocknen Dünste sich selten in Wolken verdichteten,
die kältere und dickere Luft des Winters dagegen alle feurigen Dünste
auslösche; desto häufiger aber wären sie im Frühlinge und Herbste und am
heftigsten zur Zeit des Aufgangs der Plejaden und des Arcturus, wo die
gewaltig bewegte Luft weder von der Kälte zusammengezogen werde, noch
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Erster oder allgemeiner Theil.
Kurzer Abriss der mathematischen und physischen Geographie
der Alten.
I. Mathematische Geographie.
§. 23. Ueber das Weltall und die Erde in ihrer Beziehung zu den
übrigen Weltkörpern hatten die Alten nur dunkle, mehr oder weniger un-
richtige Begriffe. Was die Entstehung des Weltalls betrifft, so
hielten die alten Griechen und Römer dasselbe nicht, wie die Hebräer und
Indier, für etwas von Gott aus ¡Nichts Geschaffenes, sondern glaubten, wie
die alten Parsen, dass es aus einem schon vorhandenen Urstoffe entweder
von der Gottheit gebildet oder durch Zufall entstanden sei. Diesen Urstoff
fand Thaies im Wasser, Anaximenes und Archelaus in der Luft, Heracli-
tus im Feuer, Xenophanes in der Erde, Empedocles (und nach ihm die
Meisten der spätem Philosophen, namentlich auch Plato und Aristoteles)
in einer Mischung aller dieser 4 Elemente, Anaximander in einem ewigen,
unendlichen Etwas (ro umigov), Leucippus (dem Democri tus und Epicurus,
sowie auch Anaxagoras folgten) in den Atomen, d. h. kleinen, unheilba-
ren Körperchen von verschiedener Gestalt, Schwere und Bewegung, durch
deren zufällige Verbindung und Mischung alle Dinge entständen. Nach
Thaies waren Flächen und Höhen der Erde durch das Zurücktreten der
Gewässer entstanden, welche, sich in den Tiefen sammelnd, Meere bilde-
ten; nach Heraclitus aber wurden die Höhen und Berge durch Feuer aus
der Tiefe emporgehoben. Anaximander liess die ganze Weltbildung von
der Bildung der Erde ausgehen ; und auch Anaximenes glaubte, dass unter
allen Weltkörpern die Erde durch eine Verdichtung der Luft zuerst ent-
standen sei, und dass sich erst aus ihren Ausdünstungen die Gestirne ge-
bildet hätten. Die Anhänger der Lehre von 4 Elementen Hessen die ganze
Welt durch eine Trennung jener vorher in eine rohe und ungeordnete
Kugelmasse vermischten Grundstoffe entstehen ; nach Leucippus und den
sogenannten Atomistikern endlich sonderte sich aus dem Wirbel der unter
Forbiger, Leitfaden. 2
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18
Erster Theil.
einander herumtreibenden Atome durch Bewegung und Stoss das Gleiche
zum Gleichen. So wie nun die Welt einmal entstanden war, so musste ihr
Dasein auch wieder enden können , und so nahmen denn die meisten der
alten Philosophen eine Zerstörbarkeit des Weltalls an, und glaubten, dass
sie entweder durch Feuer (so Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Leu-
cippus, Heraclitus, Zeno und sämmtliche Stoiker), oder durch Wasser (so
Thaies), oder durch Feuer und Wasser zugleich (so Philolaus), oder end-
lich durch Wiederauflösung der Atome (so Epicurus und seine Schule) ih-
ren Untergang finden werde (obgleich Manche derselben nur eine Zerstö-
rung im Einzelnen und andere Verbindungen der Elemente oder Atome zu
andern Welten annahmen). Nur die eleatische Schule (Xenophanes, Par-
menides, Melissus), welche alles Seiende für ewig und unvergänglich hielt,
einige spätere Stoiker (wie Chrysippus, Posidonius u. A.), welche die
Welt für ein lebendes, vernunftbegabtes Wesen und mit der Gottheit seihst
für identisch hielten, nahmen eine ewige Fortdauer der Welt an.
§. 24. Auch darüber, ob es nur eine oder mehrere Welten gebe,
waren die Alten getheilter Meinung. Dass es nur ein Weltall gebe, lehr-
ten Thales, Pythagoras, Empedocles, Plato, Anaxagoras, Aristoteles, Zeno
u. A. ; das Gegentheil aber nahmen Metrodorus, Anaximander, Anaximei
nes, Xenophanes, Leucippus, Democritus, Epicurus, Heraclides u. A. an.
Freilich aber verstanden wohl fast Alle, die von mehrern Welten sprachen,
darunter nicht verschiedene Sonnensysteme, sondern rechneten den Himmel
mit allen uns sichtbaren Gestirnen zu der einen uns bekannten Welt, ausser
welcher sie noch mehrere andere ähnliche Welten im unendlichen Raume
annahmen, obgleich sich selbst eine dunkle Ahnung mehrerer Sonnen-
systeme bei den Alten findet, indem man annahm, dass es unter den Ge-
stirnen wohl manche geben möge, die der Sonne nicht nur an Grösse gleich-
kämen, sondern sie wohl gar noch überträfen. — Was nun die Gestalt
der Welt betrifft, zu der auch unsre Erde gehört, so hielten sie die Mei-
sten (Pythagoras, Parmenides, Plato, Aristoteles, Leucippus, Democritus,
die Stoiker u. s. w.) für sphärisch, Andere dagegen gaben ihr die Form
eines Kegels oder (wie Empedocles) eines Eies, wmhrend wieder Andere
(wie Epicurus) gar nichts Näheres darüber bestimmten. Fast alle aber
dachten sich dieselbe in bestimmte Grenzen eingeschlossen, und zwar um-
gab sie Parmenides mit einer Art von Mauer und Anaximenes auf ähn-
liche Weise mit einer erdigen Masse, Leucippus und Democritus dagegen
spannten eine Art von Haut um sie aus , in welche die Gestirne gleichsam
eingewebt wären. Nach Empedocles beschrieb der Kreislauf der Sonne
die Grenze des Weltalls, für welchen überhaupt wohl die Meisten den als
ein festes Gewölbe gedachten Himmel ansahen.
§. 25. Von unserm Sonnensysteme hatten die Alten kaum eine
Ahnung, und alle bedeutendem Philosophen, Mathematiker und Geographen
(selbst Aristoteles, Archimedes, Eratosthenes, Strabo, Ptolemäus u. s. w.)
hielten die Erde nicht für einen der Planeten, sondern für den feststehen-
den Mittelpunkt und wichtigsten Theil des ganzen Weltalls, um den sich
die Sonne mit dem Monde und allen übrigen Planeten herum bewege*).
*) Die Ansichten der Alten von Sonne, Mond, Planeten u.s.w. gehören nicht
wesentlich hierher. Vgl. darüber mein Handb. d. alten Geogr. I. S. 499 ff.
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Erster Theil.
die Alten (namentlich bei Arädus und den chelidonischen Inseln). Die
Farbe des Meeres wird vom Homer im ruhigen Zustande durch (.uxug
(so auch von Anaxagoras), im bewegten aber durch Tioyyvqiog (o’ivoifj,
Coqjojrhjg), ¡oeidtjg, ijffjoeidijg, ykuvxog, nobog, von den Römern durch
caeruleus, bisweilen auch durch viridis und purpureus bezeichnet.
§. 37. Die B ewegung des Meeres anlangend, so glaubten die
Meisten, es sei an sich ruhig und werde nur auf der Oberfläche durch die
Winde bewegt, Strabo u.a. aber nahmen auch eine eigeuthiimliche Bewe-
gung desselben aus sich heraus und in sich zurück an, eine Art von Ath-
mungsprozess, der sich selbst bei völliger Windstille zeige und die Wellen
nicht selten gerade dem Winde entgegentreibe; komme nun noch der
Wind dazu, so werde eine grosse Verschiedenheit der Wellenbewegung
erzeugt. Uebrigens hielten die Griechen immer die dritte (?) T^na>f.ilu),
die Römer aber die zehnte Welle (decimus oder decumanus fluctus) für
die grösste und gefährlichste. Ebbe und Fluth (jib]^f-iv^lg y.ut a/nnwoig,
uvaycu^rpiuta xai imdgofux't aupüroiv, aestus et recessus, accessus et re-
cessus), die im Mittelmeere nur unbedeutend, desto heftiger aber im Ozean
ist, sollte nach Timäus von dem bald heftigeren, bald sanfteren Einströmen
der Flüsse herrühren, Andere suchten den Grund derselben bald (wie Plato
und die Stoiker) in der Erde, bald (wie Theophrastus) in der Atmosphäre.
Plato nämlich erklärte sie dadurch , dass das Wasser des Meeres aus den
Höhlen der Ei de bald stärker hervorsprudele, bald sich wieder in dieselben
zurückziehe; die Stoiker aber, die sich die Erde als einen thierischen Kör-
per dachten, glaubten, dass diese mit dem Athen) auch das Wasser ein-
ziehe und wieder hervorstosse. Auch die Ansichten derer, welche den
Grund richtiger aus der Atmosphäre herleiteten, waren verschieden. Ari-
stoteles und Heraclitus meinten , die Fluth entstehe durch den Druck der
durch die Sonne in Bewegung gesetzten Dünste der Atmosphäre auf das
Meer, und die Ebbe trete ein, sobald dieser Druck wieder aufhöre; Seleu-
cus aber nahm als Grund dieses Druckes den Mond an, dessen Bewegung
dem Umschwünge der sich um ihre Achse drehenden Erde gerade entge-
genlaufe , so dass die zwischen beiden nach so verschiedener Richtung
herumgetriebene Luft, wenn sie sich auf das Meer stürze, nolhwendig
auch diesem eine doppelte und entgegengesetzte Bewegung mittheilen
müsse , wobei noch der Eintritt des Mondes in die verschiedenen Zeichen
des Thierkreises eine bald regelmässige, bald unregelmässige Ebbe und
Fluth zur Folge habe. Die Phönicier (und mit ihnen Posidonius und Pli-
nius) , welche die Erscheinung von der Einwirkung der Sonne und des
Mondes zugleich herleiten, unterscheiden eine tägliche (von 6 zu 6 Aequi-
noclialstunden abw eehselnde), monatliche (die stärkste Fluth zur Zeit des
Vollmonds, die stärkste Ebbe zur Zeit des Neumonds) und jährliche Ebbe
und Fluth (am stärksten zur Zeit der Sommersonnenw ende). Die Strömun-
gen des Meeres, die man an manchen Stellen auf der Oberfläche in andern
Richtungen bemerkte, als in der Tiefe, und die grösstentheils von N. nach
S. staltfänden , erklärten die Meisten mit Eratosthenes dadurch, dass das
Wasser von den höhern Stellen nach den niedrigem fliesse. Strudel
entstehen nach Aristoteles , wenn sich von den grossen Höhlen der Erde
eine oder mehrere plötzlich aufthun, nach Andern durch das Zurückprallen
1850 -
Leipzig
: Mayer
- Autor: Forbiger, Albert
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
30
Erster Theil.
ten Dünsten bilden sich Wolken, Thau, Nebel, Regen, Reif, Schnee, Ha-
gel, die ihr entsteigenden trocknen Dünste aber veranlassen Winde, feu-
rige Lufterscheinungen (Meteore), Blitz und Donner. Die Wolken sind
nach Anaxagoras, Anaximenes, Xenophanes u. A. verdichtete Luft, nach
Metrodorus u.a. aber aus den feuchten Dünsten der Erde entstanden, und
finden sich nie in den höchsten Regionen, aber auch nicht ganz nahe über
der Erde , wo die Wirkung der von der Erde zurückprallenden Sonnen-
strahlen noch zu mächtig ist, als dass sich Wolken bilden könnten. (Nach
Posidonius war die Region, wo Wolken, Nebel, Winde u. s. w. entstehen,
etwa 400, nach A. aber bis gegen 900 Stad, von der Erde entfernt, wäh-
rend sie Andre dagegen wieder viel tiefer herabrücken). Ihre Farbe er-
halten sie entweder von den in ihnen enthaltenen Feuertheilchen , oder
(wie der Regenbogen) von der sich in ihnen spiegelnden Sonne. Sie wer-
den von den Winden getrieben, und ziehen daher in sehr verschiedenen
Richtungen. Der Nebel, dichter als die Luft und dünner als die Wolken,
entsteht entweder aus einer sich verdünnenden oder ganz auflösenden
Wolke, oder wenn die Luft ihre Wärme verliert, oder endlich (nach Hip-
pocrates) aus den feuchten Dünsten , wenn die dichteren und trüberen
Theile sich ausscheiden. Der Thau fällt nach Einigen, durch die Kühle
der Nacht gesammelt, aus der Atmosphäre herab, nach Andern steigt er
aus der Erde auf, wenn die in ihr enthaltene Feuchtigkeit durch Wärme
verdunstet. Nach Aristoteles entsteht er aus Dünsten, die sich ihrer ge-
ringen Wärme wegen nicht in die höhern Regionen erheben können. Er
zeigt sich nur bei reinem, heitern Himmel und bei Windstille, am stärksten
im Sommer und in gemässigten Klimaten , besonders in Gegenden, wo es
selten regnet, und wird durch den Mondschein befördert. Er fällt nur in
der Nacht, weil da der Himmel reiner zu sein pflegt, am stärksten aber
bei Anbruch der Morgenröthe. Der Regen entsteht nach Anaximenes,
wenn die Wolken so stark an einander gepresst werden, dass sie zerreis-
sen, oder nach Theophrastus, wenn ein solches Pressen der Wolken gegen
hohe Berge stattfindet ; nach den Meisten aber ist er nur ein verstärkter
Thau, der aus den feuchten Dünsten in der Luft entsteht, wenn diese ihre
Wärme verliert, oder (nach den Stoikern) wenn die Sonne eine zu grosse
Menge aus der Erde und dem Meere aufsteigender Dünste nicht mehr be-
wältigen und aufzehren kann. Wolkenhrüche entstehen, wenn eine Wolke
durch heftigen Sturm zerrissen wird. Der Reif bildet sich, wenn die auf-
steigenden Dünste gefrieren. Er ist gefrorner Thau, wie das Eis gefrornes
Wasser ist, so dass also zwischen Reif und Eis derselbe Unterschied statt-
findet, wie zwischen Thau und Wasser. Der Schnee entsteht nach Ana-
ximenes, Posidonius u. A., wenn das aus den Wolken herabfallende Was-
ser gefriert; nach Plato entsteht, wenn sich die im Wasser enthaltenen
Luft- und Feuertheile ausscheiden, in der Luft Schnee und auf der Erde
Reif, wenn aber diese Ausscheidung schneller und gewaltsamer vor sich
geht, in der Luft Hagel und auf der Erde Eis; nach Aristoteles aber be-
steht der Unterschied zwischen Reif und Schnee darin, dass jener gefrorne
Dünste, dieser aber eine gefrorne Wolke ist. Er fällt nur aus mässiger
Höhe herab, und sowohl diess, als seine lockere Substanz, ist der Grund,
warum er nicht rund ist, wie der Hagel, sowie auch die wärmere Luft in