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keine Vertretung im Landtage gehabt. Sie mußte monatlich 24 Taler
Staatssteuer aufbringen, dazu das Dienstgeld, den Weinkauf und die Ab-
gäbe bei Sterbefällen entrichten. Der Stellvertreter der Regierung war der
rhedische Amtsvogt; ihm standen zwei Untervögte zur Seite. In der
Franzosenzeit war Lehmann in Gütersloh französischer Maire. Nach seiner
Vertreibung wurde der Kaufmann Tegeler Bürgermeister. Am 8. Dezem-
der 1825 wurde das Dorf Gütersloh zur Stadt erhoben. Das Wappen
der Stadt ist ein rotes Rad auf silbernem und grünem Felde.
Bis 1842 gehörten Stadt und Land Gütersloh zusammen. Durch
die Teilung erhielt die Stadt Gütersloh nur 174 Hektar. In den sechziger
Jahren wurde ein Teil von Sundern von der Stadt erworben, und am
1. April 1910 fand die Wiedervereinigung von Stadt und Land durch die
Eingemeindung der Bauerschaften und Aufhebung des Amtes Gütersloh
statt. Im Oktober 1842 fanden die ersten Stadtverordnetenwahlen in
Gütersloh statt, und im Februar 1843 wurden die Vertreter des Amtes
Gütersloh gewählt. Der erste Amtmann hieß Häge. Vom Jahre 1873
bis 1908 verwaltete der Bürgermeister Mangelsdors die Stadt. Der jetzige
Bürgermeister trat sein Amt 1908 an. Als Rathaus diente in den ersten
Jahrzehnten das Amtsvogthaus. 1848 wurde es verkaust, und das Rat-
haus war 16 Jahre in einem Hause, das an der Stelle der heutigen Reichs-
Post stand. 1863/64 wurde das neue Rathaus erbaut. Es ist eine
Stiftung des Kaufmanns Heinrich Barth. Er hat auch das evangelische
Krankenhaus gestiftet. 1910 wurde das Rathaus erweitert und erneuert.
Sehr viel taten die Gütersloher, um die Bahn zu erhalten. Ob-
gleich dem einträglichen Fuhrgewerbe ein bedeutender Schaden entstand,
opferte Gütersloh doch 7500 Taler für den Bahnanschluß.
Die Apostelkirche war schon lange Zeit für die stetig wachsende Ge-
meinde zu klein, dazu mußte sie in dem noch uugelüsteten Raum ihren
Gottesdienst feiern, wenn eben die Katholiken ihre Feier beendet hatten.
Darum baute man 1859 bis 1861 die Auferstehungskirche. Weil der alte
Kirchhof nicht mehr ausreichte, legte die Gemeinde 1831 den Friedhof an der
Wiedenbrücker Straße an. Auch er ist schon zu klein geworden, und darum
sind zwei neue Friedhöfe, einer für die Evangelischen, der andre für die
Katholiken, hinter dem alten Friedhof errächtet worden.
Im Jahre 1851 wurde das evangelische Gymnasium au der Feldstraße
gegründet. Jahre hindurch hat an ihm als Religionslehrer und Anstalts-
geistlicher der spätere Generalsuperintendent D. Braun gewirkt, der auch
hier in Gütersloh seine letzte Ruhestätte fand, 1910.)
Bor hundert Jahren hatte Gütersloh nur zwei Lehrer. Das Schul-
haus war früher in der Angenetefchen Mehlhandlung in der Kökerstraße.
1873 wurde die heutige Schule errichtet; im Jahre 1902 wurde sie erweitert
und auch die höhere Töchterschule erbaut. Außerdem wurden die Fort-
bildungsschule und die Kochschule gebaut. Heute unterrichten an der
Stadtschule 16 Lehrer und 2 Lehrerinnen. In der Landgemeinde Güters-
loh gab es vor hundert Jahren noch keine einzige Schule. Im Gegensatz
zu den altpreußischen Gebieten wußte man auch nichts von einem Schul-
zwang. Wer Unterricht empfangen wollte, der mußte nach dem Dorfe
Verleger, Praxis des heimatkundlichen Unterrichts. in
TM Hauptwörter (50): [T3: [Stadt Schloß Straße Berlin Kirche Haus Gebäude Platz Garten Universität], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Lehmann Heinrich_Barth Heinrich Gütersloh
— 120 —
Auf unfern Spaziergängen finden wir schöne Anlagen und Ruhe-
bänke mit den Buchstaben G. V. V. Der Gütersloher Verschönerungs-
verein hat sie errichten lassen. Er bezweckt die Verschönerung der Ge-
meinde.
Alle diese Vereine haben einen Vorsitzenden, der den Verein
leitet, einen Schriftführer, der die Mitglieder einschreibt und die Vor-
schlüge und Beschlüsse in den Versammlungen aufschreibt, und einen
Kassierer, der die Beiträge einzieht und die Kasse des Vereins verwaltet.
Wie unsre Stadt Gütersloh verwaltet wird.
Alle Einwohner der Stadt Gütersloh bilden gleichsam eiue große
Familie. Wie die Familie die Wohnräume mit ihren Einrichtungen ge-
meinsam hat, so haben alle Bürger Anteil an den Straßen, Plätzen, An-
lagen und öffentlichen städtischen Einrichtungen. Alle Bürger der Stadt
bilden eine große Gemeinde, die wir die Stadtgemeinde nennen. Dieser
Stadtgemeinde gehören viele Grundstücke, Gebüude, Anlagen und Ein-
richtungen; sie bilden das Stadteigentum. Wie jedes Eigentum, muß auch
es verwaltet und beschützt werden. Da aber nicht alle Bürger der Stadt
das Stadteigentnm gemeinsam beschützen, pflegen und verwalten können,
haben sie dies Amt besondern Leuten übertragen, die es im Auftrage und
Namen der Stadtgemeinde ausüben. Diese Leute sind Beamte oder An-
gestellte der Stadtgemeinde. Sie sollen aber nicht nur das Stadteigentum
verwalten, sondern auch für Ruhe und Ordnung in der Stadt sorgen;
denn wo so viele Leute zusammenwohnen, da gibt es leicht Streit und
Zank. Die Beamten nennen wir die Obrigkeit. Der oberste Beamte der
Stadt ist der Bürgermeister. Ihm zur Seite stehen zwei Beigeordnete
und vier Ratsherren. Sie bilden den Magistrat der Stadt. Er ist die
Obrigkeit oder die'oberste Behörde. Weil der Bürgermeister im Dienste
der Stadt arbeitet, wird er auch von der Stadtgemeinde dafür bezahlt.
Er bekommt ebenso wie alle andern Beamten eine Besoldung, die wir
Gehalt nennen.
Neben dem Magistrat sorgt noch die Stadtverordnetenversammlung
für das Wohl der Stadt. Die Stadtverordnetenversammlung Güterslohs
besteht aus 27 Personen. An ihrer Spitze steht der Stadtverordneten-
Vorsteher. Die Stadtverordneten sind keine städtischen Beamte. Sie
werden alle 6 Jahre von der gesamten Bürgerschaft der Stadt Gütersloh
im Rathause gewählt. Die Stadtverordneten gehören den verschiedensten
Berufszweigen an, es sind Kaufleute, Ärzte, Handwerker usw. Die Stadt-
verordneten wählen den Bürgermeister und die andern Magistratsmit-
glieder. An bestimmten Nachmittagen, die der Stadtverordnetenvorsteher
in der Zeitung bekannt macht, versammeln sich die Stadtverordneten in
einem großen Saale des Rathauses, dem Sitzungssaale, und beraten mit
dem Magistrat über die Sachen, die der Stadtverordnetenvorsteher in der
Zeitung mitgeteilt hat. (Tagesordnung einer Stadtverordnetensitzung be-
sprechen.) Es soll z. B. eine Straße gepflastert und ein Hof von der Stadt
angekauft werden.
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Alle städtischen Einrichtungen kommen allen Bürgern der Stadt zu
gute. Aber sie kosten Geld, viel Geld. Das Geld dafür müssen alle Bürger
ausbringen. Jeder muß nach seinen Kräften und Vermögen dazu beitragen.
Diese Abgabeu nennt man Steuern. Die Reichen müssen viel und die
Armen wenig Steuern zahlen. In jedem Frühjahre erhält jeder Bürger
der Stadt einen Steuerzettel. (Vorzeigen und erklären!) Darauf steht,
was für und wieviel Steuern für die Stadt bezahlt werden müffen. Man
nennt diese Steuern mit einem Namen Gemeindeabgaben. Es sind Grund-
steuern, Gebäudesteuern, Gewerbesteuern, Betriebssteuern, Einkommen-
steuern und Hundesteuern zu entrichten. Außerdem müssen die Leute,
deren Kinder die Höhere Mädchenschule oder die kaufmännische oder gewerb-
liche Fortbildungsschule besuchen, besonders Schulgeld zahlen. Wer hat
Grund-, Gebäude-, Gewerbesteuern zu zahlen? Wann die Abgaben er-
hoben werden, ist auf dem Steuerzettel bekannt gegeben.
Abb. 41. Das Wappen Güterslohs.
Die Schreiben des Magistrats tragen in dem Siegel das Wappen der
Stadt Gütersloh.
Wie sieht es aus?
Zeichnen: Das Wappen der Stadt. Bunt ausmalen!
Von der Verwaltung der Stadtgemeinden.
§ 3. Alle Einwohner des Stadtbezirks, mit Ausnahme der Militär-
Personen des aktiven Dienststandes, gehören zur Stadtgemeinde.
Als Einwohner werden diejenigen betrachtet, welche in dem Stadtbezirk
nach den Bestimmungen der Gesetze ihren Wohnsitz haben.
Z 4. Alle Einwohner des Stadtbezirks sind zur Mitbenutzung der
öffentlichen Gemeiude-Austalten der Stadt berechtigt und zur Teilnahme
an den städtischen Gemeindelasten nach den Vorschriften dieses Gesetzes
verpflichtet.
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- 126 —
Geschäfte des Magistrats.
§ 56. Der Magistrat hat als Ortsobrigkeit und Gemeinde-Ver-
waltungsbehörde insbesondere folgende Geschäfte:
1. Die Gesetze und Verordnungen, sowie die Verfügungen der ihm
vorgesetzten Behörden auszuführen;
2. die Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung vorzubereiten
und, sofern er sich mit denselben einverstanden erklärt, zur Aus-
führung zu bringen;
3. die städtischen Genieindeanstalten zu verwalten und diejenigen,
für welche besondere Verwaltungen eingesetzt sind, zu beauf-
sichtigen;
4. die Einkünfte der Stadtgemeinde zu verwalten;
5. das Eigentum der Stndtgemeinde zu verwalten und ihre Rechte
zu wahren;
6. die Gemeindebeamten, nachdem die Stadtverordneten darüber
vernommen worden, anzustellen und zu beaufsichtigen;
7. die Urkunden und Akten der Stadtgemeinde aufzubewahren;
8. die Stadtgemeinde nach außen zu vertreten und namens derselben
mit Behörden und Privatpersonen zu verhandeln, den Schrift-
Wechsel zu führen und die Gemeindeurkunden in der Urschrift zu
vollziehen;
9. die städtischen Gemeindeabgaben und Dienste nach den Gesetzen
und Beschlüssen auf die Verpflichteten zu verteilen und die Be-
treibuug zu bewirken.
§ 58. Der Bürgermeister leitet und beaufsichtigt deu ganzen Ge-
fchäftsgang der städtischen Verwaltung.
Der Gemeindehaushalt.
§ 66. über alle Ausgaben, Einnahmen und Dienste, welche sich im
voraus bestimmen lassen, entwirst der Magistrat jährlich einen Haushalts-
plan.
§ 71. über alle Teile des Vermögens der Stadtgemeinde hat der
Magistrat ein Lagerbuch zu führen.
Vom Gemeindehaushaltsplan.
Wie iu jeder Familie zum Lebensunterhalt Einnahmen und Aus-
gaben nötig sind, so muß in dem Haushalt der Gemeinde neben den Aus-
gaben auch Einkommen vorhanden sein. In dem Haushalt der Familie
ist es von Vorteil, wenn die Hausfrau ein Wirtschaftsbuch führt, iu das sie
alle Ausgaben einschreibt. Das Haushaltungsbuch gibt ihr dann Aufschluß
darüber, wofür das Geld ausgegeben ist und sagt ihr auch, ob die Aus-
gaben iu deiu rechten Verhältnis zu der Einnahme stehen. Wann ist dies
der Fall? So erkennen die Eltern aus dem Wirtschaftsbuch, ob es in ihrem
Haushalt vorwärts oder zurück geht. Wie iu der Familie, so wird auch iu
der Gemeinde Buch über die Einnahmen und Ausgaben geführt. Doch
sind hier beide Summen viel größer. Mehrere Männer sind aus dem Rat-
hause dainit beschäftigt, die sämtlichen Einnahmen und Ausgaben iu dicke
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler]]
TM Hauptwörter (100): [T72: [Bauer Arbeiter Steuer Jahr Stadt Staat Abgabe Gemeinde Land Verwaltung]]
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— 136 —
Osnabrück. In den ersten Zeiten war seine Gewalt nur eine beschränkte
gewesen. Als aber mit dem Staufer Friedrich Ii. des Reiches Macht und
Herrlichkeit ins Grab sank und die einzelnen Landesherren auf Kosteu
der kaiserlichen Gewalt mächtiger und unabhängiger wurden, da bildete
sich auch hier allmählich die volle Laudeshoheit aus. In dem benachbarten
osnabrückschen Amte Reckenberg mit der Stadt Wiedenbrück gewann sehr
früh das Geschlecht der Edelherren von Freckenhorst Einfluß. Widukiud
von Freckenhorst gründete 1190 das Kloster Marienfeld und stattete es reich
mit Gütern aus. Er nahm an dem Kreuzzuge Friedrich Barbarossas teil
und starb in fernen Landen. Mit seinem Tode kam die Herrschaft Rheda
an die edlen Herren von der Lippe. Im Jahre 1365 wurde der Junker
Otto von Tecklenburg Vormund der Grafschaft Lippe. Heftige Fehden
entbrannten zwischen dem lippischen und tecklenburgischen Geschlechte über
den Besitz der Länder. Erst nach mehr als hundertjährigem Streit ver-
zichtete Lippe 1491 endgültig auf die Herrschaft Rheda. Seit der Zeit
waren die Tecklenburger die Herren in Rheda und iu der Gemeinde
Gütersloh bis zum Jahre 1809. Der Verwalter des Grafen war der
Amtsvogt. Er wohnte in der Amtsvogtei. Sie befand sich an der Wende
des 18. Jahrhunderts in dem Daltropscheu Hause an der kleinen Kirch-
straße. Bei Bultmanns Hofe hatte die Gütersloher Bürgerschaft ihrem
neuen Herrn zu huldigen und den Treueid zu leisten. In der Nähe der
Neuen Mühle führt die Tiggbrücke über die Ems. Hier hielteu alle freien
Männer der Grafschaft Rheda das Ding oder Thing ab.
Die Gerichtsbarkeit.
Im Mittelalter waren die Rechtsverhältnisse, wie in gauz Deutsch-
laud, so auch in der Herrschast Rheda sehr verwickelt. Das alte Franken-
reich war in Grafschaften eingeteilt. Ost fielen diese Verwaltungsbezirke
mit den Gauen, den Gebieten der alten Völkerschaften, zusammen. An
der Spitze eines solchen Gaues stand der Gaugraf. Karl der Große über-
trug die Einrichtung auch auf das Sachsenland. Der Gaugraf war der
Vertreter des Königs in seinem Bezirk. Als solcher war er auch der Richter
des Landes. Unter Karl dem Großen hatten die Freien dreimal im Jahre
zu dem ungeboteneu Ding, an dem Gericht gehalten wurde, zu erscheinen.
In diesem Gericht, das später oft uur ein- oder zweimal im Jahre statt-
fand, wurde die hohe Gerichtsbarkeit gepflegt, d. h. es wurde über Tod
und Leben befunden. Alle leichteren Fülle gehörten vor das Zentgericht;
es ist das Niedergericht, an dessen Spitze früher der Vorsteher der Hundert-
schaft, der Huuno, Zentenar oder Zentgraf stand. Die alte Gerichtsver-
fassuug wurde im Laufe der Jahrhunderte vielfach eiugeeugt, umgeändert
oder aufgehoben.
An die Stelle der früheren Grafen, der Verwaltungsbeamten der
Krone, traten nach und nach selbständig werdende, mehr oder weniger große
und unabhängige Landesherren. In den frühesten Zeiten wurde ihuen
von den deutschen Königen die Gerichtsbarkeit übertragen. Unter deu
schwachen Herrschern wurden die Würden und Ämter erblich, und die
Territorialherren erweiterten ihre Macht und ihre Rechte unablässig. So
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
TM Hauptwörter (100): [T68: [Gericht Recht Richter König Strafe Gesetz Urteil Sache Person Verbrechen], T57: [Weser Stadt Hannover Harz Osnabrück Leine Kreis Aller Land Elbe], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog]]
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich Friedrich_Barbarossas Friedrich Barbarossas Otto Karl_der_Große Karl Karl Karl
— 137 —
gelangten sie in den Besitz der gesamten Gerichtsbarkeit. König
Heinrich, der Sohn Friedrichs Ii., übertrug im Jahre 1225 dem Bischof
von Osnabrück die Gangrasengerichtsbarkeit. Die Landesherren ließen
nun durch ihre Vertreter, auch Gaugrafen genannt, Recht sprechen. So
gebot in nnsrer Gegend der Gaugraf von Wiedenbrück. Es war eine voll-
ständige Verschiebung der alten Gerichtsverfassung eingetreten. An die
Stelle des alten Landgerichts war die landesherrliche Gerichtsbarkeit ge-
treten.
Der Freistuhl unter den Linden von Rheda.
Eine Neubelebung des alten Landgerichts haben wir in dem Fem-
gericht. An der Spitze stand der Freigraf. Bei uns war das Amt des
Freigrafen in der Hand des Edelherrn in Rheda. Als die Bischöfe das
Amt Reckenberg vernachlässigten, wurde der Freigraf immer mächtiger.
Seit der Mitte des 13. Jahrhunderts bis 1559 übten der Gaugraf in
Wiedenbrück und der Freigraf in Rheda gemeinsam die Gerichtsbarkeit aus.
Während der Gaugraf nur im Besitz des niederen Gerichts war, übte der
Freigras das hohe Gericht; er richtete z. B. Mord, Raub, Verrat. Der
„Freistuhl", wo das Femgericht gehegt wurde, war unter den Linden von
Rheda. Der Verurteilte wurde an dem „Porsenbanme" gehenkt.
Eine Forderung vor das Femgericht.
„Forma Abfordernng von Weftfelifchenladungen.
Wir N. entbieten dem erbern N. Freygraven zu N. in Snnderland
unsern n. s. w. zuvor. Uns haben N. und N., unser Underthon, eine Warnung
oder Ladbrief, vou Euch ausgangen, fürbracht, darinnen Ihr under andern
schreiben, beschwüren und fordern sie von Klag wegen N. an den freyen
Stul zu N. auf N. Tag zu erscheinen, ir Leyb und Eeren zu verantwnrten
mit ferrer euers briefs innhalt am Dato auf N. weisend. Wann sich aber
des N. vermeiuteu sorderungen vormals nie erinnert, im auch rechtens
nie vorgewesen und noch nicht vorsein, haben sich auch jetzo vor uns erbotten
und mit ireu eideu verpflichtet, auch des mit dem hienach geschrieben erbern
und unversprochen des heimlichen gerichts acht, rechten sreischössen genug-
sam tröstung gethon, das sie bemelten kleger, dem gericht und wer die klag
mit recht zu tun Hab vor uns und des heiligen Reichs gericht allhie zu N.
statt thun, was sie ihm von eeren und rechts wegen schuldig sind und erkannt
werd; di wir auch inen auf gebürlich ansinnen also zu eeren und rechten
stellen, auch daß fried und gleit für uns und all die unsern, der wir mechtig
sind, geben Möllen, alles nach freiem ftnhlrecht ungefährlich. Hierumb so
fordern und begehren wir von euch mit diesem unsern offen besiegelten
brief in der besten form als es von gewohnheit und freien Stuhls rechts
wegen am meisten kraft haben soll und mag, das ihr den vorgenannten N.
gegen unseren verklagten und sürgeheischen nnderthon für uns des Heiligen
Reichs gericht hierher gen N. weisen, wie wir dann das am Heiligen
Römischen Reich löblich gefreiet und herkommen, auch ir in kraft der
Küniglichen Reformation hiervor zu Frankfurt und jüngst zu Wurms,
auch der Reformation zu Arnsberg beschlossen, der wir euch hiermit, als
TM Hauptwörter (50): [T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T8: [Stadt Rhein Schloß Kreis Mainz Einw. Dorf Main Frankfurt Einwohner]]
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Friedrichs Osnabrück Rheda Rheda
— 27 —
lange sie im Gefängnis bleiben müssen. Der Richter sagt es ihnen, wenn
er weiß, was sie getan haben.
Am besten zeigt man den Kindern die Bedeutung des Gerichts an
einem bestimmten Fall. Z. B.: Ein Mann wird von Polizisten verhaftet
und nach dem Rathans geführt, weil er gestohlen hat. Er wird verhört
und in das Gefängnis gesperrt. Am Gerichtstage wird er vom Wärter
in den Gerichtssaal geführt. Hier sitzt hinter dem Tisch der Richter
in langem, schwarzem Gewände mit der schwarzen Samtkappe auf
dem Haupte. Zu den Seiten die Beisitzer. An der einen
Querseite der Vertreter der Anklage (Polizeikommissar, Anwalt), auf
Abb, 9. Das Amtsgericht.
der Anklagebank der Angeklagte, ihm zur Seite steht der Rechtsanwalt.
Auf den Bänken sitzen die Zuhörer. Der Mann wird des Diebstahls an-
geklagt von der Anwaltschaft und verteidigt vom Rechtsanwalt. Die
Zeugen werden hereingerufen und verhört. Der Angeklagte wird über-
führt und verurteilt. Dann bringt man ihn ins Gefängnis.
Neben dem Gericht ist das Rathaus. Es ist ein großes Hans. Zwei
hohe Treppen führen hinein. Unten ist die Polizeiwache. Da hängen die
Wetterberichte. Oben im Hause arbeiten der Bürgermeister und die
Beamten der Stadt. Im Rathaus muß man die Steuern bezahlen. Wenn
Leute wegziehen oder nach Gütersloh ziehen, müssen sie sich im Rathaus
ab- oder anmelden. Die Leute, die heiraten wollen, müssen ins Rathaus
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— 121 —
Sitzung
der Stadtverordnetenversammlung zu Gütersloh
am Montag, den 5. Februar ds. Js.,
nachmittags 5 Uhr.
Tagesordnung:
1. Wahl des Vorsitzenden, dessen Stellvertreters, ferner des Schriftführers
und dessen Stellvertreters.
2. Neuwahl refp. Ergänzungswahl folgender Kommissionen:
a) Finanz-Kommission,
b) Kommission für Gas- und Wasserwerk,
c) Kommission zur Förderung des Baues von Arbeiterwohnungen,
d) Kommission für die Volksbadeanstalt,
e) Kommission für den Stadtwald.
3. Vorlage des Magistrats, dem Viehhändler Fritzenkötter 100 Mark zu
vergüten für Abfchlachtung von Viehbeständen, welche mit Maul- und
Klauenseuche behaftet waren.
4. Anstellung einer neuen Lehrkraft an der Schule in Nordhorn, ebenso an
der Schule in Sundern Ii zu Ostern d. Js.
5. Antrag auf Bewilligung eines einmaligen Beitrages von 200 Mark zur
Gründung einer Kinderheilanftalt in Bad Oeynhausen.
6. Antrag des Stadt-Steuererhebers Herrn Kolbe auf Herabsetzung seiner
Kaution von 7500 Mark aus 2500 Mark.
7. Antrag des Magistrats auf Umwandlung der bisherigen gehobenen
Mädchenschule in eine Höhere Mädchenschule.
8. Vorlage des Berichts über die Verhandlungen des westfälischen Städte-
tages.
9. Vorlage der von der Finanzkommission nachgeprüften Rechnungen der
Amts-, Gemeinde- und Armenkasse für 1909 der früheren Landgemeinde
Gütersloh.
10. Vorlage der Übersicht von dem Stande der Stadtkasse für Dezember
1911 und Januar 1912, sowie der Verwaltungsübersicht der Stadtkasse
für das 3. Vierteljahr 1911.
11. Geheime Sitzung.
Zu dieser Sitzung ladet ergebenst ein
Der Stadtverordnetenvorsteher.
August Niemöller.
Gütersloh, den 2. Februar 1912.
Was in der Stadtverordnetensitzung beraten wird, das hat der
Magistrat schon vorher überlegt und ausgearbeitet. Er legt es jetzt den
Stadtverordneten vor, und wenn die Stadtverordnetenversammlung die
Pflasterung der Straße beschließt oder den Ankauf genehmigt, dann darf es
erst ausgeführt werden. Was die Stadtverordnetenversammlung beschließt,
das hat für die Stadt Gültigkeit oder es ist Gesetz in der Stadt.
Die Ausführung der Beschlüsse, die Verkündigung der Gesetze, die
meist Verordnungen genannt werden, und die Sorge für die Befolgung
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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— 122 —
der Gesetze ist Aufgabe des Magistrats. So hat er eine große und vielseitige
Aufgabe. Damit sie erfüllt werden kann, stehen dem Magistrat viele
Männer zur Verfügung, die alle im Dienste der Stadt stehen und auch
städtische Beamte sind. Sie alle arbeiten wie der Magistrat im Rathause.
Damit die ganze Arbeit geregelt wird und gut vom Magistrat und den
Stadtverordneten übersehen werden kann, hat man verschiedene Amter oder
Verwaltungen gemacht. So gibt es ein Meldeamt, ein Standesamt, ein
Stadtbauamt, ein Steueramt, die Polizeiverwaltuug, die Armen- und
Waisenverwaltung, die Stadtkasse, die Stadtsparkasse.
Jedes Amt oder jede Verwaltung hat ganz besondere Arbeiten zu
erledigen. Ziehen Leute von Gütersloh weg oder andre nach Gütersloh
hin, so müssen jene sich auf dem Meldeamt abmelden und diese sich anmelden.
Alle Geburten und Sterbefälle müssen aus dem Meldeamte eingetragen
werden. Wollen Leute heiraten, dann müssen sie zum Standesamt und
ihr Vorhaben dort kundgeben. Das Standesamt veröffentlicht es, indem
die Brautleute auf einem Schein im Kasten des Standesamtes allen Ein-
wohnern bekannt gegeben werden. Nach drei Wochen werden sie dann
auf dem Standesamte von dem Standesbeamten getraut. Dem Stadtbau-
amt unterstehen die städtischen Bauten. Die Oberaufsicht führt der Stadt-
baumeister. Die städtische Wasserleitung, die Straßenbeleuchtung, die Gas-
leitung in die Häuser, die Straßenreinigung, der Stadtpark, die städtischen
Anlagen, Bau und Pflasterung der Straßen, alles dies gehört zum Arbeits-
feld des Stadtbauamts. Die Sorge für die Armen und Waisen übernimmt
die Armen- und Waisenverwaltung. Die Armeupfleger und Waiseuräte
besuchen und unterstützen sie. Die Polizeiverwaltung hat die Aufgabe, für
Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen. Sie erläßt besondere Ver-
Ordnungen, die von den Bürgern beachtet werden müssen, z. B. über das
Reinigen der Straßen, das zu schnelle Fahren der Fuhrwerke auf den
belebten Straßen und iu der Nähe der Schuleu, über das Lärmen in der
Nacht, über das Reinigen der Schornsteine, die Instandhaltung der Feuer-
stellen, das Streuen bei Glatteis. Der Vorsitzende der Polizeiverwaltung
ist der Bürgermeister. Unter ihm stehen der Polizeikommissar, der Polizei-
Wachtmeister und die Polizeisergeanten. Sie haben darauf zu achteu, daß
die Gesetze, die für die Sicherheit, Ruhe und Gesundheit der Bürger erlassen
werden, von allen Einwohnern beachtet werden. Die Übertreter müssen
sie zur Anzeige bringen. Sie erhalten für ihre Übertretung die festgesetzten
Strafen, die man Polizeistrafen nennt. Die Polizeistrafen sind Geldstrafen;
wenn aber der Übertreter die Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, dann
bekommt er eine Freiheitstrafe. Die Polizeibeamten haben eine Uniform,
ebenso haben die städtischen Angestellten des Gaswerks und der Wasser-
leitung und der Ratsdiener eine besondere Kleidung. Die vielen städtischen
Beamten, die im Rathause arbeiten, der Standesbeamte, der Steuer-
einnehmer, die Buchhalter und Schreiber haben keine Uniform.
Die Gesundheitskommission achtet auf die Einrichtungen, die der
Gesundheit der Bürger dienen. Dazu gehören das Brausebad, die Krauken-
pflege, das Kraukenhaus, die Fleischbeschau und die Aufsicht über die
Lebensmittel.
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§ 5. Das Bürgerrecht besteht in dem Rechte zur Teilnahme an den
Wahlen, sowie in der Befähigung zur Übernahme unbesoldeter Ämter in
der Gemeindeverwaltung und zur Gemeindevertretung.
Jeder selbständige Preuße erwirbt dasselbe, wenn er seit einem Jahre
1. Einwohner des Stadtbezirks ist und zur Stadtgemeiude gehört,
2. keine Armenunterstützung aus öffentlichen Mitteln empfaugeu,
3. die ihu betreffenden Gemeindeabgaben gezahlt hat.
Als selbständig wird nach vollendetem vierundzwanzigsten Lebens-
jähre ein jeder betrachtet, der einen eigenen Hausstand hat.
§ 10. In den Städten wird ein Magistrat und eine Stadtver-
ordnetenversammlung gebildet. Der Magistrat ist die Obrigkeit und ver-
waltet die städtischen Gemeindeangelegenheiten.
Zusammensetzung und Wahl der Stadtverordneten-
V e r \ a nt m I u n g.
§ 12. Die Stadtgemeiude besteht
aus 12 Mitgliedern in Stadtgemeinden von weniger als 2509 Einwohnern
18 „ „ „ „ 2500 bis 5000 „
24 „ „ „ „ 5001 „ 10000
30 „ „ „ „ 10001 „ 20000
36 „ „ „ „ 20001 „ 30000
42 „ „ „ „ 30001 „ 50000
48 „ „ „ „ 50001 „ 70000
54 „ „ „ „ 70001 „ 90000
60 „ „ „ „ 99991 „ 129999
In Gemeinden von mehr als 129 999 Einwohnern treten für jede
weiteren 59 999 Einwohner 6 Stadtverordnete hinzu.
§ 13. Zum Zweck der Wahl der Stadtverordneten werden die stimm-
fähigen Bürger nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten
Steuern (Gemeinde-, Kreis-, Bezirks-, Provinzial- und Staatsabgaben) in
drei Abteilungen geteilt.
Die erste Abteilung besteht aus denjenigen, auf welche die höchsten
Beträge bis zum Belaufe eines Drittels des Gesamtbetrages der Steuer
aller stimmfähigen Bürger falleu. Die übrigen stimmfähigen Bürger
bilden die zweite und dritte Abteilung; die zweite reicht bis zum zweiten
Drittel der Gesamtsteuer.
Jede Abteilung wählt ein Drittel der Stadtverordneten, ohne dabei
an die Wähler der Abteilung gebunden zu sein.
§ 18. Die Stadtverordneten werden auf sechs Jahre gewählt. Alle
zwei Jahre scheidet ein Dritteil der Mitglieder aus und wird durch neue
Wahlen ersetzt. Die das erste und zweite Mal ausscheidenden werden für
jede Abteilung durch das Los bestimmt.
§ 25. Jeder Wähler muß dem Wahlvorstaude mündlich und laut
zu Protokoll erklären, wem er seine Stimme geben will. Er hat so viele
Personen zu bezeichnen, als zu wählen sind.
§ 26. Gewählt sind diejenigen, welche bei der ersten Abstimmung
die meisten Stimmen und zugleich absolute Stimmenmehrheit (mehr als
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