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Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Die Geologie in der Schule - S. 52

1918 - Leipzig : Quelle & Meyer
52 Werden und vergehen der heimatlichen Gesteine. leicht noch angenehm ist. Liegt doch die Gefahr, daß hypothetische Sätze dabei eine festere Fassung erhalten, als ihrem Charakter entspricht, hierbei ganz besonders nahe. Und doch muß der Lehrer die Schwierigkeiten einer- seits und die Scheu vor der zuletzt erwähnten Gefahr andrerseits überwinden im Interesse seiner Schüler, im Interesse eines erfolgreichen Unterrichts. Mag das Zusammenstellen solcher Gesamtbilder von wissenschaftlicher Seite als „Dramatisieren" bespöttelt werden: Wir Lehrer wissen, warum wir es fordern, und lassen uns durch irgendwelchen billigen Spott nicht irremachen! Damit ist nun ein sehr wichtiger Punkt berührt worden, und wir können dieses Kapitel nicht schließen, ohne ihn erörtert zu haben. Die Geologie ist ein Gebiet, das reich ist an hypothetischen Erklärungen. Und daher kommt es, daß wohl kein zweites Gebiet der Naturwissenschaften unter einem so starken Wandel der Ansichten zu leiden hat als eben die Geologie. Eine Erklärung, die heute als sicher gilt, kann morgen in Zweifel gezogen und übers Jahr vielleicht als vollkommener Irrtum verworfen werden. Das ist ja auch leicht begreiflich. Man braucht nur daran zu denken, wie ungeheuer groß die ganze Masse der Erdrinde ist und wie ver- schwindend klein im Verhältnis dazu die Teile sind, die man davon bisher untersucht hat, ja noch mehr, die heute überhaupt der Untersuchung zugäng- lich sind. Jeder neue Aufschluß kann Überraschungen bringen. Und jede neue Tatsache, die festgestellt wird, kann zu einer Nachprüfung und Berichti- gung der seither gültigen Erklärungsweise zwingen. Wir können also tat- sächlich gar nicht sicher wissen, ob nicht ein großer Teil von dem, was heute als gesichertes Ergebnis der geologischen Wissenschaft gilt, sich einmal als Irrtum enthüllen, wird. Ob das wahrscheinlich ist, das ist eine Frage, die außerhalb des Rahmens dieser Erörterung bleiben soll. Wir wollen jedem Zweifler gestatten, die Unsicherheit der geologischen Hypothesen sich in den düstersten Farben auszumalen und ihm zugeben, solche Wandlungen, wie sie hier angedeutet worden sind, seien durchaus möglich! Was folgt daraus? Sollen und dürfen wir Geologie lehren auf die Gefahr hin, unfern Jungen Irrtümer beizubringen? Der Einwand, den diese Frage einschließt, ist gegen die sog. biologische Behand- lungsweise der pflanzen und Tiere tatsächlich erhoben worden. Aann er nicht gegen die Behandlung geologischer Fragen mit noch viel größerem Rechte geltend gemacht werden? Jedenfalls ist er zu wichtig, als daß wir ihn an dieser Stelle mit Stillschweigen übergehen dürften. Seien wir nicht allzu ängstlich! Die Irrtümer, die in den Wissenschaften auftauchen, sind ausgedacht von Männern, die von dem betreffenden Wissens- gebiete sehr viel mehr verstehen, als je ein Liebhaber auf diesem Gebiete zu wissen nötig hat. „Die Fehler der Wissenschaften sind ursprünglich Fehler der Menschen, nur der vorzüglicheren Aöpfe!" Es sei mir gestattet, hierfür ein interessantes kleines Beispiel anzuführen. In einer handschriftlichen Abhandlung des Berghauptmanns Werner von

2. Die Geologie in der Schule - S. 76

1918 - Leipzig : Quelle & Meyer
76 Wie arbeitet sich der Lehrer in die Geologie ein? Linie entlang der Aompaß genau wagerecht angelegt und die Richtung ab- gelesen. Beim Notieren der Richtung ist die Deklination der Magnetnadel zu beachten. Da bei uns die Magnetnadel um etwa \0° von der Nord- südrichtung nach Ivesten abweicht, so muß bei der Feststellung der Streich- richtung immer die wahre Nordsüdrichtung, nicht die Richtung der Nadel, beachtet werden. Unser kleiner Aompaß hat keine Gradeinteilung; wir begnügen uns also mit Notizen wie „Streichen Nnw—sso" oder „O—w" usw. Genau rechtwinklig zur Streichlinie wird dann der Neigungsmesser auf die Schicht aufgesetzt und der Neigungswinkel abgelesen und notiert, z. B. „Einfallen Sw 230//. Schichten übereinanderliegen, wie mächtig jede Schicht ist, woraus sie ^Abb. 26. Falte: a) Sattel, b) Mulde. besteht, ob sie Versteinerungen enthält, j Marke für das streichen und Einfallen. ^ alle Schichten dieselbe Richtung Zvinke darüber, worauf man seine Aufmerksamkeit bei diesen Beobachtungen zu lenken hat, sind aus Abschnitt 3 (S. —26) zu entnehmen. Über alle diese Erscheinungen macht man sich eingehende Notizen. Das Notieren der Beobachtungen ist eine ganz unerläßliche Forderung. Es wird auf diesem Gebiete viel durch Unterlassung gesündigt. Wer viel geologische Ausflüge macht, der merkt sehr bald, daß er ohne Niederschriften nicht aus- kommt, und er notiert schon aus Furcht, daß seinem Gedächtnis wichtige Punkte entschwinden könnten. Man denke nicht, daß man irgendeine ver- gessene Beobachtung ja späterhin nachholen könne. Niemand kann wissen, welche Veränderungen die Atmosphärilien oder die Tätigkeit der Menschen schon in allernächster Zeit an dem Aufschlüsse hervorbringen können. „Man sollte bei jeder Exkursion die Aufschlüsse so behandeln, als sei man über- zeugt, daß man sie nicht wieder zu sehen bekommt", so sagte mir einmal mein Lehrer der Geologie. Und ich möchte dieses lvort als die goldene Regel für geologische Ausflüge bezeichnen. Es wird alles notiert, was an dem Aufschlüsse zu sehen ist: Schichten- folge, Mächtigfeit, Streichen und Einfallen, Beschaffenheit, Zusammensetzung der einzelnen Schichten, Verwitterungserscheinungen usw. usw. Man notiere lieber einmal Überflüssiges, als daß man etwas Wichtiges fortläßt. Man An den Aufschlüssen (Steinbrü- chen, Sandgruben, tüasserrissen usw.) wird außer dem Streichen und Ein- fallen der Gesteinsschichten nun möglichst alles beobachtet, was sonst noch zu beobachten ist: ob die entblößte N?and durchweg aus einem Gestein besteht oder ob mehrere haben usw.

3. Die Geologie in der Schule - S. 41

1918 - Leipzig : Quelle & Meyer
werden und vergehen der heimatlichen Gesteine. 41 darf, daß anhaltender, starker Landregen ja auch erhöhte Leistungen des Baches hervorruft, die denen an eigemlichen Hochwassertagen nahekommen — so ergeben sich als Jahresleistung des Baches 20. 5^ t = \0368 t oder 20.207,H cbm = *U^8 cbm. Das entspricht der Ladung von J037 kleinen oder 5j8 großen offenen Güterwagen, also von \0 —U der längsten Güterzüge. Das ist gewiß eine Leistung, die nicht unterschätzt werden darf. Wenn nun aber der Bach jahraus, jahrein solche Erdmengen fortführt, muß dann nicht schließlich das Tal immer weiter und tiefer werden? — Das ist tatsächlich der Fall. Allerdings sind ^8 cbm Erde immerhin noch keine allzugroße Masse. Und die Fläche, auf der die Erde durch das Wasser abgebaut wird, ist so groß, daß man den Verlust nicht ohne weiteres bemerkt. Aber daß ein solcher vorhanden ist und daß er schließlich bemerk- bar werden muß, ist ganz zweifellos, Ja/ es ist auch ohne weiteres klar, daß der Bach sein Bett auf diese Weise gewühlt hat, indem er die Erd- massen, die vorher dort lagerten, fortgeschlämmt hat. Und mehr noch! Die Gelehrten behaupten, daß fast alle Täler durch die Arbeit des Wassers entstanden sind. Wer das zum ersten Male hört, dem klingt es kaum glaublich. Wir haben hier einmal Gelegenheit, die Wahr- scheinlichkeit dieser Behauptung zu untersuchen, indem wir die Frage auf- werfen: "Könnte unser Bächlein wohl das Tal hinter dem Dorfe allein ausgenagt haben? Das Tälchen ist 2 km lang, an seiner Sohle 2^0 m, oben \200 m breit und durchschnittlich 25 m tief. Sein Hohlraum hat also einen Kubikinhalt von 36000000 cbm. So viel Erdmassen müßte also der Bach schon fort- geführt haben. ^)n welcher Zeit wäre das möglich? Wir hatten oben die Jahresleistung des Baches aus ^^8 cbm berechnet, wobei wir allerdings nur die Hochwasserleistungen berücksichtigt hatten. Nehmen wir an, daß diese Leistung seit Jahrtausenden gleich geblieben wäre, so er- gibt sich, daß der Bach das Tälchen in 3 bis 9 Jahrtausenden ganz allein in den zuvor ebenen Boden eingewühlt haben kann. Aber diese Zeit wird wesentlich verkürzt, wenn wir folgendes in Rück- ficht ziehen: {. Das Wasser leistet, wenn es ganz normal fließt, ständig eine ge- ringfügige Transportarbeit. Man braucht nur einmal den Bach zu betrachten, wenn er ganz ruhig dahinfließt. Durch das klare Wasser kann man den sandigen Grund beobachten. Und da bemerkt man, wie alle Augenblicke das eine oder das andere Sandkörnchen von der Stelle rückt, oft nur einige Millimeter weit. Dieses Spiel geht unablässig fort, Tag und Nacht. Und wenn auch die Einzelwirkungen ganz geringfügig sind, so werden sie doch durch die Zeit zu einer beträchtlichen Gesamtleistung ver- vielfacht. Denken wir bloß einmal, daß in dem Abschnitte des Baches, der

4. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 53

1912 - Straßburg : Bull
53 endlich verdankt deutscher Tätigkeit und dem deutschen Wirtschaftsleben mehr als dieses uns. Was können wir dem allem als Gabe gegenüberstellen? Zum Glück fehlt es uns daran nicht. Lothringen ist es, das unsere zum Geben geöffneten Hände füllt. Und es ist gut, daß es nun auch einmal einzig und allein Loth- ringen heißt. Wer von der Schönheit, der Fruchtbarkeit des Reichs- landes spricht, denkt in allererster Linie ans Elsaß. Der Wein, das köstlichste Erzeugnis unseres Bodens, ist größtenteils das Kind seiner Sonne. Wer Lothringen nennt, hat immer ein gewisses Bedauern im Ton. Jeder weiß, wie schwer der Lothringer auf seinem weniger ergiebigen Boden schaffen und ringen muß und trotzdem den Ertrag nicht erzielt, wie er dem Elsässer soviel leichter zufließt. Darum ist es gut, daß das von der Natur weniger begünstigte Lothringen Schätze sein eigen nennt, um die uns manches andere deutsche Land beneidet. Tief ins Erdinnere hat die Natur diese Schätze gebettet, die Erzgänge des Lothringer Landes. Von dem, was wir dem Reiche zu geben haben, erzählt daher F. Der elsaß-lothringische Bergbau. Wenn wir den Wert der lothringischen Erze recht verstehen wollen, müssen wir sehen, welche Entwickelung die Eisenindustrie aller Länder genommen hat. Man könnte unsere Zeit mit Recht die Zeit des Eisens nennen. Nicht nur, daß der weitaus größte Teil der Waren, die alljährlich über die deutschen Grenzen hinüber nach dem Ausland gehen, aus den verschiedenen Zweigen der Eisenindustrie stammen. Was wären alle anderen Industrien ohne das Eisen, ohne Maschinen und Geräte, zu deren Herstellung man überall und immer wieder des Eisens bedarf! In welch mannigfacher Weise dient nicht jedem einzelnen Menschen das Eisen! Eisen regiert die Welt. So wichtig, wie es ist, so wenig gleichmäßig ist es über die Erde verteilt. Nur wenige Länder hat die Natur mit dem ausgestattet, was doch alle so nötig brauchen. Welches Land daher unter die Glücklichen, unter die eisenreichen Länder, zählt, das muß, wenn sein Volk nur fleißig und rührig genug ist, der Kaufmann der Welt werden. Landwirtschaftliche Erzeugnisse, Getreide oder Vieh kann man zur Not auf den meisten Böden ziehen. Das Eisen allein ist eine Gabe des Glücks. Unser deutsches Vaterland gehört zu den wenigen Glücklichen. Es hat auch alle Aussicht, dieses Glück noch recht lange zu genießen. Den

5. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 71

1912 - Straßburg : Bull
71 Die Zeit Napoleons I. hat die Textilindustrie noch fester an Frank- reich anrücken lassen. Napoleons Eroberungen eröffneten ihr neue Absatz- märkte. Die Kontinentalsperre schloß den gefürchteten Gegner, die englische Textilindustrie, aus. Die Fabriken von Elsaß und von Lothringen blühten. Als das Jahr 1870 die Wiedervereinigung mit Deutschland brachte, war unsere Textilindustrie derart erstarkt, daß sie wohl sorgenlos in die Zukunft blicken durfte. Ja, sie durfte sich gewissermaßen als Er- oberer fühlen. Der Jubelruf: „Elsaß-Lothringen wieder deutsch!" fand in allen deutschen Landen freudigen Widerhall. Wenn es jemanden gab, der nicht ganz so hell mit einstimmte, so waren es die deutschen Baumwoll- und Wollspinner und -drucker und die Tuchfabrikanten. Die sahen mit heim- lichem Bangen den neuen Tagen entgegen; denn sie wußten, daß ihnen in der elsässischen Textilindustrie ein gefährlicher Feind erstanden sei. Ein paar Zahlen werden darüber aufklären, ob diese Befürchtungen begründet waren. Im Kampf der Industrien sind die Maschinen die Waffen. Wie man im Völkerkriege die Kämpfer und Kanonen zählt, um die Stärke der Gegner richtig einzuschätzen, so muß man in der Textilindustrie z. B. die Zahl der verschiedenen Vorrichtungen und Maschinen zum Spinnen und Weben feststellen, um die Stärke des Elsaß mit der des übrigen Deutschland vergleichen zu können. Da sind Zunächst die Spindeln, auf die man den gesponnenen Faden aufwickelt, damit er sich nicht verwirrt, dann die Webstühle, die aus dem gesponnenen Faden die Gewebe Herstellen, und endlich die Druckmaschinen, die dem Stoff farbige Muster aufdrucken. Nun, in der Zahl dieser Waffen stand das Elsaß 1870 dem gesamten übrigen Deutschland beinahe gleich. Im Jahre 1868 zählte man im Spindeln Webstühle Druckmaschinen Elsaß 2131000 48 536 100 übrigen Deutschland 3 000 000 37 000 100 Genaue, sichere Angaben sind zwar nicht vorhanden. Nach einer anderen Aufstellung zählte das Elsaß 1871 allein: 1435 000 Baumwollspindeln, während für das übrige Deutschland 3 Millionen angegeben werden. Jeden- falls war die Sorge der deutschen Textilindustrie nicht unberechtigt, daß das wiedergewonnene Land seine Erzeugnisse in Massen auf den deutschen Markt werfen und den altdeutschen den Platz streitig machen würde. Die elsässische Textilindustrie hinwiederum dachte mit Schrecken daran, daß sie bisher in Frankreich ihre besten Kunden gehabt. Die mußte sie jetzt

6. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 107

1912 - Straßburg : Bull
107 unzweideutig und völlig frei sagen zu können, wie sie ihr Land regiert haben möchten. An uns selber liegt es, daß der Wille und die Meinung des Volkes nun auch wirklich zum Ausdruck kommt. Deshalb ist die Wahl eine ernste, verantwortungsvolle Pflicht. Nur kurz ist der Augenblick, da der Wähler vor der Urne seinen Wahlzettel abgibt. Nur in diesem einen Augenblick hat er Einfluß auf die Regierung des Landes. Nur da kann er seinen Willen einmal, alle fünf Jahre für ein paar kurze Sekunden, zur Geltung bringen. Sind erst die 60 Abgeord- neten gewählt, dann bilden sie „das Volk von Elsaß-Lothringen". Die Wähler haben wenig oder nichts mehr zu sagen. Jener flüchtige Augenblick will darum wohl bedacht sein. Der Wähler muß sich vorher darüber klar geworden sein, was er in der Wahlstunde will. Er hat Zeit genug, in ernstem Nachdenken zu überlegen, was er als das Beste für sein Volk und sein Land ansehen muß. Niemand sage, er liebe sein Heimatland, der in jenem Augenblicke an etwas anders denkt als an das Wohl dieser Heimat. Der Mann, den man wühlt, muß für das Wohl des ganzen Volkes mit- beraten und mitabstimmen. Denn obwohl er nur von einem Teile des Landes, von einem Wahlkreise gewählt ist, gilt das, was er mitbeschließen hilft, doch für das ganze Volk. Darum überlege jeder, ob der Mann, dessen Namen der Stimmzettel trägt, auch wirklich das Wohl des ganzen Landes kennt und will. Wer in der Zweiten Kammer sitzt, ist gewissermaßen Beamter des elsaß-lothringischen Volkes, dazu angestellt, die Rechte dieses Volkes zu wahren. Da wäre es doch mehr als töricht, einen Mann zu dieser Stellung kommen zu lassen, von dem man nicht voll überzeugt ist, daß er die nötigen Fähigkeiten für sein Amt besitzt. Bevor wir nun den Landtag an der Arbeit sehen, müssen wir erst noch den zweiten Teil desselben kennen lernen. Die Erste Kammer. Man fragt sich vielleicht: Wozu denn noch eine Erste Kammer? Die Zweite ist doch schon die Vertretung des elsaß- lothringischen Volkes. Selbständige Männer haben ihre Mitglieder gewählt. — Man braucht nicht allzulange zu suchen, um zu finden, daß trotzdem noch eine Erste Kammer notwendig ist. Der einzelne Wähler soll aus seinem Wahlkreise oder aus einem andern, denn der Abgeordnete braucht nicht im Wahlkreise zu wohnen, den Mann heraussuchen, der am würdigsten und am geeignetsten wäre, das Volk von Elsaß-Lothringen in der Zweiten Kammer zu vertreten. Wie kann er denn das! Der einfache Mann kennt oft nur ganz wenig Menschen außer den Bewohnern seines Dorfes. Hier findet er aber selten den passenden Mann. Er hat auch viel zu viel mit seinem Berufe zu tun, als daß er

7. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 108

1912 - Straßburg : Bull
108 herumreisen und Ausschau halten könnte. Es muß also irgend jemand anders für ihn den geeigneten Mann suchen. Das besorgen in der Regel die Par- teien. Seiner Partei muß also jeder Wähler schon glauben, daß der Mann, den sie als „Kandidaten" aufstellt, auch würdig sei. Und doch. Auch den Parteien dürfte es schwer fallen, immer die klügsten und tüchtigsten Männer herauszufinden; ganz einfach darum, weil diese Männer sich nicht immer finden lassen wollen. Wer heute in die Zweite Kammer gewählt werden soll, muß tatsächlich eine große Last auf sich nehmen. Wochenlang vor der Wahl schon finden Versammlungen statt. Hier hat der Bewerber um einen Sitz in der Zweiten Kammer zu reden, hier muß er andern Parteien entgegentreten. Das alles bringt Mühe, Arbeit, Zeitverlust, Geldopfer, Aufregung, Verdruß, wohl gar Feindschaft mit sich. Manch einer scheut dies, trotzdem er klug ist und als Volksvertreter in der Kammer viel Gutes wirken könnte; er hält sich lieber in der Stille und überläßt den Kammersitz andern. Es ist klar, daß auf diese Weise der Arbeit im Landtage mancher wirklich taugliche und nützliche Mann vor- enthalten wird. Ferner: Da die Parteien den Kandidaten aufstellen, sieht natürlich jede Partei darauf, daß der Kandidat auch die Meinung der Partei habe. Sie achtet weniger auf Stand und Beruf; obschon sie selbstredend auch diese Dinge nicht unberücksichtigt läßt. Für das Wohl des elsaß- lothringischen Volkes aber ist es von höchster Wichtigkeit, daß in der Ver- sammlung, die in Straßburg mitregiert, möglichst alle Berufe vertreten sind, damit jeder Beruf gewissermaßen seinen Fürsprecher, seinen Anwalt im Landtage habe, der die Wünsche seiner Berufsgenossen vorbringen, der vor allem auch sagen kann, ob ein neues Gesetz diesem Berufe förderlich ist oder nicht. Es kann aber sehr leicht vorkommen, daß in der Zweiten Kammer kein Landwirt, oder kein Fabrikbesitzer, oder kein Handwerker, oder kein Vertreter irgend eines andern wichtigen Berufes sitzt. Diesen und andern Mängeln, die eine Zweite Kammer möglicher- weise haben kann, soll die Erste Kammer vorbeugen. In ihr haben nach dem Gesetz vom 31. Mai 191.1 Sitz und Stimme: die obersten Vertreter der verschiedenen Bekenntnisse, die Bischöfe von Straßburg und Metz und die Präsidenten der beiden evangelischen Bekenntnisse (Augsburger Konfession und Reformierte), dazu der Präsident des obersten elsaß-lothringischen Gerichts, des Oberlandesgerichts in Colmar. Je einen Vertreter dürfen wählen: die Professoren der Universität Straßburg, die israelitischen Konsistorien, die Gemeinderäte von Straßburg, Metz, Colmar, Mülhausen, die Handels- kammern von Straßburg, Metz, Colmar, Mülhausen. Je zwei Ver-

8. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 112

1912 - Straßburg : Bull
112 Recht, offen zu sprechen, („Immunität") nicht mißbraucht, daß er, der vor dem Richter sicher ist, nicht jemanden beleidigt, der ihn nur durch den Richter zur Rechenschaft ziehen kann. Wem das Vertrauen des Volkes das höchste Amt überträgt, das dieses Volk zu vergeben hat, der muß vor allen andern durch ehrenhafte Gesinnung und Handlungsweise sich auszeichnen, der darf im Schutze der Immunität nicht jemand beleidigen, der sich nicht verteidigen kann. Endlich muß ihn ein hohes Pflichtgefühl davon abhalten, daß er anklagt, wo niemand gefehlt hat, daß er tadelt, nur um zu tadeln. „Kontrolle der Verwaltung" ist also eine Hauptaufgabe des Landtags. Sie geht aber noch weiter, als wir dies bis jetzt nachgewiesen haben. Jene allgemeine Kontrolle kann einmal in einem Jahre ausfallen, weil kein Ab- geordneter etwas zu klagen hat. Alljährlich nötig ist aber die Kontrolle über die Verwendung der Staatsgelder, über den Staatshaushalt. Wie jeder verständige Hausvater entwirft die Landesregierung jährlich einen Plan über die Ausgaben und Einnahmen des nächsten Jahres. Der einfache Mann ist mit dem seinen bald fertig. Der Haushaltsplan des Staates aber besteht aus einer langen, langen Reihe von Namen und Zahlen. Da finden sich unter den Einnahmen zunächst die Gewinne aus dem Holzverkauf unserer Staatswaldungen. Dann kommt die große Liste der verschiedenen Steuern und sonstigen Einnahmen. Bei jeder Steuer ist angegeben, wieviel sie im nächsten Jahr einbringen soll. Man weiß das natürlich nicht auf den Pfennig genau voraus. Aber nach den vorhergehenden Jahren kann man ungefähr berechnen, wieviel Holz unsere Staatswaldungen verkaufen, wieviel Geld die einzelnen Steuern werden einbringen können. Ebenso sorgfältig und genau wird die Liste der Ausgaben ausgeführt. Da steht also, wieviel Geld für die Schulen unseres Landes, wieviel für die Gehälter der Beamten, wieviel für Landwirtschaft, für den Straßenbau, für die Kirchen des Landes und vieles andere ausgegeben werden soll. Dieser ganze Plan, der Etat oder das Budget, wie man ihn mit zwei Fremdwörtern wohl noch nennt, wird vom Ministerium entworfen. Dem Statthalter fällt die Aufgabe zu, diese Aufstellung zuerst ganz genau zu prüfen. Da hat er oft mit dem Staatssekretär und dem Ministerium lange daran zu arbeiten. Ist die Prüfung beendet, so geht die Aufstellung an den Landesherrn, den Kaiser. Dieser muß damit einverstanden sein. Dann legt sie der Statt- halter im Namen des Kaisers der Zweiten Kammer vor. Die berät oft wochenlang darüber, sie hat hier etwas auszusetzen und dort etwas zu ändern. Bald will sie einen Posten gestrichen, bald einen neuen eingesetzt haben. Wenn endlich die ganze Aufftellung durchberaten ist, geht sie an die Erste Kammer. Diese prüft nun die Aufstellung, wie sie von der Zweiten

9. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 90

1912 - Straßburg : Bull
90 will wohlverstanden sein. Nicht einer der Staaten regiert, auch nicht etwa der größte, mächtigste: Preußen, es regieren alle zusammen. Diese Einrichtung ist echt deutsch, weil sie unter allen Umständen gerecht sein, niemand verletzen will; gerecht gegen die vielen Staaten, die 1871 das Reich gegründet haben. Wir brauchen nur nochmals zurück- zuschallen und uns zu erinnern, daß die deutschen Fürsten und Staaten einen Hauptteil ihrer Rechte 1871 aufgegeben haben. Sollte man sie aber mit einem Schlage aller Macht, die sie drei Menschenalter hindurch besessen, berauben und alle Macht einem übertragen? Das widerstrebte jenem Riesen, der ebenso deutsch als groß war, das hätte nur den Anfang zu Neid, Eifersucht und Unzufriedenheit gegeben. Um es allen recht zu machen, schuf Bismarck den Bund es rat. Jeder deutsche Fürst und jede der drei freien Städte erhielt das Recht, Abgesandte nach Berlin zu schicken. Denen sagt ihr Auftraggeber, wie nach seiner Meinung das Reich regiert sein müsse, was zu tun wäre, damit es blühe und gedeihe, damit das Wohl aller Deutschen gefördert werde. In Berlin beraten diese Abgesandten gemeinsam. Dabei reden sie so, als ob sie selber die Fürsten ihres Landes wären. Sie haben dazu Vollmacht erhalten, heißen darum auch die „Bundesratsbevollmächtigten". Es ist ihnen ganz genau gesagt worden, was derjenige will, der sie gesandt hat. Sie arbeiten gemeinsam die Befehle, die „Verordnungen" aus, die fürs ganze Reich gelten follen. Sie handeln also wie der wirkliche Regent des Reiches. Nicht einer allein kann befehlen, nur alle zusammen dürfen es. Bismarck nahm demnach jedem Einzelstaate seine Herrschermacht, um sie allen zusammen wiederzugeben, um sie ihnen als etwas Gemeinsames wiederzugeben. Keiner aus ihrer Mitte konnte und sollte Alleinherrscher sein, keiner sollte verletzt werden, darum wurden sie alle gemeinsam Re- genten des Reiches. Natürlich kann die Stimme des Fürsten von Reuß im Bundesrate nicht dasselbe Gewicht haben wie die des Königs von Bayern oder von Preußen. Je nach der Größe und Macht des Staates darf der Fürst mehr oder weniger Abgesandte schicken. (Preußen sendet 17, Bayern 6, Sachsen und Württemberg je 4, Baden und Hessen je 3, Mecklenburg- Schwerin und Braunschweig je 2, alle andern je 1. Es müssen allerdings nicht so viele Abgesandte sein, als jeder Staat Stimmen hat.) In dieser Versammlung nun besitzt seit dem 31. Mai 1911 der elsaß-lothringische Staat drei Stimmen. Er hilft also mit bei der Regierung des Reichs. Den deutschen Fürsten und freien Städten ist das Recht der Mitregierung eine Entschädigung für alles das, was sie 1871

10. Unser Heimatland Elsaß-Lothringen - S. 92

1912 - Straßburg : Bull
92 vorbringen, sollen dafür sorgen, daß diese, wenn irgend möglich, erfüllt werden. An Wünschen und Forderungen fehlt es aber bei uns nicht. Hier nur einige Andeutungen. Unsere Landwirtschaft ist zwar dankbar für die Getreide- und Viehzölle, möchte aber die Futtermittel (Gerste, Mais, Malz usw.) möglichst billig vom Ausland beziehen können. Unsere Weinbauern freuen sich wohl des Reichsweingesetzes, möchten es aber noch verbessert haben. Die lothringische Eisenindustrie ruft nach der Kanalisierung von Mosel und Saar. All diese und noch manche andere Wünsche des Landes können jetzt im Bundesrate nicht bloß vorgebracht werden. Das war auch schon vor dem 31. Mai 1911 möglich. Jetzt kann Elsaß-Lothringen aber mit abstimmen. Seine drei Stimmen allein bringen zwar die Entscheidung noch nicht. 61 „Stimmen" zählt der Bundesrat. Es müßten also mindestens 31 die Wünsche unseres Landes zu den ihren machen, wenn dieselben Ver- wirklichung erfahren sollen. Aber vielleicht können die 3 elsaß-lothringischen Stimmen mit dazu beitragen, daß die notwendige „Mehrheit" zustande kommt. (Die Erörterung über die Fälle, wann die elsaß-lothringischen Stimmen gezählt werden, scheidet hier aus; kommt in den 2. Jahrgang.) Es ist dafür gesorgt, daß die elsaß-lothringischen Wünsche und For- derungen auch richtig und sachgemäß geltend gemacht werden. Unsere drei Bundesratsbevollmächtigten gehören zugleich zu den höchsten Staatsbeamten unseres Landes. Wen das Vertrauen des Kaisers an so hohe Posten stellt, der wird wohl ihrer auch würdig sein. Wer aber sollte besser wissen, was dem Lande gut ist, als die drei Männer, zu denen die Wünsche des ganzen Volkes dringen, die gewohnt sind, aus den vielen, vielen Wünschen, die laut werden, das herauszufinden, was dem ganzen Lande frommt? Mag Elsaß-Lothringen auch in gewissen Punkten den andern deutschen Staaten noch nicht gleichgestellt sein, so darf doch auch nicht verkannt werden, daß es in den wichtigsten Stücken so handeln kann, als ob es ihnen bereits gleichgestellt wäre. Erst nach 40 Jahren deutscher Zeit hat der Bundesrat den Abge- sandten unseres Staates seine Pforten geöffnet. Viel früher tat sich den Abgeordneten des elsaß-lothringischen Volkes das andere große Haus auf, in dem an der Schaffung von Reichsgesetzen mitgearbeitet wird, der Reichstag. Schon seit dem 1. Januar 1874 schickt Elsaß-Lothringen wie jedes andere deutsche Land seine Vertreter in den Reichstag. Drei Männer können im Bundesrate den elsaß-lothringischen Staat vertreten, fünfzehn vertreten im Reichstag das elsaß-lothringische Volk. Zwei Wege sind uns demnach geöffnet, um im Reiche zur Geltung
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