26 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
ausgezeichnet war als die Stadt. Der Boden ist thonig und schwer;
vor Ueberschwemmungen war er durch Dämme und unzählige große
und kleine Kanäle gesichert, welche zugleich dazu dienten, die dem Fluße
ferner liegenden Ländereien zu bewässern, was unter einem warmen
Himmelsstriche die Fruchlbarkeit des Bodens unglaublich steigert. Baby-
loniens Weizenärnten waren nach dem Zeugnisse der Alten die ergibigsten,
denn das Korn trug bis hunderizwanzigfach. Die Bewohner pflanzten
auch Fruchtbäume, besonders die Dattelpalme in solcher Menge, daß
das Gebälke ihrer Häuser aus dem Stamm dieses Baumes gemacht
wurde, wenn derselbe seine Zeit Früchte getragen hatte. Noch Kaiser
Julian (im 4. Jahrhundert nach Christus) fand auf seinem Feldzuge,
der ihn bis gegen Babylon führte, ganze Palmenwälder, die er verwüstete,
ungefähr wie die Franzosen die Feigenbäume der Kabylen niederbrennen
und dadurch die Barbaren von ihrer europäischen Bildung überzeugen.
In der Nähe von Babylon lagen Dörfer von ungemeiner Größe, die
den Herodot staunen machten, und die europäischen Reisenden können
heute nicht einmal mehr bestimmen, wo die Stadt anfing und aufhörte,
weil sich ein Schutthaufen an den andern reiht. So wurde sie durch
das wohlangebaute Land mit Lebensmitteln versorgt, die Landleute
sahen ihren Fleiß durch den Absatz ihrer Früchte in die große, reiche
Stadt belohnt und wurden zum sorgfältigsten Anbau gespornt. Heut zu
Tage ist die ganze weite Fläche eine große Einöde ohne Anbau, ohne
Baum und Strauch. Selbst der Boden scheint verändert, denn eine
Menge Salzefflorescenzen bedeckt ihn, wodurch er des Anbaues unfähig
geworden ist.
Die Anlage von solchen Bauten, Kanälen u. s. w. beweist hinläng-
lich, daß die Babylonier zu messen und zu rechnen verstanden, der große
Handelsverkehr setzt ebenso nothwendig eine genaue Eintheilung von
Maß und Gewicht voraus; die Alten schreiben ihnen auch wirklich die
Ausbildung der Arithmetik, Geometrie und der Maßverhältnisse zu.
Dies Verdienst nahmen ihre Priester (von den spatern Griechen und
Römern Chaldäer genannt) für sich in Anspruch; sie beobachteten
auch die Gestirne und sollen die Länge des Jahres, den Mondcyclus
und Anderes aus der Astronomie gekannt haben. Sie waren zugleich
die Annalisten, das heißt, sie führten die Jahrbücher des Reiches und
zwar nicht etwa auf Papierrollen, sondern in der Nagelschrift, mit
welcher Backsteine und Thoncylinder beschrieben wurden, denen sie durch
Feuer und Glasur eine nur durch Gewalt zerstörbare Festigkeit gaben.
Diese Priester (oder Chaldäer) waren ein eigener Stamm, welcher seine
Würde und Wissenschaft vererbte, aber keinen guten Nachruhm hinter-
lassen hat. Der Götterdienst nämlich bestand zu Babylon vielfach in
Unzucht; Menschenopfer waren ihm wohl auch nicht fremd, wie denn
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60 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
Joas und Ieroboam Ii. (838 — 781) kehrte Israel auf einige Zeit zu
seinem Gotte zurück und fand die alte Kraft wieder, die ihm den Sieg
über seine Unterdrücker gab. Das Unwesen nahm unter einer neuen
Dynastie (771) abermals überhand und nun brach das Verhängniß unauf-
haltsam über Israel herein. Ein Krieg gegen Juda und Syrien führte
den Assyrer Phul herbei, der Israel zinsbar machte; sein Nachfolger
Tiglat Pilesar eilte, abermals auf Judas Hilferuf, herbei, nahm Ga-
liläa und alles Land jenserts des Jordans weg und machte den König
tributpflichtig, einen großen Theil des Volkes aber führte er nach Assyrien.
Israels letzter König, Hosea, warb heimlich um den Beistand Aegyptens;
dafür traf ihn die Rache des Assyrers Salmanassar. Nach dreijähriger
Belagerung fiel Samaria, der König wurde in Ketten nach Mesopota-
mien abgeführt und fast alles Volk mit ihm (722). Israel verschwand
unter den Völkern des inneren Asiens; in seiner verödeten Heimath
aber siedelte der Sultan die Chutäer aus dem Gebiete von Sivon an,
aus welchem das Mischvolk der Samariter erwuchs.
Reich Juda (975-588).
Es überlebte unter 20 Königen das abtrünnige Israel um 134
Jahre. Seine Könige waren ans dem Stamme Davids, die meistens
in ruhiger Erbfolge einander ablösten und als Davids Nachkommen bei
dem Volke Gehorsam fanden. Dieses hatte das Nationalheiligthum, den
Tempel zu Jerusalem, um welches es sich zur Feftfeier versammelte;
unter ihm wohnten die Leviten, die Wächter des Gesetzes (doch gab es
auch unter diesen Untreue!) und trat eine Reihe gottbegeisterter Pro-
pheten auf, daher konnte Juda nie so tief fallen wie Israel, und darum
wurde es mit der Strafe der Vernichtung verschont. Denn treu blieb
auch Juda nicht, welchem Salomo so böses Beispiel gegeben hatte. Unter
Roboam mußte es bereits die Zuchtruthe empfinden; der Aegypier Sisak
(israelitischer Bundesgenosse) eroberte und plünderte Jerusalem mit den
salomonischen Schätzen. Das Reich erholte sich wieder unter Abia und
dem frommen Afa (964 — 920), der die Aegypter blutig heimschickte,
und blühte unter Josaphat (920 — 895) neu auf. Aber seine Söhne
und Nachfolger, Joram (895—887) und Ahas (887—886), wurden
Götzendiener, verführten das Volk, verbanden sich mit Ahab, dem Manne
der Jesabel, und verschwägerten sich mit ihm. Die Edomiter fielen ab,
die unversöhnlichen Philister verschworen sich mit arabischen Horden und
verwüsteten Jerusalem und das ganze Land. Eben so unglücklich war
der Krieg, den Ahas mit Joram, Ahabs Nachfolger, gegen Syrien führte,
und mit diesem von Jehu ermordet wurde. Dies benutzte die Königs-
wittwe Athaljah, Ahabs und Jesabels Tochter, ermordete alle davidischen
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Extrahierte Ortsnamen: Israel Israel Juda Syrien Israel Assyrien Israels Hosea Samaria Mesopota- Asiens Juda Israel Davids Jerusalem Juda Israel Juda Jerusalem Jerusalem Ahabs Syrien Ahabs
66
Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
der dritte der großen asiatischen Herrscher sein, welche dem Kyrus unter-
lagen. Letzterer besiegte das babylonische Heer in einer Feldschlacht und
legte sich vor die große Stadt. Die Einwohner verließen sich auf ihre
Mauern, Thürme und ehernen Thore, und spotteten der Perser; denn
sie meinten, dieselben würden in der verheerten Umgegend bald keine
Lebensmittel mehr auftreiben und abziehen, nachdem sie die Mauern satt-
sam mit den Augen gemessen hätten. Allein Kyrus wußte Rath; er grub,
um den Euphrat abzuleiten, einen Kanal, ohne daß es die Babylonier
merkten. Als diese eines ihres üppigen Feste feierten und nachts
berauscht durch die Gassen schwärmten, ließ Kyrus den Kanal öffnen, in
welchen sich nun ein großer Theil des Flusses ergoß, und die persischen
Krieger drangen in dem Flußbette gehend in die Stadt. Die trunkenen
Babylonier wurden auf den Gassen niedergehauen oder in die Häuser
gejagt; die königliche Burg, welche gleich der Stadt mit Festtaumel erfüllt
war, wurde rasch überfallen und der König selbst getödtet. So voll-
streckte Kyrus das Gericht an Babylon, wie es die Propheten ver-
kündet hatten.
Heimkehr der Juden (334).
Die Worte der jüdischen Seher wurden dem Kyrus kund und
erfüllten ihn mit Ehrfurcht vor dem Gotte des jüdischen Volkes. Da
gab er den Verbannten die Erlaubniß, in ihr Vaterland heimzukehren,
und wies ihnen auch Unterstützung an. Viele zogen unter Anführung
Zorobabels in die verödete Heimath zurück und legten Hand an den Neu-
bau von Stadt und Tempel. Die Samariter aber beunruhigten sie in
diesem Werke und erwirkten durch Verleumdungen sogar einen Befehl
von dem Perserkönig, welcher Einstellung der Arbeiten gebot. Doch
unter Darius Hyftaspis, dem vierten Könige (515), wurde das Verbot
aufgehoben; Esra und Nehemia führten aus Babylonien neue Schaaren
gläubiger Israeliten herbei und vollendeten das angefangene National-
werk. Seitdem lebten die Juden in Frieden unter persischer Botmäßig-
keit, welche sie nicht drückte, da sie nur den bestimmten Tribut bezahlen
mußten und sonst ungestört den Geschäften des Friedens leben durften.
Geläutert durch schwere Leiden hielten sie treuer als vorher an dem Glau-
den ihrer Väter; damit die Kenntniß des Gesetzes allen zugänglich würde,
errichteten sie in den Gemeinden Synagogen, in welchen das Gesetz vor-
gelesen und erklärt, Gott mit Gesang und Gebet gedient wurde.
Des Kyrus Ende (529).
Die Bewohner von Persien, Medien und Baktra, die Arier oder
Jranier, lebten seit uralter Zeit in unaufhörlicher Feindschaft mit den
Hirtenvölkern der nördlichen Steppen und Gebirge; diese feindlichen
Länder am Kaukasus, dem kaspischen Meere, dem Orus und Jarartes
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Extrahierte Personennamen: Kyrus Kyrus Darius_Hyftaspis Darius
Extrahierte Ortsnamen: Europas Asien Babylonien Persien Baktra Kaukasus
Die Zeit der Wanderungen.
43
schrieben nicht bloß Ln Hieroglyphen, sondern auch in der Buchstaben-
schrift. Das alte Aegypten hatte drei Schriftarten, die demotische oder
Volksschrift, die hieratische oder die Priesterschrift und endlich die Hiero-
glyphen, mit welchen Obelisken, Tempel u. s. w. überdeckt sind. Den
Forschungen unserer Zeit ist es gelungen, die Hieroglyphen wenigstens
theilweise zu entziffern. Nach dürftigen Angaben der Alten glaubte man,
jede Hieroglyphe bezeichne entweder den Gegenstand, den sie abbildet
z. B. der Löwe den Löwen, oder aber einen Begriff z. B. der Löwe
die Stärke, und unter diesen Umständen hätte man jeden Gedanken an
ihre Entzifferung ausgeben müssen. Bei Napoleons Zug nach Aegypten,
zu welchem er auch Gelehrte mitgenommen hatte, wurde aber ein Stein
zu Nosette gefunden, der eine griechische Zuschrift enthielt, welche besagte,
sie sei auf Befehl des Königs, eines Ptolemäers, in heiliger Schrift
und in griechischer Schrift eingemeißelt worden. Dieser Stein fiel in
die Hände der Engländer, nachdem die Franzosen aber schon mit Ab-
schriften versehen waren, und der Scharfsinn der europäischen Gelehrten
hatte nun eine Aufgabe gefunden. Die Zuschrift wurde der Schlüssel zur
Entzifferung der Hieroglyphen (Joung, Champollion, der Deutsche Lepsius
haben sich namentlich Verdienste erworben), indem man die griechische
Inschrift mit der hieroglyphischen und den Wörtern der koptischen Sprache
verglich, welche ein Rest der altägyptischen ist. Man fand, daß die
Hieroglyphen keineswegs ausschließlich Begriffe bezeichnen, sondern auch
Laute, in der Weise, daß das Bild des Thieres der Buchstabe ist, mit
welchem der Thiername in der ägyptischen Sprache anfing. So ist es
bereits gelungen, eine ziemliche Anzahl Zuschriften zu lesen und vielleicht
erfahren wir bald den ganzen Inhalt der zahlreichen hieroglyphischen
Inschriften, die noch erhalten sind oder ans dem Schutte an's Tages-
licht gefördert werden.
Siebentes Kapitel.
Israel (2000—550 v. Chr.).
Die Zeit der Wanderungen (2000—1450 v. Chr.).
Während die Völker ihren Gang gingen, wie sie ihn selbst gewählt
hatten, führte Gott das Geschlecht des Abraham, der an Zhn glaubte
und, Sein Wort im Herzen, vor des Herrn Angesicht wandelte, an Seiner
Hand. Als die Abgötterei in Abrahams chaldäischer Heimath Ur einriß
und auch seine Familie sich zu dem neuen Glauben wandte, zog Abra-
ham nach Westen und kam in die weidereichen Gegenden Kanaans, wo
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Extrahierte Personennamen: Napoleons Champollion Abraham Abrahams
Extrahierte Ortsnamen: Napoleons Israel Abrahams Kanaans
320
Das Reich der Cäsaren.
Kriege brachte Marcellus aus dem eroberten Syrakus eine Menge Kunst-
werke nach Rom, und wenn der Zerstörer Korinths, Mummius, den
Werth der Bilder aus Stein und Erz nicht besser zu tarircn wußte
als ein marsischer oder umbrischer Soldat, so schickte er doch einen tüch-
tigen Transport derselben nach Rom, wo es also Leute geben mußte,
welche auf solche Sachen einen sehr hohen Werth legten. Es ist wirk-
lich überraschend, wie schnell die gebildeten oder vornehmen Römer Kunst-
freunde und Kunstkenner wurden; schon zur Zeit des Sulla gehörten
Kunstwerke griechischer Meister zu den begehrtesten Schätzen, und Verres,
der Erpresser in Sicilien, welchen Cicero anklagte, griff nach ihnen mit
gleicher Gier wie nach den edeln Metallen. Durch die Statthalter in
den griechischen Provinzen wurden vielleicht ebenso viele Meisterwerke
den Eigenthümern weggeuommen oder abgezwungen, als durch Eroberung
und Kauf nach Rom kamen. Denn eigentliche Künstler wurden die
Römer nie; in den guten Zeiten der Republik nahm die Sorge für
Staat und Stand Patricier und Plebejer in Krieg und Frieden, letztere
auch die Anstrengung für ihr Hauswesen zu sehr in Anspruch, als daß
sie mit der Kunst sich hätten befreunden können; zudem hatte keines
der italienischen Völker, mit welchen die Römer zu thun bekamen, selbst
die Tusker nicht ausgenommen, sich in jenen Richtungen so weit ent-
wickelt, um den stahlharten politischen Geist der Römer dadurch zu
mildern; sie lernten von den Tuskern wahrscheinlich in der Baukunst,
welche durch ihren unmittelbaren Nutzen dem praktischen Römer'zusagte
und die er großartig weiter bildete, ebenso in den Geschäften des Feld-
baues, in welchen die Tusker Meister waren. Als durch die Schätze
Asiens die römischen Patricier sich von der einfachen und strengen Lebens-
weise ihrer Vorfahren abbringen ließen, so gewannen sie gleichzeitig
Geschmack an der griechischen Kunst und eigneten sich deren Schätze an,
wie sie die Neichthümer der Provinzen ausbeuteten. Vornehme Kunst-
freunde und Kunstkenner gab es bald in Menge, aber der römische Adel
erzeugte keine Künstler aus seiner Mitte (wie der Adel überhaupt nie;
sein Element ist Krieg und Politik, und entzieht er sich diesen, so stirbt
er ab), die römische Plebs wurde aber nur roher, begehrlicher und
niederträchtiger; sie verachtete den Stand des Handwerkers, aus dem
der Künstler erwächst, und suchte ihre Freude bei den Nennspielen,
Thier- und Gladiatorenkämpfen u. s. w., für welche der Staat oder
die Vornehmen sorgten. Das Meiste noch wirkte die griechische Kunst
auf den Handwerkerstand in den Provinzen; die verschiedenen Geräthe,
sowohl die zum Schmucke als die zu dem Bedarf und der Bequemlichkeit
des Hauses gehörigen, wurden bei den Römern ebenso zweckmäßig als
schön gearbeitet, wofür die Ausgrabungen in Pompeji das vollkommenste
Zeugniß ablegen.
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Extrahierte Personennamen: Marcellus Sulla
Extrahierte Ortsnamen: Syrakus Rom Rom Sicilien Rom Asiens Pompeji
Julian der Abtrünnige. Jodian.
375
unter der Gelehrtenwelt einen bedeutenden Anhang und berühmte Schulen
in Athen, Alexandrien, Pergamus, Nckomedia, wo sich auch Christen-
jünglinge in der Rhetorik und den Wissenschaften unterweisen ließen,
welche ein damaliger Rechtsgelehrter und Beamter erlernen mußte. Die
heidnischen Gelehrten freuten sich der Neigung, welche den Julian zu
dem verbotenen Genüsse der heidnischen Früchte trieb, in ihm schien ein
Stern der Hoffnung aufzugehen. Den Prinzen bezauberte die alte
klassische Welt, und jene Heiden, die Großes gethan hatten, wurden
seine Ideale; den ungeheuren Schatten der alten Größen aber sah er
nicht, weil sie nur von einem Standpunkte betrachtet und zu betrachten
gelehrt wurden und auch deßwegen, weil der politische Zustand seiner
Zeit jedenfalls unerfreulicher war als je ein vergangener. Die alte
Zeit, glaubte er mit Recht, sei durch den alten Glauben geschaffen
worden, und weil dieser verdorben und vernachläßigt wurde, sei auch
die alte Thatkraft versiegt und das Glück von den Römern gewichen.
Nun bewiesen ihm ferner die Philosophen, daß der klassische Glaube durch
ihre Vorgänger und sie selbst gründlich reformirt worden sei! Philosophie
und Religion seien nun in schönster Harmonie (die Neuplatoniker
leisteten in dieser Hinsicht sehr viel), die alten Mythen, deren Mißver-
ständniß im Munde der Dichter und im Volksglauben so viele Verständige
geärgert und zum Unglauben verleitet habe, hätten ihre Deutung ge-
funden, der Zwiespalt der verschiedenen Religionen, welcher die Welt
verwirrt und dem Juden- und Christenthum so vielen Vorschub gethan habe,
sei versöhnt, denn alle Religionen seien nur Bäche, die, aus einem Quelle
entsprungen, einen verschiedenen Lauf genommen hätten und von den Un-
kundigen als einander fremde Fluchen betrachtet worden wären. Julian,
der das Wesen des Christenthums niemals erfaßt hatte, verstand es
ebensowenig, das Neuheidenthum, die philosophische Vielgötterei, in ihrer
Blöße zu erkennen und sie von den Hüllen zu entkleiden, welche ihr die
Gelehrten mit Kunst und wissenschaftlichem Aufwand angelegt hatten.
Sein Ehrgeiz erblickte ein fast göttliches Werk in dem Unternehmen, den
alten Glauben in seiner geläuterten Gestalt wieder herzuftellen, die
Tempel wieder zu öffnen, die Opferflammen der Altäre wieder anzu-
fachen und das ganze Reich zu verjüngen. Er fiel frühzeitig insgeheim
von dem Christenthume ab, ließ sich in die Mysterien einweihen und
opferte den Göttern, während er öffentlich als Christ sich gebärdete. So
hielt er es auch als Cäsar in Gallien, und als Augustus betete er noch
an dem Tage Epiphania in der Kirche zu Vienne. Als er endlich die
Maske abwarf, gebot er allgemeine Religionsfreiheit, womit er aber
unter anderem die Absicht hatte, und so weit er konnte auch ausführte,
die Häresieen gegen die Kirche zu unterstützen; ebenso verbot er den christ-
lichen Lehrern der Rhetorik und Grammatik den Katheder, damit die
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Extrahierte Personennamen: Jodian Julian Julian Cäsar Augustus
Heinrichs Kamps um die Krone.
135
schen Großen erreicht: Deutschland war ein förmliches Wahlreich, die
regierende Familie besaß kein Anrecht mehr auf die Krone. Dagegen
setzte sich nun Heinrich mit aller Macht, und diese war so gering nicht,
als seine Gegner geglaubt hatten. Unter den Fürsten selbst hielten die
Feinde seiner Feinde zu ihm und diese vertheidigten nun das Königörecht
ungefähr in derselben Weise, in welcher die meisten ihrer Gegner das
Recht der Kirche verfochten; jeder Theil schaute nämlich, wie er am
meisten gewinnen könnte, daher machte es den Herren auch kein Ge-
wissen, ihre Parteistellung zu ändern, von Rudolfen zu Heinrichen und
von Heinrichen zu Rudolfen überzugehen. So hielten in Schwaben selbst,
dem Herzogthume Rudolfs, zu Heinrichen: die Bischöfe von Konstanz,
Augsburg, Straßburg, Basel, die Aebte von St. Gallen und von der
Reichenau; von den Grafengeschlechtern: Nellenburg, Hohenstaufen, Lenz-
burg, Achalm, Buchhorn, Gingen, Lechsgmünd. In ganz Deutschland
erklärten sich aber die Städte für den König; sie benutzten den Krieg
ihrer Herren gegen den König dazu, um von diesem Erweiterung ihrer
Rechte zu gewinnen; es war ja bereits die Politik von Heinrichs Groß-
vater Konrad gewesen, sich der Städte gegen die hohe Aristokratie zu
bedienen. Im alten Alemannien ging Heinrich noch weiter; er bewaff-
nete 12,000 Bauern und schickte sie gegen seine hochgestellten Feinde,
was diese so erbitterte, daß Berthold von Zähringen die gefangenen
Bauern entmannen ließ. Die Bewaffnung der Bauern war allerdings
ein sehr gefährliches Beispiel; daß die sächsischen Gemeinen sich nach
der Schlacht an der Unstrut nur unwillig der Rache an ihrem Adel
enthielten, ist oben gesagt worden, im obern Alemannien aber hatten
sich die Bauern nicht hundert Jahre früher gegen die geistlichen und
weltlichen Herren förmlich empört und waren nur mit Mühe überwun-
den worden, Beweis genug, daß der Stoff zu einem Kriege der Ge-
meinen gegen die Herren vorhanden war; daß Heinrich ihn nicht voll-
ständig in Flammen setzte, daran hinderte ihn einmal die Rücksicht, die
er auf seine vornehmen Anhänger zu nehmen hatte, und sodann war
er eine zu despotische Natur, als daß er eine Revolution von unten
auf hätte machen können; die Unterdrückung der hohen Aristokratie war
Erbpolitik seines Hauses, damit war aber keineswegs eine Erhebung der
niedern Stände gemeint, sondern man ließ diese nur gelegenheitlich gegen
den hohen Adel los, weil dieser sich unmittelbar neben der Königsmacht
behaupten wollte. Was alles Heinrich einem Könige den Bauern ge-
genüber für erlaubt hielt, hatte er hinlänglich durch seinen Burgenbau
und seine ganze Wirthschaft in Sachsen bewiesen.
Das Kriegsglück schwankte; Heinrich verlor die Schlachten von
Melrichsstadt 1078, bei Flarchheim 1080, und am 15. Oktober desselben
Jahres die an der Elster unweit'zeitz; doch alle diese Schlachten hin-
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Extrahierte Personennamen: Heinrichs_Kamps Heinrichs Heinrich Heinrich Rudolfs Buchhorn Heinrichs Heinrichs Konrad Konrad Heinrich Heinrich Berthold_von_Zähringen Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schwaben Konstanz Augsburg Basel Reichenau Nellenburg Deutschland Sachsen Flarchheim
Das Geschütz und die stehenden Heere.
323
außerordentlichen gemeint, die von alters her geleisteten bedurften keiner
Bewilligung) verschiedene Bedingungen, durch welche ihre Rechte nicht
allein gesichert, sondern auch ausgedehnt wurden. Sie verlangten z. B.
die Entfernung einer mißliebigen Person aus der Umgebung des Fürsten,
indem sie dieselbe als Urheber eines Uebelstandes oder einer verhaßten
Maßregel ansahen; sie schrieben diese oder jene Abänderung in dem
Staatshaushalte und dem fürstlichen Hofhalte vor, wehrten den Ver-
kauf oder die Verpfändung von Landschaften und Orten, verweigerten
zum voraus jede Steuer, wenn ohne ihren Willen ein Krieg ange-
fangen würde u. s. w. Am weitesten wurden die ständischen Rechte
(die Bauern waren selten vertreten, da es nur sehr wenige freie Bauern
gab) in Deutschland und Spanien ausgedehnt, während die Königs-
macht in Frankreich und England eine ganz unbeschränkte wurde. In
Italien war die Fürstenmacht schon deßwegen unbeschränkt, weil sie mei-
stens auf vernichtete demokratische Republiken gegründet wurde. Wie
man sieht, traten besonders der Adel und die Geistlichkeit der Fürsten-
macht im Ständesaale entgegen, denn die Städte waren nicht so zahl-
reich vertreten, daß der Ausschlag von ihnen abhing; aber wenn es
zur Widersetzlichkeit gegen den Fürsten kam, eröffneten sie den Neigen
und gaben meistens durch ihre Volksmassen und feste Mauern die Ent-
scheidung.
Das Geschütz und die stehenden Heere.
Die Macht des Adels erlitt durch die Feuerwaffe den Todesstoß;
hatte er früher fast ausschließlich die Kriege geführt und sich bis zu einer
Kriegerkaste ausgebildet, so mußte er nun seine festen Häuser aufgeben
und sich an die Kriegermasse anschließen, welche aus dem niedersten
Stande, dem Bauernstände, hervorging; der Adel, früher das Heer,
ward zum Offizierkorps.
Das Schießpulver wurde nach der Sage von einem deutschen Mönche,
Berthold Schwarz, in Freiburg erfunden. Er stampfte einmal Schwefel,
Salpeter und Kohlen in einem Mörser, heißt es, und deckte den Mörser
zu; zufällig fand doch ein Feuerfunke den Weg zu jener Mischung, diese
entzündete sich und warf den Deckel mit großer Gewalt in die Höhe;
Schwarz habe nun noch mehrere Versuche angestellt, fährt die Sage
fort, und endlich durch eine Erplosion das Leben eingebüßt. Chinesen
und Araber kannten und brauchten das Schießpulver jedenfalls viel
früher als das abendländische Europa; zuerst wandte man das Pulver
in den deutschen Bergwerken zum Sprengen des Gesteins an, man
brauchte es zur Ueberwältigung der harten, starren Massen, gegen
welche die Kraft des menschlichen Armes gar wenig vermag, und wie
21*
TM Hauptwörter (50): [T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde], T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T26: [Recht König Stadt Staat Bauer Gesetz Beamter Adel Land Bürger]]
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Extrahierte Personennamen: Berthold_Schwarz
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Spanien Frankreich England Italien Freiburg Europa
Der Welthandel und die Kolonkeen.
327
nische Piaster lieferte, was eine Silberkugel von 83,7 Fuß Durchmesser
gäbe. Nehmen wir an, daß aus dem andern Amerika, Asten und Afrika
nur das Doppelte an edlem Metalle nach Europa gekommen ist, so dür-
fen wir die ungeheure Summe von 30 Milliarden rechnen, und haben
jedenfalls noch zu nieder angeschlagen. Viel Geld erzeugt aber auch
viele Bedürfnisse, die sonst unbekannt bleiben, es setzt darum die man-
nigfaltigste Gewerbsthätigkeit in Schwung, der Luxus macht stch mit
neuen Bedürfnissen sichtbar und ruft dadurch neue Thätigkeit in's Leben.
Aus den fremden Erdtheilen kamen die verschiedenen Gewürze massen-
chaft nach Europa und fanden Eingang in die Küche des Bürgers und
Bauers; neue Farbestoffe, Holzarten, Arzneien, Blumen und Krauter
gesellten stch zu den europäischen, und endlich kamen auch Zucker, Kaffe
und Tabak, welche in Verbindung mit den Gewürzen das physische Leben
des Europäers wesentlich veränderten; die Küche Karls des Großen
war einfacher bestellt als jetzt die eines mittelmäßigen Bürgers oder
Bauers. Diese Veränderung trat allmälig, aber merkbar genug ein;
Zucker, Kaffe und Tabak bewirkten schon Unglaubliches, eine vollständige
Umwälzung brachte aber in späterer Zeit die Einführung der Kartoffeln
und der Baumwolle zu Stande.
Am wenigsten zu vergessen ist, daß durch die Ausbreitung der Eu-
ropäer über die neue Welt das Christenthum ein unermeßliches Ge-
biet gewann; während es früher mit den Europäern kaum den Saum
des nördlichen Afrikas und westlichen Asiens berührte, siedelt es sich jetzt
an unendlich vielen Küstenpunkten an und behauptet sich durch die Ueber-
legenheit der Europäer gegen gewaltsame Angriffe, in Amerika aber ge-
winnt es einen ganzen Erdtheil, weil er von Europa aus die Haupt-
masse seiner Bevölkerung erhalten hat und erhält. Wäre nur überall
dem armseligen Heidenthume christlicher Bekehrungseifer begegnet! Spa-
nische Mönche haben allerdings viel gethan, aber rauhe Eroberer und
wilde Goldjäger haben wieder viel verdorben; die wunderbare Schöpfung
der Jesuiten, den indianisch-christlichen Staat in Paraguay, zerstörte der
fanatische Jesuitenhaß, und die Presidios in Mexiko, die christlichen Vor-
posten am Rande heidnischer Wüste, wurden von den Revolutionen des
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Extrahierte Personennamen: Karls
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Afrika Europa Europa Afrikas Asiens Amerika Europa Paraguay Mexiko
Babylonien- Assyrien. Medien.
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stadt Jerusalem erlag 588 v. Ehr.; Stadt und Tempel wurden zu Schutt-
haufen und viele tausend Juden mußten dem fremden Heere an den
Euphrat und Tigris folgen. Doch dauerte auch der Glanz der baby-
lonischen Herrschaft nicht lange, nur 70 Jahre (von 608—538), dann
war seine Frist abgelaufen, und der persische Held Kyrus strafte den
Uebermuth, welchen Babylon gegen andere Völker ausgeübt hatte.
Das assyrisch - babylonische Volk gehört zu den merkwürdigsten
Völkern der alten Welt; es beschränkte sich nicht wie der Hindu und
Chinese auf das Land, welches ihm die Natur als Gränze angewiesen
hatte, auf das Gebiet des Euphrat und Tigris, sondern drang erobernd
nach allen Richtungen vor; seine Sultane hatten es aber nicht auf
Zerstörung und Plünderung entfernter Länder abgesehen, wie Attila
und die mongolischen Weltstürmer, sondern sie wollten in ihrem verfei-
nerten Despotismus deren Hilfsquellen ausbeuten und damit ihre Macht
um so fester gründen. So ist ihr Streben unverkennbar, den ganzen
Welthandel in ihre Gewalt zu bringen und von jedem Zweige desselben
goldene Früchte für ihre Schatzkammern zu pflücken. Babylon war in
jener Zeit ein Brennpunkt des Weltverkehrs und durch seine Lage vor-
züglich dazu geeignet. Auf dem Euphrat kamen die Erzeugnisse aus
den Gcbirgsländern herunter, als: Felle, Eisen und andere Metalle, in
Fahrzeugen, die aus Fellen und Weidengeflechten zusammengemacht und
bei aller Unbehilflichkeit gegen das Umschlagen gesichert waren und eine
ziemliche Ladung trugen. Den Euphrat herauf kamen die Maaren
Indiens, Arabiens und der nächsten afrikanischen Küsten: Gold und
Silber, Edelsteine, Perlen, Elfenbein, Gewürze, Räucherwerk, Gewebe,
auch verschiedene Thiere. Daden (wahrscheinlich die Bahareinsmseln)
hieß der Stapelplatz, wo die Maaren in Schiffe umgeladen wurden, die
für den Euphrat und den großen Königskanal geeignet waren. Am
oberen Euphrat waren wohl Thapsakus und Charchemisch (Circesium)
die letzten Stapelplätze für die Flußschifffahrt. Die Schiffsladungen
wurden nun an die Kamele der Karawanenführer abgegeben, welche
sie über Tadmor (Palmyra) nach Damaskus, Baalbek (Heliopolis) und
von da in die Städte der Phönicier und Syrer, in die Häfen des
mittelländischen Meeres, lieferten. Diese große Handelsstraße suchten
die babylonisch-assyrischen Sultane bis an ihre Ausmündung am mittel-
ländischen Meere in ihre Gewalt zu bringen. Daher wurden von ihnen
so viele Feldzüge gegen Phönicien und Syrien unternommen, selbst dann
noch, als ihre Macht bereits durch den Anfall der Meder geschwächt
war. Von Phönicien und Palästina aus richteten sie ihre Angriffe gegen
Aegypten, welches durch das rothe Meer und die Häfen der arabischen
und abyssinischen Küste an dem Handel mit dem fernen Morgenlande
Theil nahm, so wie es über Meroö und die Oase des Ammonium mit
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