60 Die ältesten Völker bis zur Gründung der Persermonarchie.
Joas und Ieroboam Ii. (838 — 781) kehrte Israel auf einige Zeit zu
seinem Gotte zurück und fand die alte Kraft wieder, die ihm den Sieg
über seine Unterdrücker gab. Das Unwesen nahm unter einer neuen
Dynastie (771) abermals überhand und nun brach das Verhängniß unauf-
haltsam über Israel herein. Ein Krieg gegen Juda und Syrien führte
den Assyrer Phul herbei, der Israel zinsbar machte; sein Nachfolger
Tiglat Pilesar eilte, abermals auf Judas Hilferuf, herbei, nahm Ga-
liläa und alles Land jenserts des Jordans weg und machte den König
tributpflichtig, einen großen Theil des Volkes aber führte er nach Assyrien.
Israels letzter König, Hosea, warb heimlich um den Beistand Aegyptens;
dafür traf ihn die Rache des Assyrers Salmanassar. Nach dreijähriger
Belagerung fiel Samaria, der König wurde in Ketten nach Mesopota-
mien abgeführt und fast alles Volk mit ihm (722). Israel verschwand
unter den Völkern des inneren Asiens; in seiner verödeten Heimath
aber siedelte der Sultan die Chutäer aus dem Gebiete von Sivon an,
aus welchem das Mischvolk der Samariter erwuchs.
Reich Juda (975-588).
Es überlebte unter 20 Königen das abtrünnige Israel um 134
Jahre. Seine Könige waren ans dem Stamme Davids, die meistens
in ruhiger Erbfolge einander ablösten und als Davids Nachkommen bei
dem Volke Gehorsam fanden. Dieses hatte das Nationalheiligthum, den
Tempel zu Jerusalem, um welches es sich zur Feftfeier versammelte;
unter ihm wohnten die Leviten, die Wächter des Gesetzes (doch gab es
auch unter diesen Untreue!) und trat eine Reihe gottbegeisterter Pro-
pheten auf, daher konnte Juda nie so tief fallen wie Israel, und darum
wurde es mit der Strafe der Vernichtung verschont. Denn treu blieb
auch Juda nicht, welchem Salomo so böses Beispiel gegeben hatte. Unter
Roboam mußte es bereits die Zuchtruthe empfinden; der Aegypier Sisak
(israelitischer Bundesgenosse) eroberte und plünderte Jerusalem mit den
salomonischen Schätzen. Das Reich erholte sich wieder unter Abia und
dem frommen Afa (964 — 920), der die Aegypter blutig heimschickte,
und blühte unter Josaphat (920 — 895) neu auf. Aber seine Söhne
und Nachfolger, Joram (895—887) und Ahas (887—886), wurden
Götzendiener, verführten das Volk, verbanden sich mit Ahab, dem Manne
der Jesabel, und verschwägerten sich mit ihm. Die Edomiter fielen ab,
die unversöhnlichen Philister verschworen sich mit arabischen Horden und
verwüsteten Jerusalem und das ganze Land. Eben so unglücklich war
der Krieg, den Ahas mit Joram, Ahabs Nachfolger, gegen Syrien führte,
und mit diesem von Jehu ermordet wurde. Dies benutzte die Königs-
wittwe Athaljah, Ahabs und Jesabels Tochter, ermordete alle davidischen
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Extrahierte Ortsnamen: Israel Israel Juda Syrien Israel Assyrien Israels Hosea Samaria Mesopota- Asiens Juda Israel Davids Jerusalem Juda Israel Juda Jerusalem Jerusalem Ahabs Syrien Ahabs
66
Perser und Griechen. Europas Sieg über Asien.
der dritte der großen asiatischen Herrscher sein, welche dem Kyrus unter-
lagen. Letzterer besiegte das babylonische Heer in einer Feldschlacht und
legte sich vor die große Stadt. Die Einwohner verließen sich auf ihre
Mauern, Thürme und ehernen Thore, und spotteten der Perser; denn
sie meinten, dieselben würden in der verheerten Umgegend bald keine
Lebensmittel mehr auftreiben und abziehen, nachdem sie die Mauern satt-
sam mit den Augen gemessen hätten. Allein Kyrus wußte Rath; er grub,
um den Euphrat abzuleiten, einen Kanal, ohne daß es die Babylonier
merkten. Als diese eines ihres üppigen Feste feierten und nachts
berauscht durch die Gassen schwärmten, ließ Kyrus den Kanal öffnen, in
welchen sich nun ein großer Theil des Flusses ergoß, und die persischen
Krieger drangen in dem Flußbette gehend in die Stadt. Die trunkenen
Babylonier wurden auf den Gassen niedergehauen oder in die Häuser
gejagt; die königliche Burg, welche gleich der Stadt mit Festtaumel erfüllt
war, wurde rasch überfallen und der König selbst getödtet. So voll-
streckte Kyrus das Gericht an Babylon, wie es die Propheten ver-
kündet hatten.
Heimkehr der Juden (334).
Die Worte der jüdischen Seher wurden dem Kyrus kund und
erfüllten ihn mit Ehrfurcht vor dem Gotte des jüdischen Volkes. Da
gab er den Verbannten die Erlaubniß, in ihr Vaterland heimzukehren,
und wies ihnen auch Unterstützung an. Viele zogen unter Anführung
Zorobabels in die verödete Heimath zurück und legten Hand an den Neu-
bau von Stadt und Tempel. Die Samariter aber beunruhigten sie in
diesem Werke und erwirkten durch Verleumdungen sogar einen Befehl
von dem Perserkönig, welcher Einstellung der Arbeiten gebot. Doch
unter Darius Hyftaspis, dem vierten Könige (515), wurde das Verbot
aufgehoben; Esra und Nehemia führten aus Babylonien neue Schaaren
gläubiger Israeliten herbei und vollendeten das angefangene National-
werk. Seitdem lebten die Juden in Frieden unter persischer Botmäßig-
keit, welche sie nicht drückte, da sie nur den bestimmten Tribut bezahlen
mußten und sonst ungestört den Geschäften des Friedens leben durften.
Geläutert durch schwere Leiden hielten sie treuer als vorher an dem Glau-
den ihrer Väter; damit die Kenntniß des Gesetzes allen zugänglich würde,
errichteten sie in den Gemeinden Synagogen, in welchen das Gesetz vor-
gelesen und erklärt, Gott mit Gesang und Gebet gedient wurde.
Des Kyrus Ende (529).
Die Bewohner von Persien, Medien und Baktra, die Arier oder
Jranier, lebten seit uralter Zeit in unaufhörlicher Feindschaft mit den
Hirtenvölkern der nördlichen Steppen und Gebirge; diese feindlichen
Länder am Kaukasus, dem kaspischen Meere, dem Orus und Jarartes
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Extrahierte Personennamen: Kyrus Kyrus Darius_Hyftaspis Darius
Extrahierte Ortsnamen: Europas Asien Babylonien Persien Baktra Kaukasus
Die Einrichtung der neuen Reiche.
21
Angelsachsen und Alemannen); wo ehemals römische Städte erhalten
blieben, scheint auch die römische Städteverfassung fortgedauert zu haben.
Zu den unfreien Dienftleuten gehörten ursprünglich auch die Mi-
nisterialen, denen entweder ein Dienst um die Person des adeligen
Herrn oder ein besonderer Kreis von Geschäften angewiesen war. Aus
ihnen nahm der Herr in der Regel den Verwalter (Major) seiner
Güter, aus ihnen bildete er sein Hofgesinde dem königlichen nach (Schenk,
Kämmerer je.), und mit der Zeit erhielten sie immer mehr Ehre, so daß
ans ihnen hauptsächlich der niedere Adel hervorging. Der Ausdruck
Ministerialis bezeichnete deßwegen in späterer Zeit einen Freien oder
Edeln, der irgend ein Amt oder einen bestimmten Dienst hatte.
Zu den eigenthümlichen germanischen Einrichtungen gehört nament-
lich das Lehenwesen (Feudalwesen, Vasallenthum). Der König gab von
seinen eigenen Gütern einem Adeligen oder Freien ein solches als Lehen
(von leihen; beneficium, feudum), d. h. er überließ ihm die Nutz-
nießung desselben, wogegen sich dieser durch Eid (homagium, hominium,
vassaticum, fidelitas) verpflichtete, den Lehensherrn mit Rath und
That im Frieden und Krieg zu untehlützen; der Bruch des Lehenseides
hieß Felonie. Ebenso übernahmen Freie von Adeligen Lehen und damit
die gleiche Verpflichtung gegen sie. Wollte der Lehensherr nach dem
Tode des Lehensträgers sich dessen Sohn auf gleiche Weise verpflichten,
so mußte er ihm auch das väterliche Lehen übergeben und es ist deß-
wegen begreiflich, daß sich die Erblichkeit der Lehen schon frühe zu ent-
wickeln begann. Da der Lehensträger den Schutz des Lehensherrn genoß,
so übergaben in unruhigen anarchischen Zeiten gemeine Freie ihre
Güter dem Könige oder einem geistlichen oder weltlichen Herrn und
ließen es sich von demselben wieder als Lehen übertragen; dadurch
kamen sie in den Schutz desselben, verpflichteten sich aber auch zum Kriegs-
dienste und in der Regel auch zu einer bestimmten Abgabe; in späterer
Zeit waren die Männer äußerst selten, welche sich rühmen konnten „sie
haben ihr Gut allein von Gott und der Sonne." (Lehen im weiteren
Sinn des Wortes, feudastra, waren und sind theilweise noch Bauern-
lehen, Erb-, Erbzinslehen, Kolonate.)
Damals gab es noch sehr wenige Burgen, und die adeligen Herrn
wohnten größtentheils auf ihren Gütern in großen hölzernen Häusern,
um welche zunächst die Oekonomiegebäude standen. Die Viehzucht war
wichtiger als der Ackerbau, wie es bei jedem halbcivilisierten Volke
der Fall ist. Waldungen bedeckten den größten Theil des Landes,
daher war die Schweinezucht sehr bedeutend und Wild im Ueberfluß
vorhanden.
Ein Hauptvergnügen der Herren war die Zagd; sie hatten ver-
schiedene Arten von Jagdhunden, die in den Gesetzbüchern theilweise zu
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22 Das Christenthum unter den Germanen und Slaven.
sehr hohem Werthe angesetzt sind; sie hielten auch gezähmte Hirsche,
selbst Bären, verschiedene Vogel, namentlich Jagdfalken. Die Lebens-
weise der höhern und nieder« Stände war noch so ziemlich dieselbe,
wie sie Tacitus beschreibt, obwohl die römische Kunst das Leben zu ge-
nießen sich bereits in einzelnen Zügen äußert.
Die Landesverfassung.
Jedes deutsche Volk dieser Zeit hatte Könige oder Herzoge an
seiner Spitze, deren Würde in ihrem Geschlechte forterbte, jedoch nicht
ohne die Wahl oder wenigstens die Zustimmung der Freien. Waren
mehrere Söhne da, so theilten sie sich bei den Franken nicht nur in
das Gut, sondern auch in die Würde des königlichen Vaters, so daß
das Königreich in mehrere Königreiche zerfiel; dies war theilweise auch
bei den Angelsachsen der Fall, sonst fänden wir nicht z. B. zeilenweise
zwei Könige in Mercia, in Kent re. Bei anderen Völkern erhielt jeder
königliche Prinz seine Apanage in Land und Leuten, die er unter der
Oberhoheit des Königs regierte; denn es gab damals fast kein anderes
Einkommen als das von Grundbesitz, und keinen Rang als den mit
einer wirklichen Herrschaft verbundenen; diese Theilungen sind die Ur-
sache der vielen Bruder- und Verwandtenmorde in den attgermanischen
Herrscherhäusern, der vielen Empörungen und Verräthereien.
Das Einkommen des Königs bestand in dem Ertrage seiner Güter,
welche von Hörigen oder Leibeigenen bebaut und von Meiern verwaltet
wurden. Standen die Güter unter einer schlechten Verwaltung oder
waren die meisten als Lehen fortgegeben, so konnte es wohl geschehen, daß
der König darbte. Zn den königlichen Schatz stoßen ferner die Abgaben
der römischen Provinzialen von Grundstücken, Personen und Erbschaften;
ferner Konfiskationen und Strafgelder, die Geschenke der Adeligen und
Freien, die Zölle; dem Könige gehörte endlich auch das Münzregal.
Bei den Frankenkönigen war der Hofstaat sehr beträchtlich und
wurde für andere Könige das Muster. Die Umgebung des Königs be-
stand aus Adeligen, welche auch die ersten Hofämter verwalteten: der
Kämmerer (Oudieularius, Camerarius, Thesaurarius) besorgte den
königlichen Hofhalt; der Marschall beaufsichtigte den königlichen Pferde-
stall; der Seneschall oder Truchseß (Dapifer) versorgte den königlichen
Tisch, der Schenk (Pincerna, Buticularius) hatte den Trunk beizu-
schaffen; der Kanzler (Cancellarius), in der Regel ein Geistlicher (da-
her auch Archicapellanus genannt), war der königliche Geheimerath
und fertigte die königlichen Urkunden aus. Der Großhofmeister, Haus-
meier (Majordomus regiae), vertrat im Kriege die Stelle des Königs
und war oberster Verwalter von dessen Besitzungen.
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Gerichte.
23
Eine Negierung im heutigen Sinne des Wortes übten die alten
Könige nicht; sie vertraten die Nation gegenüber dem Auslande, waren
die Oberfeldherren, in der heidnischen Zeit die Oberpriester, in der
christlichen die Schutzherren der Kirche, ferner die obersten Richter, ohne
daß jedoch ein gewöhnlicher Rechtsfall vor das königliche Gericht (curia
regis) gebracht werden mußte; über eine Person von hohem Adel
richtete nur der König mit Beiziehung der Standesgenossen oder in
der Nationalversammlung. In den Gesetzen und Einrichtungen konnte
ohne die Einwilligung der Freien durchaus nichts geändert werden.
So lange die Ausdehnung eines Königreichs unbedeutend war, also in
der alten Zeit, versammelte sich im März oder Mai das ganze freie
Volk vor dem Könige, oder es wurde auch außerordentlicher Weise zu-
sammenberufen, um über Krieg oder Frieden und andere Landesange-
legenheiten zu beschließen; in den großen Reichen war eine solche Volks-
versammlung nicht mehr möglich und sie verwandelte sich daher in eine
Versammlung der Adeligen oder Würdeträm (Reichstage). Je mehr
Adelige der König zu Lehensleuten hatte, um so eher konnte er hoffen
in der Versammlung seinen Willen durchzusetzen, und da die Adeligen
immer mit einem Gefolge von Dienstmannen erschienen, so waren solche
Versammlungen oft sehr stürmisch.
Das Land selbst war in Gaue (pagus) eingetheilt, woher noch
heute viele Landstriche Gaue heißen. Der Vorsteher eines Gaues wurde
von dem Könige ernannt und hieß Graf (ein Wort, das verschieden
gedeutet wird, jedenfalls nicht von „grau" abgeleitet werden darf); er
leitete die Gauv?rsammlung, das Gaugericht und führte die wehrbare
Mannschaft in den Krieg. Der Gau zerfiel wieder in Centen (Cen-
tena; Hundreden in oberdeutscher Sprache) von je 100 freien Höfen,
der Vorsteher hieß Oentenarius (Centgraf); diese Eintheilung scheint
jedoch nie ganz durchgeführt worden zu sein, denn es gab Gaue ohne
Centen und dann wieder Centen, die einen Gau ausmachten. Die un-
terste Abtheilung waren die Gemeinden, Genossenschaften mit abgegränz-
tem Grundeigenthum (Mark), welche Wald und Weide gemeinschaft-
lich nutzten, während der Ackerboden familienweise vertheilt war; der
Vorsteher einer Gemeinde heißt später Schultheiß (weil er Schulden,
die von dem Gerichte angesetzten Bußen und die Abgaben an den
König einzufordern, zu heischen hatte).
Gerichte.
Bei unfern Vorfahren gab nur die Freiheit Ehre und Recht auf
ächtes Grundeigenthum; der Unfreie konnte eben so wenig Grundeigen-
thum erwerben als sich selbst vor Gericht vertheidigen, daher sein Herr
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Die Klosterämter: Kastvogt, Meier, Keller.
33
Die Klosterämter: Kastvogt, Meier, Keller.
Nun sollten aber die Klöster ihre Unterthanen gegen Angriffe ver-
theidigen oder sie in das Feld führen, wenn der Landesherr zu den
Waffen rief; sie sollten Gericht halten, in ihren Sachen vor Gericht
erscheinen, Abgaben einziehen u. s. w.; nach dem Gesetze der Kirche
jedoch (das freilich oft genug übertreten wurde) durfte kein Geistlicher
Blut vergießen, weder als Krieger noch als Richter, und auch das Ein-
ziehen der Steuern glaubte man für Mönche nicht passend. So ent-
standen bei den großen Stiften Aemter, welche von Weltlichen begleitet
wurden. Das Wichtigste dieser Aemter war die Käst- oder Schirm-
vogtei, die immer von angesehenen adeligen Geschlechtern, gewöhnlich
von den Nachkommen des Stifters, versehen wurde. Ein solcher Vogt
hatte die Verpflichtung, das Stift gegen Gewaltthat zu schützen, dessen
Rechte zu vertheidigen und im Nothfalle die Klosterleute in das Feld
zu führen und ihnen mit seinen eigenen Angehörigen beizustehen. Außerdem
richtete der Kastvogt über Mord, Brand, Raub, Diebstahl, Verwundung
u. s. w. und kam zu dem Behufe zu bestimmter Zeit an den Gerichts-
ort; während er anwesend war, mußte das Stift ihn und sein Gefolge,
auch seine Pferde, Hunde und Jagdfalken verköstigen. Außerdem erhob der
Kastvogt eine bestimmte Steuer; von den Geldstrafen erhielt er wenig-
stens ein Drittheil, so daß also eine Kastvogtei ein sehr einträgliches
Amt war. Aber vielmal sah sich dieser Schirmherr geradezu als Herrn
des Klosters an. In zahllosen Urkunden wird über Gewaltthätigkeit,
Eigenmächtigkeit, Beeinträchtigung des Stiftsgutes durch die Kastvögte
geklagt, und es wird häufig genau bestimmt, wie oft der Kastvogt kommen,
mit wie viel Männern und Pferden, wie lange er bleiben dürfe u. s. w.
Das half jedoch gewöhnlich nicht lange; die durch Krieg, Erbtheilung
und Verschwendung heruntergekommenen Adeligen sahen nur mit Neid
auf den reichen Besitz des von ihren Vorfahren gestifteten Klosters; an-
dere suchten Erweiterung ihrer Herrschaft und meinten dazu das Geld
und die Leute des Klosters wohl brauchen zu können. Gegen solche
Herren halfen Urkunden gar nichts, Bann und andere geistliche Strafen
nicht viel, daher bemühten sich die Klöster sehr, ihrer Kastvögte ganz
los zu werden und durch eigene weltliche Beamte jene Obliegenheiten
zu besorgen.
Ein Stiftsamt war ferner das des Meiers. Die größeren Hof-
güter theilte man gewöhnlich wieder in kleinere Wirthschaften, welche
Huben (40 Jucharte), Schuppisen und Ronkalen genannt wurden. Das
größte derselben und der Mittelpunkt hieß in Alemannien der Kellhof, und
der Oberaufseher eines solchen Meier (villicus). Diesem lag die Leitung
des Feldbaues ob und der Einzug der Gefälle. Gewöhnlich aber wur-
Bumüller, Gesch. d. Mittelalters. A
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Gerechtigkeitspflege.
67
Gesetze war jeder freie Mann zum Waffendienst für den Kaiser, zu dem
Heerbann, verpflichtet. Ein Freier, der vier Bauernhöfe als Eigenthum
oder Lehen besaß, mußte bei Vermeidung einer Buße von 60 Schillingen
ausziehen. Die vermöglichsten Freien dienten zu Pferde, die weniger reichen
zu Fuße; arme Freie rüsteten selbdritt, noch ärmere selbsechst ihrer einen
zum Feldzuge aus. Denn jeder mußte sich seine Waffen selbst anschaffen,
keine geringen Kosten in der damaligen Zeit, wo eine Lanzenspitze auf
ungefähr eilf Gulden unseres Geldes zu stehen kam. Die vorgeschrie-
benen Waffen waren: Schild, Lanze, Bogen und Köcher. Außerdem
mußte jeder Kriegsmann für drei Monate Lebensmittel mitbringen, auch
Art, Bohrer und solche Werkzeuge, die im Kriege vielmal nothwendig
werden. Das Heerwesen beaufsichtigte in jedem Gaue der Graf. Karl
stellte also den urdeutschen Heerbann wieder her, eine bedeutende Last für
die Freien; doch ist der Vorwurf ein ganz unbegründeter, als habe er
dadurch die minder begüterten Freien zu Grunde gerichtet. Denn diese
mußten auch später, nachdem sie zu Dienstleuten geworden waren, in das
Feld ziehen, freilich nicht mehr für Kaiser und Reich, sondern in die
unaufhörlichen Kriege und Fehden ihrer Herren. In Gränzbezirke
(Marken), welche dem Feinde abgenommen waren, setzte er Mark-
grafen (marchiones, auch duces limitis genannt, weil ihr Gebiet
mehrfach größer war als das der andern Grafen), welche mit den
Kolonisten die Gränzwache hielten.
Gerechtigkeitspflege.
Es war für Karl eine Haupisorge, daß in seinem Reiche jedem
einzelnen sein Recht werde. Denn es geschah gar oft, daß der Stärkere
den Schwächer» unterdrückte. Der reiche Herr z. B., der viele Knechte
hatte, trieb sein Vieh auf die Weide des Nachbars, oder wehrte ihm
in dem Walde zu jagen, Holz zu fällen, die Schweine zur Eichelmast
zu treiben u. s. w. Wie häufig solche Unbilden armen Freien mögen an-
gethan worden sein, können wir daraus schließen, daß in den Urkunden
der Klöster eine Menge dergleichen Beschwerden und Schiedssprüche Vor-
kommen, und doch waren die Stifte in dem Genüsse ihrer Rechte durch
den Glauben jener Zeit viel sicherer. Solche Klagen kamen auch zu
Ohren des Kaisers, und er that, was er konnte, um das Recht zu
schirmen; auf vielen Reichstagen ermahnte er ernst und drohend und
erließ Verordnungen gegen den Mißbrauch der Gewalt. Die Pfalz-
grafen (Pfalzen, vom lateinischen palatium, hießen die kaiserlichen
Burgen in den verschiedenen Gegenden des Reichs) verwalteten nicht
bloß das kaiserliche Einkommen aus dem zu einer Pfalz gehörigen Be-
zirke, sondern sie vertraten auch den Kaiser als obersten Richter und
5«
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Heinrichs Kamps um die Krone.
135
schen Großen erreicht: Deutschland war ein förmliches Wahlreich, die
regierende Familie besaß kein Anrecht mehr auf die Krone. Dagegen
setzte sich nun Heinrich mit aller Macht, und diese war so gering nicht,
als seine Gegner geglaubt hatten. Unter den Fürsten selbst hielten die
Feinde seiner Feinde zu ihm und diese vertheidigten nun das Königörecht
ungefähr in derselben Weise, in welcher die meisten ihrer Gegner das
Recht der Kirche verfochten; jeder Theil schaute nämlich, wie er am
meisten gewinnen könnte, daher machte es den Herren auch kein Ge-
wissen, ihre Parteistellung zu ändern, von Rudolfen zu Heinrichen und
von Heinrichen zu Rudolfen überzugehen. So hielten in Schwaben selbst,
dem Herzogthume Rudolfs, zu Heinrichen: die Bischöfe von Konstanz,
Augsburg, Straßburg, Basel, die Aebte von St. Gallen und von der
Reichenau; von den Grafengeschlechtern: Nellenburg, Hohenstaufen, Lenz-
burg, Achalm, Buchhorn, Gingen, Lechsgmünd. In ganz Deutschland
erklärten sich aber die Städte für den König; sie benutzten den Krieg
ihrer Herren gegen den König dazu, um von diesem Erweiterung ihrer
Rechte zu gewinnen; es war ja bereits die Politik von Heinrichs Groß-
vater Konrad gewesen, sich der Städte gegen die hohe Aristokratie zu
bedienen. Im alten Alemannien ging Heinrich noch weiter; er bewaff-
nete 12,000 Bauern und schickte sie gegen seine hochgestellten Feinde,
was diese so erbitterte, daß Berthold von Zähringen die gefangenen
Bauern entmannen ließ. Die Bewaffnung der Bauern war allerdings
ein sehr gefährliches Beispiel; daß die sächsischen Gemeinen sich nach
der Schlacht an der Unstrut nur unwillig der Rache an ihrem Adel
enthielten, ist oben gesagt worden, im obern Alemannien aber hatten
sich die Bauern nicht hundert Jahre früher gegen die geistlichen und
weltlichen Herren förmlich empört und waren nur mit Mühe überwun-
den worden, Beweis genug, daß der Stoff zu einem Kriege der Ge-
meinen gegen die Herren vorhanden war; daß Heinrich ihn nicht voll-
ständig in Flammen setzte, daran hinderte ihn einmal die Rücksicht, die
er auf seine vornehmen Anhänger zu nehmen hatte, und sodann war
er eine zu despotische Natur, als daß er eine Revolution von unten
auf hätte machen können; die Unterdrückung der hohen Aristokratie war
Erbpolitik seines Hauses, damit war aber keineswegs eine Erhebung der
niedern Stände gemeint, sondern man ließ diese nur gelegenheitlich gegen
den hohen Adel los, weil dieser sich unmittelbar neben der Königsmacht
behaupten wollte. Was alles Heinrich einem Könige den Bauern ge-
genüber für erlaubt hielt, hatte er hinlänglich durch seinen Burgenbau
und seine ganze Wirthschaft in Sachsen bewiesen.
Das Kriegsglück schwankte; Heinrich verlor die Schlachten von
Melrichsstadt 1078, bei Flarchheim 1080, und am 15. Oktober desselben
Jahres die an der Elster unweit'zeitz; doch alle diese Schlachten hin-
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Schwaben Konstanz Augsburg Basel Reichenau Nellenburg Deutschland Sachsen Flarchheim
Der Welthandel und die Kolonkeen.
327
nische Piaster lieferte, was eine Silberkugel von 83,7 Fuß Durchmesser
gäbe. Nehmen wir an, daß aus dem andern Amerika, Asten und Afrika
nur das Doppelte an edlem Metalle nach Europa gekommen ist, so dür-
fen wir die ungeheure Summe von 30 Milliarden rechnen, und haben
jedenfalls noch zu nieder angeschlagen. Viel Geld erzeugt aber auch
viele Bedürfnisse, die sonst unbekannt bleiben, es setzt darum die man-
nigfaltigste Gewerbsthätigkeit in Schwung, der Luxus macht stch mit
neuen Bedürfnissen sichtbar und ruft dadurch neue Thätigkeit in's Leben.
Aus den fremden Erdtheilen kamen die verschiedenen Gewürze massen-
chaft nach Europa und fanden Eingang in die Küche des Bürgers und
Bauers; neue Farbestoffe, Holzarten, Arzneien, Blumen und Krauter
gesellten stch zu den europäischen, und endlich kamen auch Zucker, Kaffe
und Tabak, welche in Verbindung mit den Gewürzen das physische Leben
des Europäers wesentlich veränderten; die Küche Karls des Großen
war einfacher bestellt als jetzt die eines mittelmäßigen Bürgers oder
Bauers. Diese Veränderung trat allmälig, aber merkbar genug ein;
Zucker, Kaffe und Tabak bewirkten schon Unglaubliches, eine vollständige
Umwälzung brachte aber in späterer Zeit die Einführung der Kartoffeln
und der Baumwolle zu Stande.
Am wenigsten zu vergessen ist, daß durch die Ausbreitung der Eu-
ropäer über die neue Welt das Christenthum ein unermeßliches Ge-
biet gewann; während es früher mit den Europäern kaum den Saum
des nördlichen Afrikas und westlichen Asiens berührte, siedelt es sich jetzt
an unendlich vielen Küstenpunkten an und behauptet sich durch die Ueber-
legenheit der Europäer gegen gewaltsame Angriffe, in Amerika aber ge-
winnt es einen ganzen Erdtheil, weil er von Europa aus die Haupt-
masse seiner Bevölkerung erhalten hat und erhält. Wäre nur überall
dem armseligen Heidenthume christlicher Bekehrungseifer begegnet! Spa-
nische Mönche haben allerdings viel gethan, aber rauhe Eroberer und
wilde Goldjäger haben wieder viel verdorben; die wunderbare Schöpfung
der Jesuiten, den indianisch-christlichen Staat in Paraguay, zerstörte der
fanatische Jesuitenhaß, und die Presidios in Mexiko, die christlichen Vor-
posten am Rande heidnischer Wüste, wurden von den Revolutionen des
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Extrahierte Personennamen: Karls
Extrahierte Ortsnamen: Amerika Afrika Europa Europa Afrikas Asiens Amerika Europa Paraguay Mexiko
Babylonien- Assyrien. Medien.
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stadt Jerusalem erlag 588 v. Ehr.; Stadt und Tempel wurden zu Schutt-
haufen und viele tausend Juden mußten dem fremden Heere an den
Euphrat und Tigris folgen. Doch dauerte auch der Glanz der baby-
lonischen Herrschaft nicht lange, nur 70 Jahre (von 608—538), dann
war seine Frist abgelaufen, und der persische Held Kyrus strafte den
Uebermuth, welchen Babylon gegen andere Völker ausgeübt hatte.
Das assyrisch - babylonische Volk gehört zu den merkwürdigsten
Völkern der alten Welt; es beschränkte sich nicht wie der Hindu und
Chinese auf das Land, welches ihm die Natur als Gränze angewiesen
hatte, auf das Gebiet des Euphrat und Tigris, sondern drang erobernd
nach allen Richtungen vor; seine Sultane hatten es aber nicht auf
Zerstörung und Plünderung entfernter Länder abgesehen, wie Attila
und die mongolischen Weltstürmer, sondern sie wollten in ihrem verfei-
nerten Despotismus deren Hilfsquellen ausbeuten und damit ihre Macht
um so fester gründen. So ist ihr Streben unverkennbar, den ganzen
Welthandel in ihre Gewalt zu bringen und von jedem Zweige desselben
goldene Früchte für ihre Schatzkammern zu pflücken. Babylon war in
jener Zeit ein Brennpunkt des Weltverkehrs und durch seine Lage vor-
züglich dazu geeignet. Auf dem Euphrat kamen die Erzeugnisse aus
den Gcbirgsländern herunter, als: Felle, Eisen und andere Metalle, in
Fahrzeugen, die aus Fellen und Weidengeflechten zusammengemacht und
bei aller Unbehilflichkeit gegen das Umschlagen gesichert waren und eine
ziemliche Ladung trugen. Den Euphrat herauf kamen die Maaren
Indiens, Arabiens und der nächsten afrikanischen Küsten: Gold und
Silber, Edelsteine, Perlen, Elfenbein, Gewürze, Räucherwerk, Gewebe,
auch verschiedene Thiere. Daden (wahrscheinlich die Bahareinsmseln)
hieß der Stapelplatz, wo die Maaren in Schiffe umgeladen wurden, die
für den Euphrat und den großen Königskanal geeignet waren. Am
oberen Euphrat waren wohl Thapsakus und Charchemisch (Circesium)
die letzten Stapelplätze für die Flußschifffahrt. Die Schiffsladungen
wurden nun an die Kamele der Karawanenführer abgegeben, welche
sie über Tadmor (Palmyra) nach Damaskus, Baalbek (Heliopolis) und
von da in die Städte der Phönicier und Syrer, in die Häfen des
mittelländischen Meeres, lieferten. Diese große Handelsstraße suchten
die babylonisch-assyrischen Sultane bis an ihre Ausmündung am mittel-
ländischen Meere in ihre Gewalt zu bringen. Daher wurden von ihnen
so viele Feldzüge gegen Phönicien und Syrien unternommen, selbst dann
noch, als ihre Macht bereits durch den Anfall der Meder geschwächt
war. Von Phönicien und Palästina aus richteten sie ihre Angriffe gegen
Aegypten, welches durch das rothe Meer und die Häfen der arabischen
und abyssinischen Küste an dem Handel mit dem fernen Morgenlande
Theil nahm, so wie es über Meroö und die Oase des Ammonium mit
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