399
rief) mit Namen, einen wilden, tapfern Mann. Diesen reizte
Rusinus auf, nach Italien zu gehen. Als er in die Gegend von Ra-
venna gekommen war, ließ er dem Honorius sagen: „Das Volk
der Westgothen ist mit Weibern, Kindern und Heerden hier und
bittet um Land. Wenn es dem Kaiser gefällig ist, so bestimme
er einen Tag, an welchem Gothen und Römer sich in offener
Feldschlacht miteinander messen können/' Honorius antwortete:
Hört, liebe Gothen, geht doch lieber nach Gallien und Spanien >
Ich erlaube euch, das einzunehmen. Die ehrlichen Gothen ließen
sich den Vorschlag gefallen und brachen auch wirklich auf. Schon
waren sie bis an den Fuß der Seealpen gekommen und feierten
eben fröhlich das Osterfest; da wurden sie plötzlich von den Rö-
mern heimtükisch angefallen, die sich auf Honorius Befehl hier
zusammengezogen hatten. Zornig wandten sich die Gothen um,
griffen zu den Schwertern und schlugen die Römer zurück. Nun
war aber an kein Abziehen zu denken. Alarich kehrte sogleich
um, ließ Ravenna zur Linken liegen, verwüstete unterwegs Städte,
Dörfer und Felder und schlug im Angesichte Roms sein Lager
auf. Seit Hannibals Zeiten hatte man vor Roms Thoren keinen
Feind gesehen; die ganze Stadt gerieth daher in die höchste Be-
stürzung. Man schickte Gesandte mit Friedensvorschlägen in das
gothische Lager. Diese dachten durch Schilderung der großen
Macht ihres Volkes den rohen Helden recht zu schrecken. Alarich
aber lachte überlaut und rief: „Je dichter das Gras, um so leich-
ter das Mähen/' Als man ihm die versprochenen 5000 Pfund
Gold und 30,000 Pfund Silber nicht geben wollte, drang er
während der Nacht mit stürmender Hand in die Stadt und über-
ließ sie seinen Gothen zur Plünderung. Die während tausend
Jahren durch die Raubsucht der Römer aus der ganzen bekannten
Welt zusammengebrachten und aufgehäuften Schätze wurden jetzt
die Beute der Gothen. Diese Einnahme Roms fällt in das
Jahr 420 n. Chr., 800 Jahre nach der ersten Verheerung durch
die Gallier. Daß die Einwohner nicht ermordet und die Stadt
nicht abgebrannt wurde, ist nur dem Zustande zuzuschreiben, daß
die Gothen Christen waren und also menschlicher dachten. Auch
die Kirchen wurden nicht angetastet, so viel Schätze auch aus ih-
nen zu haben gewesen wären. Ein recht schöner Zug ist auch
uns aufbehalten, welcher zeigt, wie das Christenthum auch wilde
Gemüther erweicht und zu edlen Gefühlen stimmt. Ein Gothe
fand bei einer Frau goldene und silberne Gefäße. Schon wollte
er sie rauben; als er aber erfuhr, sie gehörten nicht ihr, sondern
dem Apostel Petrus, und sie hätte sie nur für die Kirche in Ver-
wahrung, wagte er nicht, die Heiligthümer anzugreifen, meldete
aber Alles dem König Alarich. Dieser befahl, die heiligen Ge-
fäße gleich in die Kirche zurückzutragen. Die Römer waren über
die Großmuth des Siegers so entzückt und über ~bte Erhaltung
der ihnen so theuern Gefäße, daß sie in feierlicher Prozession
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Extrahierte Personennamen: Honorius Honorius Honorius Honorius Honorius_Befehl Honorius Hannibals Gothe Apostel Petrus
403
regierten in dem kurzen Zeitraum von zwanzig Jahren noch neun
Kaiser, von denen immer einer den andern verdrängte. Zuletzt
machte Odozker, Befehlshaber der Herüler, Rugier und
Skiren aus dem heutigen Pommern, die sich an der Donau,
der Grenze des römischen Reiches, niedergelassen hatten, diesem
Spiele ein Ende. Bisher hatte Odoaker, gleich ausgezeichnet
durch Geisteskraft und Körpergröße, im römischen Heere als An-
führer deutscher Miethstruppen gedient. Er forderte für seine
Dienste den dritten Theil alles Grundeigenthums, und als die-
ser verweigert wurde, stieß er den letzten dieser Schattenkaiser,
einen Sohn des Orestes, Rom ul us genannt (wie der erste Be-
herrscher Roms), mit dem Zunamen Augustus, der aber, weil er
noch ein Kind war, in die Verkleinerung Augustülus überging,
vom Throne. Des jungen Kaisers unschuldiges Blut schonte er,
als dieser, Krone und Scepter niederlegend, um Gnade flehte,
wies ihm ein Schloß in Companien zum Wohnsitze an und gab
ihm ein Jahrgehalt. Ec selbst verschmähele es, den Kaisertitel
zu führen, und nannte sich König von Italien; seine Herr-
schaft dauerte 17 Jahre.
So wurde endlich im I. 476 das römische Reich gestürzt,
nachdem es 1230 Jahre bestanden hatte. Mit dem Falle Roms
schließt sich die alte Geschichte. An die Stelle der entarteten
Römer treten nun die rohen, aber unverdorbenen Völkerstämme
des Nordens und errichten über den Trümmern des römischen
Reiches neue, selbstständige Staaten mit eigenen Gesetzen, Sitten
und Sprachen.
Zweiter Abschnitt.
Das Mittelalter.
Von dem Untergange des weströmischen Kaiserthums bis zur
Reformation. 476.— 1517.
Die Deutschen und das Wilfensumrdigsie von den
außerdeutschen Völkern und Staaten.
L. Die Zeit der Entstehung des deutschen
Reiches.
Die Geschichte der Deutschen von ihrem ersten Auftreten
bis zur Gründung der fränkischen Monarchie (113 v. Chr. bis
26*
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Extrahierte Personennamen: Odoaker Augustus Augustus
Extrahierte Ortsnamen: Pommern Donau Rom Roms Italien Roms
404
51! nach Chr.) *) ist bereits im ersten Abschnitte erzählt. Wir
beginnen daher hier gleich Kdrfr. 1. Anh. Ii. Anh. Ii. S. 259.
§. 36.
Theodorich der Große, König der Ostgothen. 300.
(Kdrfr. I. Seite 239.)
Unter den Reichen, welche in diesem Zeitraum zur Blüthe gelang-
ten, nimmt das oft gothische in Italien die erste Stelleiin. Kaum
13 Jahre hatte Odoaker zu Ravenna geherrscht, als ein Mächtigerer
kam und ihn stürzte. Las war Theodorick) oder Dicdrich d. Gr.,
der Ostgothen König. Bisher hatten diese Ostgothcn in Pannonien,
dem heutigen Ungarn und Siebenbürgen, gewohnt und bei jeder Bewe-
gung den griechischen Kaiser Zeno zittern gemacht. Mit schwerem
Gelde bewirkte dieser Verträge und erhielt zur Sicherheit den jungen
Theodorich, den Sohn des ostgolhischen Königs als Geißel an seinen
Hof. Dort wuchs der Knabe zum blühenden Jüngling heran und wurde
vom Kaiser gar sehr ausgezeichnet. Er erhielt reiche Geschenke,
wurde sorgfältig unterrichtet und kehrte endlich, 18 Jahre alt, mit
großen Plänen in der Seele zu seinem Volke zurück, um den Thron
seines Vaters zu besteigen. Mit wachsender Angst beobachtete der Kai-
ser den unternehmungslustigen Jüngling und wünschte ihn weit von den
Grenzen seines Reiches. Daher war er froh, als Thecdorich einst zu
ihm sprach: „Du weißt, Italien liegt unter der Gewalt des Mieth-
lings Odoakcr. Erlaube mir, mit meinen Gothen dahin zu ziehen!
Falle ich, so bist du einen gefürchteten Nachbar los; segnet Gott aber
meine Waffen, so will ich Italien in deinem Namen reaieren.^ Der
Kaiser erlaubte es von Herzen gern, da ihm Italien nicht einmal den
Namen nach gehörte, und so zog Theodorich mit seinem ganzen Volke, mit
Weibern, Kindern und allen Habseligkeiten, die auf vielen tausend Wa-
gen nachgefahren wurden, von dannen. Odoaker erschrak nicht wenig,
als er den Anzug der Gothen erfuhr; er erwartete sie schon am Ein-
gänge Italiens, wurde aber mehrmals zurückgeworfen und mußte sich in
Ravenna einschließen, währen Theodorich ganz Italien unterwarf. Drei
Jahre lang vertheidigte er sich hier mit bewunderungswürdiger Tapfer-
keit und vereitelte alle Angriffe der Feinde. Erst als die Noth aufs
höchste gestiegen war, ergab er sich vom Hunger gezwungen, auf die
Bedingung, daß er Leben und Freiheit behalten solle. Theodorich nahm
ihn als Freund auf, aber nach wenigen Tagen ließ er ihn bei einem
feierlichen Gastmahle niederstoßen, indem er vorgab, Odoaker habe ihm
nach dem Leben getrachtet. So kam um das Jahr 492 Italien unter
die Herrschaft der Ostgothen, die sich durch das ganze Land zerstreuten
und nach ihren volkstbümlichen Gesehen und Weisen lebten.
Theodorich war ein wahrer Wohlthäter für Italien, und nicht mit
Unrecht ist ihm der Name des Großen beigelegt. Unter ihm lebte das
ausgeplünderte und vielfach zertretene Land sichtbar wieder auf. Weise
Gesetze wachten über Ordnung, Gerechtigkeit und Sicherheit, so daß man
sagte, man könnte ruhig einen Beutel mit Goldstücken auf dem Felde
*) Hiernach ist der Fehler Kdrfr. I. Seite 255 in der Uebcrschrist,
welcher sich bis in die 31. Aufl. durchgeschlichen hat, zu berichtigen.
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372
Fast suben Monate dauerte die Belagerung; da wurden endlich die
Römer durch Hungersnoth gezwungen, mit den Galliern Frieden zu
schließen. Die Römer sollten dem Brennus 1000 Pfund Gold geben.
Beim Abwiegen gebrauchten die Gallier falsche Gewichte, und als die
Römer sich hierüber beschwerten, warf Brennus auch noch sein Schwerdt in
die Waagschale und rief höhnend: „Besiegte müssen leiden!" Da erschien
plötzlich Camillus, der bisher in der Verbannung gelebt, jetzt die zerstreu-
ten Römer um sich versammelt und bereits manchen Hausen der nach
Raub und Beute sorglos umher schweifenden Gallier niedergehauen hatte.
Als er, in der Noth zum Dictator ernannt, die Ungerechtigkeit auf dem
Capitol sahe, gerieth ec in heftigen Zorn. „Weg mit dem Golde'."
rief er; „mit Eisen erkauft der Römer sein Vaterland!" Brennus be-
rief sich auf seinen rechtmäßigen Vertrag mit den Belagerten. „Der
gilt nichts, sprach Camillus; ich bin Dictator, und ohne mich kann
kein Römer Verträge schließen." Die Römer griffen zu den Waffen,
und Rom, obgleich in einen Schutthaufen verwandelt, wurde gerettet.
Das verarmte Volk wollte die wüste Brandstätte verlassen und nach
Veji auswandern,- jedoch Camillus hielt die Verzweifelnden an dem Orte
des alten Ruhmes zurück. Schnell wurde jetzt wieder gebaut, und bald
erhob sich aus dem Schutte ein neues Rom. Den Camillus aber nann-
ten die dankbaren Römer den zweiten Romulus, den Retter und Vater
des Vaterlandes.
tz. 22.
Krieg gegen Tarent. 282 — 272. Pyrrhus.
Die Einwohner von Tarent, einer griechischen Kolonie in Unter-
Italien, hatten römische Schiffe gekapert und im stolzen Uebermuthe
einen römischen Gesandten, Posthumius, der Genugthuung forderte,
öffentlich beschimpft. Das ganze Volk war hier der Schwelgerei erge-
den und deshalb so weichlich und feige, daß es nicht einmal den Gedan-
ken wagen mochte, gegen die abgehärteten Römer zu kämpfen. Sie
riefen daher den Pyrrhus, König von Epirus, zu Hülfe. Die-
ser war einer der größten Feldherrn seiner Zeit. Ec hatte sich Alexan-
der den Großen zum Muster genommen. Ein eben so gefeierter Held,
wie dieser im Osten gewesen war, wollte er nun im Westen werden.
Die Einladung der Tarentiner kam ihm daher ganz nach Wunsche. Er
schiffte sich ein mit dem Kerne seines Heeres, 25,000 kampfgewohnten
Kriegern, und einer Menge zum Streite abgerichteter Elephanten. Ge-
gen einen solchen Feind hatten die Römer zwar noch nicht gestritten;
allein sie verzagten nicht. Offen erklärten sie dem Pyrrhus, daß sie
ihn als Vermittler nicht wollten und als Feind nicht fürchteten. Die
erste Schlacht war sehr blutig, und Pyrrhus würde sie schwerlich ge-
wonnen haben, wenn die römischen Pferde nicht durch die Elephanten
scheu geworden, ihre Reiter abgeworfen und Verwirrung in die Reihen
gebracht hätten. Doch auch Pyrrhus hatte großen Verlust, und die
Tapferkeit der Römer erfüllte ihn mit Bewunderung. Er glaubte, die
Römer würden jetzt wohl zum Frieden geneigt sein, und schickte deshalb
den schlauen Cyneas nach Rom. Doch dieser kehrte unverrichteter
Sache zurück und erzählte: „Der römische Senat schien mir eine Ver-
sammlung von Königen zu sein, und das Volk noch zahlreicher und
kriegslustiger als zuvor." Bald darauf hatte Pyrrhus Gelegenheit, sich
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Extrahierte Personennamen: Brennus Brennus
Extrahierte Ortsnamen: Rom Rom Tarent Tarent Unter-
Italien Epirus Rom
373
hiervon zu überzeugen. Die Römer schickten wegen Auswechselung der
Gefangenen den alten Senator Fabricius an ihn. Pyrrhus nahm
ihn freundlich auf und wollte ihm ein reiches Geschenk als ein Zeichen
seiner Hochachtung geben. Fabricius aber sprach: „Ich muß, lieber
König, dein Anerbieten ausschlagen. Zwar bin ich arm, besitze nur einen
kleinen Acker und ein Häuschen, bin aber dennoch glücklich, denn ich
werde von meinen Mitbürgern geachtet. Mein Acker giebt mir, was
ich bedarf. Jede Speise schmeckt mir, weil der Hunger sie, würzt, und
ver Schlaf ist mir nach der Arbeit sanft. Dieser Mantel schützt
mich gegen die Kälte, und meine einfachen Geräthe sind bequemer als
kostbare. Behalte also dein Gold, wie ich meine Armuth und meinen
guten Namen!" Tags darauf wollte der König auch die Unerschrocken-
heit dieses Mannes prüfen. Ec ließ in dem Zelte seinen größten Ele-
phanten hinter einen Vorbang stellen. Während der Unterredung ward
dieser weggezogen, und plötzlich streckte das Ungeheuer mit fürchterlichem
Gebrüll seinen Rüssel über den Kopf des Fabricius hin. Dieser aber
sprach lächelnd: „So wenig mich gestern dein Gold gereizt hat, so we-
nig schreckt mich heute dein Elephant." Voll hoher Achtung gegen die
Römer erlaubte Pyrrhus allen Gefangenen, zu einem gerade eintreffen-
den Volksfeste nach Nom zu gehen, und alle kehrten zurück, nachdem
sie bei den Ihrigen fröhlich gewesen waren. In der zweiten Schlacht
siegte Pyrrhus mit so großem Verluste, daß er ausrief: „Noch ein solcher
Sieg, und ich bin verloren!" Ein Jahr darauf erhielt Fabricius einen
Brief von Niceas, dem Leibarzte des Pyrrhus, in welchem dieser sich
erbot, gegen eine angemessene Belohnung seinen König zu vergiften.
Fabricius schickte diesen Brief dem Pyrrhus, nachdem er dabei geschrie-
den hatte: „Hieraus erkenne die Treue deiner Diener!" Pyrrhus er-
staunte ob solcher Verrätherei und solchen Edelmuth und rief aus: „Die-
ser Fabricius ist eben so wenig von dem Wege der Tugend abzubringen
als die Sonne von ihrer Bahn." Den gewissenlosen Leibarzt ließ ec hin-
richten, gab den Römern ihre Gefangenen ohne Lösegeld zurück und bot
ihnen abermals Frieden an. Die Römer meinten jedoch, zuvor müsse
er Italien verlassen. Für die ausgelieferten Gefangenen gaben sie ihm
eben so viele gefangene Griechen zurück. In der dritten Schlacht rech-
nete Pyrrhus wieder vorzüglich auf seine Elephanten; allein Curius
Dentatus, ein Mann, der an Edelmuth und Genügsamkeit dem Fa-
dricius glich, ließ mit großem Geschrei brennende Fackeln und Pech-
kranze unter die Elephanten werfen. Davon wurden die großen Thiere
wüthend, warfen die hölzernen Thürme ab sammt den Leuten darin,
zertraten die Soldaten umher und liefen davon. Pyrrhus wurde völlig
geschlagen, sein Lager erobert, und in der Nacht schiffte er mit dem
Reste des Heeres still in sein Land zurück. Mit Tarent fiel nun (172)
ganz Unter-Italien in der Römer Hände.
Der Krieg mit Pyrrhus hatte für die Römer wichtige Folgen;
denn von ihm lernten sie die neuere griechische Kriegskunst kennen, durch
welche 50 Jahre früher Alexander d. Gr. ein so mächtiges Reich grün-
dete. In Tarent und den übrigen Städten Unter-Italiens, welche
ebenfalls von den Griechen bewohnt waren, wurden die Römer mit der
Bildung und Sitten der Griechen näher bekannt; auch sie singen nun
an, Künste und Wissenschaften zu schätzen, und die Griechen wurden
hierin ihre Lehrer.
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Extrahierte Personennamen: Niceas Curius
Dentatus Alexander_d Alexander
376
aufs tapferste vertheidigt. Man verrammte die Thore, sperrte den
Hafen mit einer starken Kette, nahm die Balken der Häuser zu
Kriegsschiffen, und ganz Karthago glich einer großen Werkstatt,
in allen Straßen wurde gezimmert und geschmiedet. Die Wei-
der gaben ihr schönes, langes Haar zu Bogensehnen her. Wer
nicht mit kämpfen konnte, schmiedete zu Hause Waffen für die
Krieger; denn man hatte alle Waffen den Römern ausliefern
muffen. In Rom setzte der alte Senator Cato unermüdlich
zur Zerstörung Karthago's auf. Jede seiner Reden schloß mit
den Worten: „Und endlich behaupte ich noch, daß Karthago zer-
stört werden muß/" Bis ins dritte Jahr hatte Karthago sich
tapfer vertheidigt; da drangen endlich die Römer in die Stadt,
erkämpften unter vielem Blutvergießen in 0 Tagen eine Straße
nach der andern, plünderten die Häuser und steckten sie in Brand.
Die unglückliche Stadt brannte 17 Tage', bis von ihr nichts
mehr übrig war, als ein rauchender Schutthaufen (140). Von
700,000 Einwohnern waren nur noch 40,000 am Leben. Wilde
Thiere und barbarische Völker hausen jetzt aus der Stätte,
wo einst das reiche Karthago blühete.
Ein gleiches Schicksal erfuhr in demselben Jahre Korinth,
damals die schönste und blühendste Stadt Griechenlands, welche
durch Mummius ihrer reichen Kunftschätze beraubt, ebenfalls in
einen Trümmer- und Aschenhaufen verwandelt wurde, worauf
Griechenland unter gänzlicher Botmäßigkeit der Römer gerieth.
§. 24.
Das alte Deutschland und seine Dewohner.
(Kdrfr. Anh. Ii S. 253.)
Das alte Deutschland war im N. von der Nord- und Ost-
see, im O. von der Weichsel und den Karpaten, im S. von der
Donau und im W. vom Rheine begrenzt. Ungeheure Waldun-
gen, Sümpfe und Heidestrecken bedeckten den Boden. Der her-
cynische (Harz-) Wald zog sich von den Alpen aus Südwest
nach Nordost, war 60 Tagereisen lang und 9 derselben breit, so
daß wahrscheinlich Schwarzwald, Odenwald, Spessart, Taunus,
Rhön, Harz, Thüringer Wald und Fichtelgebirge, Sudeten bis
zu den Karpaten, und im N. Wesergebirge und Teutoburgec
Wald zusammenhängende Waldstrecken dargeboten h-wen. Die
Strahlen der Sonne konnten noch nicht durch die dichten Wäl-
der dringen und den Boden erwärmen; daher war die Luft im
Herbste und Winter fast beständig mit Nebeln angefüllt. Die
wilde Natur lieferte anfangs kaum einige Beeren, Kräuter, Holz-
apfel und wilde Birnen (Knödeln, Kruschken), Wurzeln, nament-
lich Rettige von der Größe einest Kinderkopses, und eine Art
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Extrahierte Personennamen: Cato
Extrahierte Ortsnamen: Karthago Rom Karthago Karthago Karthago Korinth Griechenlands Griechenland Deutschland Deutschland Weichsel Donau Rheine Nordost Schwarzwald Odenwald Taunus
380
§ 25.
Die Kimbern und Teutonen. 713.
(Kdrfr. I S. 255.) *)
Rom war bereits eine ungeheure Weltmacht; dos ganze süd-
liche Europa war ihm unterworfen und außerdem noch ein großer
Theil von Afrika und Asien. In ihrem Stolze hielten die Römer
sich schon für die alleinigen.beherrscher des Erdkreises, und, mit
Geringschätzung auf die übrigen Völker herabblickend, schoben sie
auf allen Seiten ihre Grenzen immer weiter. — Sieh! da er-
scheint plötzlich im I. 113 v. Chr. ein wildes und unbekanntes
Volk an den Alpen, welche die Natur zwischen die nördlichen
Länder und Italien hingeworfen hat. Es waren die Kimbern
und Teutonen, die ersten Germanen, welche mit den Römern
in Berührung kamen. Durch eingetretene Hungersnoth, durch
Ueberschwemmung, oder durch irgend eine andere Ursache gezwun-
gen, hatten sie ihre Wohnsitze im N. Deutschland's verlassen und
waren mit Weibern und Kindern und allen ihren Heerden und
übrigen Habe aufgebrochen, um sich neue Wohnsitze zu suchen.
Sie breiteten sich in den Gegenden der oberen Donau aus, welche
von den norischen, salzburgischen und karnischen Alpen durchzogen
werden. Beinoreja in den steirischen Alpen schlugen sie den rö-
mischen Consul Papirius Carbo und gingen dann, nachdem
sich die Ambronen und mehrere andere deutsche und gallische
Völker mit ihnen vereinigt hatten, über den Rhein an die Grenze
der Helvetier hin, betraten das römische Gebiet in Gallien und
wollten sich hier niederlassen. Die römischen Heere, welche sich
ihnen entgegen stellten, schlugen sie in mehreren Schlachten und
brachten ihnen endlich eine solche Niederlage bei, daß 80,000 Rö-
mer getödtet wurden. Ganz Rom gerieth in Schrecken; zum
ersten Male, so lange,Nom stand, wollte Niemand Consul sein.
Da wählten die Römer den größten Kriegsmann jener Zeit, den
Cajus Marius, auf den das Volk vertrauete, wie auf keinen
andern, weil er sich schon in Afrika großen Kriegsruhm erworben
hatte, zum Feldherrn gegen die Deutschen, vor denen Rom zit-
terte, wie einst vor dem Gallier Brennus und Hannibal, dem
Karthager. Der strenge Marius bezog an der Rhone in Gallien
ein festes Lager und gewöhnte hier seine Krieger an den furcht-
baren Anblick ihrer Gegner. So vergingen drei Jahre, ohne daß
Marius sich zu einer Schlacht bewegen ließ; er hielt sich immer
an sicheren Orten und in wohlverschanzten Lagern auf. Endlich
wurden die Teutonen des langen Wartens müde. Da sie die
Römer weder durch Herausforderungen noch durch Schimpfreden
aus ihren Verschanzungen hervorlocken konnten, so brachen sie
auf und zogen kühn an dem römischen Lager vorüber, um es
hinter sich zu lassen und über die Alpen zu gehen. ^ Höhnend
*) Für die allgemeine Geschichte bezieht sich die Angabe der Seiten-
zahl nicht auf die Ausgabe des Kdrfrds. f. d. Prov. Preußen.
4
TM Hauptwörter (50): [T23: [Rom Römer Krieg Italien Stadt Jahr Heer König Rmer Hannibal], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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Extrahierte Personennamen: Cajus_Marius Marius Hannibal Marius Marius Marius Marius
Extrahierte Ortsnamen: Rom Europa Afrika Asien Italien Rhein Gallien Rom Afrika Rom Gallien
381
riefen sie den Römern auf ihren Wällen zu, ob sie Etwas an
ihre Weiber in Rom zu bestellen hätten. Sechs Tage währete
der Zug der Feinde. Als sie vorüber waren, brach Marius eben-
falls auf und folgte ihnen auf kürzeren Wegen nach. Einmal
mußte er auf einer Anhöhe sein Lager aufschlagen, während sich
die Teutonen unten am Flusse gelagert hatten. Einige römische
Troßknechte hatten sich an den Fluß geschlichen, um für ihre
Lastthiere Wasser zu schöpfen. Da trafen sie auf Feinde, welche
sich badeten und geriethen mit ihnen ins Handgemenge. Jeder
Theil rief die Seinigen zu Hülfe, und von beiden Seiten liefen
Schaaren herbei- Die Römer hatten jedoch die Ueberzahl und
trieben die Feinde in ihr Lager zurück. Durch diesen Versuch
ermuthigt, schickte Marius in der folgenden Nacht einen seiner
Anführer mit 3000 ausgesuchten Kriegern dem Feinde in den
Rücken. Er selbst stellte am Morgen sein Heer auf den Hügeln
in Schlachtordnung. Voll Freude, daß die feigen Römer endlich
Stand hielten, stürmten die Teutonen die Hügel hinan. Aber
ihr Eifer war ihr Unglück. Athemlos und ohne Ordnung kamen
sie oben an und konnten die festen Reihen der Römer nicht
durchdringen. Diese hatten dazu noch den Vortheil, daß sie hö-
her standen, wodurch ihnen der Kampf sehr erleichtert ward.
Nach vergeblicher Anstrengung müssen die Teutonen zurückweichen;
die Römer dringen nach, und zugleich fallen die 3000 aus dem
Walde hervor den Deutschen in den Rücken. In diesem furcht-
baren Gemetzel wurde fast das ganze Heer der Teutonen nieder-
gehauen und ihr Anführer Teutobod gefangen. Gegen 200,000
Teutonen und Ambronen sollen hier bei Aquä Sextiä faix)
ihren Tod gefunden haben.
Die Kimbern waren unterdeß, ohne das Schicksal ihrer Stam-
mesverwandten zu ahnen, durch die Schweiz und Tyrol nach
Italien gezogen. Auf den Alpen setzten sie sich auf ihre Schilde
und ruschten dann pfeilschnell die Schnee- und Eisberge hinab.
Der römische Feldherr Catulus hatte an der Etsch ein festes
Lager bezogen und die Brücke über den Fluß an beiden Enden
verschanzt. Ohne sich lange zu bedenken, brachen die Deutschen
Felsstücke los, rissen Bäume aus und warfen sie in den Fluß,
um sich einen Damm zu machen. Vieles davon wurde gegen
die Brücke getrieben, so daß krachend die Pfeiler wankten. Da
überfiel die Römer ein solcher Schrecken, daß sie eilends die
Flucht ergriffen.
Ganz Ober-Italien wurde nun von denkimbern überschwemmt.
Sie genossen das schöne Land nach Herzenslust, vergaßen aber
darüber, die Bestürzung der Römer zu benutzen und auf ihre
Hauptstadt loszugehen. Unterdessen kam Marius herbei, verei-
nigte sich mir dem Catulus und rückte gegen die Kimbern vor.
Diese forderten noch einmal Land für sich und ihre Brüder, die
Teutonen. „Was die Teutonen betrifft, erwiederte Marius den
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Extrahierte Personennamen: Marius_eben- Marius Marius Marius Aquä_Sextiä Catulus Marius Marius Marius Marius
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wo der große Hunnenkönig ruhe. Nach seinem Tode zerfiel unter
den Kriegen seiner Söhne das große Hunnenreich, welches sich
von der Wolga bis zum Rheine erstreckt hatte. Die Ostgothen,
Gepiden, Avaren, Longobarden und andere deutsche Völker, welche
bisher von den Hunnen abhängig oder mit ihnen verbunden wa-
ren, wurden wieder frei und behaupteten sich in ihren festen
Wohnsitzen. Die Ueberreste jener Barbaren aber wurden bis
zum schwarzen Meere zurückgedrängt.
«
§. 33.
Der Untergang des weströmischen Reiches. 476.
(Kdrfr. I S. 238.)
Krieg und wieder Krieg war in dieser wilden Zeit die Loo-
sung der Völker, die immer nur noch unsichere Wohnsitze, aber
kein Vaterland hatten. Rom in seiner Hinfälligkeit konnte sich
bald der Deutschen, die schon seine meisten Provinzen besetzt hiel-
ten, nicht mehr erwehren und eilte mit schnellen Schritten sei-
nem Untergange entgegen. Der mißtrauische Kaiser Valenti-
nian ermordete mit eigener Hand den Aetius, die letzte Stütze
des Reiches, das fast nur noch aus Italien bestand. Valenti-
nian wurde wiederum aufanstisten despetronius Maximus
ermordet, der nun selbst den Kaiserthron bestieg, und des Er-
mordeten Wittwe, Eudoxia, zwang, seine Gemahlin zu wer-
den. Aus Rache rief sie den Genserich oder Geisörich, Kö-
nig der Vandalen, herbei. Dieser ließ sich nicht zweimal nöthi-
gen. Geschwind schiffte er mit einem Schwarme seiner Vanda-
len über das Mitleimeer und erschien im Hafen von Ostia.
Der fliehende Maximus wurde in den Straßen Roms gesteinigt
und verstümmelt in die Tiber geworfen. Noch einmal wallfahrte
der Pabst Leo an der Spitze einer Prozession dem Geiserich ent-
gegen und flehete, die unglückliche Stadt vor Feuer und Schwerdt
zu verschonen. Der Vandale versprach es und hielt Wort. Am
25. Juni 435 hielt er seinen Einzug. Es floß kein ^Blut, es
loderte keine Flamme auf: aber vierzehn schreckliche Tage und
Nächte hindurch währte die Plünderung. Alle Kunstschätze und
Kostbarkeiten, die seit der Verheerung durch Alarich noch vor-
handen waren, auch das stark vergoldete Dach des Jupitertem-
pels und die goldenen Gefäße, die Titus aus dem Tempel zu
Jerusalem mit nach Rom gebracht halte, wurden als Beute von
den rohen Vandalen weggeführt. Unter den vielen Gefangenen,
die Geiserich mit fortschleppte, war auch — Eudoxia mit ihren
zwei Töchtern. Die Vandalen hatten so arg gewirthschaftet, daß
man seitdem jede muthwillige Zerstörung Vandalismus nennt.
Die letzte Stütze des Römerreiches waren drei Ausländer:
Recimer, Gundobald und Orestes. Unter ihrem Einflüsse
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Extrahierte Personennamen: Maximus Leo Leo Schwerdt Titus
Extrahierte Ortsnamen: Rheine Italien Eudoxia Ostia Roms Jerusalem Rom Gundobald
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liegen lassen ohne daß er weggenommen würde. Handel und Gewerbe
blüheten fröhlich empor, und auch für Künste und Wissenschaften wur-
den wieder Schulen eröffnet. Ganz Italien freuete sich seines neuen
Herrschers und sah hoffnungsvoll einer noch schöneren Zukunft entgegen.
Aber nur kurz war diese Freude, eitel diese Hoffnung; kenn nach Theo-"
dorich ging auch bald die Blüthe des Reiches unter. Ec starb kinder-
los 526, nachdem er 33 Jahre weise und kräftig regiert hatte. Inden
Sagen und Liedern der folgenden Jahrhunderte wurde er noch lange als
der Held Diedrich von Bern (wie die Deutschen seine Hauptstadt
Verona nannten) gefeiert. Seine Nachfolger erbten nur den Thron,
nicht aber des Stifters Geist, der allein ihm Dauer und Festigkeit hätte
geben können. Unter unmündigen und schwachen Königen zerrütteten
unruhige und herrschsüchtige Große das Reich und beschleunigten dessen
Untergang.
§. 37.
Kaiser Iustinian. 353.
(Kdrfr. 1. Seite 259.)
Im oströmischen Reiche regierte um diese Zeit Kaiser Justinian, unter
dem das griechische Kaiserthum einen ungewöhnlichen Glanz erhielt. Er
selbst zeichnete sich nicht durch große Eigenschaften aus; jedoch besaß
er die einem Herrscher nöthige Klugheit, sich mit den fähigsten Männern
seines Reiches zu umgeben. Dazu begleitete das Glück fast alle seine
Schritte. Sein kluges Weib, Theodora, früher eine Schauspielerin
und in Hinsicht ihrer Sitten übel berüchtigt, wußte sich eine unum-
schränkte Herrschaft über ihn zu verschaffen und thätig zu seinem Ruhme
mitzuwirken.
Nachdem der Kaiser einen Aufruhr in Konstantinopel glücklich un-
terdrückt hatte, schickte er seinen tapferen Feldherrn B eli sar nach Afrika,
um das vandalische Reich zu erobern. Hier hatte Gelimer den recht-
mäßigen König Hilderich, vom Throne gestoßen und in den Kerker
geworfen, sich selbst aber die Regierung angemaßt. Als Belisar nach
Afrika kam, um den frechen Thronräuber zu bestrafen, ließ er seinen
alten, unglücklichen Gefangenen sogar hinrichten. Nachdem er von Be-
lisar geschlagen worden war, floh er in das wüste Gebirge Maurita-
niens (Atlas) und verrammte sich in einem Bergschlvsse. Belisar zog
siegreich in das wiedererbaute Karthago, die Hauptstadt der Vandalen,
ein, während sein Unterfeldherr den flüchtigen König in seinem Schlosse
belagerte. Da es dem Gelimer bald an Allem fehlte, redete ihm der
griechische Feldherr zu, sich dem Kaiser zu ergeben. „Wäre es nicht
besser, schrieb er ihm, daß du bei den Griechen betteln gingest, als daß
du bei den Vandalen verhungerst? Füge dir doch nicht ein größeres
Uebel zu, als dir deine Feinde bereiten wollen!"— Der König antwor-
tete : „Ich will nicht der Sklave eines ungerechten Feindes sein, de» ich
mit keinem Worte beleidiget hatte, und der mich doch mit Krieg ver-
folgt. Er ist ein Mensch wie ich; auch ihn kann noch, wie mich jetzt,
die Hand des Unglücks ergreifen. Mehr kann ich nicht schreiben; die
Größe meines Unglücks raubt mir die Besinnung. Lebe wohl! Ich bitte
dich, sende mir meine Cither, ein Brot und einen Schwamm. Mit dem
Brote will ich meinen quälenden Hunger stillen, mit dem Schwamme
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