20
Stellt man nun die Frage, ob diese Summe wirklich eine so un-
geheure Belastung des deutschen Volkes darstellt, so sind die Mei-
nungen geteilt. Die einen halten die Belastung des deutschen Volkes
durch das Heer für die schwerste aller Lasten, die wir zu tragen haben.
Und da die übrigen europäischen Staaten zum Teil noch größere
Geldsummen für ihr Heer ausgeben, so meinen sie, Europa werde
demnächst unter den Militärlasten zusammenbrechen.
Andere dagegen sagen: Aber das Geld bleibt ja im Lande, es
wechselt nur den Besitzer. Die Belastung des deutschen Volkes durch
das Heer ist also nur scheinbar. In Wirklichkeit kostet uns das Heer
überhaupt nichts, sondern es ruft nur eine andere Verteilung der
Einkommen hervor.
Obschon diese beiden Ansichten einander genau entgegengesetzt
sind, leiden sie an demselben Fehler: sie versuchen beide, die Frage
nach den kosten des Heeres mit dem Geldbegriff zu lösen, was deshalb
unmöglich ist, weil die volkswirtschaftlichen kosten gar nicht in Geld,
sondern in Arbeit und Boden bestehen.
Ob die erste Anschauung von dem furchtbaren Druck, den das
Heer dem deutschen Volke auferlegt, richtig ist, können wir jetzt noch
nicht erkennen, sondern erst dann, wenn wir die kosten des Heeres
richtig (d. h. in Arbeit und Boden) berechnet haben. Daß dagegen
die zweite Ansicht falsch sein muß, läßt sich auch für denjenigen, der
nicht weiß, daß die volkswirtschaftlichen kosten in Arbeit und Boden
bestehen, leicht nachweifen. Märe nämlich die Meinung, daß uns
das Heer nichts kostet, richtig, so würde uns auch eine Verdoppelung
des Heeres nichts kosten, denn 2x0 = 0. Dann könnten wir sogar
das Heer verdreifachen, ja verzehn- oder verzwanzigfachen, denn
20 x 0 ist immer noch gleich 0. Warum stellen wir denn da nicht schon
im Frieden jeden gesunden Mann zwischen 17 und 60 Jahren in das
Heer ein?
Da dürften die Anhänger der Ansicht, daß uns das Heer gar nichts
kostet, wohl stutzig werden. Sie werden anfangen zu überlegen und
sagen: Wenn alle Männer zum Heere einberufen sind, so ist ja niemand
mehr da, der unsere Feldfrüchte baut, der unser Brot bäckt, der unsere
Häuser baut, der die stöhle aus den Bergwerken holt, der unsere
Kinder unterrichtet, der die Künste und Wissenschaften pflegt. Dieser
Einwand widerlegt die zweite Ansicht, und er zeigt uns ferner für die
Lösung unserer Frage den richtigen Weg, indem er darauf hinweist,
worin der Hauptteil der Kosten des Heeres tatsächlich besteht. Wenn
wir alle waffenfähigen Männer ins Heer einstellten, so würden für
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24
Wir wollen nur noch feststellen, daß die Meinung derjenigen,
welche glauben, das Deutsche Reich müsse demnächst unter den Militär-
lasten Zusammenbrechen, falsch ist. Denn wenn das deutsche Volt
reich genug ist, um den 10. Teil der Volksarbeit und den Io. Teil
des Volksbodens für die geistigen Getränke hinzugeben, so wird es
auch imstande sein, einen weit geringeren Teil der Arbeit und des
Bodens für das Heer aufzuwenden. Aber auch diejenigen haben
unrecht, welche glauben, daß uns das Heer überhaupt nichts kostet.
Denn in Wirklichkeit erfordert es den 20. Teil der Volksarbeit und
den 80. Teil des Volksbodens. — Bei unserem Vergleich haben wir
noch ganz davon abgesehen, daß die Unterhaltung eines starken Heeres
für die Verteidigung des Vaterlandes unbedingt notwendig ist, wäh-
rend die geistigen Getränke nicht nur überflüssig sind, sondern unserem
Volke sogar noch großen sittlichen und gesundheitlichen Schaden
bringen.
Die Rosten des Heeres betragen nur den 20. Teil der deutschen
Arbeit und den 80. Teil des deutschen Bodens.
12. Das Einkommen.
Wenn wir vom Einkommen eines Menschen reden, so denken wir
fast immer nur an sein Geldeinkommen. So sehr sind wir gewöhnt,
in allen wirtschaftlichen Dingen nur Geld zu erblicken. Aber das Geld-
einkommen eines Menschen ist schließlich etwas ganz Gleichgültiges.
Von Wichtigkeit ist vielmehr seine Lebenshaltung. Es kommt darauf
an, wie der Mensch lebt, wie er sich nährt, wie er sich kleidet, wie er
wohnt, was er überhaupt an Nahrungs- und Kulturmitteln ver-
braucht. Denn das ist der Maßstab für sein wirtschaftliches Wohl-
ergehen, nicht das in Geld berechnete Einkommen.
Daß das Geldeinkommen in der Tat kein Maßstab für den Wohl-
stand eines Menschen ist, können wir am besten in der Kriegszeit
beobachten. Die Geldeinkommen sind während des Krieges sogar
noch gestiegen, und zwar zum großen Teile recht bedeutend. Und
doch wird niemand behaupten, daß die meisten Menschen während
der Kriegszeit reicher geworden sind. Wir sind im Gegenteil im
allgemeinen viel ärmer geworden. Denn die Menge der Nahrungs-
mittel hat infolge der Absperrung durch die Engländer so erheblich
abgenommen, daß auf den einzelnen ein weit geringerer Anteil ent-
fällt als im Frieden. Daran würde sich auch nichts ändern, wenn wir
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30
armer Mann oder eine arme Frau oder ein armes Kind in Lumpen
einhergehen mutz. Und wer unnützerweise im Sommer seine Schuhe
verbraucht, ist schuld daran, datz ein armes Kind im Winter barfutz
oder in zerrissenen Schuhen herumlaufen mutz. Mehr Kleider und
Schuhe, als erzeugt werden, können nicht verbraucht werden. Wer
daher zuviel Kleider oder Schuhe verbraucht, trägt die Schuld daran,
datz andere Menschen sich nicht einmal das Nötigste an Kleidungs-
stücken verschaffen können.
Noch zwei Dinge gibt es, mit denen wir ganz besonders sparsam
sein müssen. Es sind dies Arbeit und Boden. Keine Arbeit darf
unnütz vertan werden, besonders in der Kriegszeit, wo so viele Millio-
nen arbeitender Männer zur Verteidigung des Vaterlandes einberufen
und viele andere Millionen arbeitender Männer und Frauen mit der
Anfertigung von Waffen und Ausrüstungsgegenstünden beschäftigt
sind. Wer mützig geht, verschwendet das kostbarste wirtschaftliche
Gut, das es auf Erden gibt: die Arbeit. Brachliegende Arbeit ist die
allerschlimmste Verschwendung! Hieraus ergibt sich für jeden Men-
schen die sittliche Pflicht zu arbeiten. Kein arbeitsfähiger Mensch
hat das Recht, mützig zu gehen, und wenn er auch noch soviel Geld
hat. Der Mütziggänger versündigt sich nicht nur an sich selbst, sondern
auch an seinen Mitmenschen. Er genietzt die Arbeit der anderen,
ohne selbst Arbeit zu leisten. Er ist ein arger Verschwender und wenn
er mit seinem Geld auch noch so sparsam umgeht.
Auch mit dem Boden müssen wir, besonders in der Kriegszeit,
sparsam umgehen. Wir müssen den Boden ausnützen, so gut wir
können, und keine nutzbare Fläche, wenn sie auch noch so klein ist,
brachliegen lassen. Auch brachliegender Boden ist eine arge Ver-
schwendung.
Die volkswirtschaftliche Sparsamkeit bezieht sich nicht auf Geld,
sondern sie ist eine Einschränkung im Verbrauch von Nahrungs-
und Rulturmitteln. Besonders sparsam müssen wir mit Arbeit
und Boden umgehen. Müßiggang ist die allerschlimmste Ver-
schwendung!
16. Das Lob der Arbeit.
Es hat Zeiten gegeben, in denen der arbeitende und besonders
der körperlich arbeitende Mensch verachtet wurde. Diese Auffassung
finden wir besonders bei den alten Griechen und Römern. Und
leider kann man nicht behaupten, datz sie heute gänzlich verschwunden
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32
ganger, sondern er ist auch volkswirtschaftlich viel wertvoller. Es
kommt also nicht darauf an, welchen Beruf ein Mensch ausübt,
sondern darauf, daß er in seinem Berufe tüchtig ist. Jeder einfache
Arbeiter, der seine Pflicht erfüllt, verdient die höchste Achtung. Denn
er leistet der Menschheit einen wertvollen Dienst.
Wer in diesem Geiste seine Arbeit verrichtet, wer da weih, daß
seine Arbeit der Allgemeinheit Nutzen bringt, der wird auch nicht
unzufrieden sein und nicht neidisch auf diejenigen sehen, die einen
„höheren" Beruf haben.
Jeder tüchtige Arbeiter verdient nicht nur die Achtung der
anderen, fondern hat auch das Recht, sich selbst zu achten, volks-
wirtschaftlich minderwertig und daher verächtlich ist nur der
Müßiggänger!
Druck von Breitkopf & Härtel in Leipzig.
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Schulformen (OPAC): Städtische Gewerbeschule
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
34
Gemütes bezeichnet; man spricht von einem guten, einem mit-
leidigen, einem steinernen Herzen, einem herzlosen Menschen u. v. a.
Alle starken Gemütszustände wirken auf das Herz ein. Plötz-
licher Schreck infolge eines Unglücksfalles, eine heftige Ge-
mütsbewegung kann den Herzschlag dauernd beschleunigen. Was
plötzliche heftige Erregungen hervorrufen können, das vermögen
auch wiederholte kleinere Aufregungen, seelische Schmerzen, ferner
Ausschweifungen aller Art zu bewirken. In dieser Hinsicht besteht
die Hygiene des Herzens darin, heftige Gemütserregungen mög-
lichst zu vermeiden. Diese Forderung ist allerdings recht schwer
zu erfüllen. Das Leben hat für unser Gemüt Stöße und Püffe
genug bereit, ja es verwundet sogar oft und recht tief. Dennoch
aber ist es Lebenskunst, Hygiene des Herzens, sich in allen Stürmen
das Gleichgewicht unseres Seelenlebens womöglich zu erhalten
oder es wenigstens bald wieder zu erlangen. Eine unbedingt
notwendige Voraussetzung hierzu ist aber: frei von Schuld!
Es steckt Lebensweisheit in dem Goetheschen Spruche:
„Du sollst mit dem Tode zufrieden sein;
warum machst du dir das Leben zur Pein?"
Schon die Jugend muß lernen, sich zu beherrschen. Wer
schlimmen Gewohnheiten und Leidenschaften ergeben ist, gibt
fortwährend unnütz Stückchen für Stückchen seiner Lebenskraft
hin, so daß diese frühzeitig zu Ende geht. „Das ganze Ge-
heimnis, sein Leben zu verlängern, besteht darin, es nicht zu
verkürzen." (Feuchtersleben.)
1b. Das Blut transportiert zu allen Körperstellen
a) Brennstoffe in den aufgesaugten Nährstoffen und
d) Sauerstoff.
Überall kann sich daher Kohlenstoff mit Sauerstoff verbinden;
überall findet eine langsameverbrennung statt. Überall
entsteht infolge der Verbrennung Wärme, jedoch nicht Licht.
Diese Wärme erhält unsern Körper stets auf
der Temperatur von 37 0.
16. Solange wir aber leben, gibt es keinen Stillstand in der
Atmung und im Blutlaus.
Die Stoffe, die unser Leben erhalten, sind in beständiger
Umänderung. Die Aufnahme der Nährstoffe und des Sauer-
stoffs, den Verbrauch derselben und die Ausscheidung der Schlacken
in beständigem Wechsel nennt man Stoffwechsel.
Wir leben so lange und sind so lange gesund
als der Stoffwechsel richtig vor sich geht.
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Städtische Gewerbeschule
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
97
Welche Sprache reden diese wenigen Zahlen? Für Bier
hat das deutsche Volk dieselbe Summe geopfert als für Fleisch,
für Bier mehr als für Brot! 3310 Mill. Ji in einem Jahre
nur für geistige Getränke! Wieviel Freude und Behaglichkeit,
wieviel Nützliches und Schönes hätte für Nahrung und Wohnung,
für Bildung und Kunst mit dieser Riesensumme, welche für geistige
Getränke ausgegeben worden ist, geschaffen werden können!
Der Alkohol schadet dem Wohl st ande unseres
Volkes.
1c. Die Richter wissen, wieviele Vergehen und Verbrechen der Be-
leidigung, der Körperverletzung, der Unsittlichkeit, des Mordes rc.
in der Trunkenheit begangen werden. Gerade der Sonntag,
der Tag des Herrn und der Tag der Ruhe, wird hierdurch
mehr als jeder Werktag entweiht.
Bericht der Münchener freiwilligen Rettnngsgesellschaft über Un-
fälle 1894-1896:
Wochentage 1894 u. 1895 1896
Montag 17,38 % 16,53 o/o
Dienstag 15,63 »/o 14,27 °/o
Mittwoch 11,37 % 12,98 o/o
Donnerstag 12,03 °lo 14,44 %
Freitag 14,31 o/o 12,93 %
Samstag 13,35 7o 12,76 »/o
Sonn- und Feiertage 15,93 7-> 16,09 o/o
Trunkenheit entsittlicht den Menschen und führt
oft zu Verbrechen.
1. Ganze Familien, die Bewohner ganzer Dörfer gingen elend
zugrunde, weil sie dem Laster des Branntweingenusses frönten.
Ist der Alkohol nicht ein Volksgift, ein Volks-
fei n d? —
9. Neben der Unmäßigkeit im Genusse von Alkohol zehrt teilweise
noch eine weitere Leidenschaft am Marke unseres Volkes und
der Menschheit, die Unsittlichkeit. Diese ruft entsetzliche körperliche
Leiden, frühzeitiges Siechtum und Lebensüberdruß hervor.
Zus. Alkohol und Unzucht sind furchtbare Feinde
der Menschheit. —
0. Derjenige Erwachsene, welcher den Sonntag zu einem Erholungs-
tage zu machen gewöhnt ist, empfindet nach einem Spaziergange
durch Anlagen und Wälder, nach einem längeren Marsche,
Durst. Er trinkt ein Glas Bier oder Wein und raucht dazu
eine Zigarre. Die geringe Menge Alkohol und Nikotin wird
aber durch die gesteigerte Atmung während der Rückwanderung
wieder aus dem Blute entfernt.
(¿¡?org-Eckert-lnstitut
für internationale
Schulbuchforschung
Braunschweig
-Schulbuchbibliothek -
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Städtische Gewerbeschule
Inhalt Raum/Thema: Gesellschaftskunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
100
4. Wer die Gebote der Natur befolgt, erfüllt damit auch Gebote
Gottes. Wer z. B. den Sonntag zu einem wirklichen Ruhetage
macht, befolgt Gottes und der Natur Gebot. Wer sich vor
Unmäßigkeit und Unreinheit bewahrt, erfüllt ein Gebot der
Sittlichkeit und schützt seinen Körper vor Krankheit und Siechtum.
Jedes Gebot der Sittlichkeit enthält auch ein Gebot der
Natur.
Sittlichkeit ist Gesundheit.
5. Gesundheit ist für jeden Menschen wichtig. Und doch! Wieviele
Menschen lernen sie erst schätzen, wenn sie krank sind!
Gesundheit ist besonders für den Arbeiter wichtig; denn sie
bedeutet für ihn Arbeitskraft, Verdienst. Gesundheit ist sein
einziges Kapital. Wenn der Besitzer dieses Kapital gut anzulegen
versteht, dann trägt es Zinsen. Ausreichendes Einkommen erzeugt
Zufriedenheit und Freude an der Arbeit und am Leben. Der
Reiche braucht zwar in der Regel die Gesundheit nicht dazu, um
sich den Lebensunterhalt zu verschaffen. Verliert aber nicht auch
er die Freude am Leben, wenn ihm die Gesundheit fehlt? Preist
nicht auch er die Gesundheit als das Wichtigste des Lebens,
wenn er auf dem Krankenlager seufzt?
Gesundheit ist das größte Gut.
6. Gesundheit und Sittlichkeit sind notwendig für das Lebensglück
des Menschen. Sie sind aber auch notwendig für die Erhaltung
einer großen Wirtschaftsgemeinde, eines Volkes. Ein Volk, welches
die Sittlichkeit mißachtet, geht unter.
Der deutsche Volksstamm hat zwar auch arbeitsscheue, laster-
hafte Glieder, die an Leib und Seele krank sind; er muß zwar
auch sehen, wie schlecht manche junge Leute mit ihrem Kapital
„Gesundheit" wirtschaften. Die große Mehrzahl des
deutschen Volkes aber ist voll Arbeitskraft und
Arbeitslust, voll Lebensfreude, ein Volk mit zäher
Widerstandsfähigkeit, ein sittlich starkes, ein
gesundes Volk. Das deutsche Volk hat darum
Hoffnung zu bestehen und zu blühen.
Trage jeder dazu bei!
(3sse>
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
11
Nur wenige Ausschnitte aus der Geschichte unserer Heimat und unseres
Stammes konnten wir an uns vorüber ziehen lassen. Aber sie zeigen zur
Genüge: Wenn es stolz macht, ein Deutscher zu sein, so dürfen wir auch
unsern Stammesnamen mit Stolz und Befriedigung nennen. Wir stehen
am Ende einer Reihe von Geschlechtern, von denen jedes etwas hinzugetan
hat zum reichen Erbgut unseres Stammes. Viele und verschiedene Menschen
sind über unsere Heimaterde hinweggegangen. Aber wie sie alle gleichen
Blutes, gleicher Abstammung waren, so haben sie auch die gleichen Eigen-
schaften zu allen Zeiten bewiesen: Unerschrockenheit, Tapferkeit, Warmherzig-
keit, Treue gegen die, die ihnen das Schicksal oder ihre eigene Wahl zum
Herrn setzten, rastlosen Arbeitseifer und Beharrlichkeit. Es ist, als wäre
das ganze Volk der Elsaß-Lothringer von Anfang an nur eine Person.
Wenn wir Heimat und Stamm so verstehen, dann rühmen wir nicht
nur die Vergangenheit und fühlen unsere Herzen stolzer schlagen, dann wissen
wir, daß diese Vergangenheit uns auch Verpflichtungen auferlegt. Wir
dürfen die Hände nicht tatlos in den Schoß legen. Das Erbgut erhalten,
das heißt, es vermehren. Wir dürfen nicht kleiner werden, als unsere Väter
sich gezeigt haben. Wenn sie Großes vollbracht, so müssen wir Größeres
zu schaffen suchen. Deshalb bedarf es der ernsten Selbstprüfung: Sind wir,
die Jetzigen, der Väter wert und würdig? Könnten wir, wenn heute die
lange Reihe derer, die einst gewesen, wieder aufstünde, vor sie treten und
sagen: Das haben wir hinzugetan zu dem, was ihr als die Früchte eurer
Arbeit uns vererbt? Wenn wir uns so prüfen, werden wir allerdings nicht
an so hohe Dinge denken dürfen wie eben, da wir die Geschichte der Heimat
durchwanderten. Warum, das wird sich bald zeigen.
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
12
3. Unsere Volkswirtschaft.
A. Was ist Volkswirtschaft?
Tapferkeit im Kriege. Freude am Soldatenwesen sind gewiß sehr
achtbare Tugenden. Man kann sie aber nicht jeden Tag bewähren. Sie
haben ihren Wert in Ausnahmezeiten. Daß wir ferner Deutschland be-
rühmte Gelehrte. Dichter und Künstler geliefert haben, darf uns stolz
machen. Es zeigt uns. daß gute Kräfte und Anlagen in unserm Volke
schlummern. Aber jene hervorragenden Männer waren Einzelne. Sie
konnten zwar nur hervorgehen aus einem Volke, das etwas wert war. Aber
sie erzählen uns doch zu wenig von diesem Volke selbst. Hat nicht auch
das Volk selbst, die große Menge derer, die weder Gelehrte, noch
Künstler werden konnten, denen es nicht vergönnt war, ihren Namen durch
kühne Kriegstaten in die Bücher der Geschichte einzutragen, etwas getan, was
des Rühmens wert wäre?
Die größte Menge der Menschen muß arbeiten, mit der Hand
arbeiten, muß Brot schaffen für sich und die Angehörigen, die es noch nicht
oder nicht mehr können. Sehr oft bewährt sich in dieser Arbeit ein Helden-
sinn. der nicht geringer ist als jener, der in Pulverdampf und Schwertgeklirr
zum Ausdruck kommt, nur daß ihm weder Lorbeer blüht, noch Nachruhm
winkt; oft sogar, ohne daß die Allernächsten etwas davon merken. Aber
auch hier machen die Bächlein zusammen einen Strom. Die Arbeit des
Einzelnen sieht man nicht. Nimmt man aber die der vielen Einzelnen zu-
sammen. so bekommt man die Arbeit eines ganzen Volkes, und
daran läßt sich sehr wohl erkennen, welcher Art dieses Volk ist. ob es
tüchtig und gesund ist oder nicht. Was der einzelne Landmann z. B. arbeitet,
bleibt verborgen, die Arbeit aller Landleute zusammen aber gibt einen Wert,
den man gar nicht übersehen kann. Ähnlich ist es in anderen Berufen.
Wenn wir also die Art unseres Volkes, das Maß seiner Kraft und
seiner Tüchtigkeit kennen lernen wollen, müssen wir dieses Volk bei seiner
Arbeit aufsuchen, nicht dem Einzelnen nachgehen, sondern die Werte fest-
stellen, die ganze Berufsstände erzeugen. Die Arbeit aller Berufsstände
eines Volkes nennt man wohl auch die Wirtschaft dieses Volkes.
Wir reden vom elsaß-lothringischen Volke und wissen doch, daß wir
kein Ganzes, kein Volk, sondern nur ein Teil, noch dazu ein kleiner
Teil eines großen Volkes sind. So können wir auch das Wirtschaftsleben.
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Bildungsstufen (OPAC): Berufliche Bildungsgänge, alle Lernstufen
Regionen (OPAC): Elsaß-Lothringen
Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
Geschlecht (WdK): koedukativ
40
wenigstens ebenso teuer wurde als der Natnrwein. Es genügte natürlich
nicht, wenn das nur in Elsaß-Lothringen geschah; fürs ganze Reich hätten
solche Gesetze gelten müssen. Aber konnte denn das das Reich? Wohl
vier Fünftel desselben wissen nichts vom Weinbau. Soll man vier Fünfteln
der Bewohner das Getränk verteuern, um einem Fünftel zu nützen? Selbst
im Elsaß wollten einsichtsvolle und ehrliche Männer und Volksfreunde von
einem Verbot oder einer übermäßigen Besteuerung des Kunstweins nichts
wissen. Sie sahen im Kunstwein ein billiges, die Gesundheit nicht schädi-
gendes Getränk für die vielen Arbeiter, Handwerker, Kleinbürger, das diese
wenigstens von dem so verderblichen Branntweingenusse abhielt.
So erwuchs unsern Winzern im Knnstwein ihr gefährlichster Gegner.
Schutzlos standen sie ihm gegenüber. Aller Kampf war vergebens. Man
schalt das Reich, man sah es als ein Unglück an, daß Elsaß-Lothringen
deutsches Land geworden war. Und doch litten die französischen Winzer
unter ähnlichen Verhältnissen. Ja, ihre Unzufriedenheit machte sich sogar
in kleinen Revolutionen Luft.
Doch noch mehr. Zu den Kunstweinfabrikanten gesellte sich dann der
Weinhandel als Schädiger unseres Weinbaues. Der Winzer selber verkauft
ja in den seltensten Fällen unmittelbar an den Verbraucher. Er gibt sein
Erzeugnis an den Weinhändler ab. Was dieser nach Altdeutschland liefert,
gilt als Elsässer Wein. Zum Unglück lernten aber die Weinhändler die
Weinverfälschung auch. Sie kauften Kunstwein zusammen, vermischten ihn
mit Naturwein und verkauften ihn wieder als „Naturwein". Viel Pfälzer
Wein ging auch ins Land. Der aber erlangte um die Jahrhundertwende
eine höchst traurige Berühmtheit, weil durch einige Prozesse nachgewiesen
wurde, wie sehr einige Weinhändler ihren „Wein" gefälscht hatten. Die
Handelsverbindung zwischen der Pfalz und dem Reichsland war allgemein
bekannt. Und so hat auch unser Wein durch die Aufdeckung jener Wein-
verfälschungen seinen guten Namen verloren.
Noch eine Reihe anderer Umstände haben mitgewirkt, die unsern Wein
nicht hoch kommen ließen. Sie können hier nicht alle aufgeführt werden.
Jedenfalls hat sich von den großen Hoffnungen unserer Winzer nach 1870
lange Zeit nichts erfüllt. Für alle andern Landeserzeugniffe, die wir bisher
kennen lernten, ist die Verbindung Elsaß-Lothringens mit dem Deutschen Reiche
von Segen gewesen. Nur unserm Wein blühte lang kein ähnliches Glück.
Was mußte denn nun geschehen, damit er wenigstens einen Teil seines
alten Ruhmes wieder erwerben konnte? Zunächst war sein Hauptfeind, der
Kunstwein, zu besiegen. Immer wieder haben unsere Winzer ein Reichs-
weingesetz verlangt, das den Naturwein, die edle Gottesgabe, von seinem
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