5
Für die Nacht wurden die kleinen Wagen (— viereckige Kasten auf vier Rädern), auf denen Weiber und Kinder die Krieger begleiteten, ringförmig zu einer Wagenburg an einander geschoben und diese wohl auch noch durch Erdwälle geschützt.
Freie ohne Eigentum oder kriegs- und abenteuerlustige junge Männer begaben sich wohl auch in Friedenszeiten in den Dienst einesedlen und bildeten sein „Gesinde" oder seine Gefolgschaft; er war ihr Gefolgsherr und hieß — weil er aus edlem Geschlecht (— kuni) stammte — „Kuning" ( — König) unter seiner Führung zogen sie auf Krieg und Beute; ihm waren sie in unwandelbarer Treue ergeben.
Über dem Gaue stand als Richter ein von den freien Männern in öffentlicher Volksversammlung gewählter Graf (— graw -grau, also das Alter andeutend); umgeben von seinen Beisitzern oder Schössen sprach er an der Malstätte nach altem Brauche das Recht.
Verbrechen wurden durch Wergeld (= Vieh oder Waffen) gebüßt. In unklaren Fällen entschied das Gottesurteil: freie Männer unterwarfen sich dem Zweikampf, Frauen und Sklaven der Feuer-, Wassel- oder Kreuzesprobe.
Ii.
Wett- und Köllersagen
Die gewaltigen Naturkräfte erschienen den Germanen als Götter, und in sinnige Sagen kleideten sie ihre Gedanken über Ursprung und Untergang der sichtbaren Dinge.
I. Weltentstehung.
1. Im An sän ge gab es nur eine dunkle, kalte Nebelwelt ( - Niflheim) und eine glntsprühende Fla mm en welt (— Mus-pelheim); zwischen beiden gähnte ein öder unermeßlicher Abgruud. Aus ihm erhoben sich zwei Wesen: der Stammvater des Riesengeschlechts und der Stammvater des Götter- oder Asengeschlechts. Die Asm (-- Stützen der Welt) töteten den Riesen, warfen feinen Leib in den Abgrund und bildeten aus ihm die Welt: aus feinem Blute das Wasser, aus seinem Fleische die Erde, aus seinen Knochen die Berge, aus seinen Zähnen die Steine, aus seinem Gehirn die Wolken, aus seinem Schädel den Himmel; unter die vier Ecken des letzteren setzten sie als Wächter vier Zwerge: Anstri, Westri, Nordn und Südri. Die von der Flammenwelt ausgeworfenen umherfliegenden Feuerfunken wurden als Gestirne am Himmel befestigt, um alles zu erleuchten, und kreisrund um die Erde wurde das Meer gelegt.
Zuletzt bilbeten die Götter den Menschen; aus mancherlei Stoffen setzten sie ihn zusammen: seine Gebeine aus Stein, sein
Fleisch aus Lehm, fein Blut aus Wvisier, fein Herz aus Wind, seine
Gedanken ans Wolken, seinen Schweiß aus Tau, sein Haar aus Gras,
seine Thränen ans Salz, seine Augen aus Sonnenlicht.
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115
Faustrechts ein Ende. Zur Schlichtung der Streitigkeiten der Reichsglieder unter einander setzte er das Reichskammergericht ein. Dazu teilte er Deutschland in 10 Kreise
(— der bayrische, schwäbische, fränkische, oberrheinische, niederrheinische, westfälische, niedersächsische, obersächsische, östreichische und burguudische Kreis); jeder Kreis hatte einen Kreisobersten, der in seinem Gebiete den Landfrieden ausrecht zu erhalten und die Urteile des Kammergerichts zu vollstrecken hatte. Die Schweiz mochte von diesen Neuerungen nichts wissen, auch zu den Kosten derselben nichts beitragen, und da Marmilian sie nicht zu zwingen vermochte, trennte sie sich ganz von dem deutschen Reichskörper.
Zur Förderung des Handels und Verkehrs führte Max-milian das Postwesen in Deutschland ein und übertrug dem Grafen von Turn und Taris das Generalpostmeisteramt. Vorher geschah die Bestellung der Briefe in dringenden Fällen durch eigene, von den Fürsten und Herren abgesendete Boten, sonst aber meist gelegentlich durch Pilger und Mönche oder ganz besonders durch Metzger, weil dieselben durch ihren Beruf (— Einkauf oder Lieferung vou Vieh) oft in entfernte Gegenden geführt wurden. Später fetzten sich die Städte ihres Handels wegen durch besondere Boten in regelmäßige Verbindung. So waren in Danzig reitende oder fahrende „Läufer" zur Besorgung der Briese der einheimischen und der in der Stadt weilenden fremden Kaufleute angestellt; ebenso fand zwischen Augsburg und Venedig schon im 14. Jahrhundert ein regelmäßiger Verkehr statt. An allen Orten, die sie berührten, kündigten diese reitenden oder fahrenden Boten ihre Ankunft und Abreise mit Hörnern an; das mag den ersten Anlaß zur Entstehung des Posthorns gegeben haben. Bald konnten die blosen Boten dem Handel nicht mehr genügen; in den Städten fing man an, sich des Fuhrwerks zur Fortschaffung der Güter zu bedienen. Häufig schlossen sich Reisende solchen Fuhrleuten an. Bei gutem Wetter gingen sie aus der schlecht unterhaltenen Straße neben dem Wagen her, bei schlechtem suchten sie mit dem Fuhrmann und dessen Hunde unter einem Leinwanddache (— Plane) auf dem Wagen Schutz. Freilich ging solche Reife langsam: mehr als drei Meilen wurden den Tag über nicht zurückgelegt. Wer sicher reifen wollte, verschaffte sich von einem Fürsten oder einer Stadt einen untersiegelten Geleitsschein, in dem ausdrücklich stand, der Inhaber fei ehrlich, ehelich geboren, kein Wende oder Slave, teilt Schäfer, Schinder oder Spielmann und nicht der Sohn eines solchen, denn diese waren überall rechtlos.
Persönlich zeichnete sich Kaiser Maxmilian durch alle ritterliche Tugenden aus. Mutig folgte er der flüchtigen Gemse auf die steilsten Alpen höhen, und tapfer verteidigte er Deutschlands Ehre gegenüber französischer Prahlerei. Künsten und Wissenschaften war er ein eifriger Fre und. Mit sieben Hauptleuten vermochte er sich während eines Krieges in sieben verschiedenen Sprachen zu unterhalten. Seiner Sorge danken wir die Erhaltung der Gudruudichtung, die er für die Dauer aufschreiben ließ. Dabei war sein Grundsatz: „Deutsch bin ich und sinn' ich, deutsch handle
8*
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Extrahierte Personennamen: Fuhrmann
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Deutschland Danzig Augsburg Venedig Deutschlands
117
ehrung ihrer Reliquien (—Überreste); man lehrte, nach dem Tode komme die Seele in's Fegefeuer, um die irdischen Sünden abzubüßen; durch bezahlte Gebete der Priester aber (—Seelenmessen) können sie daraus befreit oder ihre Strafzeit doch abgekürzt werden; fürgeld gewährte man auch schon auserdeu Ablaß (—Erlaß der irdischen und himmlischen Strafen für begangene Sünden). Daneben stritten sich die Gelehrten über allerlei nichtsnutzige Fragen: warum Adam im Paradies von einem Apfel und nicht von einer Birne gegessen habe — wie viel Engel aus einer Nadelspitze Platz hätten — in welcher Sprache die Schlange zur Eva geredet habe — ob Christus auch in Gestalt eines Esels oder eines Kürbisses die Welt habe erlösen können — und dergleichen mehr. Das gewöhnlichevolk aber lebte in ent-setzlichemaberglaubeudahiu. Eiuefolge desselben waren die abscheulichen Hexenprozesse.
Hexen nannte man Personen, von denen man meinte, daß sie mit dem Teusel ein Bündnis geschlossen, ihm ihre Seele verkauft und dafür von ihm übernatürliche Macht empfangen hätten, um andern Böfes zu thun. Namentlich kehrte sich der Verdacht gegen das weibliche Geschlecht. Mit unmenschlicher Grausamkeit verfuhr man gegen die Armen, um ein Geständnis aus ihnen herauszupressen. Man drückte ihnen die Daumen durch eiserne Schrauben zusammen, daß das Blut zu den Nägeln herausspritzte; mit den spanische» Stiefeln (— Beins chranben, inwendig mit eisernen Zacken versehen) brach man ihnen die Knochen entzwei; man band sie mit den Händen an die oberste Sprosse einer Leiter und zog ihnen mit einer an den Füßen befestigten Walze den Körper anseinander, daß alle Bänder, Knochen und Muskeln außer Ordnung kamen, und setzte die Folter so lange fort, bis man durch den Leib des Gequälten ein dahinter gehaltenes Licht hindurchscheinen sah. Und gestand dann der Unglückliche — um nur von den gräßlichen Schmerzen frei zu werben —, was feine Peiniger wünschten, so war zuletzt der Tod auf dem Scheiterhaufen sein Los.
So war es benn natürlich, beiß sich allgemein der Wunsch nach einer Reformation geltenb machte. Hie und ba traten ernste und wohlnteinenbe Männer auf und versuchten eine Besserung der Zustände herbeizuführen, und wenn ihnen auch das Werk nicht gelungen ist, ja wenn auch manche von ihnen ihr Unternehmen mit dem Tode büßten, so haben sie boch der eigentlichen Reformation den Boben bereitet und sinb ihre Vorläufer gewesen.
2. Ein solcher Vorläufer der Reformation war Petrus 2btii= dus; er lebteum das Jahr 1170 und war ursprünglich Kaufmann in Lyon. Die beim Gottesdienste lateinisch vorgelesenen biblischen Abschnitte weckten in ihm das Verlangen, zu wissen, was eigentlich in den-selben gesagt sei. Darum ließ er sich einige Bücher der h. Schrift, namentlich die Evangelien, in_ die französische Sprache übersetzen. Durch ihr Studium gewann er die Überzeugung von der Verderbnis der Kirche. Durch den plötzlichen Tod eines Freundes erschüttert, verkaufte er alle
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Extrahierte Personennamen: Adam Eva Christus Petrus
135
Inquisition ein. Geistliche Richter mußten streng über jede Abweichung von der katholischen Lehre wachen. Das Singen eines evangelischen Liedes oder der Besuch einer protestantischen Versammlung war ausreichend zur Anklage und Verurteilung; ja, schon bloser Verdacht genügte, um jemand den Händen der unerbittlichen Richter zu überliefern. Rettungslos war er alsdann dem Verderben preisgegeben. Mit Hilfe schrecklicher Folter erpreßte man jedes beliebige Geständnis. Darauf wurden die unglücklichen Schlachtopfer an den Tagen der großen Verbrennung zum Scheiterhaufen geführt. Mit feierlichem Prunke zog der traurige Zug durch die Gassen zum Richtplatz. „Eine rote Blutfahne wehte voran; alle Glocken läuteten; voran gingen Priester im Meßgewands und sangen ein heiliges Lied. Ihnen folgte der verurteilte Sünder, in ein gelbes Gewand gekleidet, auf welches schwarze Teufelgestalten gemalt waren. Auf dem Kopfe trug er eine Mütze von Papiers die sich in eine Menschenfigur endigte, um welche Feuerflammen schlugen. Abgewendet von dem Verdammten wurde das Bild des Gekreuzigten getragen, denn für den Verurteilten galt nicht mehr die Erlösung. So wie sein sterblicher Leib den irdischen Flammen, so gehörte seine unsterbliche Seele den Flammen der Hölle. -9nt Munde trug er einen Knebel, damit er weder seinen Schmerz durch Klagen lindern, noch die Geheimnisse seines ungerechten Processes mitteilen konnte. Hinter ihm ging die Geistlichkeit in festlichem Ornate, die Obrigkeit und der Adel; feine Richter beschlossen den schauerlichen Zug." Solche feierliche Verbrennungen wurden gewöhnlich auf hohe Festtage Verspart und „Auto da Fe's," d. h. Glaubenshandlungen, genannt.
Umsonst versuchten die Häupter des niederländischen Adels, der schweigsame und umsichtige Prinz Wilhelm Von Oranien und der ritterliche, freundliche Gras Egmont, den strengen Sinn des Königs, der auch sonst die alten Rechte mannigfach verletzt hatte, zu beugen. Lieber wolle er, so erklärte er, tausendmal sterben und jeden Fußbreit seines Reiches verlieren, als die geringste Veränderung in der Religion gestatten. D a kam diewutdes Volkes zum Ausbruch. Ein Aufstand brach los; rasende Volkshaufen stürmten die katholischen Kirchen, stürzten die Altäre um, verstümmelten Kruzifixe und Heiligenbilder, zerstreuten die Hostien und traten sie mit Füßen; binnen drei Tagen waren 400 Kirchen und Kapellen verwüstet. Philipp, fest entschlossen, das widerspenstige Land seinem Willen zu unterwerfen, sandte den Herzog Alba mit einem Heer. Angst und Schrecken eilte diesem voraus, denn ferne grausame Härte war genügend bekannt; „nie kam in fein Gesicht ein Lächeln, nie in sein Herz ein Gefühl der Menschlichkeit". Wer fliehen konnte, floh; mehr als 10000 Kaufleute und Handwerker suchten sich mit ihrer Betriebsamkeit und ihrem Vermögen in England und Deutschland eine neue Heimat. Auch Wilh elm von Oranien beschloß, das Land vorläufig zu verlassen. Egmont bestürmte ihn, zu bleiben. „Es wird dir deine Güter kosten," ries er, „wenn du aus deinem Beschlusse verharrst." „Und dir," erwiderte jener, „das Leben, wenn du den deinen nicht änderst." Er ging; Egmont und fein Freund Graf Hoorn blieben im
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Extrahierte Personennamen: Wilhelm Philipp Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Meßgewands England Deutschland
147
Trümmern oder waren gänzlich verschwunden; Schwert, Hunger, Krankheit und Marter hatten mehr als zwei Dritteile der Bevölkerung hinweggerafft. Der Ackerbau lag völlig darnieder; die Wälder waren voll reißender Tiere; hungrige Wölfe und Bären zeigten sich ohne Scheu in den Dörfern, selbst vor ausgehungerten Hunden waren die Menschen nicht sicher. Handel und Gewerbe stockten, Kunst und Wissenschaft waren aus Deutschland verscheucht. Roheit und L>ittenlosigkeit waren überall eingerissen; der stete Anblick des allgemeinen Jammers hatte die Herzen verwildert; mutwillig wurden Vieh, Feldfrüchte und Wohnungen vernichtet; Brand, Raub und Totschlag waren etwas alltägliches geworden; man mordete aus Genuß und zum Zeitvertreib und erfand mit teuflischer Lust immer neue Martern, um das arme Volk zu quälen (Schwedentrunk rc). Es bildeten sich Banden, die auf Menschen wie auf wilde Tiere Jagd machten, und als man in der Gegend von Worms eine solche Jagdgenossenschast, die um siedende Kessel herumsaß, auseinandertrieb, fand man menschliche Arme, Hände und Beine zur Speise bereitet in den Kochgeschirren vor. Religion und Tugend, Frömmigkeit und Scham wurden von dem des Friedens und der Ordnung entwöhnten Geschlechte für nichts geachtet, und statt des frommen Glaubens der Väter herrschte Unglaube und rohester Aberglaube. Der Soldat glaubte sich durch Zaubermitttel hieb-, _ stich- und schußfest machen zu können; durch Liebestränke suchte man die Zuneigung anderer zu gewinnen; unter unsinnigen Sprüchen und Gebräuchen grub man mit der Wünschelrute in der Hand an verrufenen Orten nach verborgenen Schätzen. Von andern glaubte man, sie stünden mit dem Teufel im Bunde und könnten um deswillen übernatürliche Dinge verrichten. Besonders standen die Frauen im Verdachte der Hexerei. Schon das finstere, unheirn-ltche Aussehen eines alten Weibes, irgend ein besonderes Merkmal, wie rote oder schielende Augen, irgend eine zufällige Rede genügte zu solchem Verdacht. Ansteckende Krankheiten und Viehseuchen, Mißwachs, Haqel Feuers- und Waffersnot, jedes häusliche Mißgeschick — alles legte man den Hexen zur Last. Mit Eifer suchte man sich ihrer durch die schrecklichen Hexeuprocesse zu entledigen. Ein besonderes Buch, der Hexenhammer, gab den geistlichen und weltlichen Richtern die notige Anleitung. Durch die ausgesuchtesten Martern suchte man das Geständnis zu erpressen. Und wirklich bekannten zahllose solcher vermeintlichen Hexen unter den Dualen der Folter alles, was man hören wollte — daß sie wirklich mit dem Teufel Verkehr gehabt, rm5 _ ' ^urcf) die Luft zum Hexensabbat!) geritten wären und den höllischen Festen beigewohnt hätten. Der Tod auf dem Scheiterhaufen war das unvermeidliche Ende. Überall im deutschen ?D^mtncls.te man auf die Hexen; überall brannten Scheiterhaufen und Menschen daraus als unglückliche Opfer des Aberglaubens. In Lothringen ließ ein einziger Richter binnen 15 Jahren 800 Hexen verbrennen; der Bischof von Würzburg ließ in den Jahren 1627 bis 1629 m feinem Stifte ihrer 900 zum Tode führen; in der Grafschaft Neiße wur-
10*
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Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Worms Lothringen Würzburg
148
den binnen 11 Jahren (1640— 1651) an 1000, in Osnabrück in einem einzigen Jahre 80 Hexen „eingeäschert." Selbst Kinder den 8, ja 6 Jahren würden nicht verschont. Man schätzt die Zahl berer, die allein in Deutschland wegen Hexerei ans bic Scheiterhaufen geschleppt würden, aus 50000. Umsonst kämpften aufgeklärte Männer gegen den Wahnsinn; erst im 18. Jahrhuubert würde der Hexenglaube völlig unterbrückt; 1749 würde zu Würzburg die letzte Hexe auf beutschem Boben verbrannt.
Zu all diesem innern Elenbe kam die Schmach nach außen: b er unselige Krieg hatte Deutschlanbs Macht und Ansehen vernichtet; frembe Mächte —Schweden nnb Frankreich — sprachen in seine Angelegenheiten. Die von b e n einzelnen F ü r st e n errungene Selbstänbigkeit schäbigte Deutschlanbs Einheit und brückte die kaiserliche Macht zum bloseu Schatten herab.
Xiv.
Das Zeitalter Ludwigs Xiv. i.
Ludwig Xiv. und Deutschland.
(Siehe Cursns I. p. 117 — 124.)
1. Nach dem 30 jährigen Kriege erlangte Frankreich — namentlich unter Ludwig Xlv. — das politische Übergewicht in Europa, das bisher Deutschland besessen. Subtotg Xiv. (1643 —1715) war ein ehrgeiziger und herrschsüchtiger Mann, der in seinem Reiche als unumschränkter Alleinherrscher auftrat. Bor seinem Willen und seiner Person sollte jebe anbre Rücksick t zurücktreten ; unbebingter Gehorsam galt ihm als Verbienst, jedes Wiberstreben als straswürbiges Verbrechen — „der Staat bin ich", war sein Grunb-satz. Durch solch bespotisches Regiment erlangte freilich das Reich eine Einheit und bamit eine Macht und ruhmvolle Stellung, wie sie bamals kein anbres besaß.
Ganz anders stanb es in Deutschland, wo zu jener Zelt Ferbinanbs Hi. Nachfolger Leopold 1. (1657 — 1705) regierte. Ge* spalten in mehr als 300 größere und kleinere einzelne Reichsstänbe, glich es einem Rumpfe mit hunberten von Köpfen; jeber der Fürsten wollte selbst einen König vorstellen; dem Kaiser gehorchten sie nur, soweit es ihnen beliebte und in ihrem eigenen Interesse lag, und nur selten waren sie bereit, für das Reich etwas zu thun. Es war so, wie einer der Kurfürsten einst sagte: „Der Kaiser besitzt im Reich (— seine Erblänber ausgenommen —) nicht so viel Land, um sich ein Haus baraus bauen, und nicht so viel Einkünfte, um einen Tag bavon leben zu können." Bei
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Extrahierte Personennamen: Deutschlanbs Deutschlanbs Ludwigs Ludwig_Xiv Ludwig Ludwig_Xlv Ludwig Leopold Leopold
Extrahierte Ortsnamen: Osnabrück Deutschland Frankreich Deutschland Frankreich Europa Deutschland Deutschland
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sich m das Unvermeidliche mit den Worten: „Möge aus meinen Gebeinen ein Rächer entstehen!"
3. Bald schritt Ludwig auf dem Wege des Übermuts und der Anmaßung weiter. Ohne Grund erhob er Anspruch auf alle die Orte, welche früher einmal zu den seit dem westfälischen Frieden an Frankreich abgetretenen deutschen Ländern gehört hatten, setzte zur Erledigung der Angelegenheit^ besondere Gerichtshöfe (= Reunionskammern)' ein und schlug die ihm^ von denselben zugesprochenen Gebiete ohne weiteres zu seinem Reiche. 3a, mitten im Frieden entriß er Deutschland plötzlich — 1681 — die alte freie Reichsstadt Straßburg; der verräterische Bischof und mehrere bestochene Ratsherren der Stadt waren ihm zu dem Raube behilflich.
Dem allen sah Deutschland ruhig zu; ein zweifaches band ihm die Hände: die Uneinigkeit im Innern und die Türkengefahr im Osten. Schon 1663 war in Regensbnrg zur Abhilfe der Übelstände und zur Abwehr der Gefahren ein Reichstag zusammengetreten; aber bei dem gegenseitigen Rangstreit und der gegenseitigen Mißgunst und Eifersucht der Fürsten schritten die Beratungen so langsam fort, daß nach vier Jahren die Geschäfte noch nicht erledigt waren. Da kam man auf den Gedanken, den Reichstag bleibend zu machen. Kaiser und Stände sollten dauernd durch Gesandte in Regensburg vertreten sein; in ihrem Namen sollten dieselben die Angelegenheiten des Reichs besorgen. Sohatseit1663biszuraus-lösung des H. deutschen Reichs in Regensburg ein Reichstag bestanden; aber die Fürsten haben ihn nur selten, der Kaiser gar nicht mehr besucht; in ihrem Namen tagten eben die Gesandten; weil sie indes bei jedem zu erledigenden Handel über ihre Abstimmung und ihr Verhalten erst die Weisung ihrer Gebieter einholen mußten, so nahmen die Verhandlungen einen entsetzlich schleppenden Gong, und ausgerichtet wurde fast niemals etwas.
Das zweite, woran Deutschland damals krankte, war die Türkennot. Seit dieselben 1453 Konstantinopel erobert hatten, waren sie im Osten die gefährlichsten Nachbarn des Reichs, besonders Ostreichs, geworden. Wahrend derreformation schwebte Deutschland in beständiger Türkengesahr, und Karl V. hatte alle Klugheit und Kraft aufbieten müssen, um sie zu beseitigen. Auch während des 30jährigen Kriegs hatten die Türken die Feinde Ostreichs mehrfach unterstützt. Jetzt brachen sie 1683 unter ihrem Großvezier Mnstapha abermals mit starkem Heer in das deutsche Gebiet und drangen bis vor die Mauern Wiens. Erschreckt floh der Kaiser nach Linz; die nur von schwacher Besatzung verteidigte Hauptstadt schien verloren. 60 Tage hielt fte sich durch den Heldenmut ihrer Bewohner — da erschien Hilfe. Ein Heer unter dem Polenkönig Johann Sobieski, dem Kurfürsten Johann Georg m. von Sachsen und andern Fürsten eilte zum Entsätze herbei, schlug die Türken in heißer Schlacht und befreite Wien. Auch die Fortsetzung des Kriegs war für die Türken nicht günstig. Prinz Engen von Savoyen,
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Extrahierte Personennamen: Ludwig Ludwig Karl_V. Karl_V. Großvezier_Mnstapha Johann_Sobieski Johann Johann_Georg_m Johann
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Deutschland Deutschland Regensburg Regensburg Deutschland Deutschland Wiens Linz Sachsen Wien Savoyen
48
Einst hatte sich da drüben ein Wandersmann verirrt; da dröhnt es durch die Wildnis. ein Eisenharnisch klirrt, und aus den dichten Sträuchern und aus dem tiefen Moor, da rasselt wilden Schrittes ein Kriegesmann hervor.
„Was rief dich, Ungliicksel'ger, in diese Wildnis her? Was trieb dich, uns
zu wecken aus Träumen tief und schwer? Da drunten in den Höhlen, in meilenweitem Gang, da schlafen ganze Heere viel hundert Jahr' entlang.
Verruchter Söhne Frevel, geschworner Treue Bruch hat einst ans uns geladen des Himmels Rachespruch. Vernimm die grause Kunde! — Du siebst an
selber Statt, wo Lndewig den Frommen sein Heer verraten hat.
Wir schlossen dichte Reihen bis an die Berge fern, gerüstet, ihn zu schirmen, den kaiserlichen Herrn. Da zog in blanken Waffen der Söhne Schar heran, vom dumpfen Rauschen dröhnte der weite Rasenplan.
So stürmten sie herüber, die freveln Brüder vom, in ihren Fäusten Schwerter, in ihren Blicken Zorn. Durch unser Lager schlüpfte der tückische Lothar und bot uns blanke Münze und glatte Worte dar.
Der httl’ge Vater selber hat uns den Sinn betbört: es gelte keine Trene, die man dem Sünder schwört! So strich er durch die Rechen und streute schlimme Saat, bis alle wir verblendet uns fügten dem Verrat.
Dranf schlugen die Verruchten des alten Vaters Hand — er bot sie schon zum Frieden — in schweres Eiseubaud, sie rissen ihm die Krone vom Haupte silberweiß und führten ihn von binnen, den weltverlass'nen Greis.
Und Lndewig der Fromme das Aug' gen Himmel schlug: „Ist beitu ge-schworne Treue und Kiubesliebe Trug? Weh, falsche Söldnerscharen, so feil und so verrucht! Weh dir, o Lügenstätte — ihr seid fortan verflucht!"
Der Himmel hat vollzogen des Greises Rachewort.: die Bäche sind vertrocknet, der Acker liegt verdorrt, und feine Saaten sprießen, es schallt kein Vogellieb, nur Farrenkräuter schießen empor aus schwarzem Rieb.
Und in bm Höhlen bruuten, in metlenweitem Gang, ba schlafen unsre Scharen viel hunbert Jahr entlang, ba schlafen auch die Brüder, die freveln Söhne brei; verrostet sinb die Schwerter, verstummt das Sieggeschrei.
Fleuch, Wandersmann, von hinneu und sag es aller Welt, wes Fluch in diesen Gauen uns tief im Schlummer bätt!" Der Waubcrsmaun sich kreuzet und thut zur selben Stund im Thauner Münster brüben die Märe beichtend fund.
Stöbe r.
Der verlassene Vater mußte sich densöhnen ergeben. Um ihn der Regierung unwürdig erscheinen zu taffen, zwang ihn Lothar, in Gegenwart der Geistlichkeit und des Volks Kirchen büße zu thun. Auf einem Sacke vor dem Altar knieend, mußte Ludwig ein Sün-denbekeuntnis ablesen, worin er sich des Mordes, des Meineids, der Gotteslästerung und anderer grober Vergehen schuldig erklärte. Dauu nötigte ihn Lothar, sein Fürsteukleid mit härenem Biißergewande zu vertauschen, nahm ihn mit nach Aachen und hielt ihn hier in strenger Haft. Solche (Erniedrigung des alten Vaters erfüllte jedoch die beiden andern Söhne mit Scham und Reue. Ludwig entriß ihn dem Kerker und führte ihn auf den Thron zurück.
Bald darauf starb P i p i n, und der Vater nahm eine neue Gebietsteilung vor. Diesmal fühlte sich Ludwig beeinträchtigt und griff zu den Waffen. Abermals drohte häßlicher Verwandten - und Bürgerkrieg. D a trat ein Mächtigerer zwischen die Streitenden. Ludwig der Fromme starb 8 4 0 auf einer Infel bei Ingelheim. Im Angesicht des Todes schickte er Gesandte zum Sohne mit der Weisung: „Weil er nicht zu mir kommen kann, verzeihe ich ihm; ihr
aber mögt ihn erinnern, daß er die grauen Haare seines Vaters mit Kummer in die Grube gebracht hat."
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Extrahierte Personennamen: Lothar Lothar Ludwig Ludwig Lothar Ludwig Ludwig Ludwig Ludwig
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P« d^te. Die Fürsten sorgten allein für sich und vermehrten ihr Gebiet und ihre Rechte aus Kosten anderer. Und was sie tm großen trieben, übten die Ritter im kleinen. Auf ihren an den Ufern schiffbarer Flüsse oder an den Seiten belebter Straßen angelegten Burgen führten sie ein wildes Raubleben; die Reisenden schleppten ste m ihre Burgverließe, um schweres Lösegeld zu erpressen; sie Plünderten dle Güterwagen der Handelsstädte und trotzten hinter ihren festen Mauern dem machtlosen Gesetze und Gerichte. Glücklicherweise fanden sie an den Städten und ihren Bündnissen kräftigen Widerstand.
2. Die allgemeine Unsicherheit und die geringe Achtung, welche die eigentlichen Gerichte besaßen, riesen die Fem-geeichte in's Dasein. Ihr Name stammt von dem altdeutschen Worte „verfemen" (= verbannen, verfluchen). Ursprünglich entstanden sie in Westfalen, ihr Hauptsitz war Dort-Tnund; von dort breiteten sie sich über ganz Deutschland aus. Eigentlich waren sie nur die Fortsetzung der alten, von Karl dem Großen eingeführten Gaugerichte, in denen der Gaugras im Namen des Kaisers Recht sprach. Nur freie Männer dursten zu Femrichtern gewählt werden, darum hießen die Gerichte selbst auch „Freigerichte", der Vorsitzende „Freigraf", die Richter „Freischöffen ", der Ort der Sitzung »Fr ei stuhl . „Die Schöffen erkannten sich an geheimen Zeichen, die sie alle verstanden (— darum hießen sie „Wissende" —). Mit schwerem (ätb mußten sie bei ihrer Ausnahme geloben, die Geheimnisse und Beschlüsse des Gerichts niemanbem zu offenbaren. „Ich schwöre," mußten sie sprechen, „die heilige Feme heimlich halten zu helfen und zu verhehlen vor Weib und Kind, vor Vater und Mutter, vor Schwester und Brnber, vor Feuer und Winb, vor allem, was die Sonne ^scheint, der Regen benetzt, vor allem, was zwischen Himmel und Erbe ist." Furchtbare Strafe traf den, der biefen Eib brach. Der bei der Feme Angeklagte würde durch einen Brief mit sieben Siegeln borge!aben; ein Freischöffe heftete ober steckte denselben des Nachts an feine Thür ( „ Steckbrief" —). Folgte er der Labung, fo
konnte er sich berteidtgen. Gestand er das Verbrechen ober würde er besselben überführt, so würde sofort das Urteil (— meist Tod —) gesprochen und bollzogen. Folgte der Angeklagte dreimaliger Ladung nicht, so berstet er der Feme (— Acht des Freigerichts).
Zum dritten mal schnitt ich den Span aus deinem Thor, es kräht der Hahn bei meinem Werk zum dritten mal, und dreimal blinkt im Moraenstrahl des Rächers Stahl.
L>teh auf, steh auf von Becher, Spiel und Tanz, wirf weg bein Schwert und nimm den Rosenkranz; wirf weg den Panzer, er schützt dich nicht, dich fordert vor Gericht die Feme, die Feme.
Und wärst bu auch des Kaisers Sohn, nicht Fnrstenhnt, nicht Grafenkron', nicht Jnfnl (—Bischofsmütze) schützet bich, noch Stab, ich sag' dich ächtia und ]«9’ dich ab, aus ist das Grab!
Mit gichtischem Mund, mit zuckendem Blick verfällt dein ächtig Haupt dem
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Strick; dem Fünde vergeb'ich dein Kind, dein Weib, den Vögeln deinen Leib — Gott gnade deiner Seele!
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Ein Freischöffe erhielt den Auftrag, das Urteil zu vollziehen. Zum Zeichen, daß die Feme gerichtet, wurde neben den Getöteten ein Messer gesteckt.
Zurzeit des Faustrechts h aben die Fe m gerichte segensreich gewirkt; sie schreckten den Frevler und Verbrecher durch die Furcht vor blutiger Vergeltung; Verfolgte und Bedrückte wandten sich an sie um Schutz und suchten bei ihnen das Recht, das die landesherrlichen Gerichte nicht gewährten. Bald gingen Ladungen der Feme durch alle deutschen Lande; selbst die Kaiser nahmen sie in Schutz und erkannten sie als kaiserliches Gericht an.
Später arteten sie aus; um 15 0 0 wurden sie aufgehoben.
Ii.
Durch die Wahl des Grafen Rudolf von Habsburg wurde dem Interregnum ein Ende gemacht. In der Schweiz — am rechten Ufer der Aar, unweit der Renßmuudung — stand sein Stammschloß, die Habichts- oder Habsburg. Immer hatte er sich in seinem Kreise als Hort und Schirm der Schwachen und Unterdrückten erwiesen, und seine erprobte Tapferkeit, Kraft und Klugheit bürgten dafür, daß er auch als Haupt des Reichs Gesetz und Recht zu schützen wissen werde. Seine Zeitgenossen nannten ihn „ den Spiegel und die Krone jeder Mannestugend " und pflegten von einem, der es mit Wahrheit und Gerechtigkeit nicht genau nahm, zu sagen: „der hat Rudolfs Redlichkeit nicht."
Rudolf hat von 1273—1291 regiert. Gleich am Anfang versagte ihm König Ottokar von Böhmen und Mähren, der sich selbst Hoffnung auf die Krone gemacht, Anerkennung und verweigerte die Herausgabe der während des Interregnums unrechtmäßig angeeigneten Länder Östreich, Steiermark, Kärnthen und Kram. Ungesäumt zogrudols gegen ihn in's Feld, um ihn zu beidem zu zwingen, und in der Schlacht auf dem Marchfelde — 1278 — verlor Ottokar Sieg „und Leben. Sein Sohn behielt Böhmen und Mähren; Östreich, Steiermark undkrain aber gabrudols mit Zustimmung der übrigen Fürsten seinen eigenen Söhnen und legte so den Grund zu der Macht und Größe des habsbur-gischen Hauses, das in dem östreichischen Kaiserstaate heute noch blüht.
Weise mied Rudolf jede Einmischung in die Angelegenheiten Italiens. „Besser ist gut regieren, als das Reich erweitern," war sein Wahlspruch. Um so mehr konnte er Zeit und Kraft Deutschland widmen. Mit fester Hand stellte er Ruhe, Ordnung und Sicherheit wieder her. „Ließ er doch allein in Thüringen 29 Raubritter hinrichten und 66 Raubburgen zerstören, und in Franken und am Rhein erlagen in einem einzigen Jahre über 70
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Extrahierte Personennamen: Rudolf_von_Habsburg Rudolf Rudolfs Rudolf Rudolf Ottokar_von_Böhmen Ottokar Ottokar_Sieg Ottokar Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Schweiz Habsburg Rudolfs Italiens Deutschland Thüringen Rhein