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auf den letzten verzweifelten Wurf ihre persönliche Freiheit setzen. Der
Unterliegende tritt in freiwillige Sklaverei; wenn auch jünger, wenn
auch stärker, läßt er sich binden und verkaufen. So groß ist ihre Be-
harrlichkeit in einer schlechten Sache; sie selbst nennen es Treue.
Bei den Bestattungen waltet keine Prunksucht; nur die Leichen
berühmter Männer werden mit bestimmten Holzarten verbrannt. Den
Scheiterhaufen beladen sie weder mit kostbaren Gewändern noch mit
Wohlgerüchen. Allen werden ihre Waffen, einigen auch ihr Streitroß
in das Feuer mitgegeben. Die Grabstätte bildet ein Nasen. Denk-
mäler verschmähen sie. Den Wehklagen und Tränen machen sie bald,
dem Schmerz und der Trauer spät ein Ende; Frauen, meinen sie,
zieme die Klage, Männern treues Andenken. Nach Tacüus.
78. Die Religion der alten Germanen.
Dürftig sind die Nachrichten, welche die Römer uns über die
Religion der alten Germanen überliefert haben. Wir erfahren von
ihnen, daß sie ihre Abhängigkeit von höheren Mächten wohl fühlten
und ihr Wollen und Tun nach dem Willen dieser Mächte zu regeln
suchten. In ihren heiligen Hainen, an den Quellen der segenspendenden
Flüsse riefen sie mit Gebet und Dank die Namen ihrer Gottheiten an.
Im Schatten geheiligter Bäume hatten sie ihre Altäre errichtet, auf
welchen sie durch blutige Opfergaben den Göttern im Glücke Dank
darzubringen, im Unglücke ihren Zorn zu sühnen trachteten. Einen
eigentlichen Priesterstand besaßen die Germanen nicht, sondern einer
von den Geschlechtsältesten ward berufen, der Ordnung bei den Opfern
und anderen gottesdienstlichen Handlungen zu warten. Durch den
Mund weissagender Frauen und Jungfrauen ließen sie sich den Willen
der Götter verkünden, oder sie suchten ihn aus den „Runen" zu lesen,
aus hingeworfenen Stäbchen, die aus den Zweigen einer Buche oder
eines anderen Baumes geschnitten und mit eingeritzten Zeichen versehen
waren. Auch das Wiehern der Rosse, der Flug der Vögel wurden als-
göttliche Zeichen gedeutet.
Aller Götter Gott ist Wodan (Odin), der Golt der Kraft, der
Weisheit und des leuchtenden Heldentums. Er ist es, der mit dem
Gefolge der waffenblinkenden Schlachtenjungfrauen oder Walküren
durch die brausenden Lüfte reitet, der mit ihnen die Schicksale der
Männerschlacht lenkt und sie niedersendet auf das Walfeld, um die
Helden zu erkiesen, die mit ihm in seiner Götterwohnung Walhalla
nach Heldenweise leben bis ans Ende der Welt. Der ihm geweihte
Tag ist der Mittwoch.
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der Weser und dem Rheine waren ihnen dem Anschein nach gänzlich
unterworfen.
Gegen das Jahr 9 nach Christi Geburt führte der römische Statt-
halter V a r u s in Deutschland den Befehl. Er hielt schon auf römische
Weise Gericht und, was die Deutschen am meisten aufbrachte, ließ
nach römischer Sitte die Beile mit den Rutenbündeln vor sich hertragen,
welche ein Zeichen seines Rechts über Leben und Tod und zu körper-
licher Züchtigung sein sollten. Eine Züchtigung aber mit Schlägen wäre
dem freien deutschen Manne die entsetzlichste Beschimpfung gewesen. Da
regte sich der Groll der Deutschen, und sie dachten darauf, den zudring-
lichen Fremdling los zu werden.
Dennoch wurde der Unwille lange Zeit nicht laut, und Barns hielt
die Herrschaft der Römer in Deutschland für fest begründet. Aber so
dachte Arminius, ein edler deutscher Mann vom Volke der Cherusker,
nicht. Das Joch eines fremden Volkes mit fremder Sprache und ver-
dorbenen Sitten schien ihm so unerträglich, daß es unter jeder Bedingung
abgeschüttelt werden müsse. Armin war eines cheruskischen Fürsten
Sohn, von fürstlicher Gesinnung und an Gestalt und Tapferkeit ein
wahrer Held. Er war als Knabe nach Rom gekommen und hatte die
Römer mit ihrer Staats- und Kriegskunst sowie mit allen ihren Lastern
genau kennen gelernt. Sein Haß gegen das verdorbene Volk, welches
sich anmaßen wollte, freie Menschen zu Knechten zu machen und dazu
mit seinen Lastern anzustecken, wurde unauslöschlich. Er kehrte zu seinem
Volke zurück, begeisterte mit seiner Rede die übrigen Fürsten und An-
führer desselben und trat an die Spitze des cheruskischen Bundes. In
einer nächtlichen Versammlung im Walde schwuren seine Anhänger allen
Römern in Deutschland den Untergang. So geheim indes das Unter-
nehmen betrieben wurde, so wurde es doch dem Varus verraten. Aber
Varus hielt die Deutschen für zu dumm und sich für zu mächtig, als
daß er irgend eine Gefahr hätte fürchten müssen.
Als der Herbst des Jahres 9 n. Chr. gekommen war, schritt Her-
mann zur Ausführung seines Planes. Um Varus von seinem guten
Lagerplatze weg in gefährlichere Gegenden zu locken, mußte ein ent-
ferntes Volk einen Aufstand erregen. Varus brach gegen dieses auf. Die
verbündeten Fürsten entfernten sich, zogen ihre schon bereit gehaltenen
Haufen zusammen, verabredeten den Angriff, und als die Römer mitten
in den Wildnissen des Teutoburger Waldes waren, brachen die Deutschen
von allen Seiten aus sie los.
Die Römer dachten an keinen Angriff; ohne Ordnung, mit vielem
Gepäck, sogar mit einem Haufen von Frauen und Kindern zogen sie
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127
7. „0 Bruder, meine Fehle,
sie lasten schwer auf mir,
hier liege ich zu Füssen,
Verzeihung flehend, dir.
Was ich mit Blut gesündigt,
die Gnade macht es rein;
vergib, o strenger Kaiser,
vergib , du Bruder mein !a
8. Doch strenge blickt der
Kaiser
den sündgen Bruder an:
„Zweimal hab ich vergehen,
nicht fürder mehr fortan!
Die Acht ist ausgesprochen,
das Lehen dir geraubt,
nach dreier Tage Wechsel
da fällt dein schuldig Haupt!“
9. Bleich werden rings die
M Fürsten,
der Herzog Heinrich bleich,
und Stille herrscht im Kreise
gleichwie im Totenreich.
Man hätte mögen hören
jetzt wohl ein fallend Laub,
denn keiner wagt zu wehren
dem Löwen seinen Raub.
10. Da hat sich ernst zum Kaiser
der fromme Abt gewandt,
das ewge Buch der Bücher,
das hält er in der Hand.
Er liest mit lautem Munde
der heilgen Worte Klang,
dass es in alle Herzen
wie Gottes Stimme drang:
11. „Und Petrus sprach zum
Herren:
Nicht so ? Genügt ich hab,
wenn ich dem sündgen Bruder
schon siebenmal vergab ?
Doch Jesus sprach dagegen:
Nicht siebenmal vergib,
nein, siebenzig mal sieben,
das ist dem Vater lieb.“
12. Da schmilzt des Kaisers
Strenge
in Tränen unbewusst.
Er hebt ihn auf, den Bruder,
er drückt ihn an die Brust.
Ein lauter Ruf der Freude
ist jubelnd rings erwacht.
Nie schöner ward begangen
die heilge Weihenacht.
v. Mühler.
102. Die Weiber von Weinsberg.
1. Der erste Hohenstaufe, der König Konrad, lag
mit Heeresmacht vor Weinsberg seit manchem langen Tag.
Der Welfe war geschlagen, noch wehrte sich das Nest;
die unverzagten Städter, die hielten es noch fest.
2. Der Hunger kam, der Hunger! Das ist ein scharfer Dorn.
Nun suchten sie die Gnade, nun fanden sie den Zorn:
„Ihr habt mir hier erschlagen gar manchen Degen wert,
und öffnet ihr die Tore, so trifft euch doch das Schwert."
3. Da sind die Weiber kommen: „Und muß es also sein,
gewährt uns freien Abzug, wir sind vom Blute rein!"
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Jesus Konrad
132
8. Und wenn die alten Raben
noch fliegen immerdar,
so muss ich auch noch schlafen
verzaubert hundert Jahr.“ Rückert.
106» Aus den Zeiten der Hansa.
Im Jahre 1391, derweilen die Schiffe von Rostock und Wismar
nach Stockholm in der See waren (um den Dänenkönig Albrecht aus
der Gefangenschaft zu befreien), ließen die von Rostock und Wismar
ausrufen, daß, fo jemand auf eigene Beute und Kosten gegen die Reiche
Dänemark und Norwegen abenteuern, rauben, brennen und nehmen
wolle, der solle sich in den Städten Rostock und Wismar melden; da
wolle man ihnen Kaperbriefe geben, dazu auch gestatten, daß sie frei
aus- und einlaufen und den Raub verkaufen dürfen. Es läßt sich nicht
beschreiben, was des losen und bösen Volkes aus allen Ländern von
Bauern und Bürgern, von Amtsknechten und allerlei losem Volke da
zusammenlief; denn alle, die nicht arbeiten wollten, ließen sich bedünken,
sie wollten von den armen dänischen und norwegischen Bauern reich
werden. Dies ließ sich im Anfang wohl ansehen als ein großes ge-
winnreiches Ding, wodurch den Feinden großer Abbruch getan wurde;
aber Gott helfe, wenn man dem losen Haufen die Hand losläßt, so
kann man ihn doch mit aller Macht kaum verhindern und wehren,
daß er Böses tut, auch wenn man ihn mit großer Not zu Hilfe rief.
Diese Gesellen, die sich so versammelten, nannten sich Vitalienbrüder
(oder Likendeeler — Gleichteiler, weil sie auf gleiche Teilung raubten).
Als sie aber zur See kamen, vergaßen sie bald ihren Auftrag und be-
handelten alle als Feinde, die ihnen auf der See in die Hände fielen.
Im Jahre 1395, als der König von Dänemark und sein Sohn
aus dem Gefängnisse gelöst waren, freute sich jedermann in Deutsch-
land und auch in den drei Reichen Däneinark, Schweden und Norwegen,
und jeder hoffte, gute Zeit und Nahrung wieder zu bekommen. Allein
das heillose Volk der Vitalienbrüder wurde betrübt, daß ihr Mutwillen
und ihre schändliche Räuberei ein Ende nehmen sollten. Als sie daher
bemerkten, daß durch viel Fleiß und Arbeit der Herren aus den Städten
die Sache dahin gebracht wäre, daß der König los werden würde, ge-
dachten sie noch eine Untat anzurichten, ehe es zur Lösung käme, und
fuhren nach Bergen in Norwegen. Dort taten sie große Untat und
Schaden, sie raubten den Kaufleuten, den Bürgern und auch den Nor-
wegern alles, was sie an Silber, Gold, Kleinodien, Kleidern, Hausrat
bekommen konnten und was der Kaufmann an Fischen aufgespeichert
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ers nicht und denkt er erst an sich, so verdient er, dass ihn
die Peitsche treffe, die das arme Tier so oft ohne Grund und
Ursache und oft so unmenschlich trifft.
Darum, ihr Land- und Ackersleute, die ihr euer
Zugvieh ans Joch spannt, seid Menschen, seid Christen und er-
barmet euch als Gerechte eures Viehes! Ich will nicht sagen,
dass ihr es tüchtig füttern sollt, das tut ihr von selbst, denn
es ist euer Vorteil. Nein, ich fordere mehr und anderes von
euch. Fluchet nicht eueren Tieren! Den Fluch hört Gott.
Er trifft nicht das arme, schuldlose Tier, sondern fällt auf
euer Haupt zurück. Schlaget das Tier nicht! Ihr könnt
es an euer Wort gewöhnen, dass ihr der unmenschlichen Peitsche
gar nicht mehr bedürfet. Ladet nicht schwerer, als euer armes
Vieh ziehen oder tragen kann! Schonet es, wenn es bergauf
geht! Ihr keucht ja ohne Last — denkt einmal an das arme
Tier, das nun noch die Last zieht!
Ihr Kutscher und Fuhr 1 eute, übertreibt das Tier
nicht! Zerschlagt eure Peitschenstiele nicht am Tiere. Füttert
euer Tier und tränkt es zur Zeit; gebt acht auf seine Not und
sein Bedürfnis, auf seine Gesundheit und Krankheit und auf
seine Wünsche. Beden kann es nicht, aber verstehen könnt
ihr seine stumme Sprache doch gar leicht.
Menschenfreunde, wo ihr seid, helfet, helfet dem
Tiere eine Erlösung gewinnen, eine Erlösung vom Menschen und
seiner Grausamkeit!
Also, ihr Menschen alle, ihr, das Ebenbild Gottes, des all-
liebenden Vaters, liebt das Tier und achtet es!
Colshorn.
226. Der Tierschutz in Sprüchen.
1. Wer gleichgültig gegen ein treues Tier ist, wird auch
für seinesgleichen kein Herz haben.
2. Unbarmherzigkeit und Grausamkeit gegen die Tiere ver-
härten das Herz und verwildern das Gemüt und lassen auch
unbarmherzig und grausam werden gegen die Menschen.
3. Grausamkeit gegen die Tiere ist eines der kennzeich-
nendsten Laster eines niederen und unedlen Volkes.
4. Wer gegen Tiere grausam ist, kann kein guter Mensch sein.
5. Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache-
aller, die verlassen sind !
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81
Als Körperbedeckung dient allen ein Mantel, durch eine Spange
oder durch einen Dorn zusammengehalten. Im übrigen unbekleidet,
bringen sie ganze Tage am Herde und am Feuer zu. Auch Tierfelle
tragen sie. In nichts unterscheidet sich die Tracht der Weiber von der
der Männer.
Die Ehen sind streng, und nach keiner Seite hin möchte man ihre Sitten
mehr loben. Denn fast allein unter allen Barbaren begnügen sie sich
mit einer Frau. Mitgift bringt nicht die Frau dein Manne, sondern
der Mann der Frau zu. Zugegen sind die Eltern und Verwandten
und prüfen die Geschenke: Gaben, nicht ausgewählt zu weiblicher
Tändelei, noch zum Schmuck der jungen Frau, sondern Stiere, ein ge-
zäumtes Roß und ein Schild nebst Framea und Schwert. Auf diese
Geschenke hin wird die Frau in Empfang genommen, und auch sie
bringt dem Manne einige Waffenstücke zu.
Bewirtung und Gastrecht übt kein anderes Volk so freigebig aus.
Irgend eineni Menschen den Eintritt in das Haus zu wehren, gilt als
gottlos; nach bestem Vermögen setzt ihm ein jeder zum Willkomm
eine Mahlzeit vor. Ist der Vorrat aufgezehrt, so weist der, welcher
eben den Wirt machte, den Gastfreund zu einer andern Herberge und
begleitet ihn; uneingeladen treten sie in das nächste Haus, wo man
sie mit gleicher Freundlichkeit aufnimmt. Zwischen Bekannten und
Unbekannten macht innerhalb der Grenzen des Gastrechts niemand einen
Unterschied.
Gleich nach dem Schlafe, den sie gewöhnlich bis in den Tag hinein
ausdehnen, baden sie sich, oft in warmem Wasser, da ja bei ihnen die
meiste Zeit Winter ist. Nach dem Bade nehmen sie Speise zu sich.
Dann gehen sie an die Geschäfte und nicht minder oft zum Gelage,
immer bewaffnet. Tag und Nacht hintereinander fort zu zechen, ist
für keinen ein Vorwurf. Zwistigkeiten, die bei ihrer Trunkenheit häufig
sind, verlaufen selten in Schmähreden, öfter in Totschlag und Wunden.
Zum Getränk dient eine Flüssigkeit ans Gerste oder Korn gebraut; die
zunächst am Rhein Wohnenden kaufen auch Wein. Die Speisen sind
einfach: Feldfrüchte, frisches Wildbret oder geronnene Milch.
Von Schauspielen haben sie nur eine Gattung, die bei jeder ge-
selligen Zusammenkunft wiederkehrt. Nackte Jünglinge, die darin ihre
Kurzweil finden, springen zwischen Schwertern und drohenden Framen
wild umher; nicht zum Erwerbe jedoch oder um Lohn: des verwegenen
Spieles einziger Preis ist der Beifall der Zuschauer. Würfelspiele
treiben sie wunderbarerweise nüchtern als ernsthafte Angelegenheit und
so tollkühn im Gewinnen und Verlieren, daß sie, wenn alles dahin ist,
B. Iv. r, «
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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144
der Graf sicher über die Alpen. Da sprach der Erzbischof
beim Abschiede: „Wollte Gott, Herr Graf, ich lebte noch so
lange, dass ich Euch den mir geleisteten Dienst vergelten könnte!“
Jetzt gedachte der Bischof dieses Versprechens. Auf seinen
Vorschlag wurde Rudolf zum Kaiser gewählt. Die Krönung
geschah zu Aachen. Als nun die Fürsten dem neuen Kaiser
Treue schwuren, fehlte gerade das Reichsszepter, auf welches
der Eid geleistet zu werden pflegte. Da ergriff Rudolf rasch
ein Kruzifix und sagte: „Dieses Zeichen, in welchem wir und
die ganze Welt erlöset sind, wird ja wohl die Stelle des
Szepters vertreten können.“ Und die Fürsten leisteten darauf
die Huldigung. Nur einer war nicht in Aachen erschienen und
weigerte sich, Rudolf als Kaiser anzuerkennen. Das war der
mächtige Böhmenfürst Ottokar, der den Königstitel führte
und seine Herrschaft weithin über die österreichischen Länder
ausgebreitet hatte. Dem stolzen Manne deuchte es schimpflich,
einem armen Grafen, wie er Rudolf spottend nannte, Gehorsam
zu leisten. Aber Rudolf bezwang den Widerspenstigen in einer
Schlacht und entriss ihm Österreich. Er gab dieses Land
seinen eigenen Söhnen und wurde dadurch der Gründer des
habsburgisch-österreichischen Herrscherhauses.
Nach der Besiegung Ottokars richtete sich des Kaisers Sorge
vor allem darauf, Ruhe und Ordnung im Reiche zurückzuführen.
Er durchzog Deutschland von einem Ende zum andern, safs oft
selbst zu Gericht und verhängte strenge Strafen gegen die
Frevler und Friedensstörer. Vorzüglich die übermütigen Raub-
ritter bekamen seinen starken Arm zu fühlen. Eine ganze
Menge Raubschlösser wurde zerstört, und viele der gefangenen
Räuber wurden gehenkt. So folgte in kurzer Zeit Ruhe und
Sicherheit auf Zwietracht und Zerrüttung. Der Landmann
baute wieder fröhlich seine Felder, die nicht mehr von den
Hufen der wilden Streitrosse zertreten wurden; der Kaufmann
zog sicher seines Weges an den hohen Burgen vorüber, und die
Räuber, die zuvor offen im Lande umhergeschwärmt, suchten
sich in einsame Schlupfwinkel zu verbergen.
Bei aller Strenge, wo es die Bestrafung der Übeltäter
galt, war Rudolf übrigens ein äusserst gütiger, leutseliger
Fürst. Jeder hatte freien Zutritt zu ihm. Als einmal seine
Diener einen gemeinen Mann nicht vor ihn lassen wollten, rief
er unwillig aus: „Warum weiset ihr ihn ab? Bin ich denn
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Extrahierte Personennamen: Graf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Ottokar Ottokar Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Ottokars Rudolf Rudolf
Extrahierte Ortsnamen: Aachen Aachen Ottokars Deutschland
315
Alle diese Dienste erweisen sich aber nur die Genossen eines Staates;
die Glieder verschiedener Arten dagegen fallen gewöhnlich wütend über-
einander her, und dann tritt die Mordlust der kriegerischen Tiere so
recht hervor; es gilt da nur das Recht des Stärkeren, die schwächeren
Gegner werden unbarmherzig vernichtet. Trotzdem sehen wir oft in
den Nestern der Ameisen, z. B. in denen der roten Waldameise, solche
von anderen Arten, die, unbehelligt von den Besitzern, fleißig ihr Tage-
werk verrichten. Was treibt sie dazu, und wie kommen sie hierher?
Sie sind die Sklaven der roten Ameisen und müssen für diese arbeiten.
Viele Arten, wie die Waldameisen, sind sogenannte Raubameisen. In
großen Heerzügen begeben sie sich oft zu den Wohnsitzen anderer Arten,
dringen in sie ein, töten mit großem Jngrimme die Bewohner, die sich
verzweifelt wehren, und schleppen Larven und Puppen in ihren Bau,
in dem sie ihnen die gleiche Pflege zu teil werden lassen wie ihren
eigenen Nachkommen.
Auch andere fremde Tiere finden wir fast in jedem Ameisenneste,
aber sie sind aus ganz verschiedenen Gründen dort. Einige, z. B. die
Larven des gemeinen Goldkäfers, leben nur des vermodernden Holzes
wegen, von dem sie sich nähren, in den Nestern der Waldameise, ohne
sich um die rechtmäßigen Bewohner zu kümmern. Andere Tiere hin-
gegen treten in rege Beziehung zu den Ameisen. Unter ihnen sind am
zahlreichsten die Blattläuse, die von den Ameisen geraubt und in den
Bau geschleppt worden sind. Die Blattläuse sondern nämlich in großer
Menge einen süßen klebrigen Saft aus, den die zuckermäuligen Ameisen
außerordentlich lieben. Daher sehen wir an den von Blattläusen heim-
gesuchten Rosenstöcken immer Ameisen geschäftig hin und her eilen. Bei
näherer Betrachtung bemerken wir, daß sie die Blattläuse berühren und
streicheln und begierig den Zuckersaft von ihrem Rücken sangen. Um
dies bequemer haben zu können, tragen sie häufig die wehrlosen Tiere
in ihre Wohnung, wo sie dieselben gut füttern, verpflegen und dafür als
Belohnung den Honig einheimsen; sie benutzen also die Blattläuse ge-
wissermaßen als Milchkühe. Nach Staby.
214. Die Pilze.
Ich kenne im Walde gar spassige Gesellen. Jeder hat
nur ein Bein, auf dem sogleich ein mächtiger, breiter Hut sitzt.
Trotzdem sind sie gar flinke Leute. Über Nacht stehen sie
plötzlich da, kein Mensch weiss, woher sie so schnell gekommen
sind. Manche von ihnen erfreuen unser Auge durch ihre Farben-
pracht , andere liefern uns eine nahrhafte Speise, einige aber
TM Hauptwörter (100): [T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T24: [Blatt Baum Blüte Pflanze Frucht Wurzel Stengel Stamm Zweig Boden], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
234
Deutschen. Da faßt den Varus Verzweiflung, und um fein Unglück
nicht als Schmach überleben zu müssen, stürzt er sich in sein Schwert.
Nur wenige von dem ungeheuern Römerheere entrinnen glücklich nach
der Feste Aliso, die meisten liegen auf dem Walplatze. Wer in Ge-
fangenschaft kam, ward entweder den Göttern zum Danke für die wieder
errungene Freiheit geopfert, oder zum gemeinen Frondienste in die Gauen
der Deutschen geschleppt. Am grausamsten rächte das Volk die lange
erduldete Fremdherrschaft an den Sachwaltern und Schreibern, die ihm
statt des guten alten Rechtes das spitzfindige neue aufgedrängt; einem,
den es gefangen, riß es die Zunge aus, stopfte ihm die Kehle zu und
rief: „Jetzt zisch' einmal, Natter, wenn du kannst."
Das war die große Schlacht im Teutoburger Walde, die geschlagen
ward im neunten Jahre nach Christi Geburt. Als der Kaiser Augustus
die Kunde erhielt, daß die drei Legionen gefallen, stieß er in Verzweif-
lung die Stirn an die Wand seines Palastes und rief aus: „O Varus,
Varus, gieb mir 'meine Legionen wieder!" Ganz Rom war voll Ent-
setzens vor den Deutschen und glaubte mit jedem Tage, sie kämen in
ungeheuern Heerscharen, wie einst die Cimbern und Teutonen, gen Welsch-
land heran. Im Lande Gallien und am Rheine ward zur Notwehr
gerüstet. Grundlose Furcht! Nicht an Eroberung dachten die Sieger,
die teure Freiheit erkämpft zu haben, war ihnen genug. Stolz legten sie
die Hände in den Schoß, als sie die Zwingburgen im Lande gebrochen,
als an dem Rheine kein Römer mehr zu schauen war.
209. Von der Zerstörung Jerusalems.
Lies einmal das 11. Kapitel im Propheten Sacharja. Da befiehlt
Gott der Herr seinem eingeborenen Sohne, die Schlachtschafe, d. i. das
dem Verderben preisgegebene Volk Israel, zu weiden. Sein Hirtenstab
ist ein zweifacher; in der einen Hand führt er den Stab Sanft, in der
anderen Hand den Stab Wehe. Nach dieser doppelten Seite, nach seinem
erbarmungsvollen Herzen und nach seiner gewaltigen Hand, offenbart er
sich auch in allen denjenigen Weissagungen der Evangelien, welche von
der Zerstörung Jerusalems handeln, und in ihrer Erfüllung. Noch ein-
mal will er durch seine Thränen, seine Weissagung und Tempelreinigung
Jerusalems Kinder zu sich sammeln, wie eine Henne versammelt ihre
Küchlein unter ihre Flügel; aber sie wollen nicht, darum schüttet er nach
der letzten Frist der Buße die volle Schale seines Zornes über das Volk
ans. Laß dir jetzt die Zerstörung Jerusalems erzählen, damit du siehst,
wie der Herr, so holdselig seinen Freunden, doch auch so erschrecklich ist
seinen Feinden, auch so siehst, was es heißt, das Evangelium verachten,
und damit du dich zu Gott und zur Erkenntnis Christi bekehrest.
Nach dem Tode des Herrn war es mit dem Volke Israel je länger
je schlimmer geworden. Einzelne ließen sich noch retten wie ein Brand
aus dem Feuer; aber mit der großen Masse ging es immer fieser hinab
in Tod und Verderben. Die Hohenpriester übten Tyrannei wider die
andern Priester; unter den übrigen Gewaltigen war allerlei Haß und
Neid, daher denn Uneinigkeit im Regiments und parteiische Zertrennnngen
entstanden. Dazu drückten die grausamen und habsüchtigen Statthalter
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien]]
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Extrahierte Personennamen: Varus Augustus Varus Varus Jerusalems
Extrahierte Ortsnamen: Christi Rom Gallien Rheine Rheine Jerusalems Sacharja Israel Jerusalems Jerusalems Christi Israel
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dann erst tötet und verzehret sie ihren Raub. Ganze Felder sind oft von
Spinngeweben überzogen, die im Morgentau wie Silber glänzen, und
wenn nicht die Hausfrau oft aufmerksam die Stube fegt, so währet es
nicht lange, und alle Winkel und Ecken sind besponnen. Ja, im Herbst
durchziehen viele weiße, feine Fäden die Luft und hängen sich an Bäumen
und Sträuchern und an den Kleidern der Spaziergänger fest. Nachsom-
mer nennt man sie gewöhnlich. Es sind Spinngewebe, von kleinen
Spinnen in der Luft selbst gesponnen. Auf diesen Fäden segeln die
schwarzen kleinen Tierchen weithin durch die Luft. Allenthalben, wo
Mücken sind, im Wald und in den Häusern, am Boden, auf den Büschen
und in der Luft, da sind auch Spinnen, die einen bei Tage, die andern
zur Nachtzeit thätig, die Plagegeister des Menschen zu vermindern. Sie
scheinen uns dann wohl keines andern Gefühles mächtig, als der Mord-
sucht, die sie selbst gegen ihresgleichen an den Tag legen, trotzdem können
sie auch lieben. Die Spinnmutter liebt ihre Nachkommen mit solcher
Zärtlichkeit, daß sie zur Verteidigung derselben wohl ihr Leben wagt.
Sie spinnt um ihre Eier ein dichtes, weiches Gespinst und heftet sich dies
Knäulchen an den Leib oder verwahrt es an einem sichern Ort. Manche
Spinnen schleppen dies Eiersäckchen fortwährend mit sich herum und
werden höchst betrübt und niedergeschlagen, wie gelähmt, wenn man ihnen
dieses teure Kleinod gewaltsam nimmt. Im Gegenteil zeigen sie die
größte Freude in allen ihren Bewegungen, wenn sie ihr Eierhäufchen
wieder erhalten. Eine Art von Spinnen gräbt in der Erde eine Röhre,
in welcher sie das Säckchen mit den Eiern aufbewahrt. Sie versieht
diese Wohnung mit einer künstlich eingerichteten Fallthür, die sie außen
mit Erde überkleidet und innen geschickt und kräftig zuhält, wenn ein
Feind sie von außen zu öffnen sucht. So lebt selbst in der Spinne, die
als Sinnbild des Hasses und der Feindschaft gilt, ein Funke der Liebe
Gottes, die sich selbst aufopfernd daran giebt, um das Geliebte zu be-
schützen und zu retten.
181. Wider alle Fährlichkeit beschirmet.
Dem frommen Felix von Nola hatten seine Feinde den Tod ge-
schworen. Er machte sich auf zur Flucht; aber kaum hatte er den Fuß
aus der Stadt gesetzt, so waren auch die Feinde hinter ihm her. Da er
sah, daß er bald von ihnen eingeholt werden würde, verkroch er sich in
ein altes Gemäuer, das hart neben der Landstraße eine Hohle bildete,
doch mit geringer Hoffnung, daß die Feinde vorbeigehen würden, ohne die
Höhle zu durchsuchen. Aber siehe! als er hineinkroch, saß schon eine
kleine Spinne am Eingänge, die Gott der Herr dahin bestellt hatte, daß
sie seinen Knecht errette. Kaum war dieser darinnen, so machte sich die
Spinne ans Werk, und als die Feinde herzu kamen, hatte sie schon ein
Gewebe über den Eingang gesponnen. „Einer muß die Hohle durch-
suchen," befahl der Anführer, und einer der Verfolger stieg ab. Er hatte
aber kaum einen Blick auf die Höhle geworfen, so rief er: „Hier ist er
nicht, es ist alles mit Spinnegeweben zugesponnen." — „Immer vor-
wärts!" rief der Anführer, und die Verfolger jagten vorüber. Daher
schreibt sich die Redensart: Wen Gott schirmt, dem muß ein Spinn-
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