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Arnold Herrn. Ludwig Heeren,
geb. den 25. Oktober 1760 zu Arbergen bei Bremen, studirte in Göttingen,
machte dann größere Reisen, ward 1787 außerordentlicher, 1794 ordentlicher
Professor der Philosophie, 1801 Prof, der Geschichte in Güttingen, starb den
8. März 1842. — Historische Schriften: „Ideen über Politik, Verkehr und
Handel der vornehmsten Völker der alten Welt." „Bibliothek der alten
Literatur und Kunst." „Kleinere historische Schriften" u. A.
36. Der Handel der alten und der neuen Welt.
Die Einrichtung des alten Handels war im Ganzen genom-
men um Vieles einfacher als die des neuern, da die meisten der
künstlichen Einrichtungen noch nicht vorhanden waren, ohne welche
der neuere Handel jetzt nicht würde bestehen können. Sein Zweck
im Ganzen blieb beschränkt auf die Stillung gewisser Bedürfnisse,
mochten es nun Bedürfnisse der Nothwendigkeit oder des Luxus
sein. Der Kaufmann, der sie herbeischaffte, suchte sie theurer zu
verkaufen oder zu vertauschen, als er sie eingekauft und einge-
tauscht hatte, besonders wenn sie durch seine Industrie veredelt
waren. Auf diese Weise bereicherte er sich; aber über diesen
Kreis gingen auch seine Speculationen nicht hinaus. Der Han-
del des Alterthums blieb also seinem Hauptcharakter nach Waaren-
handel. In vielen, vielleicht, wenigstens im höhern Alterthum,
in den meisten Fällen, wurden diese Waaren gegen andere ein-
getauscht: wo aber auch edle Metalle als Maßstab des Werths
gebraucht wurden, geschah es gewiß mehr nach dem Gewicht, als
nach dem Gepräge. Wir wissen von den Phöniciern, den Per-
sern und andern Völkern, daß sie Geld prägten; wir wissen auch
von einigen Geldarten, daß sie auch in fremden Ländern im Um-
lauf waren, wie die Danken bei den Griechen; aber wie weit
dies im Ganzen der Fall war, darüber sind wir fast gar nicht
unterrichtet. Wie dem aber auch sein mag, so ist doch so viel
gewiß, daß der Geldhandel, der einen Hauptzweig des neuern
Handels ausmacht, im Alterthum zwar nicht gänzlich unbekannt,
aber doch in seiner Kindheit blieb. In den großen Städten,
wie in Athen, Rom, Alexandrien und andern, wo ein beständiger
Zusammenfluß von Fremden war, mußte zwar auch Geld-
umsatz stattfindeu, und es gab Wechsler, die sich damit beschäf-
tigten; aber so lange es noch keine Wechsel gab, konnte jener
Geldumsatz kein Hauptzweig des Handels werden. Die Spuren,
die man in ein paar Stellen alter Schriftsteller zu finden glaubt,
sind zweifelhaft und deuten schwerlich auf etwas Weiteres, als
auf bloße Anweisungen. Daß dergleichen häufig auf einen Drit-
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
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TM Hauptwörter (200): [T175: [Mensch Leben Natur Körper Seele Tier Thiere Arbeit Erde Pflanze], T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T91: [Geschichte Krieg Zeit Zeitalter Mittelalter Revolution Reformation deutsch Jahrhundert Ende], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau]]
Extrahierte Personennamen: Arnold_Herrn Ludwig_Heeren Ludwig Wechsler
Extrahierte Ortsnamen: Bremen Göttingen Güttingen Athen Rom
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ten ausgestellt wurden, war natürlich; allein man kannte die
Kunst noch nicht, diese durch eine weitere Circulation wieder zu
Gegenständen des Handels zu machen. Der Geldhandel im
Großen, wie er gegenwärtig ist, steht außerdem in einer zu ge-
nauen Verbindung mit dem öffentlichen Credit der Staaten, be-
sonders der großen Handelsstaaten, und ist erst eine Folge der
Kunst gewesen, auf die der menschliche Geist vielleicht am meisten
rasfinirt hat, öffentliche Schulden auf die möglichst vortheilhaste
Art zu machen und wieder abzutragen. Diese Kunst blieb unbe-
kannt in der alten Welt, weil sie überflüssig war. Die damals
so viel geringeren Staatsausgaben wurden entweder durch aufge-
legte Tribute bestritten, oder auch in außerordentlichen Fällen,
wenigstens in Freistaaten, durch freiwillige Anleihen von Bür-
gern, die man zurückzahlte, aber die kein Gegenstand einer kauf-
männischen Speculation werden konnten. Der eigentliche Wech-
selhandel aber setzt ein Wechselrecht voraus und kann schwerlich
ohne regelmäßig eingerichtete Posten bestehen, weil Alles dabei
auf eine sichere, schnelle und häufige Correspondenz ankommt. Es
ist zwar sehr verkehrt, wenn man eine plötzliche Aufhebung unse-
rer Posteinrichtnngen annimmt, und aus der Stockung, die als-
dann entstehen müßte, auf die geringe Lebhaftigkeit des alten
Handels zurückschließen will (denn die Aufhebung einer schon
bestehenden Einrichtung ist immer mit weit größeren Unbequem-
lichkeiten verbunden, als ihr gänzlicher Mangel, wo sich von
selbst andere Ersatzmittel finden mögen); aber daß gewisse Zweige
unsers Handels lediglich von den Posteinrichtungen abhangen und
durch sie erst möglich geworden sind, bleibt darum nicht minder
eine ausgemachte Sache.
Die größere Einfachheit des alten Handels, indem er nur
im Kauf und Verkauf von Waaren bestand, zeigt sich auch darin, -
daß nicht so viele und so verschiedene Klassen von Teilnehmern
dabei beschäftigt waren, wie gegenwärtig. Zwar muß man auch
hier nicht zu absprechend in seinen Behauptungen sein. Wer
kann uns noch mit Gewißheit darüber belehren, wie es in einem
großen phönicischen oder karthagischen Handelshause aussah?
Daß in den großen Handelsländern der Handel auch außer den
eigentlichen Kaufleuten eine große Menge von Menschen, von
Zwischenhändlern u. s. w. beschäftigte, sieht man an mehreren
Beispielen, wie z. B. die Kaste der Dolmetscher, der Mäkler in
Aegypten; und überhaupt bürgt uns die Unveränderlichkeit der
Sitten und des ganzen gesellschaftlichen Lebens im Orient wohl
dafür, daß auch die Einrichtungen des Handels sich hier wenig
geändert haben. Die Verschiedenheit findet sich also nur haupt-
sächlich zwischen der Form des jetzigen und des alten europäischen
Handels. Wahrscheinlich indeß brachten es doch die damaligen
TM Hauptwörter (50): [T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T4: [Reich Zeit Staat Volk Deutschland Jahrhundert Land Macht deutsch Geschichte]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T3: [Lage Karte Land Europa Geographie Klima Größe Verhältnis Grenze Gliederung], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T165: [Kunst Wissenschaft Handel Gewerbe Bildung Land Stadt Schule Zeit Volk], T154: [Meister Handwerker Geselle Arbeit Lehrling Handwerk Arbeiter Jahr Kaufleute Stadt]]
155
sondere Aufmerksamkeit widmen. Der betagte Führer wußte genau
die Jahrgänge zu bezeichnen. Aeltere waren schon mit Asche be-
deckt und ausgeglichen; neuere, besonders die langsam geflossenen,
boten einen seltsamen Anblick: denn indem sie, fortschleichend, die
auf ihrer Oberfläche erstarrten Massen eine Zeit lang mit sich
hinschleppen, so muß es doch begegnen, daß diese von Zeit zu
Zeit stocken, aber, von den Gluthströmen noch fortbewegt, über-
einander geschoben, wunderbar zackig erstarrt, verharren, seltsamer
als im ähnlichen Fall die über einander getriebenen Eisschollen.
Unter diesem geschmolzenen wüsten Wesen fanden sich auch große
Blöcke, welche, angeschlagen, auf dem frischen Bruch einer Urge-
birgsart völlig ähnlich sehen. Die Führer behaupteten, es seien
alte Laven des tiefsten Grundes, welche der Berg manchmal aus-
werfe.
65. Iphigenie auf Tauris.
(1787.)
Erster Aufzug.
Er st er Auftritt.
Iphigenie.
Heraus in eure Schatten, rege Wipfel
Des alten, heil'gen, dichtbelaubten Haines,
Wie in der Göttin stilles Heiligthum
Tret' ich noch jetzt mit schauderndem Gefühl,
5. Als wenn ich sie zum ersten Mal beträte,
Und es gewöhnt sich nicht mein Geist hierher.
So manches Jahr bewahrt mich hier verborgen
Ein hoher Wille, dem ich mich ergebe;
Doch immer bin ich, wie im ersten, fremd.
10. Denn ach! mich trennt das Meer von den Geliebten,
Und an dem Ufer steh' ich lange Tage,
Das Land der Griechen mit der Seele suchend;
Und gegen meine Seufzer bringt die Welle
Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
15. Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern
Ein einsam Leben führt! Ihm zehrt der Gram
Das nächste Glück vor seinen Lippen weg.
Ihm schwärmen abwärts immer die Gedanken
Nach seines Vaters Hallen, wo die Sonne
20. Zuerst den Himmel vor ihm aufschloß, wo
Sich Mitgeborne spielend fest und fester
Mit sauften Banden an einander knüpften.
Ich rechte mit den Göttern nicht; allein
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind]]
TM Hauptwörter (100): [T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T1: [König Held Herz Mann Volk Siegfried Land Lied Hand Tod], T22: [Gott Zeus Sohn Tempel Göttin König Held Mensch Opfer Erde]]
TM Hauptwörter (200): [T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T95: [Gestein Schicht Wasser Boden Erde Granit Gebirge Masse Sand Teil], T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T120: [Gott Göttin Zeus Tempel Sohn Gottheit Priester Erde Mensch Opfer]]
17 5
gattenverhältniß des allerhöchsten Paares der Christenheit mit
Augen zu sehen gewürdiget^lvorden. Als aber die Kaiserin, ihren
Gemahl zu begrüßen, das Schnupftuch geschwungen und ihm selbst
ein lautes Vivat zugerufen, sei der Enthusiasmus und der Jubel
des Volkes auf's höchste gestiegen, so daß das Freudengeschrei gar
kein Ende hat finden können.
Nun verkündigte der Glockenschall und nun die Vordersten
des laugen Zuges, welche über die bunte Brücke ganz sachte ein-
herschritten, daß Alles gethan sei. Die Aufmerksamkeit war größer
denn je, der Zug deutlicher als vorher, besonders für uns, da
er jetzt gerade nach uns zuging. Wir sahen ihn, sowie den gan-
zen volkserfüllten Platz beinah im Grundriß. Nur zu sehr drängte
sich am Ende die Pracht; denn die Gesandten, die Erbämter,
Kaiser und König unter dem Baldachin, die drei geistlichen Kur-
fürsten, die sich anschlossen, die schwarz gekleideten Schöffen und
Rathsherren, der goldgestickte Himmel, Alles schien nur Eine
Masse zu sein, die nur von Einem Willen bewegt, prächtig har-
monisch , und so eben unter dem Geläute der Glocken aus dem
Tempel tretend, als ein Heiliges uns entgegenstrahlte.
Eine politisch-religiöse Feierlichkeit hat einen unendlichen Reiz.
Wir sehen die irdische Majestät vor Augen, umgeben von allen
Symbolen ihrer Macht; aber indem sie sich vor der himmlischen
beugt, bringt sie uns die Gemeinschaft beider vor die Sinne.
Denn auch der Einzelne vermag seine Verwandtschaft mit der
Gottheit nur dadurch zu bethätigen, daß er sich unterwirft und
anbetet.
Der von dem Markt her ertönende Jubel verbreitete sich
nun auch über den großen Platz, und ein ungestümes Vivat er-
scholl^ aus tausend und aber tausend Kehlen und gewiß auch aus
den Herzen. Denn dieses große Fest sollte ja das Pfand eines
dauerhaften Friedens werden, der auch wirklich lange Jahre hin-
durch Deutschland beglückte.
Mehrere Tage vorher war durch öffentlichen Ausruf bekannt
gemacht, daß weder die Brücke noch der Adler über dem Brunnen
preisgegeben und also nicht vom Volke wie sonst angetastet wer-
den solle. Es geschah dies, um manches bei solchem Anstürmen
unvermeidliche Unglück zu verhüten. Allein um doch einigermaßen
dem Genius des Pöbels zu opfern, gingen eigens bestellte Per-
sonen hinter dem Zuge her, lösten das Tuch von der Brücke,
wickelten es bahnenweise zusammen und warfen es in die Luft.
Hierdurch entstand nun zwar kein Unglück, aber ein lächerliches
Unheil; denn das Tuch entrollte sich in der Luft und bedeckte,
wie es niederfiel, eine größere oder geringere Anzahl Menschen.
Diejenigen nun, welche die Enden faßten und solche an sich zo-
gen, rissen alle die Mittleren zu Boden, umhüllten und ängstigten
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T19: [Wasser Luft Eisen Körper Silber Gold Kupfer Metall Stein Erde]]
TM Hauptwörter (100): [T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit]]
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stet mit unbeschränkter Willkür die Gebieter unwissender und
ohnmächtiger Menschen sind. Als Geschichtschreiber der) von mir
besuchten Länder beschränke ich mich meist auf die Angabe dessen,
was in ihren bürgerlichen und religiösen Institutionen mangelhaft
oder nachtheilig erachtet werden kann. Wenn ich bei der Fels-
bank der Guahiba länger verweilt bin, so geschah es, um ein
rührendes Beispiel der Mutterliebe unter einem von lange her
verleumdeten Menschenstamme bekannt zu machen; weil es mir
nützlich dünkte, eine Thatsache kund werden zu lassen, die ich aus
dem Munde eines Franziskaner Ordensmannes kenne, und die
den Beweis liefert, wie sehr die Verhältnisse der Mission der
Aufsicht und Vorsorge des Gesetzgebers bedürfen.
106. Grcuzländer der Steppen und Wüsten
Süd-Amerika's.
Afrika's nördliche Wüste scheidet die beiden Menschenarten,
welche ursprünglich demselben Welttheil angehören, und deren
unausgeglichener Zwist so alt, als die Mythe von Osiris und
Typhon scheint. Nördlich vom Atlas wohnen schlicht- und lang-
haarige Völkerstämme von gelber Farbe und kaukasischer Gesichts-
bildung. Dagegen leben südlich vom Senegal, gegen Sudan
hin, Negerhorden, die auf mannigfaltigen Stufen der Civilisa-
tion gefunden werden. In Mittel-Asien ist durch die mongolische
Steppe sibirische Barbarei von der uralten Menschenbildung auf
der Halbinsel von Hindostan getrennt.
Auch die südamerikanischen Ebenen begrenzen das Gebiet
europäischer Halbeultur. Nördlich, zwischen der Gebirgskette von
Venezuela und dem antillischen Meere, liegen gewerbsame Städte,
reinliche Dörfer und sorgsam bebaute Fluren an einander ge-
drängt. Selbst Kunstsinn, wissenschaftliche Bildung und die edle
Liebe zur Bürgerfreiheit sind längst darinnen erwacht.
Gegen Süden umgiebt die Steppe eine schauvervolle Wilb-
niß. Tausendjährige Wälder, ein undurchdringliches Dickicht
erfüllen den feuchten Erdstrich zwischen dem Orinoco und dem
Amazonenstrome. Mächtige, bleifarbige Granitmassen verengen
das Bett der schäumenden Flüsse. Berge und Wälder hallen
wieder von dem Donner der stürzenden Wasser, von dem Gebrüll
des tigerartigen Jaguar, von dem dumpfen, regenverkündenden
Geheul der bärtigen Affen.
Wo der seichte Strom eine Sandbank übrig läßt, da liegen
mit offenem Rachen, unbeweglich wie Felsstücke hingestreckt, oft
bedeckt mit Vögeln, die ungeschlachten Körper dea Krokodile.
Den Schwanz um einen Baumast befestigt, zusammengerollt, lauert
TM Hauptwörter (50): [T17: [Meer Fluß Gebirge Land Hochland See Halbinsel Osten Norden Süden], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
TM Hauptwörter (100): [T50: [Klima Land Meer Gebirge Europa Zone Norden Küste Süden Winter], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T95: [Bewohner Sprache Volk Land Bevölkerung deutsche Stamm Religion Neger Einwohner], T52: [Mensch Leben Volk Gott Geist Zeit Religion Mann Glaube Herz], T84: [Vogel Tier Eier Fisch Mensch Hund Nahrung Thiere Insekt Art]]
TM Hauptwörter (200): [T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T193: [Meer Halbinsel Gebirge Norden Süden Osten Westen Küste Insel Europa], T32: [Wald Baum Boden Eiche Steppe Höhe Ebene Wüste Teil Tanne], T34: [Meer Wasser Land Küste Insel See Flut Fluß Tiefe Welle], T195: [Pferd Tier Hund Schaf Löwe Wolf Rind Mensch Schwein Thiere]]
267
am Ufer, ihrer Beute gewiß, die schachbrettförmige Boaschlange.
Schnell entrollt und vorgestreckt, ergreift sie in der Fuhrt den
jungen Stier oder das schwächere Wildpret, und zwängt den
Raub, in Geiser gehüllt, mühsam durch den schwellenden Hals..
In dieser großen und wilden Natur leben mannigfaltige
Geschlechter der Menschen. Durch wunderbare Verschiedenheit
der Sprachen gesondert, sind einige nomadisch, dem Ackerbau
fremd, Ameisen, Gummi und Erde genießend, ein Auswurf der
Menschheit (wie die Otomaken und Jaruren); andere angesiedelt,
von selbsterzielten Früchten genährt, verständig und sanfterer
Sitten (wie die Maquiritarer und Maeos). Große Räume zwi-
schen dem Cassiquiare und dem Atabapo sind nur vom Tapir
und von geselligen Assen, nicht von Menschen bewohnt. In
Felsen gegrabene Bilder beweisen, daß auch diese Einöde einst
der Sitz höherer Cultur war. Sie zeugen für die wechselnden
Schicksale der Völker; wie es auch die ungleich entwickelten, bieg-
samen Sprachen thun, welche zu den ältesten und unvergänglich-
sten historischen Denkmälern der Menschheit gehören.
Wenn aber in der Steppe Tiger und Krokodile mit Pferden
und Rindern kämpfen, so sehen wir an ihrem waldigen User,
in den Wildnissen der Guyana, ewig den Menschen gegen den
Menschen gerüstet.- Mit unnatürlicher Begier trinken hier ein-
zelne Völkerstämme das ausgesogene Blut ihrer Feinde; andere
würgen, scheinbar waffenlos, und doch zum Bkorde vorbereitet, mit
vergiftetem Daum-Nagel. Die schwächeren Horden, wenn sie das
sandige User betreten, vertilgen sorgsam mit den Händen die
Spur^ihrer schüchternen Tritte.
To bereitet der Mensch aus der untersten Stufe thierischer
Rohheit, so im Scheinglanze seiner höheren Bildung sich stets
ein mühevolles Leben. So verfolgt den Wanderer über den
weiten Erdkreis, über Meer und Land, wie den Geschichtsforscher
durch alle Jahrhunderte, das einförmige, trostlose Bild des ent-
zweiten Geschlechts.
Darum versenkt, wer im ungeschlichteten Zwist der Völker
nach geistiger Ruhe strebt, gern den Blick in das stille Leben der
Pflanzen und in der heiligen Naturkraft inneres Wirken; oder,
hingegeben dem angestammten Triebe, der seit Jahrtausenden
der Menschen Brust durchglüht, blickt er ahnungsvoll auswärts
zu den hohen Gestirnen, welche in ungestörtem Einklang die alte,
ewige Bahn vollenden.
101. Die Fülle des Lebens in der Natur.
Wenn der Mensch mit regsamem Sinne die Natur durch-
forscht oder in seiner Phantasie die weiten Räume der organi-
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und die engen, dunklen Schluchten, die selten sich weit genug
ausdehnen, um dem Landmanne nützlich werden zu können, sind
hoch mit seinen Trümmern überschüttet und bieten nur verküm-
merte Sträuche oder vereinzelte Pflanzen, die auf solchem Boden
sich nie zu einer saftigen Trift vereinigen können. Von alle
dem, wodurch der Mensch das Ansehen einer Landschaft ver-
ändert und verschönert, seinen heimischen Dörfern und geschäftigen
Städten, seinen Kunststraßen und wohlangebauten Feldern, ent-
halten die einsamen Anden keine Spur. Der Ruf der Sennen-
hirten begrüßt nicht den Wanderer, wenn er am frühen Morgen
die steilen Bergseiten erklimmt, und des Abends tönt nicht aus
dem Thale dem Heimkehrenden das friedliche Geläute einer
Vesperglocke entgegen. Unfähig, in ihrem Schoß eine Bevöl-
kerung zu erhalten, werden die Anden nie anders als in ihrer
starren Regungslosigkeit erscheinen können, und dieser Charakter,
den man selbst in den Einzelnheiten verfolgt und so schwer mit
Worten schildert, wird derselbe bleiben, bis die langsam, aber
sicher wirkende Naturkraft im Laufe der Jahrtausende, durch Ver-
änderung des Klima's und die gradweise Zerstörung der Ober-
fläche, auch diese Gebirge fähig macht, Schauplätze menschlichen
Fleißes zu werden.
Wenn manche Einzelnheiten der Anden, ihre Felswände, die
nur unbemerklich von der senkrechten Richtung abweichen und doch
unzerrissen zweitausend Fuß sich erheben, ihre Schluchten, die so
oft über fünftausend Fuß tief sind, wenn diese die Aufmerksam-
keit fesseln und die Phantasie mit ihrer Schauerlichkeit aufreizen,
so tritt später der kalt richtende Verstand in seine Rechte ein,
und veranlaßt durch ruhigere Erwägung großartiger Thatsachen
eine ernste Bewunderung. Diese Anden, die man, innerhalb
ihres Schoßes lebend und von ihren gigantischen Wänden um-
geben, nie richtig beurtheilt, und von deren Größe man nur in
bedeutender Entfernung erst eine gerechte Idee erhält, erstrecken
sich in ununterbrochenen Reihen über sechzig Breitengrade, und
messen selbst im nördlichen Chile, wo sie als eine einzige Kette
auftreten noch mindestens zwanzig Meilen auf dem Querdurch-
messer ihrer Grundfläche. Selbst ohne an die gründliche Lösung
der Frage zu gehen, wie groß die Oberfläche sei, die sie bedecken,
staunt man über die Resultate einer flüchtigen Berechnung, und
staunt noch mehr, wenn man bedenkt, daß ihre mittlere Höhe,
vermöge einer Menge von Beobachtungen, in Chile nicht geringer
als zwölftausend Fuß angenommen werden könne.
TM Hauptwörter (50): [T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T38: [Boden Wald Land Wiese Wasser Berg Fluß Feld See Dorf]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T21: [Schnee Winter Wasser Sommer Berg Regen Luft Boden Land Erde], T27: [Erde Linie Punkt Breite Länge Kreis Ort Meile Winkel Meridian], T54: [Haus Feld Bauer Dorf Pferd Stadt Vieh Land Wald Mensch], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
TM Hauptwörter (200): [T6: [Berg Fuß Höhe Gipfel Gebirge Schnee Meer Fels Ebene See], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen], T47: [Karte Lage Länge Breite Größe Meile Linie Ort Grenze Höhe], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm]]
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Arnold Herrn. Ludwig Heeren,
geb. den 25. Okt. 1760 zu Arbergen bei Bremen, studierte in Göttingen, machte dann
größere Reisen, ward 1787 außerordentlicher, 1794 ordentlicher Prof, der Philosophie,
1801 Prof, der Geschichte in Göttingen, starb den 6. März 1842. — Historische
Schriften: „Ideen über Politik, den Verkehr und Handel der vornehmsten
Völker der alten Welt." „Geschichte des europäischen Staatensystems und seiner
Kolonien." „Kleinere historische Schriften" u. a.
57. Der Handel der alten und der neuen Welt.
Die Einrichtung des alteil Handels war im ganzen gellomnlen mit
vieles einfacher als die des neuern, da die meisten der künstlichen
Einrichtungen noch nicht vorhanden waren, ohne welche der neuere
Handel jetzt nicht würde bestehen können. Sein Zweck im ganzen blieb
beschränkt auf die Stillung gewisser Bedürfnisse, mochten es nun Be-
dürfnisse der Notwendigkeit oder des Luxus sein. Der Kaufmann, der
sie herbeischaffte, suchte sie teurer zu verkaufen oder zu vertauschen,
als er sie eingekauft oder eingetauscht hatte, besonders wenn sie durch
seine Industrie veredelt waren. Auf diese Weise bereicherte er sich;
aber über diesen Kreis gingen auch seine Spekulationen*) nicht hin-
aus. Der Handel des Altertums blieb also seinem Hauptcharakter nach
Warenhandel. In vielen, vielleicht, wenigstens im höheren Alter-
tume, in den meisten Fällen wurden diese Waren gegen andere ein-
getauscht; wo aber auch edle Metalle als Maßstab des Wertes ge-
braucht wurden, geschah es gewiß mehr nach dem Gewicht als nach
dem Gepräge. Wir wissen von den Phöniziern, den Persern und
anderen Völkern, daß sie Geld prägten; wir wissen auch von einigen
Geldarten, daß sie auch in fremden Länderm im Umlauf waren, wie
die Dariken bei den Griechen; aber wie weit dies im ganzen der Fall
war, darüber sind wir fast gar nicht unterrichtet. Wie dem aber auch
sein mag, so ist doch so viel gewiß, daß der Geldhandel, der einen
Hauptzweig des neuern Handels ausmacht, im Altertume zwar nicht
gänzlich unbekannt, aber doch in seiner Kindheit blieb. In den großen
Städten, wie in Athen, Rom, Alexandrien und andern, wo ein be-
ständiger Zusammenfluß von Fremden war, mußte zwar auch Geld-
umsatz stattfinden, und es gab Wechsler, die sich damit beschäftigten;
aber so lange es noch keine Wechsel gab, konnte jeder Geldumsatz kein
Hauptzweig des Handels werden. Die Spuren, die man in ein paar
Stellen alter Schriftsteller zu finden glaubt, sind zweifelhaft und
deuten schwerlich auf etwas weiteres als auf bloße Anweisungen. Daß
dergleichen häufig auf einen dritten ausgestellt wurden, war natürlich; 1
1) auf Handelsvorteile berechnende Nachforschungen, Berechnungen eines Unter-
nehmens auf wahrscheinlichen Gewinn.
TM Hauptwörter (50): [T45: [Zeit Mensch Leben Kunst Sprache Wissenschaft Natur Wort Geist Lehrer], T39: [Jahr Million Geld Mark Arbeiter Arbeit Zeit Summe Staat Thaler], T29: [Handel Industrie Land Ackerbau Fabrik Stadt Deutschland Mill Viehzucht Gewerbe]]
TM Hauptwörter (100): [T92: [Mensch Leben Natur Arbeit Zeit Ding Geist Welt Art Seele], T4: [Handel Land Industrie Stadt Verkehr Gewerbe Ackerbau Viehzucht Deutschland Zeit], T36: [Million Mark Jahr Geld Thaler Mill Summe Wert Gulden Pfund], T25: [Wissenschaft Kunst Zeit Sprache Geschichte Schrift Buch Werk Jahrhundert Erfindung], T66: [Geschichte Iii Vgl Nr. Aufl Gesch Lesebuch Bild fig deutsch]]
TM Hauptwörter (200): [T39: [Million Mark Geld Jahr Summe Steuer Thaler Staat Ausgabe Einnahme], T127: [Volk Sprache Land Zeit Sitte Kultur Bildung Geschichte Bewohner Stamm], T183: [Kind Lehrer Schüler Unterricht Schule Frage Stoff Aufgabe Zeit Geschichte], T188: [Handel Industrie Ackerbau Land Viehzucht Bewohner Gewerbe Bevölkerung Stadt Bergbau], T136: [Leben Mensch Geist Natur Zeit Volk Welt Kunst Sinn Wesen]]
Extrahierte Personennamen: Arnold_Herrn Ludwig_Heeren Ludwig Wechsler
Extrahierte Ortsnamen: Bremen Göttingen Göttingen Alter- Athen Rom
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allein man kannte die Kunst noch nicht, diese durch eine weitere Zir-
kulation 2) wieder zu Gegenständen des Handels zu machen. Der Geld-
handel im großen, wie er gegenwärtig ist, steht außerdem in einer zu
genaueil Verbindung mit dem öffentlichen Kredit der Staaten, be-
sonders der großen Handelsstaaten, und ist erst eine Folge der Kunst
gewesen, auf die der menschliche Geist vielleicht am meisten raffiniert3)
hat, öffentliche Schulden auf die möglichst vorteilhafte Art zu machen
und wieder abzutragen. Diese Kunst blieb unbekannt in der alten
Welt, weil sie überflüssig war. Die damals so viel geringeren Staats-
ausgaben wurden entweder durch aufgelegte Tribute bestritten oder
auch in außerordentlichen Fällen, wenigstens in Freistaaten, durch
freiwillige Anleihen von Bürgern, die man zurückzahlte, aber die kein
Gegenstand einer kaufmännischen Spekulation werden könnten. Der
eigentliche Wechselhandel aber setzt ein Wechselrecht voraus und kann
schwerlich ohne regelmäßig eingerichtete Posten bestehen, weil alles
dabei auf eine sichere, schnelle und häufige Korrespondenzz ankommt.
Es ist zwar sehr verkehrt, wenn man eine plötzliche Aufhebung unserer
Posteinrichtungen annimmt, und aus der Stockung, die alsdann ent-
stehen müßte, auf die geringe Lebhaftigkeit des alten Handels zurück-
fchließen will; (denn die Aufhebung einer schon bestehenden Einrich-
tung ist immer mit weit größeren Unbequemlichkeiten verbunden als
ihr gänzlicher Mangel, wo sich vor: selbst andere Ersatzmittel zu finden
pflegen;) aber daß gewisse Zweige unsers Handels lediglich von den
Posteinrichtungen abhangen und durch sie erst möglich geworden sind,
bleibt darum nicht minder eine ausgemachte Sache.
Die größere Einfachheit des alten Handels, indem er nur im
Kauf und Verkauf der Waren bestand, zeigt sich auch darin, daß nicht
so viele und so verschiedene Klassen von Teilnehmern dabei beschäftigt
waren wie gegenwärtig. Zwar muß man auch hier nicht zu absprechend
in seinen Behauptungen sein. Wer kann uns noch mit Gewißheit
darüber belehren, wie es in einem großen phönizischen oder karthagi-
schen Handelshause aussah? Daß iit den großen Handelsländern der
Handel auch außer den eigentlichen Kaufleuten eine große Menge
von Menschen, von Zwischenhändlern u. s. w. beschäftigte, sieht man
an mehreren Beispielen, wie z. B. der Kaste der Dolmetscher oder
Mäkler in Ägypten; und überhaupt bürgt uns die Unveränderlichkeit
der Sitten und des ganzen gesellschaftlichen Lebens im Orient wohl
dafür, daß auch die Einrichtungen des Handels sich hier wenig geändert
haben. Die Verschiedenheit findet sich also nur hauptsächlich zwischen
der Form des jetzigen und des alten europäischen Handels. Wahr-
2) Kreislauf, Umlauf. 3) uachgesonueu. 4) Briefwechsel, brieflicher Verkehr.
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schwächere Wildbret und zwängt den Raub, in Geifer gehüllt, müh-
sam durch den schwellenden Hals.
In dieser großen und wilden Natur leben mannigfaltige Ge-
schlechter der Menschen. Durch wunderbare Verschiedenheit der
Sprachen gesondert, sind einige nomadisch, dem Ackerbau fremd, Amei-
sen, Gummi und Erde genießend, ein Auswurf der Menschheit (wie
die Otomaken und Jaruren); andere angesiedelt, von selbsterzielten
Früchten genährt, verständig und sanfterer Sitten (wie die Maquiri-
tarer und Macos). Große Räume zwischen dem Cassiquiare und dem
Atabapo sind nur vom Tapir und von geselligen Affen, nicht von
Menschen bewohnt. In Felsen gegrabene Bilder beweisen, daß auch
diese Einöde einst der Sitz höherer Kultur war. Sie zeugen für die
wechselnden Schicksale der Völker, wie es auch die ungleich entwickelten,
biegsamen Sprachen tun, welche zu den ältesten und unvergänglichsten
historischen Denkmälern der Menschheit gehören.
Wenn aber in der Steppe Tiger und Krokodile mit Pferden und
Rindern kämpfen, so sehen wir an ihrem waldigen Ufer, in den Wild-
nissen der Guyana, ewig den Menschen gegen den Menschen gerüstet.
Mit unnatürlicher Begier trinken hier einzelne Völkerstämme das aus-
gesogene Blut ihrer Feinde; andere würgen, scheinbar waffenlos, und
doch zum Morde vorbereitet, mit vergiftetem Daumnagel. Die
schwächereil Horden, wenn sie das sandige Ufer betreten, vertilgen sorg-
sam mit den Händen die Spur ihrer schüchternen Tritte.
So bereitet der Mensch auf der untersten Stufe tierischer Roheit,
so im Scheinglanze seiner höheren Bildung sich stets ein mühevolles
Leben. So verfolgt den Wanderer über den weiten Erdkreis, über
Meer und Land, wie den Geschichtsforscher durch alle Jahrhunderte,
das einförmige, trostlose Bild des entzweiten Geschlechts.
Darum versenkt, wer im ungeschlichteten Zwist der Völker nach
geistiger Ruhe strebt, gern den Blick in das stille Leben der Pflanzen
und in der heiligen Naturkraft inneres Wirken; oder, hingegeben dem
angestammten Triebe, der seit Jahrtausenden der Menschen Brust
durchglüht, blickt er ahnungsvoll aufwärts zu den hohen Gestirnen,
welche in ungestörtem Einklang die alte, ewige Bahn vollenden.
102. Die Fülle des Lebens in der Natur.
Wenn der Mensch mit regsamem Sinne die Natur durchforscht
oder in seiner Phantasie die weiten Räume der organischen Schöpfung
mißt, so wirkt unter den vielfachen Eindrücken, die er empfängt,
keiner so tief und mächtig als der, welchen die allverbreitete Fülle
des Lebens erzeugt. Überall, selbst nahe an den beeisten Polen, er-
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