106
Wie hätte der Langobardenkönig einem solchen Feinde widerstehen können?
Karl eroberte seine Hauptstadt, nahm ihn gefangen und schickte ihn als
Mönch in ein Kloster. Das langobardische Reich aber vereinigte er mit
dem fränkischen. Andrü.
91. Wie Kaiser Karl Schulvisitation hielt.
1. Als Kaiser Karl zur Schule kam und wollte visitieren,
da prüft' er scharf das kleine Volk, ihr Schreiben, Buchstabieren,
ihr Vaterunser, Einmaleins und was man lernte mehr;
zum Schlüsse rief die Majestät die Schüler um sich her.
2. Gleich wie der Hirte schied er da die Böcke von den Schafen;
zu seiner Rechten hieß er stehn die Fleißigen, die Braven.
Da stand im groben Linnenkleid manch schlichtes Bürgerkind,
manch Söhnlein eines armen Knechts von Kaisers Hofgesind.
3. Dann rief er mit gestrengem Blick die Faulen her, die Böcke,
und wies sie mit erhobner Hand zur Linken in die Ecke.
Da stand im pelzverbrämten Rock manch feiner Herrensohn,
manch ungezogenes Mutterkind, manch junger Reichsbaron.
4. Da sprach nach rechts der Kaiseck mild: „Habt Dank, ihr frommen
Knaben,
ihr sollt an mir den gnädgen Herrn, den gütgen Vater haben;
und ob ihr armer Leute Kind und Knechtessöhne seid,
in meinem Reiche gilt der Mann und nicht des Mannes Kleid!"
5. Dann blitzck sein Blick zur Linken hin, wie Donner klang sein
Tadel:
.„Ihr Taugenichtse, bessert euch, ihr schändet euren Adel!
Ihr feinen Püppchen, trotzet nicht auf euer Milchgesicht,
ich frage nach des Manns Verdienst, nach seinem Namen nicht
6. Da sah man manches Kinderaug in frohem Glanze leuchten
und manches still zu Boden sehn und manches still sich feuchten.
Und als man aus der Schule kam, da wurde viel erzählt,
wen heute Kaiser Karl gelobt, und wen er ausgeschmält.
7. Und wie's der große Kaiser hielt, so soll mans allzeit hakten
im Schulhaus mit dem kleinen Volk, im Staate mit den Alten:
Den Platz nach Kunst und nicht nach Gunst, den Stand nach dem
Verstand,
so steht es in der Schule wohl und gut im Vaierlaud.
v. Gerok.
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl_Schulvisitation Karl Karl Karl Kaisers_Hofgesind Karl Karl Gerok
113
8. Dies rufend, knien sie vor ihm hin und huldigen ihm still
und rufen, als er staunend fragt: „'s ist Deutschen Reiches Will!"
9. Da blickt Herr Heinrich tiefbewegt hinauf zum Himmelszelt:
„Du gabst mir einen guten Fang! — Herr Gott, wie dirs gefällt!"
Vogl.
96. Die Ungarn.
Die Ungarn waren ein furchtbares und häßliches Geschlecht. Ihr
Gesicht hatte das Ansehen eines Klumpens; die Augen waren wie kleine
Löcher, die Wangen voll knotiger Narben, weil sie in der Kindheit auf-
gerissen wurden, um das Wachsen des Bartes zu verhüten. Die Glieder
des Leibes waren kurz und gedrungen und ganz in Tierfelle gehüllt,
von denen das Rauhe nach außen gekehrt war. Immer saßen sie auf
ihren kleinen, zähen Rossen, wie wenn sie mit denselben zusammen-
gewachsen wären. Auf denselben verrichteten sie alle Geschäfte: sie
kauften und verkauften, nahmen Speise und Trank und pflogen gemein-
samen Rat. Wenn sie ruhen wollten, so legten sie sich vorwärts auf
den Hals derselben und überließen sich so unbesorgt dem Schlafe.
Ihre Nahrung waren die Wurzeln wilder Kräuter und das Fleisch
jeglichen Tieres. Dieses Fleisch, durch die Jagd gewonnen, legten sie wie
einen Sattel auf den Rücken des Pferdes und ritten es mürbe mit ihrer:
Schenkeln; Feuer und Würze brauchte:: sie rücht zu der Zubereitung.
Ihr Kleid wechselten sie nicht eher, als bis es vor Alter in Fetzen
vom Leibe fiel. Von Anständigkeit und Schicklichkeit hatten sie keiner:
Begriff und keine Vorstellung vor: Religion. Ihre Weiber saßen auf
dem Karren; auf demselben erwuchsen auch die Kinder, bis die Knaben
dem Vater folgten und die Mädchen in die Stelle der Mutter traten.
Nach Gold hatten sie die heftigste Begierde und ein brennendes Ver-
langen nach Raub. Ihre Laute waren einer menschlichen Sprache kaum
ähnlich. Wandelbar wie ihre Lebensart war ihre Gesinnung; auf ihr
Wort durfte niemand rechnen, und leicht war ihr Zorn entflanrmt.
Lanze, Pfeil und Bogen waren ihre Waffen, die Spitze war ein scharfer
Knochen. Auch hatten sie Schlingen, die sie mit Geschicklichkeit über
den Feind zu werfen verstanden, um ihn wehrlos zu machen. In
Schnelligkeit urrd Ausdauer bestand ihre Stärke. Darum zogen sie der
Verteidigung den Angriff vor. Keilweise drangen sie heran; in der
Nähe des Feindes lösten sie sich auf und umzogen in einem wilden
Schwarme seirre Schlachtordnung. In der Stirn, in: Rücken, auf den
Seiten, vor jeder Lücke zeigten sie sich mit wildem Geschrei, ver-
schwanden im Augenblick, und in: Augenblick stürzten sie vor:
B. Iv. R. «
neuem
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131
Die Huben an, auf ihn zu schießen,
nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forchi sich nit,
ging seines Weges Schritt vor
Schritt,
ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
und tät nur spöttlich um sich blicken,
bis einer, dem die Zeit zu lang,
auf ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein
Blut,
er trifft des Türken Pferd so gut,
er haut ihm ab mit einem Streich
die beiden Vorderfüß zugleich.
Als er das Tier zu Fall gebracht,
da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
er schwingt es auf des Reiters Kopf,
haut durch bis auf den Sattelknopf,
haut auch den Sattel noch zu Stücken
und tief noch in des Pferdes Rücken.
Zur Rechten sieht man wie zur Linken
einen halben Türken heruntersinken.
105. Ha
1. Der alte Barbarossa,
der Kaiser Friedericb,
im unterirdschen Schlosse
hält er verzaubert sich.
2. Er ist niemals gestorben,
er lebt darin noch jetzt;
er hat im Schloss verborgen
zum Schlaf sich hingesetzt.
3. Er hat hinabgenommen
des Reiches Herrlichkeit
und wird einst wiederkommen
mit ihr zu seiner Zeit.
4. Der Stuhl ist elfenbeinern,
larauf der Kaiser sitzt;
Da packt die andern kalter Graus,
sie fliehen in alle Welt hinaus,
und jedem ists, als würd ihm mitten
durch Kopf und Leib hindurchge-
schnitten.
Drauf kam des Wegs'ne Christenschar,
die auch zurückgeblieben war;
die sahen nun mit gutem Bedacht,
was Arbeit unser Held gemacht.
Von denen hats der Kaiser ver-
nommen.
Der ließ den Schwaben vor sich
kommen;
er sprach: „Sag an, mein Ritter wert,
wer hat dich solche Streich gelehrt?"
Der Held bedacht sich nicht zu lang:
„Die Streiche sind bei uns im
Schwang;
sie sind bekannt im ganzen Reiche,
man nennt sie halt nur Schwaben-
streiche."
Uhland.
barossa.
der Tisch ist marmelsteinern,
worauf sein Haupt er stützt.
5. Sein Bart ist nicht von
Flachse,
er ist von Feuersglut,
ist durch den Tisch gewachsen,
worauf sein Kinn ausruht.
6. Er nickt als wie im Traume,
sein Aug halb offen zwinkt;
und je nach langem Raume
er einem Knaben winkt.
7. Er spricht im Schlaf zum
Knaben:
„Geh hin vors Schloss, o Zwerg,
und sieh, ob noch die Raben
herfliegen um den Berg!
9*
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97
Thüringer werden entweder erschlagen oder zu Gefangenen gemacht,
während es der königlichen Familie gelingt zu entfliehen.
In der Folge siel nun ganz Nordthüringen bis zur Unstrut her
als Beute an die Sachsen; denn der treulose Frankenkönig wagte nach
diesem Verlaufe der Dinge nicht, die Bundesgenossen um den be-
dungenen Lohn zu betrügen. Der übrige Teil Thüringens kam unter
die unmittelbare Herrschaft der Franken, die aber wegen andrer Kämpfe
in ihrem weiten Reiche die Ostgrenze nicht genug beschirmen konnten,
so daß die Slaven den ganzen Teil zwischen Elbe und Saale nach und
nach in ihren Besitz brachten.
Herminafried hielt sich am Königshofe des Siegers auf und soll
von diesem in Zülpich hinterlistig von der Mauer gestoßen worden
sein. Die Tochter seines Bruders, Radegundis, die schon in Thüringen
sehr viel für Ausbreitung des Christentums getan hatte, wurde zur
Ehe mit einem Frankenkönige gezwungen und wirkte als Königin so
segensvoll, daß sie zu den Heiligen der katholischen Kirche gezählt wird.
Amalaberga kehrte an den ostgotischen Königshof zurück.
Viele der thüringischen Helden wurden landflüchtig, so daß die
deutsche Sage sie an dem Zufluchtsorte so vieler Heimatlosen, am Hose
Etzels, weilen läßt.
Das wird im Nibelungenliede mit diesen Worten gemeldet:
„Da kam von Dänemark der kühne Hawart
und Jring der schnelle, vor Falschheit wohl bewahrt,
Jrnfried von Thüringen, ein stattlicher Herr,
sie empfingen Kriemhilde, wie es ihr gereichte zur Ehr."
(Jrnfried ist Herminafried, Jring einer seiner Helden.)
R. Dobenccker, nach Rothe.
86. Bonifatius bei den Hessen und Thüringern.
Auf dem Waldwege, der vom Main nordwärts in das Hügelland
der Franken und Thüringer führt, zogen an einem heißen Sommertage
drei Reiter schweigend dahin. Der erste war der Führer, ein junger
Mann von starken Gliedern; das lange Haar hing ihm wild um das
Haupt, die blauen Augen spähten nach beiden Seiten des Weges in
den Wald. Er trug eine verschossene Lederkappe, über der braunen Jacke
eine große Tasche mit Reisevorrat, in der Hand den Wurfspeer, auf
dem Rücken Bogen und Jagdköcher, an der Seite ein langes Weid-
messer, am Sattel seines Rosses eine schwere Waldaxt. Hinter ihm
ritt ein breitschulteriger Mann mit großem Haupt; die mächtige Stirn
8. Iv. R. ' 7
TM Hauptwörter (50): [T43: [König Held Sohn Mann Schwert Ritter Hand Tod Vater Feind], T48: [Land Rhein Reich Volk Sachsen Römer Franken Jahr Karl Gallien], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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Extrahierte Personennamen: Amalaberga Rothe Bonifatius
Extrahierte Ortsnamen: Nordthüringen Sachsen Nibelungenliede Hessen Main
98
und die blitzenden Augen gaben ihm das Aussehen eines Kriegers;
aber er trug sich nicht wie ein Mann des Schwertes. Das kurz-
geschorene Haar deckte ein sächsischer Strohhut; an dem langen Gewände
war nicht Wehrgehänge, nicht Waffe sichtbar; nur die Axt, welche jeder
Reisende in der Wildnis führte, steckte im Sattel. Nach dem großen
Ledersack, der vor ihm über dem Sattel befestigt war, mochte man ihn
für einen Händler halten; es befanden sich aber in dem Sacke außer-
dem notwendigsten Reisevorrate ein Schreiben des Papstes von Rom,
ein Schutzbrief des großen Frankenkönigs und verschiedene wertvolle
heilige Schriften. Ihm zur Seite trabte ein Jüngling in gleicher Tracht
und Ausrüstung, der auch auf dem Rücken ein Bündel trug und in
der Hand einen Baumzweig, mit dem er sein Rößlein antrieb. Am
Waldesrand hielt der Führer an, sprang vom Rosse, neigte sich tief
gegen einen mächtigen Eschenbaum und sprach ehrfürchtig: „Dies ist
der heilige Baum der hohen Schicksalsfrauen. Schutz vor schädlichen
Gewalten hat die Stelle, und darum habe ich euch hierhergeführt."
Hier schickten sie sich an, die Nacht zu rasten, und schlugen den Nacht-
zaun zusammen.
Der Führer «riet dem Fremden, die hohen Gewalten der Urzeit,
welche um den Baum schweben und ihm feind seien, zu scheuen. „Ob
sie mir feind sind, will ich dir zeigen, wenn du mir folgst," antwortete
der Fremde und schritt dem Baume zu. Er erhob seine Axt und rief:
„Haben sie Grimm, so mögen sie zürnen; haben sie Macht, so mögen
sie mich treffen wie ich diesen Stamm." Und mit starkem Schwünge
schlug er die Axt in den Baum. Der Führer trat zurück, griff nach
seiner Waffe und starrte nach der Höhe, ob von dort ein Götterzeichen
den Frevler treffe; aber alles blieb still. Grollend zog sich der Führer-
zurück, des Schutzes innerhalb des Zaunes für sich und sein Roß nicht
begehrend; weitab von den Fremden lagerte er neben seinem Tiere.
In der Umzäunung knieten der Fremde und der Jüngling nieder,
erhoben den lateinischen Abendgesang und nahmen darauf den einfachen
Imbiß ein. — Nach einer stürmischen Wetternacht zogen sie am frühen
Morgen weiter.
In der Landschaft, welche unsere Reisenden jetzt betraten, lagen
hier und da Dörfer und einzelne Höfe fränkischer Ansiedler zerstreut,
die Häuser zerfallen und notdürftig geflickt, daneben oft leere Brand-
stätten. Nur wenig Leute sahen sie auf dem Felde; in den Dörfern
rannten die Kinder und Frauen an den Hofzaun und starrten den
Reisenden nach. Wieder kamen sie an ein Dorf; ohne Zaun standen die
Strohdächer, welche fast bis zunr Boden reichten, selbst die Flieder-
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104
89. Karl -er Große.
Karl war ein echt deutscher Mann von starkem Körperbau und
schlanker Gestalt. Er hatte eine hohe, klare Stirn und überaus große,
lebendige Augen, die dem Freunde und Hilfebittenden freundlich, dem
Feinde aber furchtbar leuchteten. In früher Jugend übte er nach
Frankenart seine Körperkraft und wurde der beste Fechter und
Schwimmer. Ein Hauptvergnügen war die Jagd, und wenn er seinem
Hofe ein Fest bereiten wollte, wurde eine Treibjagd angestellt. Alles
setzte sich zu Pferde, und dann ging es unter dem Klange der Hörner-
und dem Gebelle unzähliger Hunde in lärmendem Jubel hinaus in die
Weite der Wälder, wo die jungen Edelmänner dann durch Mut
und Geschicklichkeit einander zu übertreffen suchten. Karl, mitten unter
ihnen, bestand manchen heißen Kampf mit wilden Ebern, Bären und
Auerochsen.
Im Essen und Trinken war er sehr mäßig. Speiste er mit den
Seinigen allein, so kamen nur vier Schüsseln auf den Tisch. Ein Wild-
bret, am Spieße gebraten und vom Jäger zur Tafel gebracht, war seine Lieb-
lingsspeise. Sein Schlaf war nur kurz. Selbst des Nachts stand er
mehrmals von seinem Lager auf, nahm Schreibtafel und Griffel, um
sich in der in seiner Jugend versäumten Schreibkunst zu üben, oder er
stellte sich ans Fenster und betrachtete mit Ehrfurcht und Bewunderung
den gestirnten Himmel. Eine so einfache Lebensweise erhöhte die ohnehin
so gewaltige Körperkraft dieses Mannes, so daß man seinen Geschichts-
schreibern wohl glauben darf, wenn sie erzählen, wie er mit leichter
Mühe ein Hufeisen brach oder einen geharnischten Mann emporhob
wie ein Kind und Lasten hob, die ein gewöhnlicher Mann jetziger Zeit
nicht von der Stelle rücken könnte.
Seine Kleidung war nach deutscher Art einfach. Er trug Gewänder,
von der fleißigen Hand seiner Gemahlin verfertigt, Strümpfe und leinene
Beinkleider, mit farbigen Bändern kreuzweise umwunden, ein leinenes
Wams und darüber einen einfachen Rock mit seidenen Streifen, seltener
einen viereckigen Mantel von weißer oder grüner Farbe; aber stets
hing ein großes Schwert mit goldenem Griffe und Wehrgehänge an
seiner Seite. Nur an Reichstagen und hohen Festen erschien er in
voller Majestät, mit einer goldenen, von Diamanten strahlenden Krone
aus dem Haupte, angetan mit einem lang herabhängenden Mantel, der
mit goldenen Bienen besetzt war.
Im Januar des Jahres 814 entschlief der große Mann, im zwei-
undsiebenzigsten Jahre seines Alters, nach einer fast siebenundvierzig-
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Extrahierte Personennamen: Karl_-er_Große Karl Karl Karl Karl Karl
107
92. Die Schule der Stutzer.
1. „In solchem Staat, ihr Herrn vom Rat,
mit Seide, Gold und Bändern?
Wohl ziemt der Glanz zu Spiel und Tanz,
zum Reihen oder Ländern;
zu ernsten Dingen ziemt er nicht,
drum halt ich heute kein Gericht;
auf, lasst uns fröhlich jagen!“
2. Das Hifthorn schallt im grünen Wald,
an Seilen bellt die Meute,
dem Freudenschall er jauchzen all
die flinken Jägersleute.
Der Kaiser weist sie manchen Pfad,
wo sich viel Wilds verborgen hat:
„Kur zu, durch dick und dünne!“
3. Ihm folgen gern die schmucken Herrn,
wie liessen sie sich mahnen?
Doch mancher Dorn nimmt sie aufs Korn
und zerrt an ihren Fahnen.
Viel bunte Flittern flattern fort,
ein Läppchen hier, ein Läppchen dort,
sie müssen Wolle lassen.
4. Im schlichten Rock hat manchen Bock
der Kaiser abgefangen.
Sie trafen nie, stets blieben sie
an einem Dornbusch hangen.
Der Kaiser lacht: „Ach wie zerfetzt 1
Ihr wurdet heute selbst gehetzt I
Ein andermal seid klüger!“ Simrock.
93. Wittckind.
Als der gewaltige Kaiser Karl der Große mit den Sachsen Krieg
führte, welche nicht von ihrem heidnischen Glauben lassen und sich nicht
zum Christentum bekehren wollten, lebte mitten im Sachsenlande, in der
Nähe der Weser, am Fuße des Gebirges ein Mann, namens Bertnlf.
Dieser war eines Tages in den Wald gegangen, um Holz zu fällen;
und als er abends nach Hause kaum, fand er seine Frau und seine
Kinder schon um den Herd versammelt, denn es ging ein rauher Wind
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Extrahierte Personennamen: Karl_der_Große Karl Bertnlf
108
burd)§ Gebirge. Der Vater erzählte den Seinen, daß er an mehreren
Stellen der Ebene Rauch mb Flammen habe aufsteigen sehen, und daß
er glaube, die Franken müßten eine Schlacht gewonnen haben. Gern
wäre auch er zum Heerbanne seines Volkes gezogen; aber er konnte es
nicht, denn er war bereits Christ geworden und teilte also den Glauben
der Feinde.
Als sie noch beisammen saßen und sprachen, ließen sich vom Berg-
pfade her Tritte von Roß und Mann hören. Bertulf hielt einen
Kienspan ins Feuer und ging mit dem lodernden Brande in die
Waldung vor sein Haus hinaus. Da kam ihm ein stattlicher geharnischter
Mann entgegen, aber ohne Helm, welcher ihm wohl in der Schlacht
mochte zerhauen sein, denn er hatte den Kopf mit einem blutigen
Tuche umwunden. Hinter ihm ragte eine zweite hohe Gestalt hervor,
eine spitzige Sturmhaube auf dem dunkeln Haar, an der Hand ein
Roß führend, aus dessen ängstlichem Schnauben sich abnehmen ließ,
daß es verwundet war. Die beiden baten um Aufnahme für sich und
ihr Roß. Freundlich lud Bertulf sie in sein Haus; er selbst besorgte
das Pferd im Stalle.
Die beiden Kriegsleute waren in tiefe Gedanken versunken, als sie
sich am Herde niedergelassen hatten; neugierig blickten die Kinder aus
dir Gäste. An ihrer Tracht, Bewaffnung und Sprache erkannte man,
daß es Sachsen waren; einer hatte gelbes Lockenhaar unter seinem
Tuche, und blau waren seine Augen, der andere war dunkel von Bart
und Haar. Indes hatte die Hausfrau einen Krug Met geholt; aber
indem sie ihn den Fremden bot, machte sie nach ihrer Gewohnheit das
Zeichen des Kreuzes darüber. Finster blickend sprach der mit dem
blutigen Haupte zum andern: „Ich glaube, wir sind zu Christen ge-
kommen, denn unsere Wirtin machte eben ein Zeichen, das ich oft von
sterbenden Franken habe machen sehen." — „Ich glaube es auch," erwiderte
der andere, „tvir werden wohl hier noch einen Kampf zu bestehen haben."
Da erschrak die Frau und sprach: „Liebe Herren, tut uns kein Un-
recht: das Zeichen, welches ihr sahet, soll den Hammer des Gottes
Thor bedeuten." Der älteste Knabe aber zupfte seine Mutter am Kleide
und stüsterte ihr zu: „Mutter, was soll das mit dem Zeichen? Ich
weiß ja von keinem Hammer." Sie aber gebot ihm Schweigen. In
diesem Augenblicke trat ihr Mann wieder ins Zimmer; und da er zum
Herd gehend an einem Kreuzesbild des Heilands vorüberkam, neigte
er sich ehrerbietig davor. Da rief der eine Kriegsmann: „Was ist
das für ein Bild, dem du den Nacken beugst?" Als die Mutter er-
bleichte und ihr kleines Mädchen das sah, rief diese: „Liebe Herren/
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145
dazu Kaiser geworden , dass man mich, vor den Menschen ein-
schließe ?“ Einfach in seinen Sitten, trug er statt des könig-
lichen Schmuckes gewöhnlich ein schlichtes, graues Wams, das
er sich im Felde wohl seihst flickte. Da sah man ihm freilich
seine Würde nicht an, und es begegnete ihm manch heiteres
Abenteuer. Einst, als er mit seinem Hoflager bei Mainz stand,
ging er in seinem einfachen Wams in die Stadt. Es war sehr
kalt, und er trat in das Haus eines Bäckers, um sich am Ofen
zu erwärmen. Die Bäckersfrau, welche ihn für einen gemeinen
Soldaten hielt, wies ihn hinaus und schalt heftig auf den Kaiser,
der mit seinem Kriegsvolke den Bürgersleuten so viel Last
mache. Rudolf lachte und wollte nicht gehen. Da wurde die
Frau so aufgebracht, dass sie einen Topf Wasser nahm und
ihn damit begoss. Glanz durchnässt ging der Kaiser ins Lager
zurück. Mittags aber schickte er durch einen Diener der Frau
einige Schüsseln mit Speisen und liess dabei sagen, das schicke
ihr der Soldat, den sie am Morgen so reich mit Wasser getränkt
habe. Die Frau geriet in Verzweiflung, als sie jetzt erfuhr,
wer der Mann im grauen Wams gewesen. Eilig lief sie in das
Lager und warf sich dem Kaiser zu Füssen. Der aber hiess
sie aufstehen und befahl ihr zur Strafe nur, die Scbeltrede,
die sie ihm am Morgen gehalten, vor allen Anwesenden zu
wiederholen. Wie sehr die Frau sich anfangs auch sträubte,
musste sie es endlich doch unter dem allgemeinen Gelächter der
Zuhörer tun.
Wie klug Rudolf als Richter zu verfahren wusste , zeigt
folgende Begebenheit. In Nürnberg trat ein Kaufmann mit
einer Klage gegen einen Gastwirt vor ihn. „Ich habe dem
Wirte,“ sagte er, „einen ledernen Beutel gefüllt in Verwahrung
gegeben, und nun leugnet er frech den Empfang des Geldes
und will es nicht mehr herausgeben.“ Als der Wirt, ein an-
gesehener Mann in Nürnberg, desselben Tages mit anderen Ab-
geordneten der Stadt vor dem Kaiser erschien, unterhielt sich
Rudolf, leutselig wie er war, mit einem jeden, und auch den
Wirt fragte er nach Namen, Gewerbe und Familie. Dann, wie
von ungefähr, fuhr er fort: „Sieh, du hast ja da einen präch-
tigen neuen Hut, wie ich nie einen besessen. Wie wärs, wenn
wir tauschten? Du erhältst freilich nur einen alten Hut, aber
den Hut des Kaisers, und ich bekomme bei dieser Gelegenheit
einen neuen, der mich keinen Heller kostet.“ Natürlich ging
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T65: [König Herr Soldat Offizier Vater Prinz Friedrich Majestät General Brief], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz]]
Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf
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der Wirt auf den Tausch ein, und Rudolf setzte den einge-
tauschten Hut wohlgefällig auf. Dann ging er hinaus und
sandte einen Bürger zu des Wirtes Frau; der zeigte ihr den
Hut ihres Mannes vor und sprach: „Sehet da, von wem ich
komme. Ihr sollt mir für den Eigentümer dieses Hutes sogleich
den ledernen Beutel mit dem Golde übergeben.“ Die Frau,
keine List ahnend, gab ohne Bedenken den Beutel her. Als
nun der Kaiser das Gold empfangen hatte, trat er mit dem
Hute wieder in den Saal. Der bestohlene Kaufmann wurde
gerufen und musste die Anklage wiederholen ; der Wirt leugnete
hartnäckig. Da zog Rudolf den Beutel hervor und fragte, mit
ernstem Auge den Wirt anblickend : „Kennst du diesen Beutel?“
Darüber erschrak der Dieb heftig, fiel auf die Knie nieder
und bat um Gnade, musste aber für seine Schalkheit am Galgen
büfsen.
Achtzehn Jahre lang hat Rudolf dem Deutschen Reiche
vorgestanden. Nach Italien zog er nie. Er verglich das Land,
in welchem so viele deutsche Kaiser nutzlos gekämpft hatten,
mit der Höhle des Löwen, aus der niemand unverletzt wieder-
kehre. Dagegen wirkte er mit Kraft und Weisheit für Deutsch-
lands Wohlfahrt bis zu seinem Ende. Andrä.
111. Der Graf Von Habsburg.
1. Zu Aachen in seiner Kaiserpracht
im altertümlichen Saale
saß König Rudolfs heilige Macht
beim festlichen Krönungsmahle.
Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins;
es schenkte der Böhme des perlenden Weins;
und alle die Wähler, die sieben,
wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,
umstanden geschäftig den Herrscher der Welt,
die Würde des Amtes zu üben.
2. Und rings erfüllte den hohen Balkon
das Volk in freudgem Gedränge,
laut mischte sich in der Posaunen Ton
das jauchzende Rusen der Menge;
denn geendigt nach langem, verderblichem Streit
war die kaiserlose, die schreckliche Zeit,
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T46: [Heinrich König Otto Kaiser Sohn Herzog Karl Ludwig Sachsen Jahr]]
TM Hauptwörter (100): [T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T87: [Tag Tisch Haus Frau König Mann Gast Herr Hand Abend], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T77: [Baum Nacht Himmel Wald Tag Gott Kind Vogel Sonne Blume], T83: [Karl Heinrich König Otto Sohn Reich Kaiser Sachsen Ludwig Herzog]]
TM Hauptwörter (200): [T196: [Tisch Tag König Hand Wein Herr Haus Gast Abend Frau], T81: [Herz Himmel Gott Welt Lied Leben Auge Erde Land Nacht], T102: [Glocke Stimme Wort Hand Auge Ohr Kirche Ton Fenster Herr], T97: [Heinrich Herzog Graf Erzbischof König Grafe Kaiser Stadt Herr Mainz], T123: [Haar Mann Kopf Frau Hand Fuß Kleidung Mantel Hut Schuh]]
Extrahierte Personennamen: Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolf Rudolfs
Extrahierte Ortsnamen: Italien Habsburg Aachen König_Rudolfs Rheins