36 . 11. Aus der Zeit Wilhelms I.
auch englische Ingenieure. Zur bestimmten Stunde bestieg Borsig seinen Eisenrenner. Mit stolzer Sicherheit bewegte sich die erste deutsche Lokomotive vorwrts. Von ihrem Erbauer selbst gelenkt, brauste sie an dem Bahnsteig vorber, eine Strecke die Bahn entlang, dann im schnellsten Laufe zurck, und auf einen Wink stand sie in der Halle still. Strmischer Beifall empfing Borsig, nur die Englnder machten lange Gesichter. Die Sachverstndigen sprachen sich einstimmig dahin aus, da die Borsigsche Lokomotive als durchaus gelungen anzuerkennen sei. Diesen Tag zhlte Borsig zu den schnsten seines Lebens. Borsig bekam nun den Auftrag, alle Lokomotiven fr diese Eisenbahn zu liefern.
5. Borsig, der Lokomotivenknig. Bald nahmen auch andere Eisenbahnen ihre Lokomotiven von Borsig. Schon 5 Jahre nach dem Bau der ersten Lokomotive wurde die hundertste fertig und nach weiteren zwei Jahren die zweihundertste, im Jahre,1854 die fnfhundertste. Immer weiter dehnten sich die Rume seiner Fabrik aus; schlielich wurden sie so groß, da sie ganz aus Berlin nach dem Vor-orte Tegel hin verlegt werden muten. Trotz seines groen Reichtums lebte Borsig einfach und bescheiden. Seine Arbeiter nannten ihn Vater Borsig", während er sonst wohl der Lokomotivenknig" ge-nannt zu werden Pflegte. Er starb schon im Jahre 1854. bald nach der Fertigstellung der fnfhundertsten Lokomotive. Seine Kinder setzten sein Werk fort, und taufende von Lokomotiven sind seitdem aus der Borsigschen Fabrik hervorgegangen.
Nach Borsig entstanden auch in andern Stdten Fabriken, die Lokomotiven bauten.
11. us der Zeit Wilhelms I.
A. Z>er Irin; Wilhelm.
1. Aus seiner Jugendzeit. Der sptere Kaiser Wilhelm I. ist ,-rnn 22. Mra.,.1797 geboren. Er war der zweite Sohn Friedrich Wilhelms Iii. und der Knigin Luise. Als kleines Kind war er recht schwchlich, und seine Mutter hatte oft groe Sorgen um ihn. Aber die Knigskinder muten sich in Paretz und auf der schnen Pfauen-infel bei Berlin viel in frischer Luft umhertummeln, dabei turnte er fleiig, und fo wurde er krftiger.
Die frohe Kinderzeit war bei ihm nur kurz. Als er 9 Jafiril alt war, wurde Preußen von Napoleon besiegt, und die knigliche Familie mujite fliehen, zuerst nach Knigsberg und dann nach Memel. Das war eine harte Zeit, auch fr die Prinzen. Erst nach 3 Jahren konnten sie nach Berlin zurckkehren. Aber bald darauf, als Prinz Wilhelm 13 Jahre alt war, starb feine Mutter; das war des Knaben grter Schmerz. Er hat sie nie vergessen und noch als Greis oft an sie gedacht.
Als der Krieg im Jahre 1813 begann, wollte auch Prinz Wilhelm gern mit ins Feld ziehen. der sein Vater sagte: Du bist noch so
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Extrahierte Personennamen: Wilhelms_I. Wilhelms_I. Wilhelms_I.
A. Wilhelms_I. Wilhelm Wilhelm_I. Wilhelm_I. Friedrich_Wilhelms Friedrich Wilhelms Napoleon Wilhelm Wilhelm Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Berlin Tegel Paretz Berlin Knigsberg Berlin
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einer Mauer zu umgeben und in derselben ein Thor anzulegen. Alsdann wurden Ordenshof und Marienkirche so nebeneinander erbaut, daß die Ordensritter unmittelbar aus dem Ordenshause oder der Kommende in die Kirche treten konnten. Der Orden ist 1809 aufgehoben, aber die Kommende steht noch heute neben der Marienkirche und ist durch das gleicharmige Ordenskreuz bezeichnet; auch die Marienkirche trägt über dem Thore zur Neustadt ein Kreuz mit den Jahreszahlen 1318 und 1809.
3. Außer den Ordensgemeinschaften entstanden in der Stadt noch vier geistliche Brüderschaften, deren Mitglieder sich am ersten Tage eines jeden Monats zu gemeinsamer Andacht versammelten und danach den Namen Kalandsbrüder*) erhielten. Die älteste dieser Brüderschaften war der St. Georgskaland, der seine Kapelle vor dem Albanithore hatte. Wie die Klöster, so erwarben auch( die Kalande viele Reichtümer.
4. Fromme Familien stifteten für Sieche, Kranke und Altersschwache besondere Pflegestätten und statteten sie mit Gütern aus. So legte ein Mann Namens Heidenreich Bernhardt den Grund zum Hospital und zur Kirche des heiligen Geistes, woran heute noch die Geiststraße und der Geisthof am Gronerthore erinnern. Zwei andere Männer stifteten vor dem Geismarthore Hospital und Kapelle St. Crucis, welches noch jetzt für alte Jungfrauen vorhanden ist. Von dieser Stiftung trägt die Hospitalstraße ihren Namen. Im Weender Felde errichtete der Rat für Aussätzige das Hospital St. Bartholomäi. Die Einkünfte dieser Gründungen bestehen zum teil noch heute fort, werden in der Kaffe der milden Stiftungen geführt und für Arme und Bedürftige im Sinne der ehemaligen Stifter verwandt.
20. Die Göttinger Lateinschule.
Bald nach dem Jahre 1300 errichtete der Rat für die Söhne der Göttinger Bürger eine Lateinschule, in welcher die Schüler „gute Künste und alles, was zur Erhaltung der Kirchen und dem weltlichen Regiment und Stande dienet, lernen, ferner auch wie sie in auswendigen Geberden und Sitten gegen jedermann geschickt sein sollten". Trotz dieser Forderung wurde die lateinische Sprache nach der Sitte der Zeit als die Hauptsache betrachtet. Davon heißt es: „Alle vlit unde arbeyd in den scholen schal darto denen, bat de jungen ja wohl werden geövet, latinisch to leren, dat se leren wol lesen, recht scriven, vorstan de antares, de eil uthgelecht werden, recht latin spreken und stedes versche und epistolen malen". Die Schule stand neben der Johannispfarre, wurde von einem Rektor geleitet, dem mehrere „wohlgelehrte Gesellen" und ein Kantor zur Seite standen. Sämtliche Lehrer waren Geistliche. Aus dieser Lateinschule ist das Gymnasium unserer Stadt hervorgegangen.
*) calendae = der erste Tag des Monats.
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ist sein Lustspiel „Minna von Barnhelm", das sich bald die Herzen aller Deutschen eroberte. Durch diese Männer wurde der Boden bereitet, auf dem Goethe und Schiller, diese beiden größten Dichter unseres Volkes, emporwachsen konnten.
2. Johann Wolfgang Goethe ist am 28. August 1749 zu Frankfurt a. M. geboren. Sein Vater, ein Rechtsgelehrter und kaiserlicher Rat, war ein ernster und rechtschaffener Mann. Die Mutter hatte ein heiteres Wesen und besaß auch poetische Gaben; sie erzählte ihren Kindern gern allerhand Märchen, hörte aber gewöhnlich in der Mitte auf und überließ es den Kindern, sich das Ende selbst auszumalen. Der Sohn sagte später von sich:
„Vom Vater hab' ich die Statur, des Lebens ernstes Führen,
Vom Mütterchen die Frohnatur und Lust zu Fabulieren."
Unter sorgfältiger Leitung der Eltern wuchs der Knabe heran. Er machte solche Fortschritte, daß er bereits im zwölften Jahre eine kleine Erzählung dichtete, worin sieben Geschwister, die in der Welt zerstreut gewesen und wieder zusammentreffen, sich in sieben verschiedenen Sprachen ihre Erlebnisse erzählen. Die altertümliche Stadt mit ihren vielen geschichtlichen Erinnerungen, ihren Messen, Kunstsammlungen, Anlagen und Waldungen, und der herrliche Mainstrom übten großen Einfluß auf das Gemüt des Knaben aus.
3. Mit sechzehn Jahren bezog Goethe die Universität Leipzig, um Rechtswissenschaft - zu studiereu. Am liebsten beschäftigte er sich jedoch mit der Poesie und andern Künsten. Wegen Krankheit mußte er ins väterliche Haus zurückkehren, setzte aber nach der Genesung das Studium auf der Universität Straßburg fort und wurde Doktor der Rechte. Im Jahre 1772 ging Goethe als Advokat nach Wetzlar an das Reichskammergericht. Die Thätigkeit am Gerichte wollte ihm aber nicht gefallen, er kehrte deshalb bald wieder ins väterliche Haus zurück und schuf nun die ersten großen Dichtungen, die seinen Namen überall bekannt machten: das «Schauspiel „Götz von Berlichingen" und den Roman „Werthers Leiden". Als einst der Erbprinz Karl August vou Weimar durch Frankfurt reiste, wünschte er die Bekanntschaft des Dichters zu machen und ließ ihn zu sich in den Gasthof kommen. Goethe blieb bei dem Prinzen zu Tische und mußte ihn auf einige Tage nach Mainz begleiten. Später, als Karl August zur Regierung kam, zog er den jungen Dichter nach Weimar, und Goethe blieb nun daselbst bis an das Ende seines Lebens. Am Fürstenhofe zu Weimar war damals ein Kreis von Künstlern und kunstverständigen Männern und Fraueu, um Musik und Dichtkunst zu pflegen. Alle neuen Dichtungen wurden da vorgelesen, geprüft und dramatische Stücke auch aufgeführt. _ So wurde Weimar zu einer wichtigen Pflegestätte der deutschen Dichtkunst. Goethe wurde erst Geheimtat, dann Präsident der Kammer und damit höchster Beamte im Herzogtums Neben seinen Berufsarbeiten war er stets mit Dichtungen beschäftigt. Unter vielen andern Dichtungen entstanden tu dieser Zeit die Balladen: „Der Fischer", „Erlkönig", „Der Sänger" und das Lied: „Über allen
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Extrahierte Personennamen: Goethe Schiller Johann_Wolfgang_Goethe Johann August Goethe Goethe Karl_August Karl August Goethe Karl Karl August Goethe Goethe
— 275
4. Dach als Kantor der Thornasschrrle ist Keipxig.
5. Sachs Kevensabend ««d Tod.
Ein gutes Brustbild von I. S. Bach steht in „Zweihundert Bildnisse und Lebensabrisse berühmter deutscher Männer. Verlag von G. Wigand in Leipzig, geb. 4,50 Mk." Dieses Buch, das für den Geschichtslehrer sehr zu empfehlen ist, sollte in keiner Schulbibliothek fehlen; ich werde es hier „Zweihundert deutsche Männer" citieren. — Der musikalische Lehrer wird es gewiß auch nicht unterlassen, seinen Schülern bei dieser Gelegenheit ein paffendes Stück von Bach vorzuspielen; denn auch hier, wo es sich um Reales handelt, muß die Anschauung zu ihrem Rechte kommen, wenn die Worte nicht leerer Schall bleiben sollen.
Iii. 1. Was war I. S. Bach?
Nenne noch andere bedeutende Musiker!
Wer hat ein Bildnis (Denkmal) von einem dieser Männer ae-sehen? Wo?
Wer hat schon ein Stück von einem dieser Männer gehört?
gespielt? Welches?
Wann ist Bach geboren?
Wie lange war das nach Luthers Geburt?
Wo ist er geboren? Wo liegt Eisenach?
Wessen Landsmann war also Bach?
Vergleiche Bachs und Luthers Jugeudleben!
Erkläre die Wörter Mettenchor, Hofkapelle, Organist!
2. Woran erkennst du, daß Bach bei seiner Verheiratung eine
gute Wahl getroffen hatte?
Zeige an Bach, daß es auch auf dem Gebiete der Kunst Wettstreite und Helden giebt!
Welche anderen Kunstwettstreite sind dir aus der griechischen, deutschen (älteren und neueren) Geschichte bekannt?
3. Erkläre die Ausdrücke Vor- und Zwischenspiel, Fuge, Mo-
tette, Kantate, Oper, Konzert, Sonate.
Warum heiratete Bach zum zweitenmale?
Zeige, daß er auch diesmal eine gute Wahl getroffen hatte!
Sn der Bibel heißt es (Sirach 26, 16): „Ein freundlich Wetb erfreuet ihren Mann, und wenn sie vernünftig mit ihm umgehet, erfrischet sie ihm sein Herz". Das hat Bach zur Genüge erfahren. Das Weib muß des Mannes Freuden und Leiden von ganzem Herzen teilen, wenn sie ihn glücklich machen und ihm etn angenehmes Hauswesen bieten will.
4. Aus welchem Gebiete der Musik hat Bach ganz besonders
Hervorragendes geleistet?
18*
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213
171. Aus Ernst Rietschels Jugendzeit*).
i.
1. Acht Tage nach meiner Konsirmalion trat ich in die Lehre ein.
Ich litt vom ersten Tage an am Heimweh. Der Prinzipal war ein gewiß
braver, doch etwas unfreundlicher Mann, der, was ich auch tat, stets mit
seinen Augen verfolgte und jeden Augenblick kritisierend dreinfuhr, wo-
durch meine Befangenheit nur ^ermehlt. wurde. Ich mußte mit dem
Markthelfer mehrmals acht Tage lang von früh bis abends in der Haus-
flur stehen und Schnupftabak rappieren, d. h. die großen Karotten klein
und zum fchnupfbaren Tabak schneiden. Ich durfte meine Eltern nicht
besuchen, des Sonntags nicht ausgehen, außer in die Kirche, und wenn
am Sonntagnachmittag mir einige Erholungsstunden vergönnt waren, so
mußte ich sie dazu anwenden, mich im Rechnen, das ich ohnehin nicht
leiden mochte, zu üben. Begegnete ich meinem Vater zufällig, so konnte
ich vor Tränen nicht aus den Augen sehen.
2. Die öfteren Äußerungen des Prinzipals: „Junge, du hast keinen
Kaufmannsgeist; aus dir wird in deinem Leben nichts; du bist ein Stroh-
kopf!" feuerten meinen Mut auch nicht an. Der Kommis war ein kleines
Männchen mit dicker, roter Nase und schielend, er war gut und duldsamer
als der Prinzipal, doch äußerte er auch einmal: „Hör' Er, Er sollte Maler
werden, zum Kaufmann taugt Er nichts; in Dresden ist eine Akademie,
wo man unentgeltlich studieren kann, sprech' Er doch mit seinem Vater!"
— Ich teilte dies meinem Vater mit, sobald ich ihm begegnete, doch er-
wies mich ab — mit scheinbar strengen Worten; allein ich fühlte an
seinem Tone doch, daß ihm meine stete Niedergeschlagenheit leid tue: „Wie
soll dies möglich sein, ich dich erhalten? Lehrjahre sind keine Herrenjahre,
es geht andern auch nicht besser, drum Geduld, die Zeit vergeht schnell."
Traurig kehrte ich an meinen Ladentisch zurück, und jeden Abend und
Morgen fiel mir der Gedanke beängstigend auf die Seele, daß ich sechs
Jahre so aushalten müsse.
3. Ich war acht Wochen da, als ich mich eines Tages unwohl fühlte;
zu meiner Freude mußte ich zu meinen Eltern gehen, um mich dort pflegen
zu lassen, und als ich genesen war, bat ich meinen Vater dringend, mich
nicht wieder dahin zu lassen, ich wolle alles lernen, ja jedes Handwerk,
welches er wünsche, nur Kaufmann möchte ich nicht werden. Es war
nicht schwer, meine Eltern zu bewegen, und von Seiten meines Prinzipals
wurde ebensowenig zur Rückkehr gedrängt. Ich blieb zu Hause und be-
*) Der berühmte Bildhauer Ernst Rietschel, der Sohn armer, sehr kümmerlich leben-
der Eltern, wurde 1804 in Pulsnitz bei Dresden geboren und starb als Professor an
der Akademie in Dresden im Jahre 1861. Er ist der Schöpfer des Lessingdenkmals in
Brannschweig, des Schiller- und Goethedenkmals in Weimar, des Lutherdenkmals in
Worms und anderer herrlicher Kunstwerke.
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Extrahierte Personennamen: Ernst_Rietschels Ernst Ernst_Rietschel Ernst Goethedenkmals