18 Deutsch-Ostafrika.
bestimmten Manne versichert hatte, mit ganz erstaunlicher Gewandt-
heit; er verspricht in sprachlicher Beziehung für die dortigen Gebiete
das zu werden, was Rebmann für den Küstenstrich geworden ist.
Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß es gegenwärtig nicht nur
ein Dschagga-Lexikon, sondern auch ein vom Missionar Shaw ver-
faßtes vergleichendes Wörterbuch des Nika, Teita, Kamba und
Suaheli giebt. Wray hatte lange einen schweren Kampf mit dem
Gefühl feiner Vereinsamung, zumal da er vergeblich zu arbeiten
schien. Daher gereichte es ihm zum großen Trost, als nach einigen
Monaten Handford erschien, um ihn zu besuchen. Dieser fand ihn
trotz aller anscheinenden Erfolglosigkeit in der rechten Stimmung
und konnte seine Art und Weise nur billigen. Schon vorher hatte
ihm der Reisende Thomson, der ihn besuchte, ein günstiges Zeugnis
ausgestellt. Als die Heiden ihn eines Tages darum angingen, seine
Zauberkräfte zur Erzielung von Regen zu verwenden, bestellte er sie
zum nächsten Sonntag nach seinem Hause und betete vor ihren Augen.
Am nächsten Tage regnete es und das Erstaunen der Heiden benutzte
er, um noch am selben Tage eine Schule zu eröffnen, zu welcher
auch 20 Menschen kamen. Die meisten erlernten das Alphabet an
einem Tage. Aber am Abend verlangten sie — Bezahlung. Einen
eigentlichen Erfolg konnte er nicht bemerken. Der einzige, der sich
ein wenig zugänglicher zeigte, war ein Mann, der sonntäglich zur
Kirche kam, keine Sonntagsarbeit that und reine Kleider trug; aber
er war kein Teita, sondern ein entlaufener Sklave, der eine Teita-
Frau geheiratet hatte. Es läßt sich denken, wie unter solchen Um-
ständen dem Missionar trotz seiner prachtvollen Aussicht auf die
schneebedeckten Häupter des Kilima-Ndjaro zu Mute gewesen sein
muß. Leider mußte er schon im nächsten Jahre, als die Hungersnot
lange währte, feinen Posten aufgeben. Nachdem nämlich endlich an
der Küste reichlicher Regen eingetreten war, blieb merkwürdigerweise
das Gebiet von Teita gänzlich regenlos. Der Hunger wurde uner-
träglich. Die Ursache wurde von etlichen der Anwesenheit des
weißen Zauberers, bald seiner Glocke, bald seinen Instrumenten zu-
geschrieben, und nur dem Umstaude, daß mittlerweile eine Fehde
zwischen seinen Nachbarn und einem Dorfe entstand, in welchem
seine erbittertsten Feinde wohnten, verdankte er feine Rettung. Im
elendesten Zustande kam er nach Freretown und wurde nun dem Bi-
schof Hannington nebst Handford ein willkommener Begleiter auf
den Reisen nach dem Innern. Zuerst ging es wieder nach Teita
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38 Deutsch-Ostasrika.
vielleicht das Dreifache zahlen, und auch darauf gefaßt fein, daß
viele Träger ihm entlaufen. Aus dem Innern nach der Küste hinab
gehen die Karawanen, mit Ausnahme der eigentlichen Regenzeit,
immer; aber es hält fchwer, die Leute von Unyanyembe zwischen
Oktober und Mai zum Verlaffen ihres Herdes und ihrer Felder zu
bewegen. Wenn sie ihr eigenes Elfenbein fortschaffen, machen sie sich
ohne weiteres auf den Weg, und die Sorge für das Feld bleibt den
Weibern und Kindern, aber vom Kaufmanne verlangen sie in dieser
Zeit übertrieben hohen Lohn und zaudern auch dann noch.
Die Löhnung ist verschieden und wechselt oft. An der Küste
liegt manchmal eine sehr große Menge von Trägern, die alle gern
so rasch als möglich in ihre Heimat zurückwollen. Dann bricht
zwischen den verschiedenen Gruppen heftiger Streit aus, weil jede
einzelne die anderen zurückdrängen und zuerst bei einer demnächst
abziehenden Karawane in Dienst treten möchte. Als die Wanyam-
wezi erst anfingen sich als Lastträger annehmen zu lassen, forderten
sie für eine Reife von der Küste bis in ihre Heimat den Wert von
sechs bis neun Dollars in Domestics, gefärbtem Baumwollenzeug,
Messingdraht und Sungomadschi, das heißt einer Glasperle von der
Größe eines Taubeneies. Bald nachher fielen die Löhne, stiegen
aber wieder mit dem Anwachsen des Verkehrs bis auf zehn und
zwölf Dollars im Jahre 1857. Dazu kommen dann noch die Lebens-
mittel, nämlich nach alter Sitte ein Kubabah, 1v5 Pfund Getreide
täglich, oder in Ermangelung desselben Manioc, Bataten und der-
gleichen, und an der Grenze ein Ochse, der als Geschenk betrachtet
wird. Der Lohn für eine Reife nach der Küste ist geringer, weil
die Träger auf Rückfracht rechnen. Die Araber nehmen an, daß ein
Träger vom Meeresgestade bis an den Tanganyika-See und wieder
zurück auf etwa 20 Dollars zu stehen komme. Die Wanyamwezi
lassen sich immer nur bis Unyanyembe annehmen, und dort muß
man eine neue Schar mieten. Die Stärke einer Karawane hängt
natürlich von den Umständen ab; manche zählen nur ein halbes
Dutzend, andere dagegen einige hundert Köpfe; sie stehen jedesmal
unter einem Mudewa, Kaufmann. An gefährlichen Stellen wird
still gehalten, damit mehrere Karawanen sich vereinigen und dann,
fünfhundert bis taufend Mann stark, einem Feind erfolgreichen
Widerstand leisten können. Aber in manchen Gegenden ist für eine
fo große Menschenmenge nicht genug Mundvorrat herbeizuschaffen,
und starkekarawanen kommen immer nur langsam vorwärts; manchmal
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40
Deutsch-Ostafrika.
den Kopf, nachdem er Brust und Lende den Mtongi (Haupteigen-
tümer der Waren) gegeben; das Übrige wird unter die verschiedenen
Khambi, Tischgenossenschaften, verteilt. Für einen Europäer ist es
auch nicht rätlich, mit einer solchen Karawane der Araber zu reifen,
weil sie viel Zeit vertrödelt, ohne eigentlichen Plan bald rasch,
bald langsam vorwärts geht, und auch sonst mancherlei Übel-
stände hat.
Anders verhält es sich mit den Handelskarawanen, welche von
Suaheli, Wamrima und den Sklavensaktoren (Fundi, etwa ähnlich
wie die Pombeiros im portugiesischen Afrika) geleitet werden. Diese
wissen mit den Pagazi umzugehen, und verstehen deren Sprache und
Sitten. Solche Safari hungern nicht wie jene der Wanyamwezi,
und prassen auch nicht wie die Araber. Unterwegs haben sie weniger
Beschwerden, an den Halteplätzen richten sie sich gemächlich ein und
leiden wenig durch Krankheiten. Diese Halbasrikaner hegen große
Abneigung gegen die Araber und alle anderen Fremden, legen ihnen
möglichst Hindernisse in den Weg, verbreiten unter den Eingeborenen
allerlei nachteilige Gerüchte, verlocken die Träger und Sklaven zum
Ausreißen und geben sich die größte, obwohl vergebliche Mühe, ihr
altes gewinnreiches Monopol des Handels mit dem Innern zu be-
haupten.
Burton.
10. Leben und Treiben in einem ostafrikanischen Dorfe.*)
Der Ostasrikaner führt ein weit behaglicheres Leben als der
indische, vielgeplagte Bauer, der Reiot, und kann in dieser Beziehung
den Vergleich mit der großen Masse der Landleute maucher europäi-
scher Länder aushalten. Das gilt freilich nur von folchen Bezirken,
welche nicht allzusehr durch den Sklavenhandel zerrüttet worden sind.
Zum Nachtlager dient eine Kuhhaut und man steht früh aus.
Am Tage ist die Hütte kühl und ganz angenehm; beim Schlafengehen
wird jedoch der Eingang zugemacht und dadurch die Luft drückend
und unangenehm. In der Stunde vor Sonnenaufgang verspürt
man Kälte, zündet ein Feuer an und greift sogleich zu dem unzer-
*) Forschungsreisen in Arabien und Ostafrika. Ii. Bd. (Burton, Speke,
Ätebinann, Krapf.) Bearbeitet von Karl Andree. Leipzig, 1861, Costenoble.
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Extrahierte Personennamen: Suaheli Burton Krapf Karl_Andree Karl
Extrahierte Ortsnamen: Deutsch-Ostafrika Wamrima Afrika Ostafrika Leipzig
Leben und Treiben in einem ostafrikanischen Dorfe. 41
trennlichen Gefährten, der Tabakspfeife. Späterhin wird der aus
Binsen geflochtene Thürvorhang weggenommen, und man geht hin-
aus, um sich von den erwärmenden Strahlen bescheinen zu lasfen.
Die Dörfer sind stark bevölkert, die Häuser stehen dicht neben ein-
ander, und die Bewohner derselben können in aller Bequemlichkeit
miteinander schwatzen. Etwa um sieben Uhr ist der Thau vom
Grase verschwunden, und nun treiben die Knaben das Vieh auf die
Weide hinaus, um erst gegen Sonnenuntergang mit demselben zurück-
zukehren. Abends um acht Uhr genießt man einen Brei, der aus
Durra bereitet wird; man nennt ihn Ugali; wer sich Pombe, Bier,
verschaffen kann, trinkt davon von früh bis spät.
Der Mann hat nach seinem Frühimbiß die Pfeife genommen
und ist zur Jwanza gegangen, einer großen Hütte, welche als Ver-
sammlungs- und Gesellschaftsort dient und wohin die Frauen nicht
kommen dürfen. Dort verweilt er den größten Teil des Tages
über müßig, fchwatzt, lacht, fchläft und fchmaucht Tabak. Nicht selten
vertreibt er sich die Zeit durch Spiel, denn das ist seine Leidenschaft.
Sehr beliebt ist „Kops oder Rücken", das er mit einem flachen
Steine, einem runden Stück Zinn oder mit dem Boden eines zer-
brochenen Topfes spielt; einige verstehen auch das Bao, welches
an der Küste häufig vorkommt; es ist eine Art von Roulette, das
man mit starken Marken spielt, auf Tafeln, in welchem tasten-
förmige Vertiefungen angebracht sind. Unter den Wanyamwezi
haben sich manche durch das Spiel so sehr zu Grunde gerichtet, daß
sie sich als Sklaven verkaufen mußten; andere haben ihre Mutter
gegen eine Kuh oder zwei Ziegen beim Spiel eingesetzt. An Streitig-
keiten und Schlägereien ist natürlich bei solchen Belustigungen kein
Mangel, sie pflegen indessen unter Bewohnern ein und desselben
Dorfes unblutig abzulaufen. Zu anderweitigem Zeitvertreib schnitzelt
man an einem Stück Holz, bohrt Pfeifenröhre und umflicht dieselben
mit Draht, schert einem Nachbar den Kopf, zieht sich auch wohl die
Haare aus Bart, Brauen und Augenlidern, oder putzt an den Waffen
herum.
So kommt die Mittagszeit heran und der Afrikaner schlendert
nach Hause, um gegen ein Uhr seine Hauptmahlzeit einzunehmen, welche
die Frau für ihn bereit hält. Jndeffen liebt er es doch fehr, mit
anderen beisammen zu sein und läßt auch wohl die Speisen nach
der Jwanza bringen, wo sich dann auch seine Knaben und einige
männliche Verwandte einfinden, um an der Mahlzeit teil zu nehmen.
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74
Die Entdeckung des Albert N'yanza.
ins Hinterteil des Kanoe ein Lager, bohrte unterhalb desselben mit
dem großen Bohrer ein Loch und band mit einem Riemen von
roher Haut, den ich von meiner mit Wasser gesättigten Bettdecke
abschnitt, ein Ruder fest. So machte ich ein höchst wirksames
Steuerruder. Von meiner Mannschaft hatte mir keiner geholfen.
Während ich hart arbeitete, waren sie unter ihren eingeweichten Fellen
liegen geblieben und hatten ihre kurzen Pfeifen geraucht. Sie waren
vor Verzweiflung völlig gefühllos, da ihre lächerlichen Anstrengungen
beim Rudern am vorhergehenden Abend alle Hoffnung in ihnen voll-
ständig vernichtet hatten. Sie hatten sich ganz in ihr Schicksal er-
geben und betrachteten sich als der Geographie geopfert.
Ich warf ihnen den Bohrer hin und erklärte, daß ich zum Auf-
bruch fertig sei und auf niemanden warten würde. Ich schnitt zwei
Bambusrohre ab, machte einen Mast und eine Segelstange und be-
festigte einen großen schottischen Plaid als Segel daran. Wir stießen
das Boot ab. Glücklicherweise hatten wir zwei oder drei Reserve-
rüder; das zum Steuer verwendete Ruder wurde daher nicht ver-
mißt. Ich nahm das Steuer und ermahnte meine Mannschaft, an
nichts zu denken als an starkes Rudern. Fort ging's mit uns so
gerade wie ein Pfeil zum größten Vergnügen meiner Leute. Es war
sehr wenig Wind, aber ein leichtes Lüftchen füllte den Plaid und
trieb uns sanft vorwärts.
Als wir um das Vorgebirge herum waren, befanden wir uns
in einer großen Bai; das gegenüberliegende Vorgebirge war in einer
Entfernung von acht bis zehn Meilen sichtbar. Wollten wir an der
Küste der Bai hinfahren, fo hätten wir zwei Tage gebraucht. Weiter
hinein war noch ein anderes kleines Vorgebirge; ich beschloß daher,
direkt nach diesem Punkte zu steuern, ehe ich mich in gerader Linie
von einem Vorgebirge zum andern wagte.
Als ich mich umsah, bemerkte ich, daß unser zweites Kanoe
etwa eine Meile zurück war und sich die Zeit damit vertrieb, daß
es nach allen Gegenden des Kompasses zeigte; — die faule Mann-
schaft hatte sich nicht die Mühe genommen, das Steuer anzuwenden,
wie ich ihr befohlen hatte.
Wir reisten etwa vier Meilen in der Stunde, und meine Leute
waren so aufgeblasen, daß sie sich bereit erklärten, ohne Beistand bis
zur Nilmündung zu rudern. Das Waffer war vollkommen ruhig,
und als wir um das nächste Vorgebirge herum waren, hatte ich die
Freude, in einer bequemen kleinen Bai ein Dorf und eine große
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Leben und Treiben in einem ostafrikanischen Dorfe. 43
Bauer zwischen sechs und sieben Uhr morgens seine Hütte, manch-
mal ohne etwas genossen zu haben, weil jetzt Nahrungsmittel seltener
werden; er speist erst, wenn er bis Mittag gearbeitet hat und dann
wieder heimkommt. Nachmittags arbeitet er wieder ein wenig, und
dabei müssen ihm die Weiber Helsen. Abends gehen alle unter Ge-
sang ins Dorf zurück.
Zur Zeit des Mondscheins ergeht es dem Afrikaner wie dem
Schakal; er wird aufgeweckt und ungewöhnlich regsam. Die Mädchen
werden unter Getrommel und Getöse aus den Hütten geholt, um
den Tanz mit anzusehen, der übrigens nur höchst selten für beide
Geschlechter gemeinschaftlich ist. Bei ihren Sprüngen sind sie alle-
mal sehr ernsthaft, und auch von ihrer Mnsik läßt sich nicht viel
Rühmliches sagen. Sie halten den Takt ganz vortrefflich, aber im
übrigen ist es mit ihrem musikalischen Sinne schlimm bestellt; sie
bringen es nicht über die einfachsten und einförmigsten Tonkombina-
tionen hinaus, und auch in dieser Beziehung, wie in allen anderen
Dingen, sehlt ihnen das Talent zum Schaffen. Doch muß hervor-
gehoben werden, daß sie an Harmonie ihre Freude haben; der Fischer
singt zum Ruderschlag, der Träger, wenn er seine Last schleppt, die
Frau, wenn sie Korn zermalmt. Manchmal sitzen die Bauern am
Abend stundenlang im Kreise und wiederholen mit unablässigem
Eifer immer und immer wieder ein paar Noten, die sich stets gleich
bleiben, und ein paar Worte, die eigentlich nichts bedeuten. Das
Recitativ wird vom vollen Chore unterbrochen, der zumeist in
Dur singt.
In die Einförmigkeit des täglichen Lebens und Treibens kommt
einige Abwechslung durch häufige Trinkgelage und zuweilen durch
eine Jagd. Die Gäste versammeln sich früh am Tage, und nehmen
im Kreise Platz und setzen sich je zu Dreien oder Vieren dicht neben-
einander, damit die Schale besser herumgehen könne. Der Mwan-
dasi, der Mann, welcher dieselbe füllt und jedem einzelnen reicht,
bedenkt und bedient zuerst die Häuptlinge und Ältesten, welche auch
größere Gesäße erhalten als die übrigen. Der Sonso, Trinkbecher,
der auch auf Reisen als Feldflasche dient, wird von den Frauen aus
einer Grasart, Mawu, oder wilden Palmblättern verfertigt. Die
Stengel werden gespalten und zu seinen Fäden gedrillt, welche dann
von unten aus zusammengerollt, aneinandergelegt und zusammen-
gebunden werden^ so daß das Ganze einem abgestumpften Kegel oder
einer türkischen Kappe, dem Fez, gleicht. Häufig wird dieser Becher
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44
Deutsch-Ostafrika.
mit roter und schwarzer Farbe verziert; er ist etwa fünf Zoll tief,
hat sechs Zoll im Durchmesser und hält ungefähr ein Quart. Er
geht unablässig in der Runde umher und niemand läßt eine Neige
darin; die Zecher machen eine Pause nur, wenn sie schwatzen, lachen,
eine Prise nehmen, Tabak kauen und Bhany rauchen. Auf solche
Weise vertreibt man sich die Zeit wohl vier Stunden lang, und alle-
mal so lange, bis das für ein solches Fest zubereitete Pombe zu
Ende gegangen ist. Dann schwanken die Trinkbrüder mit rotunter-
lanfenen Augen -nach Hause, um zu schlafen. Schwerlich sieht man
in irgend einem europäischen Lande so viele Trunkenbolde wie in
Ostafrika; auch die Weiber, welche übrigens nicht in Gemeinschaft
der Männer trinken dürfen, haben ihre Pombegelage und be-
rauschen sich.
11. Charakter der Ostafrikaner.
Dem Psychologen bietet Ostafrika ein ausgedehntes Feld für die
Beobachtung. Dort findet er den Geist des Menschen noch in den
Ansängen und der materiellen Natur und deren Wirkungen dermaßen
unterworfen und von denselben so abhängig, daß er sich weder fort-
entwickelt noch zurückschreitet. Man könnte fast in Versuchung ge-
raten, diesen Menschen eher wie eine Ausartung civilisirter Geschöpfe
zu betrachten, denn als einen Wilden, welcher den ersten Schritt
vorwärts thnt, wenn er nicht offenbar für jede Weiterentwickelung
unfähig wäre. Ihm fehlt der Ring vom echten Metall; in ihm ist
kein so reiches und volles Wesen wie etwa im Neuseeländer, den
man — bis auf einen gewissen Grad — erziehen und ausbilden
kann. Er scheint einer jener kindischen Rassen anzugehören, die sich
nie bis zum Mann emporheben, und wie abgenützte Glieder aus der
großen Kette der beseelten Natur herausfallen. In ihm vereinigt
sich die Unfähigkeit des Kindes mit der Unbiegsamkeit des Alters,
die Unzulänglichkeit des Kindes und die Leichtgläubigkeit der Jugend
mit dem Skepticismus der Erwachsenen und der Steifnackigkeit des
Alters, das am Überkommenen klebt. Er hat Meer, Seeen, und wohnt
in einem vielbesuchten Lande; seit Jahrhunderten steht er in uu-
mittelbarem Verkehr mit den weiter entwickelten Anwohnern der Ost-
küste, und jeder hat wenigstens Araber, wenn auch nicht gerade
Europäer gesehen. Und doch ist er vor der Schwelle des Fort-
schrittes stehengeblieben; bei ihm ist keine höhere und mannigfaltigere
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46 Deutsch-Ostafrika.
schwach gehalten, ihm ist die Hand, von welcher er Futter erhält,
ganz gleichgültig. Uber den Tod eines Verwandten oder Kindes
klagt er vielleicht am Abend, aber am andern Morgen denkt er nicht
mehr daran. Gastfreundschaft übt er nur, wenn dabei etwas zu ge-
Winnen ist, und seine erste Frage bleibt allemal: Was willst du mir
geben? Einem Fremden, der ins Dorf kommt, wird die aller-
schlechteste Hütte angewiesen, und wenn er sich beklagt, entgegnet
man ihm, draußen sei ja Platz genug. Sein Wirt verlangt sür
alles, was er giebt und gewährt, sogleich Vorausbezahlung; ohne
diese kann man Hungers sterben, wenn auch ringsum Lebensmittel
Vollaus wären.
Es gäbe für den Fremden keine Sicherheit, wenn er nicht das
Schießgewehr hätte, und wenigstens die Häuptlinge die Notwendig-
keit von Handel und Verkehr einigermaßen begriffen; deshalb nehmen
sie den Kaufmann unter ihren Schutz. Der Handel bringt Vorteile,
von anderen Fremden erwartet man dergleichen nicht, und behandelt
sie deshalb mit weniger Rücksicht. Der Schwarze verweigert einem
verschmachtenden Mann einen Trunk Wasser, wenn er auch Überstuß
daran hat; er wird keine Hand ausstrecken, um die Waren eines an-
deren zu bergen, wenn auch tausende dabei verloren gingen. Was
geht ihn das an? Aber er geberdet sich lächerlich heftig, wenn ihm
selber ein zerlumptes Stück Zeug oder ein lahmer Sklave abhanden
kommt. Er ist geizig und karg auch dann, wenn etwas ihm Ver-
gnügen macht; seine Köter liebt er mindestens eben so sehr wieseine
Kinder, aber er giebt diesen Hunden nur selten ein wenig zu fressen,
und kann nicht begreifen, daß die Araber ihre Esel mit Korn süt-
tern; er giebt sein Erstaunen darüber mit einem langgezogenen
Hi! hi! zu erkennen. Er ist höchst unbedachtsam, kennt keine Vor-
sorge, denkt nicht an morgen, und wird uns gewiß nicht den Weg
zeigen, bevor man ihm Glasperlen gegeben hat. Es wurde schon
bemerkt, daß in allen Dingen Vorausbezahlung geleistet werden muß;
freilich hält niemand ein gegebenes Versprechen und keiner glaubt
sich durch irgend eine Verpflichtung gebunden. Verlangt man auch
nur für eine Stunde Kredit von ihm, dann entgegnet er: „In meiner
Hand ist nichts."
Wahrheitsliebe ist unter derartigen gesellschaftlichen Verhältnissen
keine Tugend, und die Lüge ist auch dann an der Tagesordnung,
wenn der Lügner von ihr weder Nutzen noch Vergnügen zu erwarten
hat. Wenn ein Unyamweziführer dem Reisenden sagt, daß nur eine
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Die Entdeckung des Albert N'hanza. 79
gesichert. Es schien ganz tot zu sein, und das Fleisch sollte ein
Leckerbissen sür meine Mannschaft werden; wir schleppten es daher
ans Ufer. Es war ein schönes Ungeheuer, gegen sechzehn Fuß lang,
und obgleich es tot schien, so biß es doch wütend an einem
Stück Bambusrohr, welches ich ihm in den Mund steckte, um es zu
hindern, während des Prozesses der Enthauptung zu schnappen. Die
Eingeborenen betrachteten meine Mannschaft mit Mißgunst, als
dieselbe große Stücke der ausgesuchtesten Bissen abschnitt und sie
in die Kanoes packte; dies dauerte nicht länger als eine Viertel-
stunde; dann eilten wir an Bord und setzten, gut mit Fleisch ver-
sehen — für alle, die es gern aßen —, unsere Reise fort. Was
meinen Geschmack betrifft, so kann nichts ekelhafter sein als Krokodil-
fleisch. Ich habe fast alles gegessen; aber obgleich ich Krokodil ge-
kostet habe, so konnte ich es doch nie dahin bringen, es herunterzu-
schlucken, der vereinigte Geschmack von schlechtem Fisch, faulem Fleisch
und Moschus ist die dem Schwelger dargebotene Speise.
Jenen Abend sahen wir einen Elefanten mit einem Paar un-
geheurer Stoßzähne; er stand, als wir Halt machten, aus eiuem
Hügel, etwa eine Viertelmeile von den Booten. Dieser Versuchung
half mir ein Fieberanfall widerstehen. Es regnete wie gewöhnlich,
und da kein Dorf in der'nähe war, so bivouakierten wir im Regen
auf dem Strande in Massen von Mosquitos.
Die Unannehmlichkeiten dieser Seereise waren groß; am Tage
waren wir in unsere kleine Kajüte eingeengt, wie zwei Schildkröten
in eine Schale, und des Nachts regnete es fast immer. An die
Näffe hatten wir uns gewöhnt; aber keine Acclimatisation kann den
europäischen Körper mosquitofest machen; wir hatten daher wenig
Ruhe. Für mich war es harte Arbeit, aber für meine unglückliche
Frau, die sich kaum von ihrem Sonnenstich erholt hatte, waren
solche Beschwerden höchst qualvoll.
Am folgenden Morgen war der See ruhig, und wir brachen
früh auf. Die Einförmigkeit der Reise wurde durch die Gegenwart
mehrerer schöner Elefantenherden unterbrochen, die ganz aus Bullen
bestanden, Ich zählte vierzehn dieser großartigen Tiere, alle mit
gewaltigen Stoßzähnen, die sich zusammen in einem kleinen seichten
See unterhalb der Berge badeten, welcher mit dem Hauptsee durch
einen sandigen Strand in Verbindung stand. Diese Elefanten standen
nur bis ans Knie im Waffer; da sie sich gebadet hatten, waren sie
vollkommen rein, und ihre kolossalen schwarzen Gestalten und großen
TM Hauptwörter (50): [T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer], T30: [Tier Vogel Mensch Pferd Hund Fisch Thiere Nahrung Eier Wasser], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust]]
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164 Scenen aus dem Volksleben in Ägypten.
mehr aber der lange Kaftan von blauem Tuche, der dichtgewundene
schwarze Turban und das messingene Schreibzeug im Gürtel, einen
echten Nachkommen der alten Ägypter verrät. Nicht den besten Teil
der Kairenfer Bevölkerung bildet jener türkische Polizeisoldat, den
seine Tracht: die griechische Fustanella und die griechische, gestickte
Jacke, sofort als den Arnauten kennzeichnet. Ein wahres Arsenal
silberbeschlagener Pistolen, Dolche und Messer steckt in seinem Gürtel,
über der Schulter hängt das lange Gewehr und in der Hand schwingt
er drohend den Kurbatsch. Ein ungeheurer Schnurrbart giebt seinem
verschmitzten Gesichte den vollendeten Ausdruck eines Helden aus
irgend welcher renommierten Räuberschar. Diese furchtbaren Kon-
stabler Kairos haben die saubere Lebensregel, jeden rechtmäßig oder
unrechtmäßig erworbenen Piaster sofort an den Mann zu bringen,
da man nicht wissen könne, ob man und wie man die folgende
Stunde erlebe.
Dem frommen Derwisch dort, mit dem grünen Kaftan, bezeugt
die hohe Pelzmütze auf dem Kopfe, welche er kokettierend wie Boden-
stedts Mirza Schaffy hin- und herbewegt, den persischen Ursprung;
sein ägyptischer Kollege dagegen schreitet in dem lumpigsten Kostüm
hinter ihm her und schwingt die hölzerne Eßschüssel und den Löffel
als die besonderen Zeichen seiner Würde. Ihm zunächst wandelt ein
deutscher Handwerksbursch, den roten türkischen Fez schräg auf das
blonde Haar gefetzt, um jene Ecke in die enge Straße einbiegend,
wo er um ein weniges Geld in einer italienischen Locanda sein Zelt
aufgeschlagen hat. Heulend und bellend stürzen die Hunde des Vier-
tels auf ihn, den Fremdling, los, als wollten sie nach seiner Paß-
karte fragen. Ein Wurf mit Steinen vertreibt aber die ungehobelten
Gäste. Da kommen ein paar fonnengebräunte Beduinen auf ihren
hageren Pferden angeritten. In malerischer Weise schlingt sich das
kamelhärene Gewand um ihren Leib und um den Kopf, und kaum
sichtbar lugen die kleinen Augen in die Menge hinein, durch welche
sich die Pferde sicher hindurchzuwinden wissen. Zwei arabifche Frauen
folgen ihnen auf ihrer Fährte. Die eine trägt einen hohen Krug
auf dem Kopfe, die andere das kleine Kind auf der Schulter, das,
rittlings sitzend, nach orientalischer Weise sich an den Kopf der
Mutter stützend, das Gleichgewicht selber zu halten weiß. Beide
Weiber reden mit aufgehobenden Händen, die sie häufig zusammen-
schlagen, auf das Eifrigste miteinander. Sie gehören dem Harem
jener edlen Ritter an, denen sie als getreue Ehefrauen den weiten
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