Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
Schulformen (OPAC): Volksschule
Regionen (OPAC): Lehrmittel
Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Geschlecht (WdK): koedukativ
9?icf)t nur durch „passive Resistenz", sondern auch mit Anwendung von Gewalt suchte der Landmann seine Lage zu bessern; daher der Aufstand von 1790, der bezweckte, Fronen und Naturalleistungen und vor allem die Hut- und Triftgerechtigkeit der Rittergüter abzuschaffen. Sicher hat diese Revolution im kleinen viel zu einer Änderung der bäuerlichen Verhältnisse beigetragen.
Aber auch die Berechtigten selbst empfanden ein lebhaftes Verlangen nach einer Änderung der bestehenden Zustände, wozu die Unzuträglichkeiten und nie endenden Prozesse mit den Hintersassen, der Ärger über das Gesinde und die Erkenntnis vom wahren wirtschaftlichen Werte der bäuerlichen Leistungen wesentlich beigetragen haben mögen. Viele Rittergutsbesitzer hatten daher schon von selbst die bisherigen Naturalabgaben ihrer Bauern in Geldgefälle umgewandelt und sich wohl dabei befunden. Ein Gutsherr hatte seinen Hof im Kurkreise, wo er aus eigenem freien Willen mit Zustimmung seiner Bauern die Leistungen der Pflichtigen durch Geldzinsen abgelöst hatte, veräußert und sich im Meißnischen wieder angekauft, wo Fronen und Naturallieferungen noch bestanden. Er empfand diese Änderung sehr unangenehm und sagte, bei seinem früheren Besitze hätten die Feldarbeiten nur den 20. Teil der Zeit beansprucht, die jetzt bei der Arbeit der Fröner nötig sei.
Das Hauptverdienst bei der Befreiung des Bauernstandes gebührt der Landesregierung, die sich durch tiefe volkswirtschaftliche Kenntnisse auszeichnete und die schädlichen Wirkungen der bestehenden Verhältnisse auf den Nationalwohlstand klar und deutlich erkannte. In der Tat bedeutete es einen großen Kapital- und Zinsverlust, wenn die Gemengelage (s. S. 40) den Bauer und sein Zugvieh bei der Feldarbeit zwang, unnötig weite Wege zu machen, eine Menge überflüssiger Grenzsteine zu setzen und Feldraine liegen zu lassen, auch die Aufsicht über das hier und da zerstreut arbeitende Gesinde zu beaufsichtigen; wenn der Flurzwang jeden Fortschritt in der Landwirtschaft hinderte; wenn die Trist-
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Vorwort.
Die beste Erziehung zum Staatsbrger ist ein grndlicher, guter Geschichtsunterricht.
Ich wrde es lebhaft bedauern, wenn auf unseren hheren Schulen von den Geschichtsstunden ein Unterricht in der Brgerkunde" getrennt wrde. Nicht das ist die Hauptsache, da die Schler wissen, wie heute die Verhltnisse und Einrichtungen des Staates sind, sondern wie sie geworden sind.1) Sonst geraten sie in die Gefahr, unsere ffentlichen Einrichtungen fr fertig" zu halten; auch follen sie erkennen, wie auerordentlich schwer all die Gter, die wir heute als ganz selbst-verstndlich hinnehmen, errungen sind; wie gut wir es haben. Nicht aus das Sein, fondern auf das Werden ist der Hauptnachdruck zu legen.
Angewandte Gefchichte" foll bedeuten, da berall mit Be-wutfein Gegenwart und Vergangenheit in Verbindung gebracht wird; da wir versuchen, die Gegenwart aus der Vergangenheit und die Ver-gangenheit aus der Gegenwart zu verstehen. Vor allem aber mssen wir den Mut haben, fr die wichtigen Fragen unserer Zeit aus der Vergangenheit zu lernen, Folgerungen und Forderungen zu ziehen. Ich denke an die Verteilung der Welt, an das Verhltnis zwischen Staat und Kirche, zwischen Staat und Volk, an Freiheit und Gleichheit, In-dividualismus und Sozialismus, Universalismus, an unser Verhltnis zu den Nachbarstaaten, an Handels- und Wanderungspolitik, an die Erhaltung des Bauernstandes, Polenfrage, an Staatsformen und Volks-Vertretungen.
Das vorliegende Buch will keineswegs in Wettbewerb treten mit den zahlreichen vortrefflichen Gefchichts-Lehrbchern und greren Werken.
1) Man begegnet oft der wunderbaren Auffassung, die Schule msse die jungen Leute in alle Einzelheiten unserer Heeres-, Verwaltungs-, Gerichts-, Polizei- und Schulorganisation, in das Finanzwesen und die Sozialgesetze 2c. einfhren. Das wrde eine unertrgliche berbrdung sein, dazu unglaublich langweilig. Soll denn fr das sptere Leben nichts zum Lernen brig bleiben? Der Geschichtsunterricht mu Begeisterung, Liebe zu Volk und Staat wecken; nicht das Wissen ist die Hauptsache, sondern das Knnen und Wollen: die Bereitwilligkeit und Fhigkeit, auf politische Verhltnisse zu 'achten und das Wesentliche darin aufzufassen.
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V. Alle diese Lnder wurden von den Persern erobert. Ihr Weltreich umfate ganz Vorderasien und gypten. Ihre Groknige sind Kyros um 550, Kambyses 529521, Darius 521485.
Mit den Medern und Persern, welche zu den iranischen Vlkern gehrten, traten die Jndogermanen aus den Schauplatz der Geschichte.
Was verdanken wir dem Orient?
Die Schrift hat sich, wie es scheint, in Alt-Babylonien und in gypten unabhngig von einander entwickelt.
Auerdem verdanken wir:
1. Altgypteu das Glas, die Leinenindustrie und Weberei, Tischlerei und Tpferei, Metallarbeit, Bearbeitung der Steine, Ziegelsteine.
2. Die Altbabylonier sind fr Astronomie und Mathematik die Lehrmeister der Menschheit geworden. Von ihnen haben wir den Kalender, die Woche, die Einteilung des Tages; ihr eigentmliches Nechensystem mit der Zahl 60 hat sich bis zum heutigen Tage erhalten, wenn wir die Stunde in 60 Minuten zu je 60 Sekunden einteilen.
3. Die Phniker haben uns die Vereinfachung der Schrift gebracht; auerdem die Seefahrt und Schiffsbaukunst.
4. Die Hebrer das alte Testament.
Der Verfall der orientalischen Kultur.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach Chr. haben uns die erfolg-reichen Ausgrabungen in Vorderasien und gypten immer neue ber-raschungen gebracht und Licht der eine uralte Vergangenheit verbreitet.
Schon um 4000 vor Chr. gab es im Orient zwei ausgereiste^ hochentwickelte nationale Kulturstaaten: gypten und Babylon. Ihre Entstehung ist in Dunkel gehllt; dagegen liegt ihr langsamer Verfall klar vor unseren Augen. Und gerade dieser Verfall erscheint fr eine Erziehung zum politischen Denken sehr lehrreich, weil er typisch ist.
gypten war im 4. Jahrtausend ein wohlorganisierter Staat mitvortrefflicher Verwaltung und Rechtsprechung. Ackerbau, Handel und Industrie blhten; umfangreich war das Wisfen, hochentwickelt Technik und Kunst. Alle politische, soziale und sittliche Ordnung fhrte man auf die Götter zurck, als deren Vertreter der König angesehen wrbe;: ihm gebhrte daher auch gttliche Verehrung.
Aber schon im 3. Jahrtausend begann eine verhngnisvolle Er-starrung, die von Jahrhundert zu Jahrhundert zunahm. Die Menschen wurden von der groen Vergangenheit, von der Macht der Tradition schier erdrckt. Alles, was die Vorsahren auf den mannigfachen Ge-bieten des Wissens und der Kirnst geleistet hatten, suchte man ngstlich festzuhalten. Es wurde in feste Regeln gezwngt, die fr alle Zeiten.
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Extrahierte Personennamen: Darius_521485 Darius Altgypteu
Der Verfall der orientalischen Kultur.
5
bindend waren; kanonische Bcher entstanden, an die man sich zu halten hatte. Alles Neue, alles Abweichende wurde scharf verpnt, der freie Menschengeist in Fesseln gelegt, jede selbstndige Regung im Keime erstickt. Besonders streng hielt man sich im Kultus an die ber-lieferung, und so entartete die anfangs so einfache und natrliche Religion in geistttenden Formalismus, in uerlichkeiten, in Mysterien und Zauberwesen. Dadurch wurde der Gottesdienst immer komplizierter und die Priester, die allein im Besitz des Wissens waren und gewisser-maen den Schlssel zur Seligkeit in Hnden hatten, immer mchtiger. berall siegte die Schablone und das Schema.
In der zweiten Hlste des 2. Jahrtausends erscheint der Kultus, der Gottesdienst, geradezu als die einzige Ausgabe des Staates. Die Geldmittel wurden sr die prchtigen Tempelbauten und sr die zahl-reiche Priesterschast aufgewandt. Die Priester waren allmchtig, und schlielich wurde um das Jahr 1000 der letzte Schritt getan: der Ober-Priester setzte sich selbst die Krone aus. Die Folge war die bald ein-tretende Fremdherrschast und Anarchie.
Doch die Fremden nahmen die gyptische Kultur an, und wir hren, wie die Gottesherrschast, die Theokratie, in der Weise durchgefhrt wurde, da man bei allen wichtigen Entscheidungen das Standbild des Gottes Ammon fragte und wartete, welche Antwort er durch den Mund der allmchtigen Priester gab.
Auch die Könige des neugyptischen Reiches (um 600 vor Chr.) waren Fremde.
Das gypten, welches die Griechen kennen lernten, war eine wohlkonfervierte und gepflegte Mumie aus uralter Zeit und vermochte ihnen wohl durch feine Seltsamkeit und sein Alter zu imponieren und gelegentlich in Einzelheiten Anregung zu geben, war aber nicht imstande, selbst zu neuem Leben zu erwachen". (E. Meyer, Alte Geschichte I S. 565.) Die kastenartige Gliederung der gypter, von der die Griechen erzählen, ist keineswegs uralt, sondern eine Folge der Entartung: an erster Stelle standen die Priester, an zweiter Stelle die aus fremd-lndifchen Sldnern bestehende Kriegsmacht. gypten hatte auf-gehrt, ein nationaler Staat zu fein.
Und was von gypten gesagt ist, gilt sr ganz Vorderasien. Auch in Babylon wurde die priesterliche Stellung des Knigs stark betont.
Durch das Zusammenstrmen von gyptischen und babylonischen Kulturelementen entstand im 2. Jahrtausend eine vorderasiatische Ge-
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Wbiit
Griechische Geschichte.
I.
Verdrngung der asiatischen Völker. Ausbreitung des Griechentums.
1. Als unternehmungslustiges Handelsvolk haben die Griechen seit dem 12. Jahrhundert allenthalben den Einflu der Phniker zurckgedrngt, zuerst aus den Inseln und Kstenlndern des gischen Meeres, spter in Unteritalien und Sizilien.
2. Mit dem Jahre 500 beginnt der Kamps gegen die gewaltigen Welt-reiche der Perser und der phnikischen Karthager:
Gegen die Perser. Gegen die Karthager.
Im 6. Jahrhundert waren die klein-asiatischen Griechen zuerst von dem Lydischen, dann von dem Persischen König unterworfen.
500494 der Jonische Aufstand.
492 der 1. Perserzug.
490 der 2. Perserzug. Sieg der Athener
bei Marathon.
480 79 der 3. Perserzug.
480 Sieg bei Salamis.
479 Siege bei Plat und Mykale.
466 Doppelsieg am Eurymedon.
449 Sieg beim Cyprischen Salamis.
Alexander der Groe (336323) erobert das ganze Perserreich (Vorderasien und gypten).
Jahrhunderte lang bleiben Kleinasien, Syrien unter den Diadochen und spter unter den Rmern griechisch.
480 groer Sieg Gelons, des Tyrannen von Syrakus, bei Himera der die Karthager
Um 400 befreite Dionys I. abermals das hellenische Sizilien von den Karthagern.
310 wagt es Agathokles, Tyrann von Syrakus, die Karthager in Afrika selbst anzugreifen.
Seit dem 3. Jahrhundert bernahmen die Rmer die weiteren Kmpfe gegen die Karthager.
146 Zerstrung Karthagos.
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Extrahierte Personennamen: Perserzug Alexander Alexander
Verdrngung der asiatischen Völker.
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2. Jahrhunderte lang hatten die Griechen keinen nennenswerten Widerstand gefunden. Ein Zusammenhang bestand gar nicht zwischen den einzelnen Unternehmungen; gerade der Drang nach Freiheit trieb khne Abenteurer in die Ferne, wo sie niemandem Untertan waren und nach eigenem Gutdnken sich organisieren konnten. Das wurde anders, als im Osten nach dem Sturze Ninives (606) erst das Lydifche, dann das Persische Reich entstand und im Westen Karthago sich zu einer Gromacht entwickelte. Die Griechen Kleinasiens wurden von dem lydischen König Krsos, bald darauf von dem Perserknig Kyros unterworfen.
Im Anfang des 5. Jahrhunderts erfolgte gleichzeitig der gewaltige Vorsto der Perser gegen Griechenland und der Karthager gegen die mchtigen Griechenstdte Siziliens. Wenige Jahre der Welt-gefchichte haben eine so groe Bedeutung, haben eine so wichtige Ent-scheidung gebracht, wie das Jahr 480:
Die Perser wurden bei Salamis,
die Karthager bei Himera besiegt.
Die Griechen gingen zum Angriff der, befreiten die kleinasiatischen Brder und grndeten neue Kolonien.
Leider folgten bald darauf die unseligen inneren Kmpfe zwischen den Griechen.
3. Alexander der Groe fhrte 334 ein makedonisch-griechisches Heer der den Hellespont. Das Persische Weltreich, welches den Anspruch erhob, -die ganze Welt zu umfassen, wurde gestrzt. Die uralten Kulturlnder Kleinasiens, Syriens und Phnikiens, dazu gypten und Babylon wurden erobert. In einem unvergleichlichen Sieges- und Triumphzug kam Alexander nach Milet, Tyrus, Jerusalem, Memphis, nach Babylon, Susa, Persepolis, bis an die Grenzen Sibiriens einerseits und bis nach Indien anderseits. Er starb zu srh im Jahre 323. Um sein Erbe entbrannten Jahre lange Kmpfe. Aber ungeheure Scharen von Griechen wanderten in die eroberten Gebiete und grndeten Kolonien; nicht weniger als 70 neue Städte trugen den Namen Alexandria". Gegen ein Jahrtausend sind Klein-asten, Syrien, gypten hellenisiert gewesen.
4. Die karthagische Gromacht des Westens war semitisch, eine Grndung der Phniker. Auch der Kampf gegen die Karthager war ein Kampf Europas gegen Asien, ein Kampf des Occidents gegen den Orient. Um 400 drngte Dionys I., Tyrann von Syrakus, die Karthager zurck. Im Jahre 310 konnte Agathokles, gleichfalls
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Extrahierte Personennamen: König_Krsos Perserknig_Kyros Alexander Alexander Alexander Alexander Dionys_I.
liri 1^, .................Bmhw
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Griechische Geschichte.
1.
Die uftere^ persnliche und politische Freiheit.
Sparta.
Sparta entwickelte sich zu einem aristokrati sch en Militr- u. Klassen-staat.
Spter entstand daraus eine drckende Olig-arcku.
Um 620 Aufzeichnung des Landrechts durch Drakon.
Athen.
Das Geschlecht der Alk-I moniden als treibende Kraft in der athenischen Geschichte:
Um 620 vereitelte Me-gakles, Sohn des Alk-mon, den Versuch des Kylon, sich zum Tyrannen von Athen zu machen.
594 ff. Verfassungsre-formen des Solon.
560510 Tyrannis des Peisistratos und seines Sohnes Hippias.
510 Begrndung der eigentlichen Demokratie durch Kleisthenes.
Whrend der Perser-kriege erfolgte die politi-sche Gleichstellung aller Brger.
Zeitalter des Perikles (t 429).
Der jngere Mega-kl es, Enkel des lteren, kmpfte wiederholt gegen den Tyrannen Peisistratos.
Kleisthenes war des Megakles Sohn.
Auch Perikles und Alkibiades gehrten zum Geschlecht der Alk-moniden.
1. Was im Anfang aller geschichtlichen Kenntnisse, um 4000, uns in gypten und Babylon entgegentritt, ist bereits der Abschlu einer langen Entwicklung: groe nationale Einheitsstaaten; ihre Entstehung knnen wir nicht verfolgen.
Anders in Griechenland und Rom; hier knnen wir die Entwicklung von Ansang an verfolgen. Immer geht Klein- und Vielstaaterei den greren Staatenbildungen voraus. In Griechenland ist jede Stadt, jede Gemeinde ein Staat, ein Stadtstaat. Krieg ist der Vater aller Dinge", auch des Staates; der Trieb der Selbsterhaltung macht die wehrhaften Männer zu Trgern des staatlichen Lebens. Es sind freie, gleiche Volksgenossen, welche in bestimmten Zeiten zur Volksversammlung zusammentreten; ein Rat der Alten (Geronten) besorgt die laufenden, gemeinsamen Geschfte. In den ltesten Zeiten steht
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Extrahierte Personennamen: Drakon
Extrahierte Ortsnamen: Sparta Sparta Athen Athen Hippias Griechenland Rom Griechenland
Der extreme Individualismus, die Entartung der Freiheit u. Gleichheit zc. 35
c) Der Terrorismus:
Das allgemeine gleiche Stimmrecht wurde zu einem furchtbaren Machtmittel gegen die wachsende Minderheit. In den Volksversammlungen saten die Nichtbesitzenden Beschlsse der das Vermgen der Besitzenden. Von gewissenlosen Demagogen lie sich das regierende, souverne Volk hin- und herleiten; es setzte sich leichtsinnig der die Gesetze hinweg, empsand es als Eingriff in seine Freiheit, wenn man es nicht nach seiner Laune handeln lie, fate trichte Beschlsse und bereute die Tat, wenn sie geschehen war.
Ein klassisches Beispiel fr den entarteten Freiheitssinn der Athener ist der Arginusenproze (406). Die siegreichen Feldherren wurden angeklagt, sie htten es versumt, die Schiffbrchigen zu retten; die knstlich erregte und erhitzte Volks-menge war bereit, die Feldherren zum Tode zu oerurteilen, ohne die Verteidigung anzuhren. Als dagegen einzelne Brger Einspruch erhoben, da schrie die Menge: es sei unertrglich, wenn man das Volk nicht tun lasse, was es wolle: die, welche es daran hinderten, solle man mit dem Tode bestrafen. Und als einige von den Vorsitzenden Prytanen sich weigerten, die gesetzwidrige Abstimmung zuzulassen, brllte wiederum die Menge, man solle die vor Gericht ziehen, die sich weigerten. (Xenophon, riech. Geschichte, I, 7,3ff.)
Im Volksgericht wurde geradezu Klassenjustiz getrieben. Voll Behagen sahen die armen Leute, aus denen meist das Volksgericht be-stand, die Reichen zu ihren Fen zittern. Um die Gesetze kmmerten sich diese Richter nicht viel; da sie ihre Diten bekamen, war ihnen wichtiger, als da sie Recht sprachen; es kam vor, da der Anklger sie ausforderte, den Angeklagten zu verurteilen, damit aus dem konfis-zierten Vermgen der ,Richtersold ^ bezahlt werden knnte.
Das Bedenklichste war die Finanzwirtschast. Perikles hatte einen groen Staatsschatz angesammelt; es war Brauch, die berschsse der Verwaltung der Kriegskasse zuzufhren. Aber im 4. Jahrhundert dachte man nicht mehr an Sparen; die Besoldungen sr Rat, Volks-Versammlungen und Volksgerichte, die wachsenden Ausgben sr die Feste und die Schaugelder verschlangen den grten Teil der Einnahme und machten den Staat zu jeder energischen Kriegfhrung unfhig; der Verwalter der Theorikenkasse (Schaugelderkasse) wurde einer der be-deutendsten Beamten. Als im Jahre 350 der Antrag gestellt wurde, die berschsse der Verwaltung, wie frher, der Kriegskasse zuzufhren, da tobte das souverne Volk und fate den Beschlu, da fortan jeden die ' Todesstrafe tressen sollte, der die bestehenden Be-stimmungen der die Theorikenkasse durch einen Antrag bei der Volks-Versammlung antasten wrde.1) So war denn, weil das Vergngen
1) In den Reden des Demosthenes hren wir bittere, schmerzliche Klagen der solche Zustnde. Er sagt 349 in der Volksversammlung: Ihr habt Geld
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Kampf gegen den extremen Individualismus.
37
verfuhren nach Lust und Laune; sie schraken nicht davor zurck, durch ungerechte Verurteilung oder durch Gewalttat ihren Rachedurst zu stillen. Deshalb legten sie auch auf fromme Gesinnung keinen Wert; eine schnklingende Darstellung ge> hfsiger Taten verschaffte hheres Ansehen, als Frmmigkeit. Brger, die sich keiner Partei anschlssen, wurden von beiden verfolgt; teils weil sie nicht zu ihnen standen, teils weil man ihnen nicht gnnte, da sie glcklich davon kommen sollten."
Iv.
Kampf gegen den extremen Individualismus.^)
(Lehre vom Staat).
Motto: Jedem das Seine, Nicht allen dasselbe.
Dem Kampfe gegen die entartete Freiheit und Gleichheit verdanken wir eine Reihe der herrlichsten Schriften des griechischen Altertums. Whrend die Demagogen bei den Massen die niedrigsten Instinkte auf-stachelten, dachten ernste Männer der das Wesen und die wahren Aus-gaben des Staates nach, und die Edelsten der Nation machten ties-durchdachte Reformvorschlge.
1.
Die Natur schafft die Menschen sehr ungleich, gibt ihnen recht verschiedene Krfte und Anlagen; die Masse mchte aber alles nivel-lieren und hegt eine instinktive Abneigung gegen diejenigen Männer, welche durch ihre natrlichen Anlagen und durch ihre geistige Begabung vorwrts kommen und die anderen berragen. Thukydides klagt, da die Regierung mehr und mehr in den Hnden der Ungebildeten liege; ja er lt Kleon den ungeheuerlichen Ausspruch tun, da das Wohl des Staates bei den Ungebildeten besser aufgehoben fei als bei den Gebildeten. Und der feine Beobachter und scharse Sptter Aristo-phanes hhnt in seiner Komdie Die Ritter":
Die Fhrung des Volkes wird srder keines gebildeten,
Noch in seinem Charakter rechtlichen Mannes Sache sein; Nur Ungebildete, nur Kanaille kommt dazu." (V. 191 ff.)
Der entarteten athenischen Demokratie mute ein Mann, wie So-krates, immer verdchtiger und verhater werden. Unter seinen An-hngern waren Männer von anerkannt aristokratischer Gesinnung; er hegte eine entschiedene Vorliebe sr einige spartanische Einrichtungen; der die Besetzung der mter durchs Los, der das faulenzende, arbeits-
1) Vgl. meine Geschichte des antiken Sozialismus und Individualismus" S. 65 ff.
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Mi Hl.....Hill Ii"
16 Griechische Geschichte.
gemeinen Dienstpflicht die politische Gleichstellung aller Brger. Nach den groen Siegen der die Perser (480/79) wurde die Verfassung immer demokratischer; alle Amter wurden allen Brgern zugnglich; dem Areopag wurde das Aufsichtsrecht der die Staatsverwaltung ent-zogen, wodurch er seine Bedeutung verlor; die wichtigsten Entscheidungen fielen in den Volksversammlungen; die Rechtsprechung geschah in den Volksgerichten; die Beamten wurden erlst und waren von dem souvernen Volk abhngig; der Rat" hatte nur die Angelegenheiten vorzubereiten, die an die Volksversammlung gebracht werden sollten.
Seitdem sahen die Athener ihre Freiheit wesentlich in der politischen Gleichheit; sie unterschieden:
die layjyopta gleiche Freiheit der Rede",
die iaovo[ii'a Gleichheit vor dem Gesetz",
die ujotijjua Gleichberechtigung zu den mtern".
Staunenswertes hat dieser kleine demokratische Staat geleistet. Zu
[welchen Anstrengungen und Opsern ist die freiheitsliebende Brgerschaft bereit gewesen! Sie hat Griechenland von der Persergefahr gerettet, hat mit einer kleinen Kriegerschar Riesenheere zu Land und Wasser besiegt, ist dann mutig zum Angriffskrieg gegen das gewaltige Welt-I reich vorgegangen.
Ihren hchsten Glanz und ihre bedeutendste Macht hat die atheni-sche Demokratie unter Perikles entfaltet, welcher drei Jahrzehnte hindurch der Leiter des athenischen Staatswesens war (460429).
In seiner berhmten Leichenrede (Thukydides Ii, 35 ff.) entwirft Perikles ein Idealbild der demokratischen Verfassung. Er sagt in Kap. 37:
Unsere Verfassung trgt den Namen Demokratie". Das ist aber so zu verstehen: Nach den Gesetzen haben alle Brger inbezug auf ihre persnlichen Angelegenheiten gleiche Rechte; was aber die ffentlichen Wrden angeht, so wird jeder geehrt nach der An-erkennung, die er sich in irgend einem Fache erwirbt, d. h. nicht aus Grund der Zugehrigkeit zu einer Partei, sondern auf Grund seiner Tchtigkeit wird der einzelne herangezogen, und nicht ist die Armut der Grund einer niedrigen Stellung oder ein Hindernis, dem Staate Ntzliches zu leisten."
Mit diesen Worten erklrt Perikles den Begriff Gleichheit": alle Brger sind gleich vor dem Gesetz in ihren privaten Angelegenheiten; beim Wettbewerb um ffentliche Ehren, mter und Wrden gibt es keinerlei hemmende Fesseln, keine Vorrechte der Geburt, des Standes oder des Reichtums; fr alle ist die Bahn in gleicher Weise frei; allein die eigene Kraft, Tchtigkeit und Energie entscheidet.
Perikles denkt also keineswegs an eine allgemeine Nivellierung, und bei der Gleichheit, wie er sie versteht, kommt die individuelle Frei-
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