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27. Die sociale Bewegung in Großbritannien.
Reformact Minister und Parlament sich mit rastlosem Eifer. In
weniger als 30 Jahren vollendete man die Gesetzgebung eines Jahr-
hunderts.
27. Die sociale Bewegung in Großbritannien.
(Nach Adolf Schmidt, England im Jahrzehend 1830 — 1840, in Fr. o. Raumer's
historischem Taschenbuch, und Thomas Erskine May, die Verfassungsgeschichte
Englands, übersetzt von O. G. Oppenheim, bearbeitet vom Herausgeber.)
Die „Sklaverei der Weißen", wie man, nach Abschaffung der
schwarzen Sklaverei in den Colonieen Westindiens, den Zustand des
Proletariats im Mutterlande nannte, ließ sich durch Arbeitshäuser
(s. S. 287) so wenig wie durch Almosen und Armen-Taxen (s. S.
287) beseitigen. In Vielen lag das Gefühl, daß es hierzu um-
fassenderer und tiefer eingreifender Mittel bedürfe. Das hastige und
unstete Suchen danach war der Antrieb zu der gewaltigen socialen
Bewegung, von der England in den Dreißiger Jahren ergriffen
wurde. Vier Phasen hat diese Bewegung durchlaufen, die sich theils
neben-, theils nacheinander entwickelten. Die erste war communisti-
scher Natur und wurde durch den Owenismus vertreten, die zweite
(socialistische) durch die Arbeiter-Vereine, die dritte (social-politische)
durch die Repeal und den Chartismus, die letzte nahm durch die
freihändlerische Agitation, zunächst gegen die Getreidegesetze, einen
rein praktischen, den national-ökonomischen Charakter an.
a. Die communistische Agitation.
Der Träger der communistischen Bewegung war seiner
Lehre und seinem Wirken nach Robert Owen, von armen Eltern
1771 geboren, früh dem Handelsstande zugewandt, und in Folge
einer reichen Heirath Inhaber einer großen Baumwollspinnerei zu
New-Lanark in Schottland. Er übernahm das Geschäft unter den
ungünstigsten Umständen, die zum Theil durch die Napoleonischen
Kriege, mehr aber noch durch die Ungefügigkeit und Rohheit der
Arbeiter bedingt waren; dennoch gedieh unter seiner Leitung das
Etablissement schon in ein paar Jahren zu einer Musterwirthschaft,
welche die Blicke von ganz England und selbst der Fremde auf sich
zog. New-Lanark erschien als die auserwählte Stätte des Segens;
mit dem Reichthume des Ertrages ging das Glück der Arbeiter Hand
in Hand. Das Trucksystem brachte er ohne allen Eigennutz zur
Anwendung; nirgends konnten die Arbeiter ein billigeres Obdach
finden als in den von ihm erbauten Wohngebäuden, nirgends wohl-
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Extrahierte Ortsnamen: Großbritannien Großbritannien England Englands Oppenheim Colonieen_Westindiens England New-Lanark Schottland England New-Lanark
47. Preußen seit der Verleihung der Verfassung. 441
andere, natürliche und zweckmäßige Mittel zur Deckung der Staatsbedürfnisse gebe, als die Einführung neuer Steuern, — die ständische Opposition der äußersten Rechten aber vor Allem die Interessen des eigenen Standes berücksichtigte und z. B. in der vorgeschlagenen Gebäudesteuer schon einen Anfang der ihr verhaßten Grundsteuer-Ausgleichung sah (während die Linke darin umgekehrt eine Umgehung der verheißenen Ausgleichung erblickte).
Auch der Versuch, die seit 1848 verlorene preußische Landeshoheit im Canton Neuenburg herzustellen, mißlang. Eine kleine royalistische Partei unter den Neuenburgern, geführt von dem alten Grafen Pourtalös, pflanzte im September 1856 das hohenzollern'sche Banner auf, wurde aber von den Republikanern leicht bezwungen, und als der König mit Krieg drohte, deutete Frankreich an, daß es die Schweizer unterstützen werde, und auch Oesterreich nahm eine feindliche Haltung an. Daher entschloß sich der König, sein Land nicht für seine rein persönlichen Interessen (denn die Landeshoheit in Neuenburg war ein persönliches Besitzthum) in einen schweren Krieg zu stürzen, sondern verzichtete auf Neuenburg (1857). Nicht durch Personal-Union, sondern durch förmliche Einverleibung wurden die beiden Fürstenthümer Hohenzollern-Sigmaringen und -Hechingen mit dem preußischen Staatsgebiet verbunden (1849), welche die bisherigen Besitzer gegen ein Jahrgehalt abtraten.
Eine glänzende Lichtseite der Regierung Friedrich Wilhelm's Iv. bildet das, was er für die geistigen Interessen der Nation that. Er sammelte die vorzüglichsten Meister der Kuust um sich, ehrte sie und sich durch seine Freundschaft. Berlin und Düsseldorf wurden die Sitze berühmter Malerschulen, Peter von Cornelius und Kaulbach vom Auslande herbeigezogen; die Bildnerei schuf unsterbliche Werke, die, wie Rauch's Reiterstatue Friedrichs des Großen, selbst Schadow's (Directors der Akademie der Künste) vortreffliche Leistungen (Brandenburger Thor) noch übertrafen; die Baukunst hielt sich auf der Höhe, die Schinkel ihr gegeben. Allenthalben wandte sich die Fürsorge des Königs der Erhaltung und Wiederherstellung vorzüglicher historischer Monumente zu, wie des Marienburger Ordenshauses und besonders des Kölner Domes, dessen Vollendung unter seinem besondern Schutze ein Symbol deutscher Einigung sein sollte. Um berühmte Gelehrte zu erobern oder festzuhalten, überwand er oft genug seine politischen und kirchlichen Antipathieen, und so ist es nicht zum geringen Theile sein Verdienst, daß in Preußen die Wissenschaft so würdig vertreten war, wie fast nirgendwo in der Welt. Hier lehrten die (aus Hannover vertriebenen) Brüder Jakob und Wilhelm Grimm, Bopp, Pott als die Begründer der vergleichenden Sprachforschung: Böckh, Lobeck, Welcker, Ritscht als Vertreter der classischen Philologie; Lachman als Kritiker auf dem Gebiete der classischen und altdeutschen Philologie zugleich; Lepsius, der Aegyptologe; Ehrenberg der
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Extrahierte Ortsnamen: Neuenburg Frankreich Oesterreich Neuenburg Neuenburg Berlin Kaulbach Hannover
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F. G Klopstock <1724—1803.)
Oden und Sieder.
Klopstock's Oden tragen das volle Gepräge seines edlen Herzens und seines hohen Dichterberufes Sie
bewegen sich vorzugsweise um Freundschaft, Religion und Vaterland, jene drei Gcund-Elemente der
Klopstock'schen Poesie. Sie erschienen anfangs vereinzelt; erst im Jahre 1771 eine Sammlung: Oden und
Elegieen. Einige Ucbcrkünstelungen des Vermaßes, so wie die Einführung der nordischen Mythologie sind,
jener Zeit gemäß, die undichterische Zuthat eines gelehrten Reflectirens und Wollens. — Die geistlichen Lieder
beschäftigten den Dichter besonders während der kurzen Zeit seines ehelichen Lebens und nach dem Tode seiner
Gattin; sie waren für ein gottesdienstliches Gesangbuch bestimmt, das der Dichter bezweckte; allein es fehlt ihnen
die kirchliche Ruhe und der Geist der Allgemeinheit; die Natur des Dichters drängt darin zur Ode, und die Ab-
sicht arbeitet am Liede; daher sind sie auch meistens verschollen, so vielfach sie auch nachgeahmt worden.. Die
späteren sind am einfachsten, wohl besonders veranlaßt durch seine gleichzeitige Bearbeitung älterer Kirchenlieder.
1. Oden und Elegieen.
Die nachstehenden Oden sind nach der Zeitfolge geordnet. Wo in der Bezeichnung des Versmaßes ein (/) steht,
ist jedesmal eine Cäsuc oder ein Wortende
An Qöiseke (1747.)
sgiseke, geb. 1724, gest. 1765, gehörte zu dem Leipziger Dichterkreise der „Bremer Beiträge.")
Archilochisches Versmaß: ± C73 ± G77 ± Uö L w 1 ww 1 w
Geh, ich reiße mich los, obgleich die männ-
liche Tugend
Nicht die Thräne verbeut;
Geh, ich weine nicht, Freund! Ich müßte
mein Leben durchioeinen,
Weint' ich dir, Giseke, nach!
Denn so werden sie alle dahin gehn, jeder
den andern
Trauernd verlassen und fliehn.
Also trennet der Tod gewählte Gatten: der
Mann kam
Seufzend im Ocean um,
Sie am Gestad, wo von Todtengeripp und
Scheiter und Meersand
Stürme das Grab ihr erhöhn.
So liegt Milton's Gebein von Homer's Ge-
beine gesondert,
Und der Cypresse verweht
Ihre Klag' an dem Grabe des einen und
kommt nicht hinüber
Nach des anderen Gruft.
So schrieb unser aller Verhängniß auf eherne
Tafeln
Der im Himmel und schwieg.
Was der Hocherhabene schrieb, verehr' ich im
Staube,
Weine gen Himmel nicht auf.
Geh, mein Theurer! Es letzen vielleicht sich
unsere Freunde
Auch ohne Thränen mit dir,
Wenn nicht Thränen die Seele vergießt, un-
weinbar dem Fremdling
Sanftes edles Gefühls.
Eile zu Hagedorn hin, und hast du genug
ihn umarmet,
Ist die erste Begier,
Euch zu sehen, gestillt, sind alle Thränen der
Freude
Weggelächelt, entflohn,
Giseke, sag ihm alsdann, nach drei genosse-
nen Tagen,
Daß ich ihn liebe, wie du!
An Ebrrt (1748.)
Ebert [1723 — 17u5] gehörte nebst Giseke, Ccamer, Gärtner, Rabener, Gellert, Schlegel zu dem Leipziger
Dichterkreise. Klopstock's Ahnung, daß er feine Freunde überleben würde, ging in Erfüllung. (Versmaß der
vorigen Ode.)
Ebert, mich scheucht ein trüber Gedanke vom
blinkenden Weine
Tief in die Melancholei!
Ach, du redest umsonst, vordem aewaltiqes
Kelchglas,
Heitre Gedanken mir zu!
Weggehn lnuß ich und weinen; vielleicht daß
die lindernde Thräne
Meinen Gram mir verweint.
Lindernde Thränen, euch gab die Natur dem
menschlichen Elend
Weis' als Gesellinnen zu.
Wäret ihr nicht, und könnte der Mensch sein
Leiden nicht weinen,
Ach, wie ertrüg' er es da!
Weggehn niuß ich und weinen! Mein schwer-
muthsvoller Gedanke
Bebt noch gewaltig in mir.
Ebert, sind sie nun alle dahin, deckt unsere
Freunde
Alle die heilige Gruft,
Und sind wir — zween Einsame — dann
von' allen noch übrig!
Ebert, verstummst du nicht hier?
Sieht dein Auge nicht trüb um sich her, nicht
starr ohne Seele?
So erstarb auch mein Blick,
So erbebt' ich, als mich von allen Gedanken
der bängste
Donnernd, das erste Mal traf.
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