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Su schließen, was aber nicht lange Bestand hatte, weil er
bald einsah, daß Rußland ohne Handel zu Grunde gehen
müßte.
Indessen fuhr Ocstreich fort, sich insgeheim zu rüsten.
Am 6ten April 1809 kündigte Erzherzog Karl, der das
Heer in Deutschland befehligen sollte, den Krieg an, und rückte
sogleich in Baicrn ein. Schnell eilte Napoleon herbei, und
warf sich mit Ungestüm auf die Oestreicher, die in ütägigen
Gefechten, besonders in der Schlacht bei Eckmühl am
22sten April, geschlagen wurden. Karl zog sich bei Rcgens-
burg auf das linke Donauufer, und eilte nun in Gewaltmär-
schen auf Wien zu, um hier wo möglich Napoleon zuvorzu-
kommen, was aber nicht zu erwarten war, da dieser auf ge-
radem Wege marschirte, während Karl einen Umweg machen
mußte, und durch den Böhmerwald aufgehalten wurde. Den-
noch trafen beide Heere fast zu gleicher Zeit bei Wien ein; da
aber Karl auf dem jenseitigen Ufer stand, so konnte er die Re-
sidenz nicht retten, wo Napoleon am 13ten May einrückte.
Am frevelhaftesten war, daß dieser die Ungern gegen ihren
Herrn zu empören suchte, und ihnen zuredete, sich einen eige-
nen König zu wählen; aber er erfuhr vor ganz Europa die
Beschämung, daß sie nicht wankten in ihrer Treue, und ihm
nur dadurch antworteten, daß sie schnell ein Heer für Kaiser
Zranz aufbrachten.
Nach kurzer Ruhe ging Napoleon über die Donau, und
griff in der großen Ebene, welche sich von der Donau bis nach
Böhmen und Mähren hinzieht, und das Marchfeld heißt *),
das östreichifche Heer an. In der blutigen Schlacht bei
Aspern und Eßlingen, die man von den Thürmen
.Wiens beobachten konnte, erfuhr ec am 21sten und 22sten
May einen Widerstand, den er nicht erwartet hatte, und als
endlich die Franzosen zurückgeschlagen nach ihrer Schiffbrücke
eilten — Himmel! wie erschraken sie! Die Oestreicher hatten
den plötzlich angeschwollenen Strom benutzt, und Baumstämme
und Balken hineingeworfen, durch welche die Brücke zertrüm-
*) Siehe -ten Theil, Seite 92.
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien]]
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Napoleon Karl Karl Napoleon Karl Karl Karl Karl Napoleon Napoleon
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Baicrn Eckmühl Wien Böhmerwald Wien Europa Donau Donau Aspern
705
Franz trug auf einen Waffenstillstand an, der am 12ten Juli
in Znaym unterzeichnet wurde. Darauf unterhandelte man
über den Frieden, der freilich nicht vortheilhaft für Ocstreich
ausfallen konnte, und am I4ten October 1809 in Wien un-
terzeichnet wurde. Oestreich verlor Salzburg, den Innkreis,
Krain, einen Theil von Karnthen, Triest, Istrien, Croatien,
Dalmatien und Westgallizien, von Ostgallizien einen Theil,
der an Rußland abgetreten wurde, überhaupt mehr als den
üten Theil seiner Besitzungen. Die beiden erstern Provinzen
kamen an Baiern, welches treu Frankreich beigestanden hatte;
aus den andern Abtretungen wurde ein neues Reich gebildet,
das Königreich Illyrien; wer es erhalten sollte, wußte
Napoleon selbst noch nicht, und ließ es indeß für französische
Rechnung verwalten. Westgallizien fiel an das Herzogthum
Warschau. Auch mußte Oestreich alles, was Napoleon in
Spanien, Portugal und Italien gethan hatte, gut heißen, und
aller Verbindung mit England entsagen.
Am meisten war zu beklagen, daß die treuen Tyroler auf-
geopfert werden mußten. Sie blieben unter baierscher Herr-
schaft, und ein Theil wurde zu Würtemberg geschlagen, ob-
gleich Kaiser Franz ihnen früher versprochen hatte, keinen Frie-
den einzugehen, der sie von Oestreich trennen sollte. Schon
hatten sie sich den Feinden unterworfen; als sie aber erfuhren,
daß sie dennoch aufgeopfert werden sollten, griffen sie noch
einmal zu den Waffen. Sie fielen über die Franzosen und
Baiern, die sich schon ganz sicher wähnten, her, und verfolg-
ten sie, die in den Thälern ziehen mußten, von den Bergen
aus mit ihren Stutzen, wahrend die Weiber Steinblöcke und
Baumstämme auf sie herabstürzten. Andreas Hofer,
Speckbacher und andere Landleute stellten sich wieder an
die Spitze der Tapfern, und binnen Kurzem waren die Feinde
aus dem Lande geworfen. Hofer war ein Mann von mäßi-
gen Einsichten, aber voll des redlichsten Willens, und stand
beim Volke im größten Ansehen. Sein hoher, ansehnlicher
Wuchs, sein männliches Ansehen, sein langer schwarzer Bart
erweckten ihm das Vertrauen seiner Landsleute, und unbedingt
leistete man seinen Befehlen Gehorsam. Aber nachdem der
Nlff. Weltgesch. n. Th. 45
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Extrahierte Personennamen: Franz Franz Oestreich Napoleon Napoleon Franz Franz Oestreich Andreas_Hofer
Extrahierte Ortsnamen: Znaym Wien Salzburg Krain Triest Istrien Dalmatien Baiern Frankreich Illyrien Warschau Spanien Portugal Italien England Baiern
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
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Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
102
sollte, den Krieg an, und rückte sogleich in Baiern ein. Schnell eilte Na-
poleon herbei, und warf sich mit Ungestüm auf die Oestreicher, die in 5tägi-
gen Gefechten, besonders in der Schlacht bei Eckmühl am 22. April,
geschlagen wurden. Karl zog sich bei Regensburg aus das linke Donauufer,
und eilte nun in Gewaltmärschen auf Wien zu, um hier wo möglich Na-
poleon zuvorzukommen, was aber nicht zu erwarten war, da dieser auf ge-
radem Wege marschirte, während Karl einen Umweg machen mußte, und
durch den Böhmerwald aufgehalten wurde. Dennoch trafen beide Heere fast
zu gleicher Zeit bei Wien ein; da aber Karl auf dem jenseitigen Ufer
stand, so konnte er die Residenz nicht retten, in welche Napoleon am 13. Mai
einrückte. Am frevelhaftesten war, daß dieser die Ungarn gegen ihren Herrn
zu empören suchte, und ihnen zuredete, sich einen eigenen König zu wählen;
aber er erfuhr vor ganz Europa die Beschämung, daß sie nicht wankten in
ihrer Treue, und ihm nur dadurch antworteten, daß sie schnell ein Heer
für Kaiser Franz aufbrachten.
Nach kurzer Ruhe ging Napoleon, nachdem er von der großen Donau-
insel Lobau eine Schiffbrücke geschlagen hatte, über die Donau, und griff
in der großen Ebene, welche sich von der Donau bis nach Böhmen und
Mähren hinzieht, und das Marchfeld heißt *), das östreichische Heer an.
In der blutigen Schlacht bei Aspern und Eßlingen, die man von
den Thürmen Wiens beobachten konnte, erfuhr er am 21. und 22. Mai
einen Widerstand, den er nicht erwartet hatte; glorreich kämpften die Oest-
reicher unter dem Erzherzog Karl, und als endlich die Franzosen zurückge-
schlagen nach ihrer Schiffbrücke eilten — wie erschraken sie! Die Oest-
reicher hatten den plötzlich angeschwollenen Strom benutzt, und Baumstämme
und Balken hineingeworfen, durch welche die Brücke zertrümmert war. Man
denke sich die Verlegenheit Napoleons. Indessen wurden sie noch dies Mal
gerettet. Während Marschall Davoust die vordringenden Oestreicher aufhielt,
erbauten die Ingenieure mit unglaublicher Schnelligkeit eine neue Brücke.
Die Franzosen hatten in dieser blutigen Schlacht an 30,000 Mann und dar-
unter den Marschall Lanues verloren, und obgleich Napoleon laut versicherte,
einen großen Sieg erfochten zu haben, so blieb doch die Wahrheit nicht ver-
borgen, und überall frohlockte man.
Jetzt trat auf diesem Punkte sechs Wochen lang eine Waffenruhe ein,
um neue Kräfte zu sammeln. Aber auch in andern Provinzen hatte sich das
Kriegsfeuer entzündet. In Italien hatte Erzherzog Johann den Vicekönig
von Italien zurückgedrängt, und in Throl war das treue Volk aufgestanden,
um das baiersche Joch abzuschütteln, und seinem alten Herrn beizustehen.
In den Thälern dieses Landes wohnt bei Genügsamkeit und Treuherzigkeit
ein großer Freiheitssinn und doch innige Anhänglichkeit an das östreichische
Haus. Jeder Throler trägt einen Stutzen (eine kurze Büchse), und weiß
damit sein Ziel zu treffen. Dieses Volk erhob sich jetzt, warf schnell die
Baiern hinaus, und wählte zum Anführer Andreas Hofer, einen Land-
mann und Gastwirth aus dem Passeher-Thale bei Meran. Der Raum er-
laubt nicht, die vielen tapsern Thaten der Throler, an denen selbst die
*) Siehe Ii. Theil, S. 175.
' *’ j1 i
)... 4 ' . :
TM Hauptwörter (50): [T28: [Schlacht Heer Feind Mann Armee Napoleon Franzose General Truppe Preußen], T2: [Schweden Friedrich Heer Schlacht Sachsen König Gustav Kaiser Krieg Schlesien], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T29: [Napoleon Heer Schlacht Preußen Franzose General Mann Armee Sieg Bluch], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat]]
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Extrahierte Personennamen: Karl Karl Karl Karl Karl Karl Napoleon Franz Franz Napoleon Karl Karl Napoleons Marschall_Davoust Napoleon Johann Johann Andreas_Hofer
Extrahierte Ortsnamen: Baiern Wien Böhmerwald Wien Europa Donau Donau Aspern Wiens Napoleons Italien Italien Throl Meran
104
Salzburg, den Jnnkreis, Krain, einen Theil von Kärnthen, Triest, Istrien,
Croatien, Dalmatien und Westgalizien, von Ostgalizien einen Theil, der an
Rußland abgetreten wurde, überhaupt mehr als den 5. Theil seiner Besitzungen.
Die beiden erstern Provinzen kamen an Baiern, welches treu Frankreich bei-
gestanden hatte; aus den andern Abtretungen wurde ein neues Reich gebildet,
das Königreich Jllyrien; wer es erhalten sollte, wußte Napoleon selbst
noch nicht, und ließ es indeß für französische Rechnung verwalten. West-
galizien fiel an das Herzogthum Warschau. Auch mußte Oestreich Alles,
was Napoleon in Spanien, Portugal und Italien gethan hatte, gut heißen,
und aller Verbindung mit England entsagen.
Am meisten war zu beklagen, daß die treuen Tyroler aufgeopfert werden
mußten. Sie blieben unter baierscher Herrschaft, und ein Theil wurde zu
Würtemberg geschlagen, obgleich.kaiser Franz ihnen früher versprochen hatte,
keinen Frieden einzugehen, der sie von Oestreich trennen sollte. Schon hatten
sie sich den Feinden unterworfen; als sie aber erfuhren, daß sie dennoch auf-
geopfert werden sollten, griffen sie noch einmal zu den Waffen. Sie fielen
über die Franzosen und Baiern, die sich schon ganz sicher wähnten, her, und
verfolgten sie, die in den Thälern ziehen mußten, von den Bergen aus mit
ihren Stutzen, während die Weiber Steinblöcke und Baumstämme auf sie
herabstürzten. Andreas Hofer, Speck bache r, Capuziner Haspinger
und andere Landleute stellten sich wieder an die Spitze der Tapfern, und
binnen Kurzem waren die Feinde aus dem Lande geworfen. Hofer war ein
Mann von mäßigen Einsichten, aber voll des redlichsten Willens, und stand
beim Volke im größten Ansehen. Sein hoher, ansehnlicher Wuchs, sein
männliches Ansehen, sein langer, schwarzer Bart erweckten ihm das Ver-
trauen seiner Landsleute, und unbedingt leistete man seinen Befehlen Ge-
horsam. Aber nachdem der Friede in Wien unterzeichnet war, wandte sich
eine große Macht gegen das kleine Land. Die Tyroler wurden zurückgedrängt,
Thal für Thal erobert, und selbst Hofer rieth zur Unterwerfung. Leider ließ
sich der unbesonnene Mann verleiten, noch einmal die Tyroler aufzufordern, die
Waffen zu ergreifen. Schon hatten die Franzosen Allen Verzeihung versprochen;
nun aber wurde ein Preis auf seinen Kopf gesetzt. Noch hätte er fliehen
können; aber die Anhänglichkeit an sein Vaterland hielt ihn zurück. Lieber
verbarg er sich mit Weib und Kindern in einer einsamen Sennhütte auf einer
mit Schnee und Eis bedeckten Höhe, und nur Wenige kannten den Ort. Aber
ein falscher Freund verrieth ihn an die Franzosen. Mitten in der Nacht
klopften plötzlich im Januar 1810 französische Gensdarmen an seine Thüre.
Er trat ihnen ruhig entgegen, nannte seinen Namen, und bat nur, daß man
seiner Frau und seiner Kinder schonen möchte, was auch nachher geschehen ist.
Ihn selbst führte man gefangen fort. In allen tyrolischen Ortschaften lief
das Volk herbei, weinte und segnete ihn. Man brachte ihn nach Mantua.
Ein Kriegsgericht wurde niedergesetzt; die Mehrzahl der Richter sprach ihn
frei, aber der Vicekönig Eugen befahl, ihn zu erschießen. Als er zur Hin-
richtung abgeführt wurde, jammerten und heulten laut die dort gefangen sitzen-
den Tyroler; sie lagen vor ihren Kerkerthüren auf den Knieen, beteten für
ihn, und baten um seinen Segen. Als er auf dem Nichtplatze niederknieen
sollte, sprach er: „Ich stehe vor dem, der mich erschaffen hat, und stehend
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T7: [Erde Luft Sonne Wasser Himmel Berg Tag Licht Wolke Nacht]]
TM Hauptwörter (100): [T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel], T74: [Frankreich England Spanien Krieg Frieden Rußland Italien Holland Preußen Deutschland], T67: [Kaiser Türke König Jahr Ungarn Heer Land Friedrich Kreuzzug Jerusalem], T94: [Herr Tag Haus Kind Brot Geld Leute Mensch Hund Mann], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde]]
TM Hauptwörter (200): [T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T33: [Gott Liebe Mensch Herz Leben Volk Ehre Vaterland gute Zeit], T9: [Frieden Napoleon Krieg Kaiser Frankreich Friede Preußen Rußland Jahr Franz], T167: [Fest Tag Kirche Jerusalem Spiel Stadt Hofer Volk Jahr Zeit], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen]]
Extrahierte Personennamen: Napoleon Oestreich_Alles Napoleon Franz Franz Oestreich Andreas_Hofer Capuziner_Haspinger Eugen Eugen
Extrahierte Ortsnamen: Salzburg Krain Triest Istrien Dalmatien Ostgalizien Baiern Frankreich Warschau Spanien Portugal Italien England Baiern Wien Mantua
252
gangenen Tage hatte die Schrecken dieses Aufruhres erreicht. Das Mini-
sterimn widerrief die Auflösung der akademischen Legion und zog das Militair
zurück. Die Thore wurden von der Nationalgarde und der Legion in Ge-
meinschaft mit dem Militair besetzt; ein ans Bürgern, Nationalgardisten und
Studenten bestehender Ausschuß sollte die öffentliche Ordnung handhaben.
Während dieser stürmischen Ereignisse in Wien erschütterten heftige na-
tionale Kämpfe der Völker Oestreichs den Kaiserstaat. Wie die Zusammen-
fassung des vielsprachigen Reiches, so ist auch dessen Regierung immer von
dem deutschen Oestreich und seinem Fürstenhause ausgegangen. Nun aber
in dein allgemeinen Völkerstreben traten Bewegungen ans, welche diesen alten,
mächtigen Bestand des Kaiserreiches anfzulösen drohten. Die lombardischen
Italiener machten in der Revolution vom 18. März in Mailand den
Versuch sich loszureißen. Wir werden diese Ereignisse weiter unten stizziren.
Ungarn hatte seit dem Regierungsantritt des Kaisers Ferdinand eifrig
nach Geltung seiner Nationalität gestrebt, was den sogenannten Sprachen-
kampf zwischen den Magyaren und den Slaven in den ungarischen Neben-
ländern verursachte, da diese letzteren sich der ungarischen Geschäftssprache
nicht fügen wollten. Der Reichstag in Preßburg, welcher im Januar 1848
zusammen getreten war und den Kroaten den Geschäftsgebrauch ihrer Sprache
bewilligt hatte, forderte am 3. März constitutionelle Garantien. Am 15. März,
mitten in die Wiener Revolution hinein, erschien eine ungarische Deputation,
an ihrer Spitze Graf Bathyany und Kossuth. Der Kaiser bewilligte
ihnen am 18. März ein eignes Ministerium unter Bathyany's Vorsitz. Da-
mit war Ungarn von Oestreich losgetrennt und stand nur noch in Personal-
union mit dem Kaiserstaate. Die Ungarn aber wurden nun in einen Kampf
mit den süd-stavischen Nebenländern verwickelt, da diese sich dem ungarischen
Ministerium und Reichstage nicht unterwerfen, sondern in directem Zu-
sammenhänge mit der kaiserlichen Regierung bleiben wollten. Im Einver-
ständniß mit derselben stellte sich Freiherr von Jellachich, Ban von Kroa-
tien, an die Spitze dieses Widerstandes.
Der Hauptheerd der slavischen Nationalbewegung, welche schon früher
hervortretend auf ihre Sprache und Literatur beschränkt geblieben war, nun
aber offenkundig mit weiteren Zwecken auftrat, bildete sich in Böhmen.
Hier hatte das deutsche Element dem czechischen gegenüber sich bedeutend
entwickelt. Eine große Erbitterung gegen alles Deutsche that sich kund, es
bildete sich eine czechisches National-Comite und man schrieb einen allgemeinen
Slaven-Congreß auf den 31. Mai nach Prag ans. Er trat zusammen und
zeigte in seinen erhitzten Berathungen den vollen Ungestüm der Pläne, deren
Erreichung in der damaligen Verwirrung Oestreichs und seiner Hauptstadt
für möglich gehalten wurde. Hatte doch schon eine provisorische Regierung
Böhmens sich gebildet; man wollte von dem Ministerium in Wien keine
Befehle mehr annehmen. Am Pfingstmontage, 13. Juni, brach die offene
Empörung aus. Vor dem Palais des Fürsten Windischgrätz, des kaiserlichen
Commandanten von Prag, entspann sich der Tumult. Die Gemahlin des
Fürsten, an'ö Fenster tretend, wie um Beruhigung zu bitten, wurde erschossen.
Alsbald begann der Kampf, die Stadt wurde vom Hradschin aus mit Bom-
den und Granaten beschossen. Mehrere Tage währte der Aufstand, endlich
- ' ■" 'Jb '
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T25: [Kaiser König Reichstag Recht Reich Verfassung Staat Regierung Jahr Fürst], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand März Graf_Bathyany Oestreich
Extrahierte Ortsnamen: Wien Mailand Preßburg Prag Wien Prag
261
zurückgekehrt, als am 23. August die ungezügelten Leidenschaften der unteren
Volksklassen eine Arbeiter-Emeute und einen blutigen Kampf erregten. Mit
Mühe nur wurde der täglich drohende Aufstand unterdrückt gehalten. Er
brach endlich durch die Einwirkung der ungarischen Angelegenheiten aus.
Die Erhebung der Südslaven gegen das ungarische Ministerium hatte den
Sommer hindurch jene Gegenden zum Schauplatz schrecklicher Verwüstungen
gemacht. Als nun der Ban Jellachich an die Spitze der Kroaten im Sep-
tember in Ungarn eindrang, wurde seine Verbindung mit dem Ministerium
in Wien offenkundig. Die Aufregung in Ungarn stieg; der Erzherzog Ste-
phan trat von seiner Würde als Palatin zurück, auch der ungarische Minister
Bathyani legte seine Stelle nieder; Kossuth begann seine Herrschaft. Der
Kaiser ernannte den Grafen La mb erg zum Gouverneur von Ungarn. Aber
Lamberg wurde am 21. September aus der Pesther Brücke greuelvoll von
dem Pöbel ermordet. Da erließ der Kaiser am 3. October ein Manifest,
worin Ban Jellachich zum Gouverneur von Ungarn ernannt, der dortige
Reichstag aufgelöst und Ungarn in Kriegszustand erklärt wurde. Die wilde
Gährung der Volksmasse in Wien wuchs unter dem Eindruck dieser Nach-
richten.
Am 6. October erhielten zwei Grenadier-Bataillone den Befehl, nach
Ungarn zu marschiren. Das Volk widersetzte sich ihrem Abmarsche, die Brücken
über die Donau wurden abgebrochen. Andres Militair rückte heran. Es
kam zum Kampfe, der sich in die Stadt hineinzog. Der Aufruhr, furcht-
barer und schrecklicher als alle vorhergehenden, durchtobte die Stadt. Die
wilden Volksschaaren stürmten das Kriegsministerium. Man suchte den Kriegs-
minister General Latour, und als man ihn ans seinem Versteck hervorgezogen,
wurde er auf schauderhafte Weise durch Hammerschläge, Messerstiche und Fuß-
tritte ermordet. Man hing ihn an einen Laternenpfahl auf; noch nach dem
Leichnam wurde geschossen. Darauf thürmten sich Barricaden empor; die
Nordbahn wurde zerstört, um den Zuzug des Militairs zu hindern. Schreck-
lich wüthete der Kampf am Zeughause. Es wurde die Nacht hindurch von
polnischen Truppen vertheidigt. Als diese in den Frühstnnden abzogen,
drang der Pöbel ein und bewaffnete sich. General von Auersberg hatte sich
mit dem Militair auf das Belvedere zurückgezogen. Der Kaiser, von den
Greueln dieses Aufruhrs erschüttert, floh die Nähe seiner empörten Haupt-
stadt. Er verließ am 7. October Schönbrunn und richtete seine Flucht nach
Olmütz, wo er am 14. October eintraf. Nach ihm ergriff die große Mehr-
zahl der Reichen und Vornehmen die Flucht; selbst Minister und viele
Mitglieder des Reichstages verließen Wien. Der Verkehr verschwand von
den Straßen, die Läden blieben geschlossen. Wien gewann das Ansehen eines
Feldlagers. Ueberall wurde an der Vertheidigung der Stadt gearbeitet; die
Barricaden glichen an wichtigen Punkten förmlichen Forts. An der Spitze
der Nationalgarde stand ein ehemaliger Lieutenant M e s s e n h a u s e r; der
polnische General Bem commandirte eine aus Arbeitern errichtete Mobil-
garde. Ungarisches Geld wirkte bei diesem Aufstande mit, und täglich wurde
der Zuzug der Ungarn mit Zuversicht erwartet.
Während dieser ganzen schrecklichen Zeit hatte der Reichstag, obwohl
durch die Flucht vieler Mitglieder an Zahl sebr geschmolzen, seine Sitzungen
TM Hauptwörter (50): [T12: [König Paris Jahr Napoleon General Frankreich Mann Tag Kaiser Minister], T40: [Polen Ungarn Land Rußland Preußen Stadt Donau Provinz Hauptstadt Königreich], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
TM Hauptwörter (100): [T8: [König Paris Regierung Minister Parlament Volk Frankreich Kammer Mitglied Verfassung], T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T19: [Feind Pferd König Mann Soldat Reiter Uhr Wagen Kanone Offizier], T18: [Donau Stadt Ungarn Böhmen Wien Hauptstadt Land Einw. Königreich Mulde], T98: [Volk Land König Krieg Zeit Feind Mann Macht Freiheit Kaiser]]
TM Hauptwörter (200): [T73: [König Paris Parlament Partei Frankreich Volk Regierung Nationalversammlung Republik Robespierre], T88: [Türke Ungarn Krieg Rußland Kaiser Sultan Wien Jahr Frieden Polen], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T140: [Stadt Franzose Feind Festung Truppe Tag Mann Paris Belagerung Angriff], T153: [Donau Ungarn Land Hauptstadt Böhmen Königreich Wien Stadt Galizien Siebenbürgen]]
Extrahierte Personennamen: August Bathyani Kossuth Lamberg
Extrahierte Ortsnamen: Ungarn Wien Ungarn Ungarn Ungarn Ungarn Wien Ungarn Donau Olmütz Wien Ungarn
277
Wachen und einige Offiziere wurden ermordet, aber der Aufstand wurde rasch
überwältigt und die Strenge verschärft. Doch rastlos dauern die Wühlereien
Mazzini's und der revolutionären Propaganda fort, die nationale Erregung
und der Haß gegen die Fremden kommt jenen Umtrieben entgegen und der
brennende Ehrgeiz Sardiniens sucht Raum für Thaten und Vergrößerung.
Im Süden, in Neapel, lastet ein unheimlicher Druck auf jedem Fortschritte
des Lebens. So drohen die Zustände Italiens mit einem revolutionären
Ausbruch, dessen Niederhaltung Oestreich mit großen Anstrengungen belastet,
und der durch das Hinzutreten anderer Umstände selbst eine Bedrohung des
europäischen Friedens werden könnte.
Der Aufstand Ungarns, diese furchtbarste unter den nationalen Er-
schütterungen Oestreichs, ist in seinen Anfängen im 144. Abschnitte bereits
berührt worden. Wir blicken des Zusammenhanges wegen darauf zurück.
Ungarn hatte in den Märztagen 1848 eine Constitution und ein eigenes
Ministerium errungen; seine Verbindung mit dem Kaiserreiche war dadurch
auf eine bloße Personal-Union zurückgeführt. Die südslavischen Nebenländer,
Kroatien, Slavonien, Dalmatien und die Militairgränze, durch den Sprachen-
kampf bereits gegen die Magyaren erbittert, wollten unter solchen Umständen
nicht zu Ungarn gehören, sondern bei der östreichischen Gesammt - Monarchie
verbleiben. Es entstand also ein Krieg der Ungarn gegen diese Slaven,
welcher im Sommer 18^8 mehrere Schlachten und eine furchtbare Ver-
wüstung jener Gegenden herbeiführte. Der Ban Jellachich von Kroatien,
Hauptführer der slavischen Gegenbewegung, war anfänglich vom kaiserlichen
Hofe mit Mißtrauen behandelt worden, hatte aber diese Ungunst überwunden
und besaß das Einverständniß des Kaisers. Nachdem nun der Prager Auf-
stand gedämpft und der Slaven-Congreß zerstreut war; nachdem Radetzky bei
Custozza den lombardischen Krieg günstig gewendet hatte, sing die östreichische
Regierung an, eine Herstellung der Gesammtkraft Oestreicks zu verfolgen.
Auch der Krieg der Slaven und Ungarn sollte eingestellt werden. Aber der
zum Gouverneur Ungarns ernannte Graf Lamberg wurde ermordet, und
als Jellachich an seine Stelle ernannt und der ungarische Reichstag aufgelöst
wurde, setzten die Ungarn diesen Befehlen Widerstand entgegen. Kossuth ent-
flammte durch seine Beredtsamkeit den nationalen Fanatismus der Magyaren.
Es sollte ein Theil der Truppen in Wien nach Ungarn abgehcn. Dies
wurde vom Volke verhindert, wie wir es aus Abschnitt 144 wissen. Nach-
dem der Wiener October-Aufstand niedergeschlagen war, mußte, um das Ziel
der einheitlichen Monarchie zu erreichen, der Widerstand Ungarns gebrochen
werden. Fürst Windischgrätz erhielt den Oberbefehl über die gegen Ungarn
bestimmten Streitkräfte. Bald darauf bestieg Kaiser Franz Joseph den
Thron. Der ungarische Reichstag verwarf die Abtretung der Krone. Da
begann der Krieg für das landesherrliche Ansehen, wie für Zurückführung
Ungarns in den Zusammenhang mit Oestreich.
Anfänglich machten die kaiserlichen Heere rasche Fortschritte. Preßburg
wurde am 18. December, Raab am 27. eingenommen. Der ungarische
Reichstag verlegte sich nach Debrezin und verließ Pesth. Kossuth nahm auch
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Extrahierte Personennamen: Oestreich Radetzky Custozza Oestreicks Graf_Lamberg Kossuth Franz_Joseph Franz Raab Kossuth